Geschichte der Kirche
Primarvereinigung


„Primarvereinigung“, Themen im Zusammenhang mit der Geschichte der Kirche

„Primarvereinigung“

Primarvereinigung

Anfang 1878 machte sich Aurelia Spencer Rogers Sorgen über das ungezogene Benehmen vieler Jungen in ihrem Ort Farmington in Utah. Obwohl damals 44 Prozent der Einwohner des Territoriums Utah unter 14 Jahre alt waren, gab es in der Kirche keine Organisation für Kinder.1 Rogers hatte die Idee, den Jungen mit einem Programm zu helfen, und erzählte Eliza R. Snow and Emmeline B. Wells davon, als diese aus Salt Lake City zu Besuch waren. Snow erzählte dies Präsident John Taylor weiter, der den Plan von Schwester Rogers unterstützte. In der Folge schlug Rogers in einem Schreiben vor, dass das Programm auch für Mädchen sein sollte. Snow stimmte dem zu. Sie war davon überzeugt, dass die Arbeit von Rogers geistig von großer Bedeutung war.

Im August 1878 wurde Aurelia Rogers von ihrem Bischof als Präsidentin der ersten Primarvereinigung eingesetzt. Über 200 Kinder zwischen 6 und 14 Jahren kamen zur ersten Versammlung in der Steinkapelle in Farmington.2 Die Idee einer Primarvereinigung verbreitete sich rasch, da Eliza R. Snow und weitere Führerinnen aus Salt Lake City das ganze Territorium Utah bereisten und sich mit Bischöfen und Leiterinnen der Frauenhilfsvereinigung und der Gemeinschaftlichen Fortbildungsvereinigung Junger Damen abstimmten und Gemeinde-Primarvereinigungen gründeten.

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Steinkapelle in Farmington in Utah

Die Steinkapelle in Farmington in Utah, wo die erste Versammlung der Primarvereinigung abgehalten wurde

Abbildung mit freundlicher Genehmigung des Historischen Archivs der Kirche

Im Juni 1880 bestätigten Frauen bei einer Konferenz der Frauenhilfsvereinigung des Pfahles Salt Lake die ersten Präsidentschaften der Frauenvereinigungen. Eliza R. Snow schlug Louie B. Felt dafür vor, „über alle Primarvereinigungen aller Zionspfähle zu präsidieren“3. Schon bald gab es Pfahl-Primarvereinigungen.

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Die erste Leitung der Primarvereinigung der Gemeinde Farmington

Aurelia Rogers (Mitte) und ihre Ratgeberinnen in der Leitung der Primarvereinigung der Gemeinde Farmington

Die ersten Versammlungen der Primarvereinigung wurden wöchentlich unter der Leitung der örtlichen Primarvereinigungsleiterin abgehalten. Es wurde gebetet und gesungen, und man trug Gedichte, Aufsätze und Musikstücke vor. Die Kinder in der Primarvereinigung studierten das Evangelium oft mithilfe von Katechismen – Lehrbüchern mit Fragen und Antworten, die die Schüler auswendig lernen mussten.4 Häufig lasen sie auch Auszüge aus der Zeitschrift Juvenile Instructor der Sonntagsschule.5 Wenn Eliza R. Snow eine der ersten Primarvereinigungen besuchte, unterrichtete sie die Kinder in gutem Benehmen, erzählte ihnen Geschichten aus dem Leben Joseph Smiths und zeigte ihnen oft auch seine goldene Uhr – eine greifbare Verbindung zu den Anfangstagen der Wiederherstellung.6 Neben dem Evangeliumsunterricht organisierten die Lehrerinnen und Führungsbeamtinnen auch Aktivitäten, beispielsweise Kunst- und Handwerksprojekte, Jahrmärkte und Basare, Lieder- und Tanzfeste, Schauspielaufführungen sowie Gartenbau- und Dienstprojekte.7

Im Laufe des nächsten Jahrhunderts wuchs die Zahl der Mitglieder der Primarvereinigung von hunderten von Kindern in den Siedlungen Utahs auf fast eine Million Kinder in aller Welt an.8 Unter der Leitung von Louie B. Felt wurden in der Primarvereinigung Schulungen für die Lehrerinnen eingeführt und Klassen für die einzelnen Altersgruppen eingerichtet. Außerdem wurde ab 1902 die Zeitschrift Children’s Friend veröffentlicht.9 1913 wurde das Alter, in dem die Jungen die Primarvereinigung abschlossen, auf 12 Jahre gesenkt, 1934 dann auch das Alter für die Mädchen auf 12 Jahre.10 1922 wurde in der Primarvereinigung für die Mädchen im Alter von 12 und 13 Jahren, die noch die Primarvereinigung besuchten, ein Leistungsprogramm mit der Bezeichnung „Die Seemöwen“ eingeführt. Es war das erste von vielen Leistungsprogrammen der Primarvereinigung.11

Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Primarvereinigungen in den Missionen der Kirche außerhalb der Vereinigten Staaten vorübergehend eingestellt. Als in Europa die Primarvereinigungen nach und nach wieder zusammenkamen, wurden sie von vielen Kindern besucht, die keine Heiligen der Letzten Tage waren, denn das Programm ermöglichte ihnen in diesen Ländern, denen es nach dem Krieg nicht gut ging, Freundschaften und beaufsichtigte Aktivitäten. Dies führte in einigen Fällen dazu, dass sich die Familie eines Kindes bekehrte.12

