Generalkonferenz
In die Herde Gottes kommen
Frühjahrs-Generalkonferenz 2022


In die Herde Gottes kommen

Innerhalb der Herde Gottes erleben wir, wie der gute Hirte sich wachsam um jeden sorgt und bemüht, und wir verspüren seine erlösende Liebe

Als junge Eltern lernten Bruder und Schwester Samad das Evangelium Jesu Christi in ihrer schlichten Zweizimmerwohnung in Semarang in Indonesien kennen.1 An einem kleinen Tisch hörten sie bei schwachem Licht, das eher Moskitos anzog denn das Zimmer erleuchtete, zwei jungen Missionaren zu, die ihnen ewige Wahrheiten erläuterten. Ihr aufrichtiges Beten sowie die Führung durch den Heiligen Geist brachten sie zum Glauben an das, was ihnen da vermittelt wurde, und sie entschlossen sich, durch die Taufe der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage beizutreten. Diese Entscheidung – und ihre Lebensweise danach – sind seither in jedem Lebensbereich Bruder und Schwester Samad sowie ihren Verwandten ein Segen.2

Das Ehepaar zählt zu den Pionieren unter den Heiligen in Indonesien. Sie empfingen die heiligen Handlungen des Tempels, und Bruder Samad war zunächst Zweigpräsident und bereiste später im Rahmen seiner Aufgaben als Distriktspräsident die gesamte Provinz Zentraljava. Seit zehn Jahren dient er nun im Pfahl Surakarta in Indonesien als erster Pfahlpatriarch.

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Elder Funk mit dem Ehepaar Samad

Als einer jener Missionare damals vor 49 Jahren in dem schlichten, von Glauben erfüllten Zuhause erlebe ich nun mit eigenen Augen mit, was König Benjamin im Buch Mormon bezeugt hat: „[Ich] wünschte …, ihr würdet den gesegneten und glücklichen Zustand derjenigen betrachten, die die Gebote Gottes halten. Denn siehe, sie sind gesegnet in allem, sowohl zeitlich als auch geistig.“3 Zahlreich, freudvoll und ewig sind die Segnungen derer, die dem Beispiel und den Lehren Jesu Christi folgen und zu seinen Jüngern gezählt werden wollen.4

Die Herde Gottes

Die Aufforderung zum Taufbund, die Alma an diejenigen richtete, die an den Wassern Mormons zusammenkamen, beginnt mit den Worten: „Nun, da ihr den Wunsch habt, in die Herde Gottes zu kommen.“5

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Flock of sheep in the country side standing next to a rock fence.

Eine Schafherde ist wohl jedem ein Begriff. Und dann gibt es da noch die Schafhürde, einen zumeist von Steinmauern eingefassten Pferch, in dem die Schafe nachts in Sicherheit sind. Sie hat nur einen einzigen Eingang. Bei Einbruch der Nacht ruft der Hirte die Schafe, und sie kennen seine Stimme und begeben sich durch das Tor in die Geborgenheit der Schafhürde.

Dem Volk Almas war sicherlich bekannt, dass neben dem schmalen Eingang Hirten stehen, die die hereinkommenden Schafe zählen.6 Und wenn ein Hirt merkt, dass ein Tier krank oder verletzt ist, wird jedes einzelne versorgt. Die Sicherheit und das Wohlergehen der Schafe hängen davon ab, dass sie gewillt sind, zur Herde zu kommen und in der Hürde zu bleiben.

Auch unter uns gibt es welche, die das Gefühl haben, sie stünden am Rande; die meinen, sie würden weniger gebraucht, würden geringgeschätzt oder gehörten gar nicht zur Herde. Und wie in der Schafherde kommt es auch in der Herde Gottes mitunter vor, dass wir einander auf die Zehen treten und umkehren oder vergebungsbereit sein müssen.

