Generalkonferenz
Denn Gott hat uns so sehr geliebt
Frühjahrs-Generalkonferenz 2022


Denn Gott hat uns so sehr geliebt

Gott hat uns so sehr geliebt, dass er seinen einziggezeugten Sohn sandte – nicht, damit er uns verurteile, sondern damit er uns errette

„Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.“ (Johannes 3:16.) Als mir dieser Vers zum ersten Mal auffiel, war ich weder in der Kirche noch beim Familienabend. Ich sah mir gerade ein Sportereignis im Fernsehen an. Ich weiß nicht mehr, welchen Sender ich schaute oder welches Spiel es war, aber es gab da mindestens eine Person mit einem Schild, auf dem „Johannes 3:16“ stand.

Vers 17 ist mir ebenso ans Herz gewachsen: „Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“

Gott hat Jesus Christus – seinen einzigen Sohn im Fleisch – gesandt, damit dieser sein Leben für jeden von uns niederlegt. Dies tat er, weil er uns liebt und einen Plan entworfen hat, wie wir alle zu ihm heimkehren können.

Es handelt sich jedoch nicht um einen allgemeingültigen Pauschalplan, der bei manchen funktioniert, bei anderen nicht. Er ist individuell, aufgestellt von einem liebevollen Vater im Himmel, der unser Herz und unseren Namen kennt und weiß, was wir für ihn tun müssen. Warum glauben wir das? Weil es uns in den heiligen Schriften gelehrt wird.

Mose wurde vom Vater im Himmel wiederholt mit den Worten „Mose, mein Sohn“ angesprochen (siehe Mose 1:6; siehe auch Vers 7,40). Abraham erfuhr, dass er ein Kind Gottes war und für seinen Auftrag schon erwählt worden war, ehe er geboren wurde (siehe Abraham 3:12,23). Durch Gottes Hand wurde Ester in eine einflussreiche Stellung gebracht und konnte so ihr Volk retten (siehe Ester 4). Gott schenkte einer jungen Dienerin Vertrauen. Sie gab Zeugnis für einen lebenden Propheten, sodass Naaman geheilt werden konnte (siehe 2 Könige 5:1-15).

Ich mag besonders den guten Mann von kleiner Gestalt, der auf einen Baum stieg, um Jesus zu sehen. Der Heiland wusste, dass er dort war, blieb stehen, blickte hinauf in die Zweige und sprach: „Zachäus, komm … herunter!“ (Lukas 19:5.) Auch dürfen wir den 14-Jährigen nicht vergessen, der ein Wäldchen aufsuchte und dort erfuhr, wie individuell der Plan tatsächlich ist: „[Joseph:] Dies ist mein geliebter Sohn. Ihn höre!“ (Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:17.)

Brüder und Schwestern, wir bilden den Mittelpunkt des Plans unseres Vaters im Himmel und sind der Grund für die Mission unseres Erretters. Jeder von uns, ganz individuell, ist ihr Werk und ihre Herrlichkeit.

Keine heilige Schrift veranschaulicht dies deutlicher als das Alte Testament, wie mir mein Schriftstudium zeigt. Kapitel für Kapitel entdecken wir Beispiele dafür, wie eng der Vater im Himmel und Jehova in unser Leben eingebunden sind.

Vor kurzem haben wir uns mit Josef beschäftigt, dem Sohn Jakobs, den dieser sehr liebhatte. Von Jugend an war Josef vom Herrn hoch begünstigt, seine Brüder erlegten ihm jedoch große Prüfungen auf. Vor zwei Wochen waren viele von uns davon bewegt, wie Josef seinen Brüdern vergab. Im Leitfaden Komm und folge mir nach! heißt es: „In Josefs Leben lassen sich viele Parallelen zum Leben Jesu Christi finden. Obwohl der Erretter für unsere Sünden schwer leiden musste, bietet er uns Vergebung an. Dadurch befreit er uns von einem Schicksal, das wesentlich schlimmer ist als eine Hungersnot. Ob wir Vergebung brauchen oder selbst vergeben müssen – und beides ist früher oder später einmal der Fall –, richtet Josefs Beispiel unseren Blick auf den Erretter, die wahre Quelle der Heilung und der Versöhnung.“1

An diesem Bericht schätze ich besonders, was wir über Josefs Bruder Juda lesen, der eine Rolle in dem Plan spielte, den Gott individuell für Josef hatte. Als Josef von seinen Brüdern verraten wurde, überredete Juda sie, Josef nicht zu töten, sondern ihn in die Sklaverei zu verkaufen (siehe Genesis 37:26,27).

