Geschichte der Kirche
John und Leah Widtsoe


„John und Leah Widtsoe“, Themen im Zusammenhang mit der Geschichte der Kirche

„John und Leah Widtsoe“

John und Leah Widtsoe

Anfang des 20. Jahrhunderts zählten John Andreas Widtsoe und seine Frau Leah Eudora Dunford Widtsoe zu den bekanntesten Ehepaaren unter den Heiligen der Letzten Tage. John war Wissenschaftler und im universitären Verwaltungswesen tätig. Später gehörte er dem Kollegium der Zwölf Apostel an. Leah hatte einen Abschluss in Hauswirtschaftslehre und machte sich als Autorin verschiedenster Bücher einen Namen. Beide verfassten Artikel und bereiteten Lehrmaterial vor, das in Leitfäden sowie anderen Veröffentlichungen der Kirche erschien. Ihre Ehe sahen sie in jeder Weise als Partnerschaft – in der beruflichen Zusammenarbeit, beim Dienst in der Kirche und bei der Erziehung ihrer Kinder.

John wurde 1872 in Norwegen geboren und wanderte 1883 mit seiner Mutter Anna Widtsoe und seinem Bruder Osborne in die Vereinigten Staaten aus. Anna hatte sich drei Jahre zuvor in Norwegen der Kirche angeschlossen, und John ließ sich taufen, nachdem sich die Familie in Logan im Bundesstaat Utah niedergelassen hatte. Tagsüber verdiente er sich den Lebensunterhalt und abends lernte er mit einem Hauslehrer, bis er im Alter von 17 Jahren in Logan am Brigham Young College aufgenommen wurde. Sein Direktor Joseph M. Tanner erkannte Johns Potenzial und kümmerte sich nach dessen Abschluss darum, dass John sowie weitere junge Männer die notwendige Unterstützung erhielten und sich in Massachusetts an der Harvard University einschreiben konnten.1 John schloss 1894 sein Chemiestudium mit summa cum laude ab und kehrte nach Logan zurück, wo er als Forscher an der Landwirtschaftshochschule von Utah (der heutigen Utah State University) arbeitete.2

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Porträt von John A. Widtsoe

Porträt von John A. Widtsoe, um 1920

Leah war die Tochter von Susa Young Gates und Alma Dunford. Sie war eine Enkelin Brigham Youngs und kam 1874 zur Welt. 1896 erwarb sie an der University of Utah ihr Lehrerdiplom und setzte ihre Ausbildung sodann am angesehenen Pratt-Institut in Brooklyn im Bundesstaat New York fort, wo sie Hauswirtschaftslehre studierte. An der Brigham-Young-Universität absolvierte sie weiterführende Studienlehrgänge und löste 1897 ihre Mutter als Vorstand der Abteilung für Hauswirtschaftslehre ab.3 Leah trat für eine umfassendere Sichtweise auf die Arbeit im Haushalt ein und war der Meinung, dass „alles, was man in der Welt lernt, zuhause angewandt und auf den Punkt gebracht werden könne“.4

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Porträt von Leah Dunford Widtsoe

Porträt von Leah Dunford Widtsoe

John und Leah lernten sich durch Leahs Mutter Susa Young Gates kennen. Susa hatte John im Sommer 1892 gesehen, als sie im Rahmen eines an Harvard angegliederten Programms in Massachusetts Englisch studierte. Sie war von dem aufstrebenden jungen Wissenschaftler so beeindruckt, dass sie Leah im folgenden Sommer mit Maud May Babcock und einer Gruppe junger Frauen, die Rhetorik und Drama studieren wollten, zum Studium nach Cambridge schickte, damit Leah dort John persönlich kennenlernen konnte. Wie von Susa erhofft, zeigten die beiden jungen Leute Interesse aneinander und standen die nächsten Jahre in Briefkontakt.5 Im Juni 1898 wurden Leah und John von Joseph F. Smith im Salt-Lake-Tempel aneinander gesiegelt. Kurz darauf brach das frisch vermählte Paar nach Deutschland auf, wo John an der Universität Göttingen sein Promotionsstudium abschließen und sich weitere Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Bodenkunde aneignen wollte.6

