Geschichte der Kirche
Nauvoo Expositor


„Nauvoo Expositor“, Themen im Zusammenhang mit der Geschichte der Kirche

„Nauvoo Expositor“

Nauvoo Expositor

Am Freitag, dem 7. Juni 1844, veröffentlichten abtrünnige Mitglieder der Kirche die einzige Ausgabe einer gegen die Kirche gerichteten Zeitung, die sie Nauvoo Expositor nannten. Herausgeber waren William Law, ehemaliger Erster Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft, Laws Bruder Wilson, Charles Ivins, Charles und Robert Foster sowie Francis und Chauncey Higbee.1 Die Abtrünnigen, von denen einige kurz zuvor aus der Kirche ausgeschlossen worden waren, veröffentlichten den Expositor, um einen Meinungsstreit über Bräuche und Lehren zu entfachen, mit denen sie ganz und gar nicht einverstanden waren. Mit einer provozierenden Ausdrucksweise brachten sie ihren Unmut zum Ausdruck – über die Ausübung der Mehrehe, über Joseph Smiths Lehren vom Wesen Gottes, die er kurz zuvor in seiner King-Follett-Predigt dargelegt hatte, und darüber, dass er in Nauvoo religiöse und politische Amtsbefugnis vermischte.2

Am Samstag, dem 8. Juni, und am darauffolgenden Montag, dem 10. Juni, tagte der Stadtrat von Nauvoo, um die Vorgehensweise festzulegen. Der Rat sah sich aus mehreren Gründen veranlasst, zu handeln. Vor allem hatten die Heiligen in Missouri und Ohio Gewaltausbrüche erlebt. Da die Spannungen auch in Illinois zunahmen, hegten die Ratsmitglieder die Befürchtung, der Expositor könne zu weiterer Gewalt gegenüber den Heiligen und auch den Eigentümern der Druckerpresse anstacheln.3 Darüber hinaus war es im Amerika des 19. Jahrhunderts Ehrensache, dass ein Mann auf einen öffentlichen Angriff auf seinen Charakter eine Reaktion zeigte. Diese gesellschaftliche Norm machte es schwierig, jemandem eine Beleidigung durchgehen zu lassen.4

Mit Genehmigung des Stadtrats erteilte Joseph Smith einem Marshal den Befehl, mit Unterstützung der Nauvoo-Legion die Druckerpresse zu zerstören. Am Abend des 10. Juni, einem Montag, beseitigten der Marshal und sein etwa 100 Mann starker Trupp die Druckerpresse, verstreuten die Lettern und verbrannten die restlichen Exemplare der Zeitung.

Der Stadtrat von Nauvoo hatte Grund zu der Annahme, dass sein Vorgehen rechtmäßig war. Der erste Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten, in dem der Regierung eine Einmischung in die Angelegenheiten der Presse verboten wird, bezog sich nur auf die Bundesregierung und nicht auch auf die Regierungen der einzelnen Staaten und die Kommunalverwaltungen. Dies blieb so bis zur Verabschiedung des vierzehnten Zusatzartikels im Jahr 1868. In den Ratsversammlungen zitierte Joseph Smith amerikanische Präzedenzentfälle und den Kommentar von William Blackstone, eine einflussreiche Abhandlung über das Gewohnheitsrecht. Seiner Auslegung dieser Quellen zufolge ging aus ihnen hervor, dass die Zerstörung des Expositors auf der Grundlage, dass er ein öffentliches Ärgernis darstellte – etwas, was eine Gefahr für die Sicherheit und das Wohl der Gesellschaft darstellte – rechtmäßig war. Zwar war es im Amerika des 19. Jahrhunderts ziemlich ungewöhnlich, dass eine Druckerpresse zerstört wurde, doch gab es vor und nach dieser Zeit viele Fälle, in denen eine Kommunalverwaltung oder die Regierung eines Bundesstaats einen missliebigen Zeitungsverlag zerschlug. Noch 1929 genehmigte der Oberste Gerichtshof eines Bundesstaates die Schließung eines Verlages, der als „Ärgernis“ betrachtet wurde (allerdings wurde diese Entscheidung später vom Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten aufgehoben). Wissenschaftler sind zu dem Schluss gekommen, dass der Stadtrat von Nauvoo bei der Zerstörung von Exemplaren der Zeitung rechtmäßig handelte, aber seine Befugnisse möglicherweise überschritt, als er die Druckerpresse selbst zerstörte.5

Die Zerstörung des Expositors goss Öl ins Feuer der Auseinandersetzungen. Im benachbarten Warsaw in Illinois ergriff Thomas Sharp, der Herausgeber einer führenden gegen die Mitglieder der Kirche gerichteten Zeitung, die Gelegenheit, Bürger des Kreises Hancock gegen die Heiligen zu mobilisieren.6 Um einen Bürgerkrieg zu verhindern, nahm sich Thomas Ford, der Gouverneur von Illinois, nochmals die juristische Rechtfertigung des Stadtrats von Nauvoo für die Zerschlagung der Zeitung vor und entschied, dass Joseph Smith sich in Carthage, dem Verwaltungssitz des Landkreises, wegen „Aufruhrs“ vor Gericht verantworten müsse.

Joseph Smith nahm Fords Schutzzusage zwar an und fügte sich der Gefangennahme, aber er stand dann nie vor Gericht, um sich für sein Verhalten als Bürgermeister zu verantworten. Eine Meute stürmte das Gefängnis zu Carthage und ermordete ihn und seinen Bruder Hyrum.

Verwandte Themen: Tod von Joseph und Hyrum Smith; Amerikanische juristische und politische Institutionen; Meinungsverschiedenheiten in der Kirche; King-Follett-Rede; Joseph Smith und die Mehrehe

Anmerkungen

  1. Prospectus of the Nauvoo Expositor, 10. Mai 1844

  2. Nauvoo Expositor, 7. Juni 1844; Dallin H. Oaks und Marvin S. Hill, Carthage Conspiracy: The Trial of the Accused Assassins of Joseph Smith, University of Illinois Press, Chicago 1979, Seite XIff.

  3. Joseph Smith, „Proclamation, June 11, 1844“, josephsmithpapers.org; Nauvoo Neighbor, 12. Juni 1844, Seite 2f.

  4. Siehe Bertram Wyatt-Brown, Southern Honor: Ethics and Behavior in the Old South, Oxford University Press, New York 1982

  5. Dallin H. Oaks, „The Suppression of the Nauvoo Expositor“; Utah Law Review, 14. Jahrgang, Winter 1965, Seite 862–903

  6. Oaks und Hill, Carthage Conspiracy, Seite 14