2000–2009
Die Macht des Priestertums
April 2001


Die Macht des Priestertums

Wenngleich die Macht des Priestertums grenzenlos ist, so hat unsere Macht im Priestertum Grenzen, je nachdem, wie rechtschaffen bzw. rein wir sind.

Liebe Mitträger des Priestertums in aller Welt: Hoffentlich sind wir alle für den unschätzbaren Vorzug dankbar, dass wir das Priestertum Gottes tragen. Was es wert ist, lässt sich kaum ermessen.

Durch seine Macht wurden und werden Welten, ja, sogar Universen geschaffen und geformt. Durch seine Macht werden heilige Handlungen vollzogen, die es bei rechtschaffenem Lebenswandel ermöglichen, dass Familien für immer zusammen sind, Sünden vergeben werden, Kranke geheilt werden, Blinden das Augenlicht gegeben wird und sogar das Leben wiederhergestellt wird.

Gott möchte, dass wir, seine Söhne, das Priestertum tragen und lernen, es richtig anzuwenden. Er hat gesagt:

“Kraft des Priestertums kann und soll keine Macht und kein Einfluss anders geltend gemacht werden als nur mit überzeugender Rede, mit Langmut, mit Milde und Sanftmut und mit ungeheuchelter Liebe, mit Wohlwollen und reiner Erkenntnis …1

(Denn) wenn wir … auch nur mit dem geringsten Maß von Unrecht irgendwelche Gewalt, Herrschaft oder Nötigung auf die Seele der Menschenkinder (vor allem unserer Frau und unserer Kinder) ausüben wollen – siehe, dann ziehen sich die Himmel zurück; der Geist des Herrn ist betrübt; und wenn er weggenommen wird, dann ist es mit dem Priestertum oder der Vollmacht des Betreffenden zu Ende.”2

Wir sehen also, wenngleich die Macht des Priestertums grenzenlos ist, so hat unsere Macht im Priestertum Grenzen, je nachdem, wie rechtschaffen bzw. rein wir sind.

So wie saubere und richtig angeschlossene Drähte erforderlich sind, um Elektrizität zu leiten, so sind reine Hände und ein lauteres Herz erforderlich, um die Macht des Priestertums wirken zu lassen. Schmutz und Verunreinigung beeinträchtigen bzw. verhindern den Stromfluss. Unreine Gedanken und Handlungen wirken sich auf die Priestertumsmacht des einzelnen störend aus. Wenn wir demütig sind, reine Hände und ein lauteres Herz und einen lauteren Sinn haben, ist nichts Rechtschaffenes unmöglich. Ein alter orientalischer Spruch bestätigt: “Wenn ein Mensch ein reines Leben führt, kann ihn nichts vernichten.”3

In seiner Liebe zu uns hat Gott verfügt, dass jeder würdige Mann ungeachtet seines Wohlstands, seiner Bildung, seiner Hautfarbe, seines Kulturkreises oder seiner Sprache das heilige Priestertum tragen kann. Somit kann jeder rechtmäßig ordinierte Mann mit reinen Händen, lauterem Herzen und Sinn die grenzenlose Macht des Priestertums in Anspruch nehmen. Das habe ich als junger Missionar vor Jahren im Südpazifik gelernt.

Mein erstes Arbeitsgebiet war eine kleine Insel, hunderte Kilometer vom Sitz der Mission entfernt, wo niemand Englisch sprach und ich der einzige Weiße war. Ich bekam einen einheimischen Mitarbeiter namens Feki, einen Priester im Aaronischen Priestertum, der damals auf Baumission war.

Nachdem ich acht Tage und Nächte seekrank auf einem übel riechenden Kahn verbracht hatte, kamen wir auf Niuatoputapu an. Ich quälte mich mit der Hitze, den Mücken, dem fremden Essen, der fremden Kultur und Sprache, aber auch mit Heimweh. Eines Nachmittags schreckten uns Angstschreie auf, und wir sahen, wie eine Familie den schlaffen, anscheinend leblosen Körpers ihres achtjährigen Sohnes zu uns brachte. Sie klagten, dass er von einem Mangobaum gefallen war und auf nichts reagierte. Die glaubenstreuen Eltern legten ihn mir in die Arme und sagten: “Sie tragen das Melchisedekische Priestertum; bringen Sie ihn uns gesund und wohlauf zurück.”

Ich beherrschte die Sprache zwar nur unzureichend, doch ich verstand, was sie wollten, und hatte Angst. Ich wollte davonlaufen, doch die Liebe und der Glaube, die in den Augen der Eltern und der Geschwister glänzten, hielten mich an Ort und Stelle fest.

Ich blickte voller Erwartung auf meinen Mitarbeiter. Er zuckte die Achseln und sagte: “Ich habe nicht die richtige Vollmacht; Sie und der Zweigpräsident tragen das Melchisedekische Priestertum.” Ich klammerte mich an diesen Strohhalm und sagte: “Das ist die Aufgabe des Zweigpräsidenten.”

Kaum hatte ich das gesagt, kam auch schon der Zweigpräsident auf uns zu. Er hatte den Tumult gehört und kam aus seinem Garten. Er war verschwitzt und mit Erde und Schlamm bedeckt. Ich wandte mich um, erklärte, was geschehen war, und wollte ihm den Jungen geben. Er trat zurück und sagte: “Ich gehe mich waschen und ziehe mir saubere Kleider an; dann segnen wir ihn und sehen, was Gott zu sagen hat.”

Der Panik nahe rief ich aus: “Sehen Sie denn nicht? Er braucht jetzt Hilfe!”

