Geschichte der Kirche
Winter Quarters


„Winter Quarters“, Themen im Zusammenhang mit der Geschichte der Kirche

„Winter Quarters“

Winter Quarters

1846, einige Monate nach dem Aufbruch aus Nauvoo, von wo aus die Heiligen der Letzten Tage mühselig langsam knapp 500 Kilometer weit durch das Territorium Iowa gezogen waren, machten Brigham Young und das Kollegium der Zwölf Apostel Halt und unterbrachen den Treck nach Westen, um sich auf den Winter vorzubereiten. Gern hätte Brigham Young schon im Sommer das Große Becken erreicht, aber der schlammige Weg und Krankheiten hatten den Flüchtlingen zugesetzt.1 Nachdem man Joseph Smith ermordet und die Heiligen schließlich aus Nauvoo vertrieben hatte, zweifelten viele von ihnen inzwischen daran, dass sie sich noch auf den Schutz durch die Landesgesetze verlassen konnten.

Die Führer der Kirche entschieden sich für einen Ort im Indianerterritorium, in der Gegend von Council Bluffs am Missouri, und trafen mit den Stämmen der Omaha und der Potawatomi sowie mit Indianerbeauftragten der Regierung die Vereinbarung, dort vorübergehend eine Siedlung errichten zu dürfen.2 Das Westufer des Missouris, von wo aus man gut mit der Fähre übersetzen konnte, gehörte ebenfalls zum Indianerterritorium. Etwa 7.000 Heilige erreichten den Ort 1846, während 3.000 weitere entlang des Wegs durch Iowa in Lagern zurückblieben.3 Die Heiligen hoben Erdbehausungen aus und errichteten Blockhütten, hatten aber kaum noch Proviant und Vorräte für den herannahenden Winter. Hunger, Unterernährung und das Leben auf dichtem Raum trugen dazu bei, dass sich Krankheiten rasch ausbreiteten.4

Als die Heiligen sich auf ihre Weiterreise vorbereiteten, ergab sich für sie eine Gelegenheit, ihre Mittel aufzubessern: Die US-Armee brauchte Soldaten. Zwar waren die Heiligen noch immer von der Regierung enttäuscht und wollten sich für den Krieg gegen Mexiko nur ungern verpflichten, aber dennoch schlossen sich 500 Männer dem Mormonenbataillon an, da ihr Sold der Kirche von Nutzen war.5 Der Großteil des Soldes wurde als Spende an Bischof Newel K. Whitney übergeben. Er kaufte davon in St. Louis in Missouri Lebensmittel und weitere Vorräte für das Vorratshaus von Winter Quarters.6

Brigham Young bat den Herrn um Führung und empfing eine Offenbarung mit Anweisungen, wie sich die Heiligen auf den Treck nach Westen vorbereiten sollten.7 Mehrere Träume ließen in ihm eine Vision heranreifen, wie er das Haus Israel auf den Weg bringen konnte, den es gemäß der mit Gott geschlossenen Bündnisse gehen sollte. Als er am 7. April 1847 aus Winter Quarters aufbrach, um mit dem Vortrupp weiter nach Westen zu ziehen, war er zuversichtlich und gefasst.8

Die Heiligen, die in Winter Quarters zurückblieben, trafen unterdessen Vorkehrungen, in großen Gruppen nachzukommen. Im Sommer und Herbst 1847 stießen immer mehr Flüchtlinge zu ihnen, die noch in Iowa unterwegs gewesen waren. Man berief weitere Bischöfe, die mithalfen, die Armen und Bedürftigen zu versorgen – einen pro Häuserblock.9 Die Frauen, von denen es in der Stadt weitaus mehr gab als Männer, beteten gemeinsam und segneten einander.10 Nachdem das Wetter besser geworden war, bauten die Heiligen stabilere Häuser und bepflanzten und umzäunten Felder für künftige Durchreisende.

Als Brigham Young im Herbst 1847 von der Expedition ins Große Becken nach Winter Quarters zurückkehrte, fand er eine blühende Siedlung vor. Er rechnete jedoch damit, dass sie sie zurücklassen mussten, da der Vertrag mit dem Stamm der Omaha in ein paar Monaten auslief. Die Heiligen zogen ostwärts über den Fluss zurück nach Iowa und benannten das neue Hauptquartier für die Auswanderung in den Westen „Kanesville“ – nach Thomas L. Kane, der ihnen nach der Vertreibung aus Nauvoo zu Hilfe geeilt war.11

Im Dezember 1847 kamen die Heiligen der Letzten Tage in Kanesville in einer Schutzhütte aus Holz zusammen und bestätigten eine neue Erste Präsidentschaft mit Brigham Young als neuem Präsidenten. Orson Hyde wurde der neue Präsident des Kollegiums der Zwölf Apostel.12 Brigham Young und seine Ratgeber führten im Frühjahr Abteilungen in den Westen. Orson Hyde blieb in Kanesville und überwachte die Ankunft, die Vorbereitungen und die Abreise von Heiligen, die aus den Oststaaten und aus Europa zu ihnen kamen.

