2000–2009
Das Gesetz des Fastens
April 2001


Das Gesetz des Fastens

“Das Fasten ist machtvoll, wenn es mit mächtigem Gebet gekoppelt ist. Es kann uns den Sinn mit den Offenbarungen des Geistes füllen. Es kann uns für Zeiten der Versuchung stärken.”

Vor zweitausend Jahren ging auf den sandigen, steinigen Wegen von Galiläa ein Mann, den nur wenige als den erkannten, der er tatsächlich war: der Schöpfer von Welten, der Erlöser, der Gottessohn.

Ein Gesetzeslehrer trat an ihn heran und fragte ihn: “Welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste?”

Jesus antwortete: “Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken.

Das ist das wichtigste und erste Gebot.

Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz samt den Propheten.”1

Durch den Propheten Joseph Smith hat der Herr seine Kirche erneut unter den Menschen aufgerichtet. In der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, die in diesen Letzten Tagen auf der Erde wiederhergestellt worden ist, stehen diese Gebote, die der Erretter zu den wichtigsten erklärt hat – nämlich den himmlischen Vater und unsere Mitmenschen zu lieben – im Mittelpunkt. Der Erretter hat gesagt: “Wenn du mich liebst, wirst du mir dienen und alle meine Gebote halten.”2 Eine Möglichkeit, wie wir unsere Liebe zeigen können, besteht darin, dass wir das Gesetz des Fastens befolgen.

Dieses Gesetz beruht auf einem grundlegenden, aber doch inhaltsschweren Grundsatz – einem einfachen Brauch –, der uns, wenn er im rechten Geist befolgt wird, hilft, dem himmlischen Vater näher zu kommen und unseren Glauben zu stärken, der uns aber gleichzeitig auch hilft, anderen Menschen die Last leichter zu machen.

In der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage sind die Mitglieder dazu angehalten zu fasten, wann immer ihr Glaube besonders gestärkt werden muss, außerdem sind sie angehalten, einmal im Monat am Fasttag zu fasten. An diesem Tag verzichten wir zwei aufeinander folgende Mahlzeiten lang auf Essen und Trinken, suchen die Verbindung zum himmlischen Vater und spenden ein Fastopfer, um den Armen zu helfen. Das Fastopfer sollte wenigstens dem finanziellen Wert der Nahrung entsprechen, die gegessen worden wäre. In der Regel wird der erste Sonntag im Monat zum Fastsonntag bestimmt. An diesem Tag sind die Mitglieder, die körperlich dazu in der Lage sind, angehalten, zu fasten und zu beten, Zeugnis von der Wahrheit des Evangeliums zu geben und ein großzügiges Fastopfer zu spenden.

“Das Gesetz des Fastens”, sagte Elder Milton R. Hunter, “ist wahrscheinlich so alt wie das Menschengeschlecht… . In alter Zeit haben die Propheten, die das Volk führten, den Mitgliedern der Kirche wiederholt geboten, das Gesetz des Fastens und Betens zu befolgen.”3

Das Fasten steht offenbar in den heiligen Schriften fast immer mit Beten in Verbindung. Ohne das Gebet ist das Fasten nicht vollständig, man hungert nur. Wenn wir wollen, dass unser Fasten mehr ist als einfach nichts zu essen, müssen wir unser Herz, unseren Sinn und unsere Stimme dem himmlischen Vater zuwenden. Das Fasten ist machtvoll, wenn es mit mächtigem Gebet gekoppelt ist. Es kann uns den Sinn mit den Offenbarungen des Geistes füllen. Es kann uns für Zeiten der Versuchung stärken.

Das Fasten und Beten kann uns helfen, Mut und Vertrauen zu entwickeln. Es kann unseren Charakter festigen und uns zu Selbstbeherrschung und Disziplin verhelfen. Wenn wir fasten, haben unsere rechtschaffenen Gebete und unser Flehen oft größere Macht. Das Zeugnis wächst. Wir reifen in geistiger und seelischer Hinsicht und heiligen unsere Seele. Jedes Mal, wenn wir fasten, erlangen wir ein bisschen mehr Kontrolle über unsere Gelüste und Leidenschaften.

