Geschichte der Kirche
William Paul Daniels


„William Paul Daniels“, Themen im Zusammenhang mit der Geschichte der Kirche (2022)

„William Paul Daniels“, Themen im Zusammenhang mit der Geschichte der Kirche

William Paul Daniels

William Paul Daniels wurde am 20. August 1864 in Stellenbosch in Südafrika geboren.1 Er und sein Vater, William Carl, trugen beide viele Jahre lang den Nachnamen February (Februar), was sich entweder auf die zierliche Statur von William Carl bezog oder darauf, dass sein Geduldsfaden etwas kurz geraten war – der Februar ist schließlich der kürzeste Monat des Jahres.2

William Paul wuchs in einer stark rassistisch geprägten Kultur auf und galt als „coloured“ (farbig), was in Südafrika für Menschen gemischter Abstammung verwendet wurde. Südafrika gehörte einst zum Netz des niederländischen Sklavenhandels, das sich von den Küsten Afrikas bis zur indonesischen Inselgruppe erstreckte. Die ethnisch vielfältige farbige Bevölkerung des später von den Briten kolonisierten Südafrika spiegelt diese komplizierte Vergangenheit wider. Daniels behauptete, dass die Familie seines Vaters von Europäern abstamme und seine Mutter von versklavten Malaien, die von der Niederländischen Ostindien-Kompanie aus Batavia (heute Jakarta in Indonesien) verschleppt worden waren.3 Anscheinend hat er sich aber auch zu schwarzafrikanischen Vorfahren bekannt.4

1893 heiratete er Clara Elizabeth Carelse, eine Farbige aus Kapstadt.5 Die beiden hatten vier Kinder, die allesamt das Erwachsenenalter erreichten.6 Obwohl die allgegenwärtige Diskriminierung seiner Rasse seine Möglichkeiten vielfach einschränkte, wurde William in Kapstadt zum Kleinunternehmer und betrieb eine Schneiderei, ein Taxiunternehmen und eine kleine Farm.7 Dem Beispiel seiner Eltern folgend, war William ein gläubiger Christ. Er gehörte der niederländisch-reformierten Kirche an und war Diakon, Ältester und Mitglied der Blaskapelle der Kirchengemeinde St. Stephen’s in Kapstadt.8

William lernte die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage durch seine Schwester Phyllis Sampson kennen. Sie und ihr Mann ließen sich taufen und zogen 1911 nach Utah. Williams Sohn Abel, der seine Tante und seinen Onkel begleitet hatte, ließ sich in Utah taufen.9 Anfangs zeigte William kein Interesse, doch schon bald freundete er sich mit dem Missionspräsidenten an, Nicholas G. Smith, einem Kunden seiner Schneiderei. Seine Gespräche mit Smith und anderen Missionaren weckten sein Interesse an der Kirche, aber als sie ihm erklärten, dass Männern die Ordinierung versagt wurde, wenn ihre Vorfahren Schwarze waren, war er sehr beunruhigt. William beschloss, nach Utah zu reisen, um mehr über die Kirche zu erfahren und sich an ihre Führer zu wenden.10

1915 traf William während seines Aufenthalts in Utah mit Präsident Joseph F. Smith zusammen, der die Einschränkung bei der Ordinierung bestätigte, ihm aber einen Segen gab. Darin ermahnte er ihn, treu zu sein, und erklärte, dass er eines Tages zum Priestertum ordiniert werden würde.11 William wurde zusammen mit seinem Sohn Simon, der ihn auf der Reise begleitet hatte, in Clearfield/Utah getauft. Noch im selben Jahr kehrte William mit seinen beiden Söhnen nach Hause zurück.12

Er erkannte bald, dass das Leben als farbiger Heiliger der Letzten Tage in Kapstadt zu dieser Zeit sowohl Probleme als auch Segnungen mit sich brachte. Einerseits begünstigte die südafrikanische Kultur in den Jahren vor der Apartheid die weißen Südafrikaner, die immer weniger mit Schwarzen und Farbigen zu tun haben wollten. Daniels und seine Familie fühlten sich in dem überwiegend aus Weißen bestehenden Zweig in Mowbray nicht willkommen. Sie saßen allein im hinteren Teil und schlichen am Ende der Versammlungen hinaus.13 Andererseits gab William oft Zeugnis für die Segnungen des Evangeliums in seinem Leben. Er schätzte besonders die Möglichkeit, den Glauben und das Priestertum der Missionare und der örtlichen Mitglieder für Krankensegen in Anspruch zu nehmen, denn er hatte zahlreiche gesundheitliche Beschwerden. Dass die Macht Gottes ihn bei etlichen Gelegenheiten geheilt habe, bestätigte er.14

