Geschichte der Kirche
Rundfunkmedien


„Rundfunkmedien“, Themen im Zusammenhang mit der Geschichte der Kirche, 2022

„Rundfunkmedien“, Themen im Zusammenhang mit der Geschichte der Kirche

Rundfunkmedien

Im Jahr 1920 gab es in den Vereinigten Staaten lediglich einen Radiosender. Nur zwei Jahre später war die Zahl der Sender auf 500 angestiegen.1 Die Führer der Kirche nutzten die neu aufkommende Technik bereits früh, und so erhielt die Latter-day Saints University in Salt Lake City (das heutige Ensign College) die erste an eine Bildungseinrichtung vergebene Funklizenz. In der ersten Radiosendung der Kirche am 6. Mai 1922 wandte sich Präsident Heber J. Grant über den Sender KZN in Salt Lake City, dessen einzige Sendeanlage in einem Blechschuppen auf dem Dach des Deseret-News-Gebäudes untergebracht war, an die Hörer. Im Rahmen seiner kurzen Ansprache las Präsident Grant das Zeugnis von Joseph Smith und Sidney Rigdon in Lehre und Bündnisse 76 vor.2 Im Jahr darauf wurde die Generalkonferenz im Radio übertragen und erreichte rund eine Million Hörer.3 1925 erwarb die Kirche die Mehrheitsrechte am Sender, und es erfolgte die Umbenennung in KSL. Auch ein Jahrhundert später befand sich der Sender im Besitz der Kirche und wurde von dieser betrieben.4

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Präsident Heber J. Grant

Präsident Heber J. Grant wendet sich in der ersten Radiosendung der Kirche, die im Mai 1922 aus dem Blechschuppen des Senders KZN vom Dach des Deseret-News-Gebäudes in Salt Lake City ausgestrahlt wird, an die Hörer

Im darauffolgenden Jahrzehnt arbeitete die Kirche daran, auch Radiosender außerhalb Utahs einzurichten. 1929 ging KSL eine Partnerschaft mit der National Broadcasting Company (NBC) in New York City ein und rief eine wöchentliche Radiosendung ins Leben, die der Tabernakelchor bestritt.5 Die Sendung Music & the Spoken Word mit dem Chor umfasste auch Wortbeiträge, die von dem Radiosprecher Richard L. Evans verlesen wurden, und erreichte ein landesweites Publikum. Sie ist die älteste noch immer im Programm befindliche Radiosendung der Welt.6 1933 schloss sich der Sender KSL mit der Columbia Broadcasting System (CBS) zusammen und rief eine von der Kirche geförderte Sendereihe unter dem Titel „The Church of the Air“7 ins Leben.

1935 gründeten die Führer der Kirche das Komitee für Radio, Öffentlichkeitsarbeit und Missionarsliteratur. Das Komitee beauftragte den erst kurz zuvor von Mission zurückgekehrten Gordon B. Hinckley, der Jahre später Präsident der Kirche werden sollte, Andachten und Hörspiele für das Radio zu verfassen. Darunter waren Sendungen wie die sonntags ausgestrahlte Church Hour, The Fulness of Times, A New Witness for Christ und The Church’s Attitude.8 Zur gleichen Zeit vergrößerte die Kirche die Reichweite ihrer Radioprogramme, indem sie in den gesamten Vereinigten Staaten Sender erwarb.

Zwar war es bereits Anfang des 20. Jahrhunderts im Versuchsaufbau gelungen, Bilder über Funkwellen zu übertragen, aber letztlich waren es die Erfindungen auf dem Gebiet der Schaltungstechnik von Edwin H. Armstrong und Philo T. Farnsworth, einem Mitglied der Kirche aus Idaho, die dem Fernsehen zum Durchbruch verhalfen.9 Im Oktober 1948 initiierten die Führer der Kirche den ersten Versuch, die Generalkonferenz zu der internen Fernsehanlage in Gebäuden am Tempelplatz zu übertragen. Im Jahr darauf gründete KSL den ersten kommerziellen Fernsehsender in Utah und übertrug im Oktober 1949 die Generalkonferenz – zum ersten Mal auf TV-Geräten frei empfangbar. Mit zunehmendem Wachstum der Kirche außerhalb des Westens der Vereinigten Staaten sorgten die Partner von KSL und weitere Sender im Besitz der Kirche dafür, dass nicht nur die Menschen in den gesamten Vereinigten Staaten, sondern auch die Zuschauer in Europa und Lateinamerika erreicht wurden.10

1962 umkreisten die ersten Kommunikationssatelliten die Erde und übertrugen Radio-, Fernseh- und Telefonsignale in die ganze Welt. Im selben Jahr trat der Tabernakelchor in der ersten Fernsehsendung auf, die weltweit per Satellit übertragen wurde. Diese Veranstaltung, die den Werten Amerikas galt, wurde vom Mount Rushmore aus ausgestrahlt.11 David M. Kennedy – ein Mitglied der Kirche und von Beruf Bankier, der auch gelegentlich als Sonderbeauftragter der Ersten Präsidentschaft fungierte – gehörte dem Vorstand von COMSAT an, einer aus Bundesmitteln finanzierten Firma zum Aufbau eines Satelliten-Kommunikationssystems.12 Die Führer der Kirche machten sich Kennedys Erfahrung zunutze und zögerten nicht mit der Einführung der neuen Technik, obwohl das gesetzliche Regelwerk hierzu noch längst nicht in Stein gemeißelt war. Sie sorgten dafür, dass an vielen Gemeindehäusern weltweit Satellitenantennen angebracht wurden und gründeten die Firma Bonneville International, um Satellitenübertragungen zu realisieren. In den 1980er Jahren gab es zahlreiche kircheneigene Satellitenantennen, die dem Empfang von Übertragungen der Generalkonferenz und weiterer Versammlungen sowie als Relaisstation dienten. So konnten die Mitglieder der Kirche auch über große Entfernungen hinweg an Live-Veranstaltungen teilnehmen. Die weltweite Ausstrahlung erforderte auch das Dolmetschen der Generalkonferenz in andere Sprachen, was bereits 1961 seinen Anfang nahm, als die Konferenz ins Deutsche, Niederländische, Samoanische und Spanische gedolmetscht wurde. Im April 2000 führte Gordon B. Hinckley, der damalige Präsident der Kirche, im Palmyra-New-York-Tempel in der Nähe des heiligen Hains die erste an Pfahlzentren in aller Welt übertragene Tempelweihung durch.13