Das Fasten und Beten kann uns in der Familie und bei der täglichen Arbeit helfen. Beides kann dazu beitragen, dass wir unsere Berufungen in der Kirche groß machen. Präsident Ezra Taft Benson hat gesagt: “Wenn Sie den richtigen Geist für Ihr Amt und Ihre Berufung als neuer Kollegiumspräsident, als neuer Hoher Rat oder als neuer Bischof [ich könnte auch sagen, als FHV-Leiterin] erlangen wollen, versuchen Sie eine Zeit lang zu fasten. Ich meine nicht, dass Sie einfach nur eine Mahlzeit auslassen und dann das nächste Mal doppelt so viel essen. Ich meine wirkliches Fasten und Beten während dieser Zeit. Dies wird mehr dazu beitragen, Ihnen den rechten Geist für Ihr Amt und Ihre Berufung zu vermitteln und dem Geist zu gestatten, durch Sie zu wirken, als irgendetwas anderes.”4

Der Prophet Joseph Smith hat gesagt: “Dies soll für alle Heiligen ein Beispiel sein, und es wird niemandem mehr an Nahrung mangeln. Wenn die Armen hungern, dann sollen diejenigen, die genug haben, einen Tag fasten und das, was sie sonst gegessen hätten, dem Bischof für die Armen geben, und jeder wird eine lange Zeit im Überfluss haben… . Und solange die Heiligen mit fröhlichem Herzen und Angesicht nach diesem Grundsatz leben, werden sie immer im Überfluss haben.”5

Die Propheten des Buches Mormon haben das Gesetz des Fastens gelehrt: “Siehe, nun begab es sich: Das Volk Nephi war überaus erfreut, weil der Herr es abermals aus den Händen ihrer Feinde befreit hatte; darum dankten sie dem Herrn, ihrem Gott; ja, und sie fasteten viel und beteten viel und beteten Gott mit überaus großer Freude an.”6

Die machtvolle Kombination aus Fasten und Beten wird im Leben der vier Söhne Mosias deutlich. Angesichts überwältigender Schwierigkeiten vollbrachten sie doch Wunder und brachten Tausende von Lamaniten zur Erkenntnis der Wahrheit. Sie taten das Geheimnis ihres Erfolgs kund: Sie “hatten eifrig in der Schrift geforscht” und “hatten sich vielem Fasten und Beten hingegeben”. Was folgte daraus? “Darum hatten sie den Geist der Prophezeiung und den Geist der Offenbarung, und wenn sie lehrten, so lehrten sie mit der Kraft und Vollmacht Gottes.”7

Brüder und Schwestern, wenn wir fasten, verspüren wir Hunger. Und für eine kurze Zeit versetzen wir uns buchstäblich in die Lage der Hungrigen und Bedürftigen. Und dadurch haben wir mehr Verständnis für die Entbehrungen, die sie vielleicht verspüren. Wenn wir dem Bischof das Fastopfer geben, um die Not eines anderen zu lindern, tun wir nicht nur etwas Großartiges für ihn, sondern auch für uns. König Benjamin hat gesagt, dass wir, wenn wir den Armen von unserer Habe geben, “von Tag zu Tag Vergebung für [unsere] Sünden empfangen”.8

Ein anderer Prophet aus dem Buch Mormon, Amulek, hat erklärt, dass unsere Gebete oft keine Macht haben, weil wir uns von den Bedürftigen abgewandt haben.9

Wenn Sie das Gefühl haben, der himmlische Vater höre nicht auf Ihre Bitten, dann fragen Sie sich, ob Sie auf die Rufe der Armen, Kranken, Hungrigen und Bedrängten in Ihrem Umfeld hören.

Einige blicken auf die überwältigende Not in der Welt und denken: Was kann ich denn bloß tun, um daran etwas zu ändern?

Ich nenne Ihnen offen etwas, was Sie tun können. Sie können nach dem Gesetz des Fastens leben und ein großzügiges Fastopfer geben.

Das Fastopfer wird nur zu einem Zweck verwendet, nämlich, um die Bedürftigen zu segnen. Jede Mark, die dem Bischof als Fastopfer gegeben wird, wird dazu verwendet, den Armen zu helfen. Wenn die Spenden die örtlichen Bedürfnisse übersteigen, werden sie weitergegeben, damit anderswo Bedürfnisse gestillt werden können.

Als Apostel des Herrn Jesus Christus habe ich die Welt bereist und von ihm Zeugnis gegeben. Ich stehe heute vor Ihnen, um ein weiteres Zeugnis zu geben – ein Zeugnis vom Leid und von der Not von Millionen von Kindern unseres himmlischen Vaters.