In Winter Quarters hatten sich die Heiligen kaum für den Treck in den Westen ausrüsten können, aber in Kanesville sorgte der Goldrausch von 1849 für hohe Einnahmen.13 Auswanderer, die auf ihrem Weg nach Kalifornien durch Kanesville kamen, waren bereit, für Proviant und Vorräte mehr als üblich zu bezahlen. Brigham Young und die weiteren Führer der Kirche forderten die Heiligen erneut eindringlich dazu auf, sich in Zion zu sammeln. 1852 brachen 21 Wagenzüge mit etwa 10.000 Heiligen nach Utah auf. Kanesville wurde bald darauf in Council Bluffs umbenannt, und Winter Quarters wurde später zu Florence in Nebraska.14

Anmerkungen

  1. Richard E. Bennett, Mormons at the Missouri, 1846–1852: „And Should We Die“, University of Oklahoma Press, Norman 1987, Seite 90; Edward L. Kimball und Kenneth Godfrey, „Law and Order in Winter Quarters“, Journal of Mormon History, 32. Jahrgang, Nr. 1, Frühjahr 2006, Seite 172–218

  2. Die Ländereien der Potawatomi befanden sich östlich des Missouris, die Omaha erhielten Land westlich des Flusses. Die US-Regierung gab für das Land der Omaha eine Höchstdauer von zwei Jahren vor. Bis zum Mai 1848 mussten die Bewohner von Winter Quarters aufbrechen (Kimball und Godfrey, „Law and Order in Winter Quarters“, Seite 174f.).

  3. Im Winter 1846/47 beherbergte Winter Quarters etwa 4.000 Personen, und in den Lagern am Ostufer des Flusses waren weitere 3.000 untergekommen. Die 3.000, die noch auf dem Weg durch Iowa verstreut waren, hatten unter anderem in Garden Grove und Mount Pisgah ihr Lager aufgeschlagen. Weitere 1.700 Heilige verbrachten den Winter in Missouri, die meisten in St. Louis (Richard E. Bennett, „Winter Quarters: Church Headquarters, 1846–1848“, Ensign, September 1997, Seite 46f.; siehe auch Chad M. Orton, „,This Shall Be Our Covenant‘: D&C 136“, in: Matthew McBride und James Goldberg, Hg., Revelations in Context: The Stories behind the Sections of the Doctrine and Covenants, Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, Salt Lake City 2016, Seite 307).

  4. Siehe Joseph B. Hinckley, „Saints and Sickness: Medicine in Nauvoo and Winter Quarters“, Religious Educator, 10. Jahrgang, Nr. 3, 2009, Seite 137–149; Evan L. Ivie, „Deaths in Early Nauvoo, Illinois, 1839–46, and in Winter Quarters, Nebraska, 1846–48“, Religious Educator, 10. Jahrgang, Nr. 3, 2009, Seite 163–174

  5. Siehe Themen: Mormonenbataillon, Mexikanisch-Amerikanischer Krieg

  6. Bennett, „Winter Quarters“, Seite 47

  7. Siehe Lehre und Bündnisse 136

  8. Orton, „This Shall Be Our Covenant“, Seite 307–314; „Exodus to Zion in the American West“, history.ChurchofJesusChrist.org

  9. Bennett, „Winter Quarters“, Seite 47

  10. Laurel Thatcher Ulrich: A House Full of Females: Plural Marriage and Women’s Rights in Early Mormonism, 1835–1870, Alfred A. Knopf, New York 2017, Seite 169–183

  11. Siehe Thema: Thomas L. und Elizabeth Kane; William G. Hartley, „Council Bluffs/Kanesville, Iowa: A Hub for Mormon Settlements, Operations, and Emigration, 1846–1852“, John Whitmer Historical Association Journal, Band 26, 2006, Seite 27f.

  12. Siehe Thema: Nachfolge in der Führung der Kirche; Aaron L. West, „Sustaining a New First Presidency in 1847: Why We Remember the Kanesville Tabernacle“, 20. November 2017, history.ChurchofJesusChrist.org

  13. Siehe Thema: Goldrausch in Kalifornien

  14. Hartley, „Council Bluffs/Kanesville“, Seite 43–46