Nach der Rückkehr in die Vereinigten Staaten begann John Widtsoes außerordentlich steile akademische Laufbahn. Er bekleidete verschiedene Positionen, war unter anderem Leiter der Forschungsstation Utah Experiment Station und Professor für Chemie an der Landwirtschaftshochschule in Utah, Vorstand der landwirtschaftlichen Fakultät an der Brigham-Young-Universität, Rektor der Landwirtschaftshochschule sowie Rektor der University of Utah. Nach fünf Jahren Amtszeit als Rektor der University of Utah wurde John Widtsoe 1921 ins Kollegium der Zwölf Apostel berufen. Als Apostel trug er durch seine Stellung im Treuhänderausschuss der Brigham-Young-Universität sowie im Bildungsausschuss der Kirche maßgeblich zur Gestaltung des Bildungswesens der Kirche bei.7

Während seines gesamten apostolischen Dienstes und seiner beruflichen Laufbahn war er stets bestrebt, den Heiligen der Letzten Tage ihren Glauben und die Lehren der Kirche anhand wissenschaftlicher Überlegungen näherzubringen. In diesem Bereich verfasste er auch mehrere Bücher, etwa Evidences and Reconciliations, A Rational Theology und Joseph Smith as Scientist. Da er erkannte, dass ein umfassendes Nachschlagewerk über das Priestertum vonnöten sei, veröffentlichte er 1939 unter der Leitung des Kollegiums der Zwölf Apostel das Buch Priesthood and Church Government. Er verfasste in der Zeitschrift Young Woman’s Journal auch Artikel über Ernährung und war von 1935 bis 1952 Mitherausgeber der Zeitschrift Improvement Era.8

Leah Widtsoes Studienabschlüsse in Hauswirtschaftslehre und Soziologie öffneten ihr ebenfalls so manche Tür. Zusätzlich zu ihrer Lehrtätigkeit an der Brigham-Young-Universität verfasste sie Bücher und Artikel über das Kochen und über wirksamere Methoden bei der Haushaltsführung.9 Gemeinsam mit John verfasste sie ein Buch, in dem sie wissenschaftliche Beweise für das Wort der Weisheit zusammentrug, und mit ihrer Mutter zusammen schrieb sie Bücher über die Leistungen der Frauen der Heiligen der Letzten Tage und über das Leben Brigham Youngs.10 Sie war an der Gründung der League of Women Voters in Utah beteiligt und arbeitete bei Bürgerinitiativen mit, die während der beiden Weltkriege die amerikanischen Soldaten unterstützten.11 1958 wurde Leah Widtsoe in die Hall of Fame – die Ehrenhalle – von Utah aufgenommen.

1927 wurden John und Leah Widtsoe berufen, über die Europäische Mission zu präsidieren. Als Missionspräsident schrieb John Broschüren für die Missionare und erstellte einen Lehrplan für die Jugend. Sowohl John als auch Leah waren maßgeblich an der Entwicklung der Gemeinschaftlichen Fortbildungsvereinigung für junge Heilige der Letzten Tage in Europa beteiligt.12 Leah Widtsoe diente als FHV-Präsidentin der Europäischen Mission und war für die Aktivitäten und den Lehrplan der Frauenhilfsvereinigung in ganz Europa zuständig. Zu ihren Aufgaben gehörten auch Übersetzung und Vertrieb von Materialien der Kirche.13

Die Widtsoes hatten sieben Kinder, doch nur drei überlebten das Säuglingsalter: die Älteste namens Anne, die Jüngste namens Eudora, und Marsel, der jedoch als junger Mann starb. John verstarb 1952 im Alter von 80 Jahren. Vor ihrem Tod im Jahr 1965 sagte Leah: „Weint nicht um mich, wenn ich sterbe. Ich singe dann nämlich fröhliche Hosiannas, weil ich ja zu meinen Lieben gehe.“14