Ruhig erwiderte er: “Ich weiß, er braucht einen Segen. Sobald ich mich gewaschen habe und saubere Kleider anhabe, bringe ich geweihtes Öl, und wir werden uns an Gott wenden und sehen, was sein Wille ist.” Ich kann und will nicht mit schmutzigen Händen und schmutzigen Kleidern vor Gott treten.” Er wandte sich um und ließ mich mit dem Jungen zurück. Ich war sprachlos.

Schließlich kam er mit sauberem Körper und reinem Gewand und, wie ich fühlte, auch mit lauterem Herzen zurück. “Jetzt bin ich rein”, sagte er. “Treten wir also vor Gottes Thron.”

Mit reinen Händen und lauterem Herzen gab dieser wunderbare tonganische Zweigpräsident einen schönen und machtvollen Priestertumssegen. Ich kam mir mehr wie ein Zeuge als wie ein Mitwirkender vor. Mir fielen die Worte des Psalmisten ein: Wer darf hinaufziehn zum Berg des Herrn? … Der reine Hände hat und ein lauteres Herz.”4 Auf dieser winzigen Insel ging ein würdiger Priestertumsträger zum Berg des Herrn, und die Macht des Priestertums kam aus dem Himmel herab und ließ zu, dass das Leben eines Jungen weiterging.

Mit dem Feuer des Glaubens, das in seinen Augen glühte, sagte mir der Zweigpräsident, was ich tun sollte. Es erforderte noch viel Glauben und Mühe, aber am dritten Tag war der achtjährige Junge wieder quicklebendig und mit seiner Familie vereint.

Ich hoffe, Sie verstehen und verspüren diese Wahrheiten. Da war diese winzige Insel mitten im weiten Ozean – ohne Strom, ohne Krankenhaus, ohne Arzt – aber das machte gar nichts aus; denn außer großer Liebe und großem Glauben gab es dort einen Zweigpräsidenten, der das Melchisedekische Priestertum trug und dem bewusst war, dass zu reinen Händen und einem lauteren Herzen unbedingt ein sauberer Körper und saubere Kleidung gehören, und der das Priestertum gemäß dem Willen Gottes rechtschaffen und rein einsetzte. An jenem Tag reichte seine Macht im Priestertum aus, die grenzenlose Macht des Priestertums über das irdische Leben in Anspruch zu nehmen.

Wenn ich nachts auf das Firmament blicke und die endlosen Galaxien darin betrachte, erstaunt es mich, wie winzig klein unsere Erde ist und wie unendlich klein ich bin. Und doch empfinde ich keine Furcht, fühle mich nicht allein, unbedeutend oder fern von Gott. Denn ich habe erlebt, wie die Macht seines Priestertums mit reinen Händen und lauterem Herzen auf einer winzigen Insel im weiten Ozean in Anspruch genommen wurde.

Brüder, wir alle können sie in Anspruch nehmen, ganz gleich, wo, wann oder in welchen Verhältnissen wir leben, so lange unsere Hände rein und unser Herz und Sinn lauter sind. Wenn man dagegen nicht rein ist, hat man keine Macht im Priestertum.

Wir müssen uns einfach mehr bemühen, unser Leben rein zu machen, indem wir anderen christlicher dienen. Es gibt immer Gelegenheiten zum Dienen – in unserer Familie, in der Kirche, auf Mission, im Tempel und bei unseren Mitmenschen. Ein wertvoller Dienst erfordert harte Arbeit, große Opfer und grenzenlose Selbstlosigkeit. Je mehr wir opfern, desto größere Reinheit ist die Folge.

Gott, der voller Licht, Leben und Liebe ist, möchte, dass wir das Priestertum richtig tragen und einsetzen, damit wir dieses Licht, das Leben und die Liebe an alle um uns herum weitergeben können. Andererseits möchte der Satan, der Fürst der Finsternis, uns das Licht, das Leben und die Liebe vorenthalten, so gut er kann. Da der Satan nichts an der Macht des Priestertums ändern kann, setzt er alles daran, unsere Macht im Priestertum einzuschränken, indem er unsere Hände, unser Herz und unseren Sinn beschmutzt, und zwar durch Kränkung, Zorn, Nachlässigkeit, Pornografie, Selbstsucht und jedes erdenkliche Übel, zu dem er uns nur verleiten kann. Er weiß, wenn er uns einzeln nur ausreichend beschmutzen kann, kann er uns in genau jenem Maß von der Reinheit fernhalten, das erforderlich ist, um das Priestertum so anzuwenden, dass es dieser Erde und allen ihren Bewohnern – gestern, heute und morgen – mehr Licht, Leben und Liebe bringen kann.

Brüder, geben Sie das kostbare Geburtsrecht Ihres Priestertums bitte nicht für irgendeinen Schund hin. Bedenken Sie: die Sandburgen am Strand des irdischen Lebens mögen noch so kunstvoll sein – letzten Endes werden sie von der Flut doch hinweg geschwemmt. Nur mit reinen Händen, lauterem Herzen und lauterem Sinn können wir die höchste Macht des Priestertums in Anspruch nehmen, um anderen wahrhaftig ein Segen zu sein und letzten Endes ein ewiges Haus zu errichten, das viel schöner und dauerhafter sein wird, als wir es uns heute vorstellen können.

Ich für mein Teil habe erfahren, dass Gott lebt, dass Jesus der Messias ist, dass er mein Freund und Ihr Freund ist. Ich weiß, dass Jesus die vollkommene Verkörperung reiner Priestertumsmacht ist. Folgen Sie ihm.

Ich bete, dass wir alle mit reinerem Herzen dienen können, so dass unsere eigene Macht im Priestertum letzten Endes durch die vollkommene Liebe dessen grenzenlos wird, dessen Priestertum wir tragen.

Im Namen Jesu Christi. Amen.

  1. LuB 121:41,42

  2. LuB 121:37

  3. Buddha zugeschrieben

  4. Psalm 24:3,4