2016
Schock, Trauer und der Plan Gottes
April 2016


Schock, Trauer und der Plan Gottes

Die Verfasserin lebt in Albanien.

Das niederschmetterndste Erlebnis meines Lebens schenkte mir die Zusicherung, dass der Vater im Himmel auf meinem Lebensweg bei mir war.

Bild
illustration like a stained-glass window

Illustration von David Curtis

Eines Morgens im Jahr 2008 weckte mich meine Mutter. Es war noch früh und ich sollte mich für die Schule bereitmachen. An jenem Morgen war ich richtig glücklich. Ich ahnte nicht, dass es der schlimmste Tag meines Lebens werden würde, der letzte Morgen, an dem ich meine Mutter noch einmal sah. An jenem Tag war der Unterricht schon früher für mich zu Ende: Eine Freundin der Familie holte mich ab. Sie überbrachte mir die Nachricht, dass meine Mutter sich umgebracht hatte. Ich war erst zwölf.

Ich fragte mich, wie ich ohne meine Mutter würde leben können. Sie war doch meine beste Freundin.

Ich weinte monatelang. Ich ging nicht mehr gerne in die Schule, weil meine Mitschüler mich anders behandelten als zuvor und mich bemitleideten. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich wusste nur, dass ich für alle anderen stark sein musste.

Eines Tages, vielleicht fünf, sechs Monate nach dem Tod meiner Mutter, saß ich alleine weinend am Fenster in meinem Zimmer. Ich wollte so gerne verstehen, wozu ich überhaupt noch auf der Erde war. Da hörte ich plötzlich eine Stimme in mir: „Du bist meine Tochter. Ich werde dich nicht leiden lassen.“ Ich wusste, dass es Gott war. Ich war überrascht. Ich glaubte doch gar nicht mehr an ihn, vor allem weil ich ihm vorwarf, dass er mir meine Mutter weggenommen hatte! Obwohl ich nicht wusste, was er mir mit seinen Worten sagen wollte, fühlte ich mich geborgen.

Drei Jahre später fuhr ich nach Italien, um meinen Onkel in Rom zu besuchen. Er erzählte mir immer von der Kirche, in die er ging. An einem Sonntag nahm er mich mit. Nie werde ich vergessen, wie ich zum ersten Mal auf das Gemeindehaus zuging und die Liebe des himmlischen Vaters verspürte, als ich es betrat. Es fühlte sich an, als sei ich zu Hause.

Ab da ging ich jeden Sonntag in die Kirche und nahm außerdem an allen Aktivitäten unter der Woche teil. Ich fand es herrlich, mit den Jugendlichen der Kirche zusammen zu sein. Sie machten mich glücklicher. Sie dachten ganz ähnlich wie ich, sie glaubten an dasselbe wie ich. Nach drei Monaten waren meine Sommerferien schließlich vorbei und ich musste zurück nach Albanien.

Als ich wieder zu Hause war, erzählte ich meinem Vater von den Gefühlen, die mich bewegt hatten. Ich sagte ihm, wie glücklich ich während meiner ganzen Zeit in Rom gewesen war. Ihm gefiel das gar nicht. Er sagte mir klipp und klar, ich dürfe ab nun nicht mehr in die Kirche gehen oder Näheres darüber in Erfahrung bringen. Also musste ich mich drei Jahre lang in Geduld üben, bis ich 18 wurde. Erst dann durfte ich für mich selbst entscheiden und mich taufen lassen.

In der Zeit bis dahin fühlte ich mich jedoch sehr gesegnet, da es sehr viele Mitglieder gab, die mir davon berichteten, was sie jeden Sonntag in der Kirche gelernt hatten. Eines davon war Stephanie. Sie hatte zu der Zeit in Italien gelebt, als mein Onkel sich der Kirche angeschlossen hatte. Später war sie jedoch in ihre Heimat, die USA, zurückgekehrt. Mein Onkel hielt es für eine gute Idee, wenn Stephanie und ich uns schreiben würden. Deshalb fügte ich sie auf Facebook als Freundin hinzu.

Zwar haben wir uns nie persönlich getroffen, doch werde ich ihr immer dankbar dafür sein, dass sie mir geholfen hat, meinen Glauben zu festigen und mehr über das Evangelium Jesu Christi zu lernen. Stephanie schrieb mir fast jeden Sonntag. Sie erzählte mir, was sie alles in der Kirche gelernt hatte, und beantwortete meine Fragen. Sie war eine wirklich gute Freundin.

Nachdem ich jahrelang geduldig gewartet hatte, konnte ich mich schließlich – nur zwei Tage nach meinem 18. Geburtstag – taufen lassen. Und bald kann ich auch meine Mutter an der Freude teilhaben lassen, die ich an meinem Tauftag verspürt habe: Ich werde mich nämlich für sie taufen lassen! Ich weiß, dass sie stolz darauf ist, für was für ein Leben ich mich entschieden habe.

Ich fühle mich vom Vater im Himmel gesegnet, weil er mich auf meinem Lebensweg auf vielerlei Weise begleitet hat. Ich musste bloß geduldig warten, weil er einen Plan für mich hatte. Doch er allein hat mir die Kraft gegeben, meine Herausforderungen zu meistern. Er war immer da und hat mir geholfen, glücklicher zu sein.