Anmerkungen

  1. Thomas W. Simpson, American Universities and the Birth of Modern Mormonism, 1867–1940, University of North Carolina Press, Chapel Hill 2016, Seite 41; Arnold K. Garr, „A History of Brigham Young College, Logan, Utah“, Utah State University, Masterarbeit 1973, Seite 28

  2. „Elder Widtsoe, 80, Succumbs to Illness in S.L.“, Deseret News, 29. Dezember 1952, Seite A2; Albert E. Bowen, „John A. Widtsoe: Scientist, Public Servant, Friend“, Improvement Era, 55. Jahrgang, Nr. 1, Januar 1952, Seite 17

  3. „Leah Widtsoe, 91, Dies in S.L.“, Deseret News, 8. Juni 1965, Seite B1; Kathryn H. Shirts, „The Role of Susa Young Gates and Leah Dunford Widtsoe in the Historical Development of the Priesthood/Motherhood Model“, Journal of Mormon History, 44. Jahrgang, Nr. 2, April 2018, Seite 109

  4. Leah Eudora Dunford, „The Home“, Young Woman’s Journal, 9. Jahrgang, Nr. 5, Mai 1898, Seite 232

  5. Shirts, „The Role of Susa Young Gates“, Seite 107f.

  6. „Elder Widtsoe Succumbs to Illness“, Seite A2

  7. „Elder Widtsoe Succumbs to Illness“, Seite A2

  8. Siehe John A. Widtsoe, Evidences and Reconciliations: Aids to Faith in a Modern Day, Bookcraft, Salt Lake City 1951; John A. Widtsoe, A Rational Theology: As Taught by the Church of Jesus Christ of Latter-day Saints, 4. Auflage, Deseret Book, Salt Lake City 1937; John A. Widtsoe, Joseph Smith as Scientist: A Contribution to Mormon Philosophy, Hauptausschuss der Gemeinschaftlichen Fortbildungsvereinigung Junger Männer, Salt Lake City 1908; John A. Widtsoe, „Foods: From the Point of View of Nutrition“, Young Woman’s Journal, 9. Jahrgang, Nr. 1, 4 und 8, Januar 1898, Seite 27ff., April 1898, Seite 183–187, August 1898, Seite 369–373

  9. Siehe Leah D. Widtsoe, Labor Saving Devices from the Farm Home, Lehi Publishing, Lehi/Utah 1912; Leah D. Widtsoe, „The Home“, Young Woman’s Journal, 9. Jahrgang, Nr. 8, August 1898, Seite 373–379

  10. Siehe Leah D. Widtsoe, How to Be Well: A Health Handbook and Cook-book Based on the Newer Knowledge of Nutrition, Deseret Book, Salt Lake City 1943; John A. Widtsoe und Leah D. Widtsoe, The Word of Wisdom, A Modern Interpretation, 4. Auflage, Deseret Book, Salt Lake City 1938; Susa Young Gates und Leah D. Widtsoe, Women of the „Mormon“ Church, Deseret News Press, Salt Lake City 1926; Susa Young Gates und Leah D. Widtsoe, The Life Story of Brigham Young: Mormon Leader, Founder of Salt Lake City, and Builder of an Empire in the Uncharted Wastes of Western America, Jarrolds, London 1930

  11. Siehe Themen: Frauenwahlrecht, Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg

  12. John A. Widtsoe, Brief an den Superintendenten und den Hauptausschuss der Präsidentschaft und des Ausschusses der GFV Junger Männer und der GFV Junger Damen, 31. Dezember 1930, CR 14 57, Historisches Archiv der Kirche, Salt Lake City, https://catalog.churchofjesuschrist.org/assets?id=342ad65c-b431-42da-a856-03b85200eae0&crate=0&index=0

  13. Leah Widtsoe, Anmerkungen, Konferenz der Frauenhilfsvereinigung, 3. April 1931, in: Relief Society Magazine, 18. Jahrgang, Nr. 6, Juni 1931, Seite 340–343

  14. „Leah Dunford Widtsoe“, Deseret News, 9. Juni 1965, Seite A-16