Jahrzehntelang hatten die Lehrerinnen in der Primarvereinigung das Unterrichtsmaterial der Zeitschrift Children’s Friend entnommen. 1949 leitete Adele Cannon Howells die Erstellung des ersten offiziellen Unterrichtsleitfadens der Primarvereinigung.13 1952 übernahm die Primarvereinigung in den Vereinigten Staaten als Aktivitätenprogramm für die Jungen das Wölfling-Programm, das von der US-amerikanischen Pfadfinderorganisation Boy Scouts of America angeboten wurde. Die Anbindung an deren Pfadfinderprogramm hatte fast 70 Jahre Bestand.14

Um Kinder in Not angemessen medizinisch zu versorgen, beschaffte die Primarvereinigung 1952 das Geld für ein Kinderkrankenhaus, das Primary Children’s Hospital, und knüpfte damit an frühere Bemühungen an. Mitglieder der Präsidentschaft der Primarvereinigung hatten im Vorstand des Krankenhauses den Vorsitz, und die Finanzierung der Krankenhausbehandlung erfolgte zum Teil über eine Kleingeldspendenaktion unter der Leitung der Primarvereinigung.15

1980 legten die Führer der Kirche einige Versammlungen zusammen: Die Sonntagsschule für die Kinder aus der Primarvereinigung wurde aufgelöst, und die Versammlungen der Primarvereinigung, die mitten in der Woche stattgefunden hatten, wurden auf den Sonntag verlegt. Außerdem konnten erstmals auch Männer als Lehrer in der Primarvereinigung berufen werden. Die Aktivitätenprogramme für Jungen und Mädchen wurden weiterhin abends unter der Woche abgehalten, unter der Woche fanden dann aber nicht mehr so oft Aktivitäten statt. Die Primarvereinigung spielt nach wie vor eine wichtige Rolle bei dem Bemühen, Familien in der Aufgabe zu unterstützen, ihre Kinder das Evangelium zu lehren.

Anmerkungen

  1. Davis Bitton, „Zion’s Rowdies: Growing up on the Mormon Frontier“, Utah Historical Quarterly, 50. Jahrgang, Nr. 2, Frühjahr 1982, Seite 184

  2. Gemeinde Farmington, Protokolle und Berichte der Primarvereinigung, 11. August 1878, Historisches Archiv der Kirche, Salt Lake City

  3. „Salt Lake Stake Relief Society Conference“, Woman’s Exponent, 9. Jahrgang, Nr. 3, 1. Juli 1880, Seite 21f.; Jill Mulvay Derr, Carol Cornwall Madsen, Kate Holbrook und Matthew J. Grow, Hg., The First Fifty Years of Relief Society: Key Documents in Latter-day Saint Women’s History, Church Historian’s Press, Salt Lake City 2016, Seite 467–472

  4. RoseAnn Benson, „Primary Association Pioneers: An Early History“, in: David J. Whittaker und Arnold K. Garr, Hg., A Firm Foundation: Church Organization and Administration, Religious Studies Center, Brigham-Young-Universität, Provo 2011, 262f.

  5. Conrad A. Harward, „A History of the Growth and Development of the Primary Association of the LDS Church from 1878 to 1928“, Masterarbeit, Brigham-Young-Universität 1976, Seite 22

  6. Jennifer Reeder, „Eliza R. Snow and the Prophet’s Gold Watch: Time Keeper as Relic“, Journal of Mormon History, Band 31, Nr. 1, Frühjahr 2005, Seite 119–141

  7. Harward, „A History of the Growth and Development of the Primary Association“, Seite 22; siehe auch Carol Cornwall Madsen und Susan Staker Oman, Sisters and Little Saints: One Hundred Years of Primary, Deseret Book, Salt Lake City 1979, Seite 19f., 56f.

  8. Jill Mulvay Derr, „Sisters and Little Saints: One Hundred Years of Mormon Primaries“, in: Thomas G. Alexander, Hg., The Mormon People: Their Character and Traditions, Brigham Young University, Provo/Utah 1980, Seite 80, 97

  9. „Primary“, Encyclopedia of Mormonism, 4 Bände, MacMillan, New York 1992, 3:1147

  10. Harward, „A History of the Growth and Development of the Primary Association“, Seite 137–150

  11. Madsen und Oman, Sisters and Little Saints, Seite 61f.

  12. Madsen und Oman, Sisters and Little Saints, Seite 125f.

  13. Madsen und Oman, Sisters and Little Saints, Seite 122f.

  14. Madsen and Oman, Sisters and Little Saints, Seite 136f.; Jason Swensen, „Church to End Relationship with Scouting; Announces New Activity Program for Children and Youth“, Church News, 8. Mai 2018, ChurchofJesusChrist.org

  15. Madsen und Oman, Sisters and Little Saints, Seite 122–133. Die Kirche trat das Eigentum an dem Krankenhaus später ab. Heute heißt es Primary Children’s Medical Center und ist an die University of Utah angeschlossen.