Generalkonferenz
Aber wir beachteten sie nicht
Frühjahrs-Generalkonferenz 2022


Aber wir beachteten sie nicht

(1 Nephi 8:33)

Bündnisse und Verordnungen richten unseren Blick auf den Herrn Jesus Christus und helfen uns, immer an die Verbindung mit ihm zu denken, während wir auf dem Weg der Bündnisse vorwärtsgehen

Meine Frau Susan, unsere drei Söhne und ihre Frauen, alle unsere Enkelkinder und auch Elder Quentin L. Cook, mein Sitznachbar im Kollegium der Zwölf Apostel seit fast 15 Jahren, werden alle bereitwillig bestätigen, dass ich kein besonders guter Sänger bin. Aber trotz meines mangelnden Gesangstalents singe ich mit großer Begeisterung die Lieder der Wiederherstellung. Die Kombination aus inspirierten Texten und majestätischen Melodien hilft mir, wesentliche Grundsätze des Evangeliums zu verstehen, und berührt meine Seele.

Ein Lied, das mein Leben auf bemerkenswerte Weise geprägt hat, ist „Gehet tapfer vorwärts“. In letzter Zeit habe ich über eine bestimmte Formulierung im Refrain dieses Liedes nachgedacht und etwas darüber gelernt. „Darum achtet nicht auf böser Menschen Rat, folget nur dem Herrn in Wort und Tat.“1

Darum achtet nicht darauf.

Wenn ich das Lied „Gehet tapfer vorwärts“ singe, denke ich oft an die Menschen in Lehis Traum, die auf dem Weg, der zum Baum des Lebens führte, vorwärtsstrebten und sich nicht nur an die eiserne Stange „klammerten“2, sondern „sich dabei beständig [daran] fest[hielten], bis sie herzukamen und niederfielen und von der Frucht des Baumes aßen“3. Lehi beschrieb Scharen im großen und geräumigen Gebäude, die „verächtlich mit dem Finger auf [ihn] und auf diejenigen [deuteten], die ebenfalls von der Frucht aßen“4. Seine Reaktion auf den Spott und die Beleidigungen ist beeindruckend und bemerkenswert: „Aber wir beachteten sie nicht.“5

Ich bete, dass der Heilige Geist einen jeden von uns segnen und erleuchten möge, während wir gemeinsam überlegen, wie wir gestärkt werden können, um in der Lage zu sein, die bösen Einflüsse und spottenden Stimmen der heutigen Welt, in der wir leben, nicht zu beachten.

Nicht beachten

Das Wort beachten drückt aus, dass man jemanden oder etwas zur Kenntnis nimmt oder ihm Aufmerksamkeit schenkt. So ermahnt uns der Text des Liedes „Gehet tapfer vorwärts“, eine bewusste Entscheidung zu treffen und nicht „auf böser Menschen Rat“ zu achten. Lehi und die Menschen, die mit ihm von der Frucht des Baumes aßen, sind ein eindrucksvolles Beispiel dafür, was es bedeutet, dem Spott und der Verachtung, die so häufig aus dem großen und geräumigen Gebäude dringen, keine Beachtung zu schenken.

Die Lehre Christi, die „mit dem Geist des lebendigen Gottes … in [unsere] Herzen von Fleisch“6 geschrieben ist, erweitert unsere Fähigkeit, die vielen Ablenkungen, den Hohn und die Verwirrungen in unserer gefallenen Welt nicht zu beachten. Zum Beispiel stärkt uns Glaube, der auf dem Herrn Jesus Christus beruht und auf ihn ausgerichtet ist, mit geistiger Kraft. Der Glaube an den Erlöser ist ein Grundsatz, der zum Handeln anregt und Macht verleiht. Wenn wir im Einklang mit den Wahrheiten des Evangeliums Jesu handeln, werden wir mit der geistigen Fähigkeit gesegnet, durch die Herausforderungen des Erdenlebens vorwärtszustreben, uns dabei aber auch auf die Freuden zu konzentrieren, die der Erretter uns bietet. Es ist wahr: „Wenn nur recht ihr tut, lebt in Ängsten ihr nicht, denn der Herr, unser Helfer, ist stets euer Licht.“7