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Der Tabernakelchor

Der Tabernakelchor bei seinem Auftritt am Mount Rushmore im Jahr 1962, als erstmals eine Fernsehsendung per Satellit weltweit übertragen wurde

Radio und Fernsehen wuchsen mit der Zeit zu Massenmedien heran, die ein riesiges und vielfältiges Angebot für ein internationales Publikum bereitstellen. Zu Beginn der 1990er Jahre kam das Internet auf; seitdem hat sich die Medienreichweite der Kirche kontinuierlich vergrößert. Hierzu trägt vor allem das Breitband-Internet mit der Möglichkeit des digitalen Streamings bei. Die Herbst-Generalkonferenz 1999 wurde erstmals weltweit über das Internet übertragen. Seitdem überträgt die Kirche Veranstaltungen aller Art sowohl über mobile als auch über klassische Medienplattformen.14 2021 wurde die Generalkonferenz in mehr als 70 Ländern im Fernsehen und im Radio übertragen. Weitere Millionen von Menschen nahmen online teil.15

Verwandte Themen: Öffentlichkeitsarbeit, Tabernakelchor

  1. Erik Barnouw, A Tower in Babel: A History of Broadcasting in the United States to 1933, Oxford University Press, New York 1966, Seite 4; Bruce L. Christensen, „Broadcasting“, in: Daniel H. Ludlow, Hg., Encyclopedia of Mormonism, Macmillan, New York 1992, Seite 232

  2. Pearl F. Jacobson, „Utah’s First Radio Station“, Utah Historical Quarterly, 32. Jahrgang, Nr. 2, 1964, Seite 130–139

  3. Heber J. Grant, Herbst-Generalkonferenz, 3. Oktober 1924

  4. Jacobson, „Utah’s First Radio Station“, Seite 142f.

  5. Zwischen 1915 und 2018 war der Chor als „Mormon Tabernacle Choir“ (im deutschsprachigen Raum: Tabernakelchor) bekannt; 2018 wurde er umbenannt und heißt jetzt „The Tabernacle Choir at Temple Square“; siehe Thema: Tabernakelchor; Michael Hicks, The Mormon Tabernacle Choir: A Biography, University of Illinois Press, Urbana 2015, Seite 61

  6. Jacobson, „Utah’s First Radio Station“, Seite 142f.; Christensen, „Broadcasting“, Seite 232f.; „Music & the Spoken Word“, The Tabernacle Choir at Temple Square, https://www.thetabernaclechoir.org/music-spoken-word.html; Barnouw, A Tower in Babel, Seite 250; siehe auch Thema: Tabernakelchor

  7. Christensen, „Broadcasting“, Seite 233; Ryan Morgenegg, „A Historic Look at the Church’s Use of Media“, Church News, 9. Oktober 2014, https://www.churchofjesuschrist.org/church/news/a-historic-look-at-the-churchs-use-of-media

  8. Sheri L. Dew, Go Forward with Faith: The Biography of Gordon B. Hinckley, Deseret Book, Salt Lake City 1996, Seite 94, 100f.

  9. Erik Barnouw, Tube of Plenty: The Evolution of American Television, 2. überarbeitete Auflage, Oxford University Press, New York 1990, Seite 77–83

  10. Christensen, „Broadcasting“, Seite 233; Sherry Baker, „Mormon Media History Timeline: 1827–2007“, Faculty Publications, Nr. 959, Seite 48ff., Brigham-Young-Universität, http://hdl.lib.byu.edu/1877/1452

  11. J. B. Haws, The Mormon Image in the American Mind: Fifty Years of Public Perception, Oxford University Press, New York 2013, Seite 23f.; Michael Hicks, The Mormon Tabernacle Choir: A Biography, University of Illinois Press, Urbana 2015, Seite 121

  12. Martin Berkeley Hickman, David Matthew Kennedy: Banker, Statesman, Churchman, Deseret Book, Salt Lake City 1987, Seite 179f.; Barnouw, Tube of Plenty, Seite 310–315

  13. „General Conference Interpretation Fact Sheet“, Presseseite der Kirche, https://newsroom.churchofjesuschrist.org/article/general-conference-interpretation-fact-sheet; Baker, „Mormon Media History Timeline“

  14. „Conference Broadcast on the Internet“, Ensign, November 1999, https://www.churchofjesuschrist.org/study/ensign/1999/11/news-of-the-church/conference-broadcast-on-the-internet; Baker, „Mormon Media History Timeline“

  15. „Another General Conference of Firsts This Easter Weekend“, Deseret News, 29. März 2021, https://www.deseret.com/faith/2021/3/29/22338105/another-general-conference-of-firsts-this-easter-weekend-broadcast-to-70-countries-worldwide-lds