Viel zu viele Menschen in der heutigen Welt – viele Tausende Familien – leiden jeden Tag Mangel. Sie hungern. Sie frieren. Sie leiden unter Krankheiten. Sie betrauern ihre Kinder. Sie beklagen die mangelnde Sicherheit ihrer Familien. Diese Menschen sind keine Fremden ohne Bürgerrecht, sondern Kinder unseres himmlischen Vaters. Es sind unsere Brüder und Schwestern. Sie sind “Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes.”10

Ihre inbrünstigen Gebete steigen zum Himmel und flehen um Erleichterung, um Linderung ihres Leidens. Genau in dieser Stunde, an diesem Tag, beten sogar einige Mitglieder dieser Kirche um das Wunder, das es ihnen ermöglichen würde, das Leid, das sie umgibt, zu überwinden.

Wenn wir, obgleich wir die Mittel dazu haben, kein Mitleid mit ihnen haben und ihnen nicht zur Hilfe eilen, laufen wir Gefahr, unter denjenigen zu sein, von denen der Prophet Moroni sagte: “Denn siehe, ihr liebt das Geld und eure Habe und euer köstliches Gewand … mehr, als ihr die Armen und Bedürftigen, die Kranken und Bedrängten liebt.”11

Wie gut erinnere ich mich daran, wie mein Vater, der Bischof unserer Gemeinde, meine kleine rote Handkarre mit Nahrung und Kleidung belud und mich, einen Diakon der Kirche, anwies, mit der Karre die Bedürftigen unserer Gemeinde zu besuchen.

Wenn die Fastopfergelder aufgebraucht waren, dann nahm mein Vater oft Geld aus der eigenen Tasche, um die Bedürftigen seiner Herde mit der nötigen Nahrung zu versorgen, so dass sie nicht hungern mussten. Es war die Zeit der großen Wirtschaftskrise und viele Familien litten Not.

Ich erinnere mich besonders an den Besuch bei einer Familie: eine kränkliche Mutter, ein arbeitsloser und entmutigter Vater und fünf Kinder mit blassen Gesichtern, alle deprimiert und hungrig. Ich erinnere mich an die Dankbarkeit, die ihnen das Gesicht erhellte, als ich mit meiner kleinen Karre, die vor notwendigen Gütern fast überquoll, vor ihrer Tür stand. Ich erinnere mich, wie die Kinder lächelten. Ich erinnere mich, wie die Mutter weinte. Und ich erinnere mich daran, wie der Vater mit gesenktem Kopf dastand und nicht in der Lage war, etwas zu sagen.

Diese Eindrücke und viele andere schufen in mir eine Liebe zu den Armen, eine Liebe zu meinem Vater, der als Hirt seiner Herde diente, und eine Liebe zu den treuen und großzügigen Mitgliedern der Kirche, die so viel geopfert haben, um die Not eines andern lindern zu helfen.

Brüder und Schwestern, in gewissem Sinne können auch Sie einer bedürftigen Familie eine kleine Karre voller Hoffnung bringen. Wie? Indem Sie ein großzügiges Fastopfer zahlen.

Eltern, lehren Sie Ihre Kinder die Freuden des richtigen Fastens. Wie tut man dies? So, wie man jeden Grundsatz vermittelt – zeigen Sie ihnen durch Ihr Beispiel, dass Sie danach leben. Helfen Sie ihnen dann Schritt für Schritt, das Gesetz des Fastens auch selbst zu leben. Sie können fasten und sie können auch Fastopfer zahlen, wenn sie es möchten. Wenn wir unsere Kinder lehren zu fasten, kann ihnen das die Kraft geben, auf ihrem Lebensweg Versuchungen zu widerstehen.

Wie viel Fastopfer sollen wir zahlen? Brüder und Schwestern, die Größe unseres Fastopfers zum Segen für die Armen ist auch ein Maß für unsere Dankbarkeit dem himmlischen Vater gegenüber. Wenden wir, die wir so reich gesegnet worden sind, uns von denjenigen ab, die unsere Hilfe brauchen? Ein großzügiges Fastopfer zeigt unsere Bereitschaft, uns zu weihen, um das Leid anderer zu lindern.

Marion G. Romney, der der Bischof der Gemeinde war, der wir angehörten, als ich auf Mission berufen wurde, und der später als Mitglied der Ersten Präsidentschaft der Kirche diente, hat uns ermahnt: “Seien Sie großzügig mit Ihrer Spende, damit Sie selbst wachsen können. Geben Sie nicht nur den Armen zuliebe, sondern auch wegen Ihres eigenen Wohlergehens. Geben Sie genug, damit Sie sich, indem Sie Ihre Mittel und Ihre Zeit weihen, in das Reich Gottes bringen können.”12

Die Diakone der Kirche haben die heilige Verpflichtung, jedes Mitglied zu Hause aufzusuchen, um das Fastopfer für die Armen einzusammeln. Präsident Thomas S. Monson hat mir erzählt, wie er als junger Bischof einmal gewahr wurde, dass sich die jungen Diakone in seiner Gemeinde beklagten, weil sie so früh aufstehen mussten, um das Fastopfer einzusammeln. Statt die jungen Männer ins Gebet zu nehmen, nahm dieser weise Bischof sie zum Welfare Square in Salt Lake City mit.

