2016
Er ist der Bischof?
April 2016


Er ist der Bischof?

Der Verfasser lebt in Illinois.

Da ich vor Jahren in der Kirche weniger aktiv gewesen war, konnte ein Mitglied, das mich von damals kannte, nicht glauben, dass ich als Bischof berufen worden war.

Bild
the bishop

Illustration von Mark Smith © 2016

Bei einer Sitzung des Priestertumsführungskomitees berichteten die Vollzeitmissionare, dass sie ein Mitglied kennengelernt hatten, dessen Mitgliedsschein nicht bei uns in der Gemeinde war. Ich erkannte den Namen sofort und erwähnte, dass diese Schwester und ich vor vielen Jahren zur gleichen Gemeinde gehört hatten.

Einer der Missionare sagte: „Ja, Bischof, das hat sie erwähnt, und sie schien ziemlich überrascht zu sein, dass Sie der Bischof sind.“

Ich fragte: „Was hat sie denn gesagt?“

Sie sagten, sie habe sehr überrascht gewirkt und habe gefragt: „Er ist der Bischof?“

Ich musste lachen und erklärte, dass diese Schwester mich als einen ganz anderen Menschen kannte – als den, der ich vor 30 Jahren gewesen war.

Als ich später darüber nachdachte, ging mir durch den Kopf, wie sehr sich mein Leben in den über 30 Jahren, die ich mit meiner Familie der Kirche angehöre, verändert hat. Ich kenne viele Mitglieder unserer Gemeinde seit 20 Jahren, ich war Zweigpräsident und Bischof, aber keiner von ihnen kannte mich vor 30 Jahren. Gelegentlich erzähle ich zwar Erlebnisse aus meiner Vergangenheit, wenn ich über Umkehr und das Sühnopfer Jesu Christi spreche, aber die meisten in der Gemeinde wissen nicht, was für eine unglaubliche Reise ich in der Kirche zurückgelegt habe.

Meine Familie und ich lernten die Kirche im Mai 1979 kennen. Damals wusste ich sofort, dass ich dort hingehöre. Wir ließen uns im Juni taufen, und anfangs waren wir alle aktiv dabei, aber schon nach kurzer Zeit ging ich nicht mehr in die Kirche und kehrte zu alten Gewohnheiten zurück. Eigentlich zweifelte ich nie an der Wahrheit des Evangeliums und der Wiederherstellung, aber ich meinte, ich hätte nicht das Zeug dazu, ein gutes Mitglied der Kirche zu sein.

1982 reichte meine Frau, die stets an ihrem Glauben festgehalten hatte, wegen meines anhaltenden Alkoholmissbrauchs die Scheidung ein. Damals lebte meine Familie in Oklahoma, während ich nach Illinois zurückgekehrt war, wo ich aufgewachsen war. Ich hatte den Punkt erreicht, wo ich kurz davor stand, das Einzige, was mir wirklich wichtig war, zu verlieren: meine Familie.

Von da an betete ich jeden Morgen und jeden Abend auf meinen Knien zu einem Gott, von dem ich nicht länger wusste, ob er überhaupt existiert. Falls es ihn gab, hatte er mich sicher schon längst vergessen, dachte ich. Dennoch betete ich gewissenhaft drei Monate lang. Als ich eines Morgens in der Frühe tief im Gebet versunken war, empfand ich auf einmal ein tiefes Gefühl der Erleichterung, und ich wusste, dass Gott lebt, dass er mich kennt und dass er mich liebt. Ich wusste auch, dass ich nie wieder einen Tropfen Alkohol anrühren wollte.

Am Abend rief mich meine Frau an und teilte mir mit, dass sie mir die Scheidungspapiere zuschickte, damit ich sie unterschreiben könne. Im Laufe des Gesprächs sagte sie plötzlich: „Etwas an dir ist irgendwie ganz anders als sonst. Ich glaube, du wirst nie wieder trinken – ich werde die Scheidungspapiere gleich zerreißen.“ Wir kamen wieder zusammen, und zwei Jahre später wurde unser dritter Sohn geboren.

Nun könnte man meinen, dass ich gleich wieder in der Kirche aktiv wurde, aber ich bin halt ein Sturkopf. Eine Zeit lang ging ich in die Kirche und wurde sogar zum Lehrer im Ältestenkollegium berufen. Aber bald schon fühlte ich mich in dieser Aufgabe unzulänglich und blieb der Kirche wieder fern.

1991 zogen wir um und gehörten nun zu einem kleinen Zweig. Einige Monate vor dem achten Geburtstag unseres jüngsten Sohnes fragte ihn meine Frau, die PV-Leiterin war, von wem er sich denn taufen lassen wolle. Natürlich wollte er, dass ihn sein Vater tauft. Meine Frau sagte ihm, das werde wahrscheinlich nicht möglich sein. Aber diese Antwort ließ er nicht gelten und machte sich daran, seinen Vater in die Kirche zurückzubringen. Er war ziemlich unnachgiebig, und es dauerte nicht lange, da wurde ich als Scoutführer berufen, und später taufte und konfirmierte ich meinen Sohn.

Die acht Monate nach meiner Rückkehr in die Kirche waren sehr ereignisreich. Wir wurden im Chicago-Illinois-Tempel als Familie gesiegelt, und ich wurde wiederum zum Lehrer im Ältestenkollegium berufen. Aber dieses Mal gab ich nicht auf. Später wurde ich zum Ratgeber in der Zweigpräsidentschaft berufen und fünf Monate später zum Zweigpräsidenten. Ich weiß noch, wie ich mich etwa einen Monat nach meiner Berufung fragte: Ich bin der Zweigpräsident?

Über die Jahre habe ich vielen Mitgliedern, die Schwierigkeiten hatten, gesagt: „Wenn ich im Evangelium Fortschritt machen kann, dann kann es jeder!“ Es geht einfach nur darum, die wahre Macht des Heilands und seines Sühnopfers zu begreifen und die notwendigen Schritte zu gehen, um zu ihm zu kommen.

Ich bin meiner Frau und meinen Kindern und all den treuen Heimlehrern, Kollegiumsführern, Bischöfen und anderen treuen Mitgliedern, die mir ein wunderbares Beispiel gegeben haben, ewig dankbar. Es war mir in den vergangenen 20 Jahren eine große Freude, dem Herrn und den Mitgliedern seiner Kirche zu dienen. Ich bin reichlicher gesegnet worden, als ich es je für möglich gehalten hätte.