Viele Jahre später waren Juda und seine Brüder gezwungen, mit Benjamin, ihrem jüngsten Bruder, nach Ägypten zu reisen. Zunächst war ihr Vater nicht einverstanden. Aber Juda gab Jakob das Versprechen, er werde Benjamin wieder nach Hause bringen.

In Ägypten wurde Judas Versprechen auf den Prüfstand gestellt. Dem jungen Benjamin wurde zu Unrecht ein Verbrechen angelastet. Juda hielt sein Versprechen und erbot sich, statt Benjamin ins Gefängnis zu gehen. „Denn“, so sagte er, „wie könnte ich zu meinem Vater hinaufziehen, ohne dass der Knabe bei mir wäre?“ (Siehe Genesis 44:33,34.) Juda war fest entschlossen, sein Versprechen zu halten und Benjamin sicher nach Hause zu bringen. Haben Sie schon einmal für jemanden das empfunden, was Juda für Benjamin empfand?

Empfinden Eltern nicht genauso für ihre Kinder? Missionare für die Menschen, um die sie sich bemühen? PV- und Jugendführer für diejenigen, die sie unterweisen und liebhaben?

Ganz gleich, wer Sie sind oder in welchen Umständen Sie sich gegenwärtig befinden: Jemand empfindet genau so für Sie. Jemand möchte mit Ihnen zum Vater im Himmel zurückkehren.

Ich bin dankbar für diejenigen, die uns niemals aufgeben, die ihre Seele im Gebet unablässig für uns ausschütten und nie aufhören, uns zu unterweisen und uns zu helfen, damit wir uns bereitmachen, zu unserem Vater im Himmel heimzukehren.

Unlängst lag ein lieber Freund 233 Tage mit Corona im Krankenhaus. In dieser Zeit erschien ihm sein verstorbener Vater, der ihn darum bat, seinen Enkeln eine Botschaft zu übermitteln. Sogar auf der anderen Seite des Schleiers also war dieser gute Großvater von dem Wunsch beflügelt, seinen Enkeln zu helfen, in ihr himmlisches Zuhause zurückzukehren.

Immer mehr Jünger Christi besinnen sich auf den einen oder anderen „Benjamin“ in ihrem Leben. Überall auf der Welt haben sie den Weckruf des lebenden Propheten Gottes, Präsident Russell M. Nelson, vernommen. Junge Männer und Junge Damen engagieren sich im Jugendbataillon des Herrn. Einzelne und Familien gehen im Geist des Dienens liebevoll und aufgeschlossen auf andere zu und laden Bekannte und Nachbarn ein, zu Christus zu kommen. Jugendliche und Erwachsene besinnen sich auf ihre Bündnisse und sind bestrebt, sie einzuhalten. Sie strömen in Gottes Tempel, machen die Namen verstorbener Angehöriger ausfindig und empfangen heilige Handlungen für sie.

Weshalb gehört es zu dem auf uns zugeschnittenen Plan des Vaters im Himmel, dass wir anderen helfen, zu Gott zurückzukehren? Weil wir auf diese Weise wie Jesus Christus werden. Im Grunde geht es in der Geschichte von Juda und Benjamin um das Opfer, das der Erretter für uns gebracht hat. Durch sein Sühnopfer gab er sein Leben, um uns nach Hause zurückzubringen. Die Worte Judas bringen die Liebe des Erretters zum Ausdruck: „Wie könnte ich zu meinem Vater hinaufziehen, ohne dass [du] bei mir [wärst]?“ Wir, die wir Israel sammeln, können das Gleiche sagen.

Die vielen Wunder im Alten Testament und die dort allgegenwärtige liebevolle, große Barmherzigkeit sind kennzeichnend für den Plan des Vaters im Himmel. In 2 Könige 4 kommt die Formulierung „eines Tages“ dreimal vor, was mir verdeutlicht, dass wichtige Ereignisse von Gottes Zeitplan abhängen und kein Detail für ihn zu unbedeutend ist.