William nahm regelmäßig an den Sonntagsversammlungen teil, gab Zeugnis, verteidigte die Kirche in den örtlichen Zeitungen und sprach mit seiner Familie und seinen Freunden über das Evangelium.15 Clara wurde 1918 zusammen mit einer anderen farbigen Freundin der Familie, Emma Beehre, getauft.16 Williams Tochter Alice und sein Sohn William Carl wurden 1920 getauft.17 William und seine Familie halfen dabei, für eine Orgel im neuen Kirchengebäude in Mowbray Geld zu beschaffen. Sie boten jede Woche Bibelstunden in ihrem Haus an und gehörten zu den Besten bei missionsweiten Wettbewerben im Lesen der heiligen Schriften und im Verteilen des Buches Mormon.18 Häufig luden William und Clara Missionare und Mitglieder des Zweiges zu sich nach Hause zum Essen ein. Viele Jahre lang war die Teilnahme an einem Abendessen im Hause Daniels ein Muss für neue Missionare.19 Diese Mahlzeiten waren ein wichtiger Beitrag der Familie zur Gemeinschaft der Heiligen der Letzten Tage in Südafrika, und Clara erwarb sich den Ruf einer ausgezeichneten Köchin.

Bild
Eine Gruppe von Missionaren

William (vorne links) und Clara (Dritte von rechts) bewirten alle Missionare der Südafrikanischen Mission bei einem besonderen Abendessen, um 1927

William sehnte sich noch immer nach dem Priestertum und den Segnungen des Tempels. Im Jahr 1920 äußerte er gegenüber Missionspräsident Nicholas G. Smith seine Enttäuschung darüber, dass sein Schwager David in Utah ordiniert worden war. David wirkte offensichtlich weiß genug, obwohl seine Mutter eine Farbige war.20 Wie David gaben sich damals viele Menschen mit gemischter Abstammung als Angehörige einer anderen Rasse aus – eine Praxis, die als „Rassenwechsel“ bezeichnet wird.21 Etwa zur gleichen Zeit behauptete William selbst, nur europäische und malaysische Vorfahren zu haben.22 Obwohl er manchmal ziemlich entmutigt war, sah William geduldig dem Tag entgegen, da er ordiniert werden und seine Familie Anspruch auf die Segnungen des Tempels haben würde – sei es in diesem oder im nächsten Leben.23

In den Jahren nach Williams Bekehrung hielt die Familie Daniels weiterhin am Montagabend eine Bibelstunde ab. Die Treffen waren für seine Familie eine Möglichkeit, als Heilige der Letzten Tage aktiv zu bleiben, auch wenn sie sich bei anderen örtlichen Aktivitäten zunehmend unerwünscht fühlten. Während Williams Söhne sich schließlich alle von der Kirche distanzierten, nahmen William, Clara und Alice weiterhin aktiv am Kirchenleben teil.24 William sorgte dafür, dass während der Bibelstunde akribisch Protokolle geführt und anschließend nach Salt Lake City geschickt wurden, damit sie „in die Kirchengeschichte eingehen“ konnten.25

Im November 1931 gründete Missionspräsident Don McCarroll Dalton aus den Teilnehmern der Bibelstunde einen Zweig. Dieser wurde der „Zweig der Liebe“ genannt und bestand aus der Familie Daniels und Emma Beehre. Andere farbige Freunde nahmen zusammen mit Missionaren und einigen weißen Mitgliedern aus Kapstadt an den Versammlungen teil. William wurde als Zweigpräsident eingesetzt. Er war der einzige Mann schwarzafrikanischer Abstammung, der diese Funktion nachweislich schon vor 1978 innehatte.26 Clara wurde als FHV-Präsidentin und Alice als Zweigsekretärin berufen.27

William betrachtete den Zweig als einen Segen für seine Familie. Dalton hielt es für angebracht, William zur Würdigung seiner Verdienste und seiner Hingabe „das Vorrecht einzuräumen“, in der Kirche „eine besondere Arbeit zu verrichten“. Wie viele Heilige der Letzten Tage hoffte auch Dalton, dass der Herr bald weitere Offenbarungen über die Einschränkung bei der Ordinierung geben würde.28 Er war überzeugt, dass durch den Glauben und die Hingabe von William und anderen „die Barriere überwunden werden würde“, und er glaubte, „dass die Zeit kommen werde, in der dieses kleine Heim, die regelmäßigen Treffen am Montagabend und Williams Treue in Afrika als ein Beispiel für den Glauben stehen würden“.29