Eine persönliche Verbindung durch Bündnisse

Wenn wir heilige Bündnisse eingehen und würdig die heiligen Handlungen des Priestertums empfangen, verbinden wir uns wie unter einem Joch mit dem Herrn Jesus Christus und dem Vater im Himmel.8 Das bedeutet schlicht, dass wir Vertrauen in den Erretter als unseren Fürsprecher9 und Mittler10 haben und uns auf unserem Lebensweg auf seine Verdienste, Barmherzigkeit und Gnade11 stützen. Wenn wir beständig zu Christus kommen und mit ihm wie unter einem Joch gehen, empfangen wir die reinigenden, heilenden und stärkenden Segnungen seines unbegrenzten und ewigen Sühnopfers.12

Freudig innerhalb unserer Bündnisverpflichtungen zu leben und diese zu schätzen, schafft eine Verbindung mit dem Herrn, die zutiefst persönlich und geistig machtvoll ist. Wenn wir die Bedingungen der heiligen Bündnisse und Verordnungen erfüllen, werden wir allmählich, Schritt für Schritt, zu Christus gezogen13 und erfahren ganz persönlich seine Wirklichkeit und Göttlichkeit. Jesus ist dann viel mehr als nur die Hauptfigur in den Geschichten aus den heiligen Schriften; vielmehr beeinflussen sein Beispiel und seine Lehren jeden unserer Wünsche, jeden Gedanken und jede Tat.

Ich bin offen gesagt nicht in der Lage, das Wesen und die Kraft unserer Bündnisverbindung mit dem auferstandenen und lebendigen Sohn Gottes angemessen zu beschreiben. Aber ich bezeuge, dass die Verbindung mit ihm und dem Vater im Himmel real ist und die höchste Quelle der Gewissheit, des Friedens, der Freude und der geistigen Stärke, die uns befähigen, uns nicht zu fürchten, auch wenn der Feind uns verhöhnt.14 Als Jünger Jesu Christi, die Bündnisse schließen und halten, können wir Mut schöpfen, „denn der Herr steht uns zur Seit“15, und schenken bösen Einflüssen und dem weltlichen Spott keine Beachtung.

Wenn ich mit Mitgliedern der Kirche auf der ganzen Welt zusammenkomme, stelle ich ihnen oft die Frage: Was hilft Ihnen, weltliche Einflüsse, Spott und Hohn nicht zu beachten? Ihre Antworten sind sehr aufschlussreich.

Selbstbewusste Mitglieder betonen oft, wie wichtig es ist, die Macht des Heiligen Geistes in ihr Leben zu bringen, und zwar durch ernsthaftes Schriftstudium, inniges Gebet und die angemessene Vorbereitung auf die Teilnahme am Abendmahl. Häufig genannt werden auch die geistige Unterstützung durch treue Angehörige und zuverlässige Freunde, die unverzichtbaren Erkenntnisse, die man durch das Betreuen und Dienen in der wiederhergestellten Kirche des Herrn gewonnen hat, und die Fähigkeit, die absolute Leere von allem, was in dem großen und geräumigen Gebäude ist oder von dort kommt, zu erkennen.

Ich habe in den Antworten der Mitglieder ein bestimmtes Muster festgestellt, das von besonderer Bedeutung ist. In erster Linie haben diese Jünger ein festes Zeugnis vom Plan des Glücklichseins, den der Vater im Himmel aufgestellt hat, und von der Rolle Jesu Christi als unserem Erlöser und Erretter. Und zweitens sind ihr geistiges Wissen und ihre Überzeugung individuell, persönlich und konkret; sie sind nicht allgemein und abstrakt. Ich höre diesen hingebungsvollen Seelen zu, wie sie von Bündnissen sprechen, die ihnen Kraft geben, Widerstände zu überwinden, und von ihrer Verbindung mit dem lebendigen Herrn, der sie in guten wie in schlechten Zeiten unterstützt. Für diese Menschen ist Jesus Christus fürwahr ein persönlicher Erretter.