Paul, ein neuer Freund von mir, bezeugt diese Wahrheit. Er wuchs in einem Zuhause auf, in dem es manchmal zu Misshandlungen kam und Religion stets tabu war. Als er auf einem Militärstützpunkt in Deutschland zur Schule ging, fielen ihm zwei Schwestern auf, die offenbar ein geistiges Licht in sich trugen. Auf die Frage, warum sie so anders seien, bekam er zur Antwort, dass sie der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage angehörten.

Schon bald traf Paul sich mit den Missionaren und wurde in die Kirche eingeladen. Als er am darauffolgenden Sonntag aus dem Bus stieg, fielen ihm zwei Herren in weißem Hemd und mit Krawatte auf. Er fragte sie, ob sie Missionare der Kirche seien. Dies bejahten sie, also ging Paul mit ihnen mit.

Im Verlauf des Gottesdienstes zeigte ein Prediger auf Leute in der Kirchengemeinde und forderte sie auf, Zeugnis zu geben. Nach jedem Zeugnis gab es einen Trommelwirbel und die Versammelten riefen „Amen“.

Schließlich zeigte der Prediger auf Paul, der daraufhin aufstand und sagte: „Ich weiß, dass Joseph Smith ein Prophet war und das Buch Mormon wahr ist.“ Doch diesmal ertönte kein Trommelwirbel oder Amen. Da erkannte Paul, dass er sich nicht in der Kirche befand, in die er hatte gehen wollen. Doch schon bald fand Paul zum richtigen Ort und ließ sich taufen.

Am Tag seiner Taufe erzählte ihm ein Mitglied, das er gar nicht kannte: „Sie haben mir das Leben gerettet.“ Einige Wochen zuvor nämlich hatte dieser Mann beschlossen, sich eine neue Religion zu suchen und hatte einen Gottesdienst besucht, in dem getrommelt und „Amen“ gerufen wurde. Als er nun hörte, wie Paul für Joseph Smith und das Buch Mormon Zeugnis gab, wurde ihm bewusst, dass Gott ihn kannte, seine Schwierigkeiten verstand und einen Plan für ihn hatte. Sowohl Paul als auch seinem Gesprächspartner kam diese Erkenntnis tatsächlich „eines Tages“!

Auch wir wissen, dass der Vater im Himmel für uns alle einen maßgeschneiderten Plan des Glücklichseins hat. Weil Gott für uns seinen geliebten Sohn geschickt hat, werden die Wunder, die wir brauchen, „eines Tages“ genau dann geschehen, wenn es zur Erfüllung seines Plans notwendig ist.

Ich bezeuge, dass wir dieses Jahr aus dem Alten Testament mehr über Gottes Plan für uns in Erfahrung bringen können. Dieses heilige Buch zeigt die Rolle von Propheten in unsicheren Zeiten auf und zeigt auch Gottes Hand in einer Welt, die verworren und oft konfliktgeplagt war. Es handelt zudem von demütigen Gläubigen, die treu nach dem Kommen unseres Erretters Ausschau hielten, so wie auch wir nach seinem Zweiten Kommen Ausschau halten und uns darauf vorbereiten – seine lang prophezeite herrliche Wiederkunft.

Bis zu jenem Tag können wir mit unseren natürlichen Augen vielleicht nicht in jeder Hinsicht die Absicht Gottes für unser Leben erkennen (siehe Lehre und Bündnisse 58:3). Aber wir können daran denken, wie Nephi reagierte, als er mit etwas konfrontiert war, was er nicht verstand: Er kannte zwar nicht die Bedeutung von allem, wusste jedoch, dass Gott seine Kinder liebt (siehe 1 Nephi 11:17).

Dies ist mein Zeugnis an diesem schönen Sonntagmorgen. Mögen wir uns dies ins Herz schreiben und zulassen, dass es uns die Seele mit Frieden, Hoffnung und ewiger Freude erfüllt: Gott hat uns so sehr geliebt, dass er seinen einziggezeugten Sohn sandte – nicht, damit er uns verurteile, sondern damit er uns errette. Im Namen Jesu Christi. Amen.