Doch der gute Hirte7 – unser wahrer Hirt – ist immerzu gut. Innerhalb der Herde Gottes erleben wir, wie er sich wachsam um jeden sorgt und bemüht, und wir verspüren seine erlösende Liebe. Er lässt uns wissen: „Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände, deine Mauern sind beständig vor mir.“8 Unser Erretter hat in seine Handflächen unsere Sünden, Schmerzen und Bedrängnisse eingezeichnet9 sowie auch sonst alles, was im Leben ungerecht ist.10 Jeder kommt in den Genuss dieser Segnungen, so er „den Wunsch [danach hat]“11 und bei der Herde bleibt. Die Gabe der Entscheidungsfreiheit steht nicht bloß für das Recht, selbst zu entscheiden, sondern gesteht uns vielmehr zu, uns recht zu entscheiden. Und die Mauern rund um die Schafhürde sind kein Hemmnis, sondern der Quell geistiger Sicherheit.

Jesus zufolge gibt es „nur eine Herde … und einen Hirten“12. Er hat gesagt:

„Wer aber durch die Tür hineingeht, ist der Hirt der Schafe. …

Die Schafe hören auf seine Stimme[,]

und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme.“13

Danach erklärte Jesus: „Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden“14, und bringt somit unmissverständlich zum Ausdruck, dass es nur einen Weg in die Herde Gottes gibt – nur einen Weg also, wie man errettet werden kann, nämlich von und durch Jesus Christus.15

In der Herde Gottes gesegnet sein

Wie man in die Herde gelangt, entnehmen wir dem Wort Gottes, jener Lehre nämlich, die Jesus Christus und seine Propheten verkünden.16 Wenn wir uns an die Lehre Christi halten und durch Glauben an Jesus Christus, Umkehr, Taufe und Konfirmierung sowie beständige Treue in die Herde kommen,17 sind uns von Alma vier konkrete, persönliche Segnungen verheißen: Wir werden 1.) „von Gott erlöst“, 2.) „zu denen von der ersten Auferstehung gezählt“, 3.) werden wir „ewiges Leben [haben]“ und 4.) wird der Herr „seinen Geist reichlicher über [uns ausgießen]“18.

Als Alma dem Volk diese Segnungen aufzählte, klatschten die Leute vor Freude in die Hände, und zwar aus diesen Gründen:

Erstens: Erlösen bedeutet, eine Schuld oder Verpflichtung abzuzahlen und sich freizumachen von dem, was bedrückt oder schadet.19 Selbst wenn wir noch so sehr an uns arbeiten: Ohne das Sühnopfer Jesu Christi ist es nicht möglich, uns von den Sünden rein zu machen, die wir begangen haben, oder uns von den Wunden zu heilen, die wir davongetragen haben. Unser Erlöser ist allein der Herr.20

Zweitens: Dank der Auferstehung Christi werden alle Menschen auferstehen.21 Wenn unser Geist den sterblichen Körper verlässt, halten wir zweifellos Ausschau nach dem Tag, da wir unsere Lieben abermals – diesmal mit einem auferstandenen Körper – werden umarmen können. Wir freuen uns dann bestimmt schon sehr darauf, zu denen von der ersten Auferstehung zu gehören.

Drittens: Ewiges Leben bedeutet, dass man bei Gott lebt und wie er lebt. Dies ist „die größte aller Gaben Gottes“22 und schenkt uns eine Fülle der Freude.23 Es ist der höchste Lebenszweck und letztendlich unser Lebensziel.

Viertens: Die Begleitung durch ein Mitglied der Gottheit, nämlich den Heiligen Geist, schenkt uns die im Erdenleben so dringend nötige Führung sowie göttlichen Trost.24

Betrachten wir einiges, was zu Unglücklichsein führt: das Elend, das von Sünde herrührt,25 Kummer und Einsamkeit nach dem Tod eines geliebten Menschen sowie die Angst vor der Ungewissheit dessen, was beim Tod geschieht. Doch wenn wir in die Herde Gottes kommen und unsere Bündnisse mit ihm halten, verspüren wir Frieden – dank der festen Zuversicht, dass Christus uns von unseren Sünden erlösen wird, dass die Trennung von Körper und Geist rasch vorüber sein wird und dass wir letztlich auf herrlichste Weise auf ewig bei Gott leben werden.