Dort sahen die Jungen eine behinderte Frau, die die Telefonzentrale bediente. Sie sahen einen Blinden, der Etiketten auf Dosen anbrachte, und einen älteren Bruder, der Regale füllte.

Nachdem sie das gesehen hatten, berichtete Bruder Monson, “wurden die Jungen mucksmäuschenstill, als sie das Endergebnis ihrer Bemühungen sahen, die darin bestanden, die heiligen Gelder einzusammeln, die den Bedürftigen halfen und denjenigen Arbeit verschafften, die andernfalls nichts zu tun hätten.”13

Als Mitglieder der Kirche haben wir die heilige Pflicht, den Bedürftigen zu helfen und dazu beizutragen, ihre schwere Bürde zu erleichtern.

Wenn man das Gesetz des Fastens befolgt, kann das allen Menschen in allen Ländern helfen. Präsident Gordon B. Hinckley hat gesagt: “Was würde geschehen, wenn man das Prinzip des Fasttags und des Fastopfers auf der ganzen Welt befolgte[?] Die Hungrigen würden gespeist, die Nackten bekleidet, die Obdachlosen untergebracht… . Anteilnahme und Selbstlosigkeit würden überall ins Herz der Menschen einziehen.”14

Wenn wir mit dem richtigen Geist und im Sinne des Herrn fasten, verleiht uns das in geistiger Hinsicht Energie, es stärkt unsere Selbstbeherrschung, erfüllt unser Zuhause mit Frieden, macht uns das Herz freudevoll und leicht, stärkt uns gegen Versuchung, macht uns für Zeiten der Prüfung bereit und öffnet die Fenster des Himmels.

Hören Sie sich die reichen Segnungen an, die denjenigen prophezeit wurden, die das Gesetz des Fastens leben: “Wenn du dann rufst, wird der Herr dir Antwort geben, und wenn du um Hilfe schreist, wird er sagen: Hier bin ich… . Der Herr wird dich immer führen, auch im dürren Land macht er dich satt… . Du gleichst einem bewässerten Garten, einer Quelle, deren Wasser niemals versiegt.”15

Wenn wir das Gesetz des Fastens leben, kommen wir nicht nur Gott durch das Gebet näher, wir speisen auch die Hungrigen und sorgen für die Armen. Jedes Mal, wenn wir fasten, erfüllen wir die beiden großen Gebote, an denen “das ganze Gesetz samt den Propheten” hängt.16

Ich weiß, dass Jesus, der Messias, lebt. Ich weiß, dass Präsident Gordon B. Hinckley unser Prophet, Seher und Offenbarer ist. Ich gebe von dieser Tatsache feierlich Zeugnis. Ich gebe auch Zeugnis davon, dass er, der mit einem seiner geringsten Brüder17 Mitgefühl hat, heute mit Liebe und Mitgefühl auf jene blickt, die die Schwachen stützen, die herabgesunkenen Hände emporheben und die müden Knie stärken. 18

Ich erhebe meine Stimme zum Zeugnis und verheiße gemeinsam mit den großen Aposteln, die uns vorangegangen sind, dass diejenigen, die nach dem Gesetz des Fastens leben, gewiss die reichen Segnungen erkennen werden, die mit diesem heiligen Grundsatz einhergehen. Davon gebe ich feierlich Zeugnis im Namen Jesu Christi, amen.

  1. Matthäus 22:37–40.

  2. LuB 42:29.

  3. Will a Man Rob God? (1952), Seite 207–8 f.

  4. The Teachings of Ezra Taft Benson, Seite 332.

  5. History of the Church, 7:413.

  6. Alma 45:1.

  7. Siehe Alma 17:2,3.

  8. Mosia 4:26.

  9. Siehe Alma 34:28.

  10. Epheser 2:19.

  11. Mormon 8:37.

  12. “The Blessings of the East,” Ensign, Juli 1982, Seite 4.

  13. “The Way of the Lord,” Ensign, November 1977, Seite 8.

  14. “Der Stand der Kirche”, Der Stern, Juli 1991, Seite 55.

  15. Jesaja 58:9,11.

  16. Matthäus 22:40.

  17. Matthäus 25:40.

  18. LuB 81:5.