Handbücher und Berufungen
AUF JEDEN EINZELNEN EINGEHEN


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AUF JEDEN EINZELNEN EINGEHEN

Ein Lehrerfortbildungskoordinator hat Folgendes erzählt:

„Ich war gebeten worden, einen Kurs für alle Sonntagsschullehrer zu unterrichten. Ich wusste, dass die Teilnehmer ganz verschieden waren, aus unterschiedlichen Lebensumständen stammten, und dass jeder etwas ganz anderes benötigte. Da war eine erfahrene Lehrerin, die schon oft junge Menschen unterrichtet hatte. Eine andere Lehrerin wiederum schien sehr wenig Selbstvertrauen zu besitzen und litt unter ihren Unzulänglichkeiten. Ein Bruder kam nicht gern, weil er sich in der heiligen Schrift nicht gut auskannte.

Ich erkannte, dass ich Mittel und Wege finden musste, um auf jeden Einzelnen einzugehen. Vor dem ersten Unterricht bat ich den Bruder, der nicht so gern aus der heiligen Schrift unterrichtete, kurz darüber zu sprechen, wie man einen Plan für das Evangeliumsstudium aufstellt. Dadurch konnte ich ihn außerhalb des Unterrichts sprechen und ihm sagen, dass ich ihm vertraute. Im Unterricht bat ich die erfahrene Lehrerin, einiges zu nennen, was sie über das Unterrichten gelernt hatte. Und ich konnte auch der Schwester, die sich so wenig zutraute, für das demütige Zeugnis danken, das sie einige Wochen zuvor in einer anderen Klasse gegeben hatte. Die Reaktion der drei war durchwegs positiv.

Ich bemerkte in der Klasse, dass eine Schwester abseits saß. Ich beschloss, sie nach dem Unterricht anzusprechen, und ich zeigte ihr, dass ich an ihr interessiert war, und ich fragte sie, ob ich ihr bei dem Auftrag, den ich ihr gegeben hatte, helfen könne. Jede Woche bemühte ich mich, Mittel und Wege zu finden, um auf jeden Teilnehmer einzugehen.

Im Lauf des Kurses wurde mir bewusst, dass es sich hier um eine ganz außergewöhnliche Gruppe handelte. Sie nahmen rege am Unterrichtsgespräch teil und erzählten von eigenen Erlebnissen. Sie schienen in Liebe vereint. Ich erkannte: Je mehr ich mich bemühte, auf jeden Einzelnen einzugehen und ihm zu dienen, umso mehr waren auch sie bereit, einander zuzuhören und Erfahrungen auszutauschen. Ich weiß jetzt im nachhinein, dass mein einfaches Bemühen um jeden von ihnen vielleicht das Wichtigste war, was ich als Lehrkraft dieser Klasse tun konnte. Es schien sie anzuregen, ebenso auf einander zuzugehen.“

Zu Ihrer Aufgabe als Evangeliumslehrer gehört es, jedem Schüler zu helfen, die Liebe zu erkennen und zu verspüren, die der himmlische Vater ihm entgegenbringt. Das lässt sich nicht allein durch Worte vermitteln. Man muss auf jeden Einzelnen eingehen – auf diejenigen, die immer da sind, auf diejenigen, die nur gelegentlich kommen, und auf diejenigen, die man gar nicht bemerkt, wenn man nicht genau hinschaut. Man muss auf jeden Einzelnen eingehen, ob er nun darauf reagiert, ob er davon unberührt bleibt oder unsere Bemühungen sogar ablehnt. Der Herr hat uns gesagt, dass wir daran denken sollen, dass „die Seelen … großen Wert in den Augen Gottes [haben].“ (LuB 18:10.)

In der Klasse auf den Einzelnen eingehen

Auch wenn Sie viele Schüler haben, können Sie doch auf den Einzelnen eingehen. Sie können beispielsweise zu Unterrichtsbeginn einen jeden herzlich begrüßen. Solche kleinen Gesten können Großes bewirken.

Sie gehen auch auf den Einzelnen ein, wenn Sie es schaffen, dass sich jeder furchtlos und freudig am Unterricht beteiligen kann. Sie können etwa beim Familienabend oder im Unterricht in der Kirche den Lernenden helfen, einen Teil des Unterrichts zu gestalten. Sie können besondere Darbietungen, Musikeinlagen oder Fragen im Unterrichtsgespräch einplanen, die den Fähigkeiten der jeweiligen Teilnehmer entsprechen. Ein weniger aktiver Bruder mit einer schönen Stimme wurde schließlich wieder aktiv, weil er immer wieder gebeten wurde, im Unterricht oder zu sonst einem Anlass in der Gemeinde zu singen.

Jeder freut sich, wenn sein Beitrag gelobt wird. Sie können sich besonders bemühen, jedem für das zu danken, was er gesagt hat, und möglichst seine Gedanken in das Unterrichtsgespräch einzuflechten. Mitunter empfiehlt es sich, die Frage oder den Beitrag eines Teilnehmers zu wiederholen, damit ihn jeder hören und verstehen kann.

Außerhalb des Unterrichts auf den Einzelnen eingehen

Sie müssen Mittel und Wege suchen, um auf jeden Schüler einzugehen. Was Sie außerhalb des Unterrichts für Ihre Schüler tun, kann sich ganz tiefgreifend darauf auswirken, wie sie das Evangeliumsstudium sehen. Sie können sich beispielsweise für jeden in der Familie Zeit nehmen. Sie können sich bemühen, Ihre Schüler anzuspre- chen, wenn Sie sie treffen. Sie können ihnen in schweren Zeiten Mut zusprechen und Hilfe leisten, Sie können an wichtige Ereignisse in ihrem Leben denken, sie zu Hause besuchen oder Aktivitäten besuchen, an denen sie teilnehmen.

Präsident Thomas S. Monson hat die folgende Geschichte erzählt:

„Louis Jacobsen … war der Sohn einer armen dänischen Witwe. Er war klein und nicht besonders hübsch und wurde leicht die Zielscheibe gedankenlosen Spotts seitens seiner Klassenkameraden. Eines Sonntags machten sich die Kinder in der Sonntagsschule über seine geflickte Hose und sein abgetragenes Hemd lustig. Louis war zu stolz, um in Tränen auszubrechen, und lief aus der Kapelle. Schließlich blieb er außer Atem am Rinnstein stehen und setzte sich nieder. … Ein Rinnsal klaren Wassers floss hier durch, und Louis zog aus seiner Tasche den Zettel mit den Hauptgedanken der Sonntagsschulklasse und faltete daraus ein Boot, das er in das Wasser setzte. Seinem verletzten Jungenherzen entrangen sich die entschlossenen Worte: ‚Da gehe ich nie wieder hin.‘

Durch seine Tränen sah Louis plötzlich im Wasser die Gestalt eines großen, gutgekleideten Mannes. Er sah auf und erblickte George Burbidge, den Sonntagsschulleiter.

‚Darf ich mich zu dir setzen?‘ fragte der Mann freundlich. Louis nickte. … Die beiden falteten während ihres Gesprächs noch weitere Boote und ließen sie schwimmen. Schließlich erhob sich Bruder Burbidge und ging zurück zur Sonntagsschule; der kleine Junge hielt ihn fest an der Hand.“ (Ensign, Mai 1977, Seite 72.)