Auf Christus vertrauen und im Glauben handeln

Brüder und Schwestern, in den heiligen Schriften finden sich zahlreiche Beispiele für die erhabene Macht und die von Mitgefühl geprägte Gnade und Barmherzigkeit des Erretters. Als er auf der Erde war, segnete und heilte er die, die auf ihn vertrauten und im Glauben handelten. Am Teich Betesda etwa vermochte ein Kranker wieder zu gehen, nachdem er glaubensvoll die Aufforderung des Erretters befolgt hatte, nämlich: „Steh auf, nimm deine Liege und geh!“26 Im Land Überfluss wurden diejenigen, die krank oder auf irgendeine andere Weise bedrängt waren, geheilt, als sie „einmütig“27 zu ihm hingingen.

Wollen wir die wundervollen Segnungen empfangen, die denen verheißen sind, die in die Herde Gottes kommen, dann müssen wir genau dies tun – wir müssen hinkommen. Alma der Jüngere hat gesagt: „Und nun sage ich euch: Der gute Hirte ruft nach euch; und wenn ihr auf seine Stimme hört, so wird er euch in seine Herde bringen.“28

Vor einigen Jahren ist ein guter Bekannter von mir an Krebs gestorben. Als sich seine Frau Sharon erstmals zu seiner Diagnose äußerte, tat sie dies mit diesen Worten: „Wir entscheiden uns für den Glauben – Glauben an unseren Erretter Jesus Christus und Glauben an den Plan des himmlischen Vaters und daran, dass er weiß, was wir brauchen, und seine Verheißungen erfüllt.“29

Ich habe viele Heilige der Letzten Tage kennengelernt, die – wie Sharon – den Frieden im Herzen tragen, dass sie in der Herde Gottes in Sicherheit sind, ganz besonders dann, wenn Versuchungen, Widerstände oder Bedrängnisse einsetzen.30 Sie entscheiden sich für den Glauben an Jesus Christus und wollen seinem Propheten folgen. Unser geschätzter Prophet, Präsident Russell M. Nelson hat erklärt: „Alles Gute im Leben – jeder erdenkliche Segen von ewiger Tragweite – beginnt mit Glauben.“31

Ganz und gar in die Herde Gottes kommen

Mein Urururgroßvater James Sawyer Holman kam 1847 nach Utah, doch er war nicht unter denen, die gleich im Juli mit Brigham Young dort anlangten. Er traf erst einige Zeit später ein, denn den Aufzeichnungen unserer Familie zufolge hatte er den Auftrag, die Schafe mitzubringen. Er langte zwar erst im Oktober im Salzseetal an – aber dafür gemeinsam mit den Schafen!32

Einige von uns sind, bildlich gesprochen, noch immer da draußen in der Prärie. Nicht jeder kommt gleich mit der ersten Gruppe an. Meine lieben Freunde: Bitte geben Sie unterwegs nicht auf und helfen Sie auch anderen, ganz und gar in die Herde Gottes zu kommen. Die Segnungen des Evangeliums Jesu Christi sind so unermesslich, weil sie ewig sind.

Ich bin zutiefst dankbar dafür, dass ich der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage angehöre. Ich gebe Zeugnis für die Liebe unseres himmlischen Vaters und unseres Erlösers Jesus Christus und für den Frieden, den nur sie uns schenken – den inneren Frieden und die Segnungen nämlich, die man erhält, wenn man in die Herde Gottes kommt. Im Namen Jesu Christi. Amen.

Anmerkungen

  1. Wie so viele Indonesier seiner Generation hat Bruder Samad nur diesen einen Namen. Seine Frau Sri Katoningsih und die Kinder nennen sich mit Familiennamen Samad.