Anfang der 30er Jahre verschlechterte sich Williams Gesundheitszustand. Trotz medizinischer Versorgung, Priestertumssegen und des Glaubens und der Gebete der schwarzen und weißen Heiligen der Letzten Tage in Kapstadt starb William am 13. Oktober 1936. Die örtlichen Mitglieder der Kirche betrauerten seinen Tod im Gemeindehaus des Zweigs Mowbray.30 Vor seinem Tod hatte William sein Zeugnis in der Missionszeitschrift veröffentlicht: „Ich weiß, dass Joseph Smith ein neuzeitlicher Prophet Gottes war“, erklärte er darin, „und ich weiß, dass er maßgeblich an der Wiederherstellung der Kirche Jesu Christi beteiligt war und dass das wiederhergestellte Evangelium nichts anderes umfasst als die Lehren Christi.“31 Als nach der Offenbarung vom Juni 1978 die Einschränkung aufgehoben wurde und Angehörige aller Rassen zum Priestertum ordiniert werden durften und uneingeschränkt im Tempel mitwirken konnten, sorgte Alice, die Tochter von William und Clara, dafür, dass die Tempelarbeit für ihre Eltern abgeschlossen wurde. Damit löste sie das Versprechen von Präsident Smith ein, dass William eines Tages ordiniert werden würde.32

Verwandte Themen: Rassentrennung, Einschränkungen bei Priestertum und Tempel

  1. Evan P. Wright, A History of the South African Mission, Period II, 1903–1944, ca. 1985, Seite 251

  2. Mitgliederliste, Gemeinde 33, Pfahl Liberty, Salt Lake City 1913; Wright, History of the South African Mission, Seite 251

  3. William Paul Daniels an Heber J. Grant, 11. Februar 1926, First Presidency Mission Files, 1908, 1915–1949, Historisches Archiv der Kirche

  4. Wright, History of the South African Mission, Seite 255; die meisten, die Daniels kannten, gingen davon aus, dass er schwarzer Abstammung war; siehe Samuel Martin, Autobiografie, 1. Januar 1927, Seite 289, Historisches Archiv der Kirche; Tagebuch von Royal D. Crook, 1. Januar 1924, MS 9055, HAK

  5. Wright, History of the South African Mission, Seite 251

  6. Mitgliederliste der Kap-Kolonien, Südafrika, 1853–1946, Record of Members Collection, CR 375 8, Historisches Archiv der Kirche

  7. Wright, History of the South African Mission, Seite 252; Tagebuch von Crook, 23. Oktober 1922

  8. Wright, History of the South African Mission, Seite 254

  9. Mitgliederliste der Kap-Kolonien; David S. Sampson, Erklärung der Einbürgerungsabsicht, 4. April 1913 FamilySearch.org

  10. Wright, History of the South African Mission, Seite 253ff.

  11. Wright, History of the South African Mission, Seite 255

  12. Mitgliederliste der Gemeinde Clinton, Record of Members Collection, CR 375 8, Historisches Archiv der Kirche; „Personals“, The Herald-Republican, Salt Lake City, 21. November 1915, Seite 2–A

  13. Wright, History of the South African Mission, Seite 247; siehe Thema: Rassentrennung

  14. W. P. Daniels, „My Testimony“, Cumorah’s Southern Messenger, Jahrgang 9, Nr. 2, 20. Februar 1935, Seite 28f.; Zweig Love, diverse Protokolle, 1925–1934, 21. August 1933, Historisches Archiv der Kirche; siehe Thema: Heilung

  15. Zweig Mowbray, allgemeine Protokolle, 14. Juni 1923; Wright, History of the South African Mission, Seite 254f.

  16. Mitgliederliste der Kap-Kolonien

  17. Mitgliederliste der Kap-Kolonien

  18. „Mission Wide Book of Mormon Reading Competition“, Cumorah’s Southern Cross, Jahrgang 5, Nr. 10, Oktober 1931, Seite 232; „Book of Mormon Reading Competition“, Cumorah’s Southern Cross, Jahrgang 6, Nr. 3, März 1932, Seite 43ff.; „East London Wins Book of Mormon Reading Contest“, Cumorah’s Southern Cross, Jahrgang 6, Nr. 4, April 1932, Seite 62