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Kompass

Die Bündnisse und Verordnungen des Evangeliums wirken in unserem Leben ähnlich wie ein Kompass. Ein Kompass ist ja ein Gerät, mit dem die Himmelsrichtungen Nord, Süd, Ost und West zur Navigation und geografischen Orientierung angezeigt werden. In ähnlicher Weise richten unsere Bündnisse und die Verordnungen unseren Blick auf den Herrn Jesus Christus und helfen uns, immer an die Verbindung mit ihm zu denken, während wir auf dem Weg der Bündnisse vorwärtsgehen.

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Christus-Statue

Die „Himmelsrichtung“ für uns alle im Erdenleben ist die, zu Christus zu kommen und in ihm vollkommen zu werden.16 Heilige Bündnisse und Verordnungen helfen uns, unseren Blick stets auf den Erretter zu richten und danach zu streben, durch seine Gnade17 mehr wie er zu werden. Ganz gewiss werden wir auf diese Weise mit Macht ausgestattet, um der herrlichen Sache der Wahrheit zum Sieg zu verhelfen.18

An der eisernen Stange festhalten

Unsere Bündnisverbindung mit Gott und Jesus Christus ist der Kanal, über den wir die Fähigkeit und Kraft erhalten können, manches einfach nicht zu beachten. Diese Bindung wird gestärkt, indem wir uns beständig an der eisernen Stange festhalten. Nephis Brüder fragten: „Was bedeutet die eiserne Stange, die unser Vater gesehen hat …?

Und [Nephi] sagte ihnen, das sei das Wort Gottes; und wer auf das Wort Gottes höre und daran festhalte, der werde niemals zugrunde gehen; auch könnten die Versuchungen und die feurigen Pfeile des Widersachers sie nicht mit Blindheit schlagen, um sie weg ins Verderben zu führen.“19

Bedenken Sie bitte, dass die Fähigkeit, den Versuchungen und den feurigen Pfeilen des Widersachers zu widerstehen, denjenigen verheißen ist, die am Wort Gottes „festhalten“ und sich nicht nur daran „klammern“.

Interessanterweise hat der Apostel Johannes Jesus Christus als das Wort bezeichnet.20

„Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. …

Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist. …

Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.“21

Daher ist einer der Namen für Jesus Christus „Das Wort“.22

Darüber hinaus heißt es im 8. Glaubensartikel: „Wir glauben, dass die Bibel, soweit richtig übersetzt, das Wort Gottes ist; wir glauben auch, dass das Buch Mormon das Wort Gottes ist.“23

Folglich sind auch die Lehren des Erretters, wie sie in den heiligen Schriften niedergeschrieben sind, „das Wort“.

Am Wort Gottes festzuhalten, bedeutet also 1.) an die persönliche Verbindung, die wir mit dem Erretter und seinem Vater durch die Bündnisse und Verordnungen des wiederhergestellten Evangeliums haben, zu denken und sie zu ehren und zu festigen und 2.) gebeterfüllt, aufrichtig und beständig die heiligen Schriften und die Lehren der lebenden Propheten und Apostel als sichere Quellen offenbarter Wahrheit zu nutzen. Wenn wir an den Herrn gebunden sind und an ihm „festhalten“ und verwandelt werden, weil wir seine Lehre leben,24 so verheiße ich, dass wir als Einzelne und als Gemeinschaft damit gesegnet werden, dass wir „an heiligen Stätten stehen und … nicht wanken“25. Wenn wir in Christus bleiben, wird er in uns bleiben und mit uns wandeln.26 Gewiss wird er uns, wenn wir Tage der Prüfung durchleben, Mut zusprechen und die Sache der Wahrheit fördern.27

Zeugnis

Gehen Sie tapfer vorwärts. Halten Sie am Wort fest. Beachten Sie böse Stimmen nicht.

Ich bezeuge, dass das treue Halten der Bündnisse und Verordnungen des wiederhergestellten Evangeliums des Erretters uns befähigt, im Werk des Herrn tapfer vorwärtszugehen, an ihm als dem Wort Gottes festzuhalten und die Verlockungen des Widersachers nicht zu beachten. In dem Kampf ums Recht möge jeder von uns ein Schwert schwingen, nämlich „der Wahrheit mächtig Schwert“28. Im heiligen Namen des Herrn Jesus Christus. Amen.