  2. Bruder und Schwester Samad zufolge haben sich inzwischen mindestens 44 Angehörige der Kirche angeschlossen. Auch viele andere kommen dank ihres Vorbilds und ihrer Bemühungen in den Genuss der Segnungen des Evangeliums.

  3. Mosia 2:41

  4. Siehe Lehre und Bündnisse 59:23

  5. Mosia 18:8

  6. Siehe Moroni 6:4

  7. Siehe Johannes 10:14; siehe auch Gerrit W. Gong, „Guter Hirt, Lamm Gottes“, Liahona, Mai 2019, Seite 97–101

  8. Jesaja 49:16

  9. Siehe Alma 7:11-13

  10. Siehe Dale G. Renlund, „Himmelschreiende Ungerechtigkeit“, Liahona, Mai 2021, Seite 41–44

  11. Mosia 18:8

  12. Johannes 10:16

  13. Johannes 10:2-4

  14. Johannes 10:9

  15. Siehe 2 Nephi 31:21; Helaman 5:9

  16. Siehe Henry B. Eyring, „Die Macht der Unterweisung in der Lehre“, Der Stern, Juli 1999, Seite 85. Wenn wir zu Christus kommen wollen, müssen wir dies gemäß den Worten Christi tun, „denn es ist ein Gott und ein Hirte über die ganze Erde“ (siehe 1 Nephi 13:40,41).

  17. Die Lehre Christi besagt schlicht und einfach, dass alle Menschen auf Erden Glauben an Jesus Christus und sein Sühnopfer ausüben müssen, dass sie umkehren, sich taufen lassen, den Heiligen Geist empfangen und bis ans Ende ausharren müssen, denn ansonsten können sie, wie der Erretter es in 3 Nephi 11:38 zum Ausdruck bringt, „keinesfalls das Reich Gottes ererben“.

  18. Mosia 18:9,10

  19. Siehe Merriam Webster.com Dictionary, „redeem“; vgl. www.duden.de/rechtschreibung/erloesen; siehe auch D. Todd Christofferson, „Erlösung“, Liahona, Mai 2013, Seite 109

  20. Siehe Alma 11:40

  21. Siehe 2 Nephi 2:8; 9:12

  22. Lehre und Bündnisse 14:7

  23. Siehe 2 Nephi 9:18

  24. Siehe 1 Nephi 4:6; Moroni 8:26

  25. Siehe Mosia 3:24,25; Alma 41:10

  26. Johannes 5:8

  27. Siehe 3 Nephi 17:9

  28. Alma 5:60. In Mose 7:53 bekräftigt der Messias zudem: „Wer durch das Tor hereinkommt und durch mich emporsteigt, wird niemals fallen.“

  29. Sharon Jones, „Diagnosis“, wechoosefaith.blogspot.com, 18. März 2012

  30. In der Anleitung Verkündet mein Evangelium! wird in der englischen Neuauflage 2019 der Begriff „Bis ans Ende ausharren“ so definiert: „Bis ans Lebensende die Gebote Gottes halten und dem Endowment und der Siegelung im Tempel gemäß leben – trotz Versuchung, Widerständen oder Ungemach.“ (Neuauflage 2019 in englischer Sprache, Seite 73; vgl. Seite 80 im Deutschen.) Daraus folgt im Umkehrschluss, dass wir unser Leben lang Versuchungen, Widerständen und Ungemach ausgesetzt sind.

  31. Russell M. Nelson, „Christus ist auferstanden; Glaube an ihn versetzt Berge“, Liahona, Mai 2021, Seite 102

  32. Siehe die Biografien von James Sawyer Holman und Naomi Roxina Holman, geb. LeBaron, verfasst von deren Enkelin Grace H. Sainsbury, im Besitz des Redners (Tagebuch von Charles C. Rich, 28. September 1847, Historisches Archiv der Kirche, Salt Lake City; „Journal History of The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints“, 21. Juni 1847, Seite 49, Historischen Archiv der Kirche); Holman war 1847 Hauptmann in der Pionierabteilung von Charles C. Rich