Generalkonferenz
Sind Sie noch willens?
Herbst-Generalkonferenz 2022


Sind Sie noch willens?

Unsere Bereitschaft, Jesus Christus nachzufolgen, ist direkt proportional zu der Menge an Zeit, die wir aufbringen, um an heiligen Stätten zu stehen

Als ich mich eines Sonntags nach mehreren Wochen, in denen ich bei Pfahlkonferenzen zu tun hatte, auf die Teilnahme am Abendmahl vorbereitete, ging mir ein interessanter und eindringlicher Gedanke durch den Kopf.

Während der Priester damit begann, das Brot zu segnen, drangen mir die Worte, die ich zuvor schon so viele Male gehört hatte, machtvoll in Herz und Seele: „… und dir, o Gott, ewiger Vater, bezeugen, dass sie willens sind, den Namen deines Sohnes auf sich zu nehmen und immer an ihn zu denken und seine Gebote, die er ihnen gegeben hat, zu halten, damit sein Geist immer mit ihnen sei1. Wie oft haben wir Gott gegenüber bezeugt, dass wir willens sind?

Als ich über die Bedeutung dieser heiligen Worte nachsann, hinterließ das Wort willens bei mir einen Eindruck wie noch nie zuvor. Eine Flut guter und heiliger Erkenntnisse ergriff mich und erfüllte mich mit Liebe und Dankbarkeit für das sühnende Opfer des Erretters und seine entscheidende Rolle im Erlösungsplan des Vaters für meine Familie und mich. Danach hörte ich beim Gebet für das Wasser die Worte „damit sie dir … bezeugen, dass sie wahrhaftig immer an ihn denken“2, und verspürte sie durchdringend. In diesem Moment wurde mir deutlich bewusst, dass die Einhaltung meiner Bündnisse wohl mehr als nur gute Absichten erforderte.

Vom Abendmahl zu nehmen, ist kein passives religiöses Ritual, bei dem wir lediglich unsere Zustimmung andeuten. Es ist eine eindringliche Erinnerung daran, dass der Erretter sein unbegrenztes Sühnopfer wirklich vollbracht hat und es notwendig ist, immer an ihn zu denken und seine Gebote zu halten. Die Bereitschaft, sich am Erretter auszurichten, ist so entscheidend, dass sie die Kernaussage der beiden am häufigsten zitierten Schriftstellen in der Kirche darstellt – der Abendmahlsgebete. Wenn wir verstanden haben, was der Vater im Himmel einem jeden von uns durch seinen einziggezeugten Sohn so bereitwillig anbietet, sollte uns dies zu äußersten Anstrengungen anspornen, als Gegenleistung jederzeit willens zu sein.

Ist unser geistiges Fundament fest auf Jesus Christus gebaut?

Falls unser geistiges Fundament seicht oder oberflächlich ist, könnten wir versucht sein, unsere Bereitschaft an einer gesellschaftlichen Kosten-Nutzen-Analyse oder einem persönlichen Unbequemlichkeitsindex festzumachen. Und wenn wir uns der Meinung anschließen, die Kirche bestünde in erster Linie aus veralteten oder gar politisch inkorrekten gesellschaftlichen Bestimmungen, unrealistischen Einschränkungen der Persönlichkeit und zeitlichen Verpflichtungen, ziehen wir mangelhafte Schlussfolgerungen, was unsere Bereitschaft betrifft. Wir dürfen vom Grundsatz der Bereitschaft nicht erwarten, dass er gut zu den Ansichten der Influencer in den sozialen Medien oder der TikTok-Enthusiasten passt. Die Regeln der Menschen lassen sich nur selten mit göttlicher Wahrheit in Einklang bringen.

Die Kirche ist ein Sammelplatz für unvollkommene Menschen, die Gott lieben und willens sind, dem Herrn Jesus Christus nachzufolgen. Diese Bereitschaft beruht auf der Tatsache, dass Jesus der Messias ist, der Sohn des lebendigen Gottes. Diese göttliche Wahrheit kann man nur durch die Macht des Heiligen Geistes erkennen. Unsere Bereitschaft ist demnach direkt proportional zu der Menge an Zeit, die wir aufbringen, um an heiligen Stätten zu stehen, wo der Einfluss des Heiligen Geistes anwesend ist.