  19. Don McCarroll Dalton, Tagebuch der Südafrikanischen Mission, 6. November 1933, Don McCarroll Dalton Papers, L. Tom Perry Special Collections, Harold B. Lee Library, Provo, Utah; Samuel Martin, Autobiografie, 1. Januar 1927, MS 6365, Historisches Archiv der Kirche, Salt Lake City; Südafrikanische Mission, Allgemeine Protokolle, 8. März 1921, Historisches Archiv der Kirche, Salt Lake City

  20. Präsident Smith erklärte, dass William „und seine Familie Farbige sind, aber mehr nach dem Evangelium leben als jeder andere in dieser Mission. Sie wundern sich jedoch über den Fortschritt ihrer Verwandten, die nicht so eifrig nach dem Evangelium leben wie sie, deren Haut aber zufällig weiß ist.“ (Nicholas G. Smith an die Erste Präsidentschaft, 17. Juni 1920, Erste Präsidentschaft, Akten zu Missionen, 1908, 1915–1949, Historisches Archiv der Kirche, Salt Lake City.)

  21. Siehe Allyson Hobbs, A Chosen Exile: A History of Racial Passing in American Life, Harvard University Press, Cambridge/Massachusetts 2016

  22. 1926 war Williams Schwester Phyllis der Zutritt in den Tempel in Salt Lake City gewährt worden, und sie hatte begonnen, heilige Handlungen im Namen ihrer Vorfahren durchzuführen. Als ihr ethnischer Hintergrund 1925 von der Tempelpräsidentschaft in Frage gestellt wurde, schrieb William zu ihrer Verteidigung und betonte (im Gegensatz zu seinem früheren Eingeständnis), dass sie keine schwarzafrikanischen Angehörigen hätten. In seinem Brief behauptete William, dass es in Südafrika nur wenige Menschen schwarzer Abstammung gebe. Diese Behauptung bezeichnete Präsident Smith als unzutreffend. (Nicholas G. Smith an Heber J. Grant, 17. März 1926; Phyllis Sampson an George F. Richards, 18. August 1926; William Paul Daniels an Heber J. Grant, 11. Februar 1926; Erste Präsidentschaft, Akten zur Mission, 1908, 1915–1949, Historisches Archiv der Kirche, Salt Lake City.)

  23. Zweig Love, diverse Protokolle, 1925–1934, 22. Februar 1932, LR 11787 19, Historisches Archiv der Kirche, Salt Lake City; Wright, History of the South African Mission, Seite 255

  24. Wright, History of the South African Mission, Seite 255; Alice Okkers Oral History, MSS 1937, L. Tom Perry Special Collections, Harold B. Lee Library, Brigham-Young-Universität

  25. Zweig Love, diverse Protokolle, 1925–1934, 21. August 1933

  26. Es war üblich, dass die Missionspräsidenten die Zweigpräsidenten vorschlugen und beriefen. Aus den Protokollen des Zweigs geht hervor, dass Elder John A. Widtsoe vom Kollegium der Zwölf, der als Präsident der Europäischen Mission diente, Daniels’ Berufung genehmigte (Zweig Love, Protokolle, 14. Dezember 1931, Historisches Archiv der Kirche, Salt Lake City).

  27. Zu dieser Zeit war es nicht ungewöhnlich, dass Frauen als Schreiberin oder Sekretärin eingesetzt wurden; siehe zum Beispiel Instructions to Bishops and Counselors, Stake and Ward Clerks: No. 13, 1921, Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, Salt Lake City 1921, Seite 32; W. H. Brummer, „They Broke the Ice“, Cumorah’s Southern Messenger, Jahrgang 36, Nr. 4, April 1961, Seite 98f.; Kanarra Ward General Minutes, 14. bis 20. April 1912, LR 4305 11, Historisches Archiv der Kirche, Salt Lake City

  28. Don McCarroll Dalton an die Erste Präsidentschaft, 11. April 1930, Don McCarroll Dalton Papers, MSS 1509, L. Tom Perry Special Collections, Harold B. Lee Library, Brigham-Young-Universität

  29. Dalton, Tagebuch der Südafrikanischen Mission, 21. August 1933

  30. „Resting Now from Care and Sorrow“, Cumorah’s Southern Messenger, Jahrgang 10, Nr. 10, 20. Oktober 1936, Seite 153

  31. Daniels, „My Testimony“

  32. Wright, History of the South African Mission, Seite 259