Wir täten gut daran, mehr Zeit mit konstruktiven Gesprächen zu verbringen, in denen wir unsere Anliegen mit einem liebevollen Vater im Himmel besprechen, und weniger Zeit damit, die Meinung anderer einzuholen. Auch könnten wir unseren täglichen Newsfeed auf die Worte Christi in den heiligen Schriften und auf die prophetischen Worte seiner lebenden Propheten umstellen.

Wie viel Bedeutung wir dem Einhalten der Sabbatheiligung, dem Zahlen eines ehrlichen Zehnten, dem Erhalt eines gültigen Tempelscheins, dem Tempelbesuch und der Einhaltung unserer heiligen Tempelbündnisse beimessen, ist ein überzeugender Gradmesser unserer Bereitschaft und ein Beweis für unsere Hingabe. Sind wir willens, bei der Stärkung unseres Glaubens an Christus mehr als nur oberflächliche Bemühungen hervorzubringen?

Die Liebe des himmlischen Vaters ist vollkommen, aber an diese Liebe sind große Erwartungen geknüpft. Er erwartet von uns, dass wir bereitwillig den Erretter zum Mittelpunkt unseres Lebens machen. Der Erretter ist das vollkommene Beispiel für die Bereitschaft, sich dem Vater in allem zu unterwerfen. Er ist „der Weg und die Wahrheit und das Leben“3. Er hat bereitwillig für unsere Sünden gesühnt. Bereitwillig verringert er unsere Lasten, besänftigt unsere Ängste, gibt uns Kraft und schenkt unserem Herzen Frieden und Verständnis in Zeiten der Verzweiflung und des Kummers.

Dennoch ist der Glaube an Jesus Christus eine Entscheidung. Wenn wir nichts weiter haben als den Wunsch, an seine Worte zu glauben,4 ist dies schon ein Ausgangspunkt für den Beginn oder Neubeginn unserer Reise des Glaubens. Wenn uns seine Worte wie ein Same ins Herz gepflanzt und mit großer Sorgfalt genährt werden, bilden sich Wurzeln, sodass unser Glaube zur Gewissheit heranwächst und zu einer Grundlage unseres Handelns und unserer Kraft wird. Das Buch Mormon ist das wirksamste Mittel, um im Glauben zu wachsen oder ihn wiederzuerlangen. Unsere Bereitschaft setzt den Glauben frei.

Wie von Gott beabsichtigt, ist das Erdenleben nicht einfach und zeitweise auch erdrückend. Dennoch sind wir da, „damit [wir] Freude haben können“5. Die Ausrichtung am Erretter und an unseren Bündnissen bringt dauerhaft Freude! Der Zweck des Erdenlebens ist es, unsere Bereitschaft unter Beweis zu stellen. „Die wichtigste Aufgabe im Leben [und der Preis für die Nachfolge Christi] besteht darin, dass man den Willen des Herrn erfährt und ihn dann tut.“6 Wahre Nachfolge Christi führt zu einer Fülle der Freude. Sind wir willens, den Preis dafür zu zahlen?

Der Weg der Bündnisse ist nicht einfach eine Strichliste – es ist ein fortschreitendes geistiges Wachstum und eine immer tiefere Hingabe an den Herrn Jesus Christus. Der Hauptzweck eines jeden Gebots, Grundsatzes, Bündnisses, einer jeden religiösen Verordnung ist es, Glauben und Vertrauen in Christus aufzubauen. Unsere Entschlossenheit, unser Leben an Christus auszurichten, muss daher beständig sein – nicht an Bedingungen und Situationen geknüpft und nicht oberflächlich. Wir können es uns nicht leisten, von unserer Bereitschaft, „allzeit und in allem und überall, wo auch immer [wir uns befinden mögen], als Zeugen Gottes aufzutreten“7, ein paar Tage Urlaub zu machen oder eine persönliche Auszeit zu nehmen. Die Nachfolge Christi ist nicht billig, weil die Begleitung durch den Heiligen Geist unbezahlbar ist.

Als der Herr das Gleichnis von den zehn Jungfrauen erzählte, dachte er bestimmt an unsere Zeit. Über die fünf klugen sagte er, dass sie „sich den Heiligen Geist als ihren Führer genommen [haben]“8, während die Lampen der törichten wegen Ölmangels ausgingen.9 Vielleicht beschreiben die Worte Nephis die einst glaubenstreuen Mitglieder der Kirche am besten: „Und andere wird er beschwichtigen und sie in fleischlicher Sicherheit wiegen, sodass sie sprechen: Alles ist wohl in Zion.“10

Weltliche Sicherheit trachtet nach weltlichen Dingen und vertraut darauf statt auf Christus oder, anders ausgedrückt, man blickt durch ein weltliches Objektiv statt durch ein geistiges. Der Heilige Geist gibt uns die Fähigkeit, zu erkennen, „wie es wirklich ist, und … wie es wirklich sein wird“11. Nur „durch die Macht des Heiligen Geistes [können wir] von allem wissen, ob es wahr ist“12, ohne getäuscht zu werden. Wir stellen Christus nicht etwa deshalb in den Mittelpunkt unseres Lebens und geloben Bereitschaft, seine Gebote zu befolgen, weil wir blind sind, sondern weil wir sehen können.13

Was ist mit den törichten Jungfrauen? Weshalb waren sie nicht willens, ein Gefäß mit geistigem Öl bei sich zu tragen? Hatten sie es einfach nur aufgeschoben? Es war ihnen vielleicht gleichgültig, weil es unbequem war oder gar unnötig erschien. Was auch immer der Grund gewesen sein mochte, sie wurden über die entscheidende Rolle Christi getäuscht. Dies ist der grundlegende Betrug des Satans und der Grund dafür, dass die Lampen ihres Zeugnisses schließlich mangels geistigem Öl ausgingen. Dieses Gleichnis ist eine Metapher für unsere Zeit. Viele verlassen den Herrn und ihre Bündnisse, lange bevor sie seine Kirche verlassen.

Vorhergesehen von Propheten vor alters leben wir in noch nie da gewesenen Zeiten, in denen der Satan „im Herzen der Menschenkinder wüte[t] und sie zum Zorn aufstachel[t] gegen das, was gut ist“14. Bei weitem zu viele von uns leben in einer virtuellen Welt und werden mit Unterhaltung und Mitteilungen überschüttet, die unserem göttlichen Wesen und dem Glauben an Christus feindselig gegenüberstehen.

Der stärkste geistige Einfluss im Leben eines Kindes ist das rechtschaffene Beispiel liebevoller Eltern und Großeltern, die treu an ihren eigenen heiligen Bündnissen festhalten. Verantwortungsbewusste Eltern lehren ihre Kinder Glauben an den Herrn Jesus Christus, damit auch sie „wissen mögen, von welcher Quelle sie Vergebung ihrer Sünden erhoffen können“15. Eine nachlässige oder unbeständige Einhaltung von Bündnissen führt geistig ins Aus. Dabei ist der geistige Schaden bei unseren Kindern und Enkelkindern oft am größten. Eltern und Großeltern, sind wir noch willens?

Präsident Russell M. Nelson hat uns gewarnt: „Es wird in künftigen Tagen nicht möglich sein, ohne den führenden, leitenden, tröstenden und steten Einfluss des Heiligen Geistes geistig zu überleben.“16 Dies ist eine deutliche und unmissverständliche Warnung, unsere Lampen bereitzumachen und unsere geistigen Ölvorräte aufzustocken. Sind wir noch willens, den lebenden Propheten zu folgen? Wie hoch ist der Stand des geistigen Öls in Ihrer Lampe? Welche Veränderungen in Ihrem Leben würden es Ihnen ermöglichen, den Einfluss des Heiligen Geistes beständiger bei sich zu haben?

Auch heute gibt es wie zu Jesu Zeiten Menschen, die sich abwenden, weil sie nicht willens sind, den Preis der Nachfolge Christi zu akzeptieren. Während sich schroffe und hasserfüllte Kritik zunehmend gegen die Kirche des Erretters und alle richtet, die ihm nachfolgen, wird von uns als Jünger Christi eine größere Bereitschaft verlangt, unser geistiges Rückgrat zu begradigen und zu stärken und dergleichen nicht zu beachten.17

Wenn unser geistiges Fundament fest auf Jesus Christus gebaut ist, werden wir nicht fallen und brauchen uns nicht zu fürchten.

„Siehe, der Herr fordert das Herz und einen willigen Sinn; und die Willigen und Gehorsamen werden in diesen letzten Tagen das Gute aus dem Land Zion essen.“18

Mögen wir immer willens sein. Im heiligen Namen des Herrn Jesus Christus. Amen.