Generalkonferenz
Persönlicher Friede in schwierigen Zeiten
Herbst-Generalkonferenz 2021


Persönlicher Friede in schwierigen Zeiten

Noch nie ist es wichtiger gewesen, nach persönlichem Frieden zu streben

Vor kurzem wurde ich beauftragt, einen Teil der historischen Stadt Nauvoo zu weihen. Im Rahmen dieses Auftrags konnte ich auch das Gefängnis zu Liberty in Missouri besichtigen. Bei der Besichtigung dachte ich über die Ereignisse nach, die dieses Gefängnis zu einem so bedeutenden Teil der Geschichte der Kirche machen. Das Leben der Heiligen war durch einen vom Gouverneur von Missouri erlassenen Ausrottungsbefehl in Gefahr. Zudem wurden der Prophet Joseph Smith und einige treue Weggefährten zu Unrecht im Gefängnis zu Liberty festgehalten. Einer der Gründe für den gewaltsamen Widerstand gegen unsere Mitglieder war, dass die meisten von ihnen gegen die Sklaverei waren.1 Dass Joseph Smith und seine Anhänger so erbittert verfolgt wurden, ist ein Extrembeispiel dafür, wie sich die ungerechte Ausübung der Entscheidungsfreiheit auf rechtschaffene Menschen auswirken kann. Joseph Smiths erzwungenes Ausharren im Gefängnis zu Liberty zeigt, dass Bedrängnis weder ein Zeichen dafür ist, dass dem Herrn etwas missfällt, noch bedeutet, dass er uns seine Segnungen entzieht.

Ich war zutiefst bewegt, als ich las, was der Prophet Joseph Smith niedergeschrieben hatte, als er im Gefängnis zu Liberty eingekerkert war: „O Gott, wo bist du? Und wo ist das Gezelt, das dein Versteck bedeckt?“2 Joseph fragte, wie lange noch das Volk des Herrn „dieses Unrecht und diese gesetzwidrige Unterdrückung erleiden“3 müsse.

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Elder Cook besichtigt das Gefängnis zu Liberty

Als ich im Gefängnis zu Liberty stand, hat es mich zutiefst berührt, die Antwort des Herrn zu lesen: „Mein Sohn, Friede sei deiner Seele; dein Ungemach und deine Bedrängnisse werden nur einen kleinen Augenblick dauern, und dann, wenn du gut darin ausharrst, wird Gott dich in der Höhe erhöhen.“4 Daran wird deutlich, dass Widerstände uns für unsere ewige, celestiale Bestimmung läutern können.5

Die kostbaren Worte des Erretters „Mein Sohn, Friede sei deiner Seele“6 hallen in mir nach und sind für unsere Zeit von großer Bedeutung. Sie rufen mir in Erinnerung, was er im Laufe seines Wirkens auf Erden seine Jünger gelehrt hat.

Bevor Christus im Garten Getsemani und am Kreuz litt, gebot er seinen Aposteln, einander so zu lieben, wie er sie geliebt hatte.7 Anschließend tröstete er sie mit diesen Worten: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.“8

Einer der wunderbarsten Titel unseres Herrn und Erretters Jesus Christus ist „Fürst des Friedens“9. Am Ende wird sein Reich voll Frieden und Liebe errichtet sein.10 Wir freuen uns auf die tausendjährige Herrschaft des Messias.

Trotz dieser Vorstellung von der tausendjährigen Herrschaft wissen wir, dass in unserer Zeit Frieden und Harmonie auf der Welt nicht vorherrschen.11 Ich habe in meinem Leben noch nie so viel Mangel an Anstand erlebt wie heutzutage. Wir werden mit wütender, streitsüchtiger Sprache bombardiert und unzählige provokante Taten mit verheerenden Folgen zerstören den Frieden und die Ruhe.

Frieden auf der Welt ist uns für die Zeit bis zum Zweiten Kommen Jesu Christi nicht verheißen oder zugesichert worden. Der Erretter erklärte seinen Aposteln, dass seine irdische Mission keinen weltumspannenden Frieden bewirken werde. Er sagte: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen!“12 Weltumspannender Frieden gehörte nicht zum damaligen Wirken des Erretters auf Erden. Und auch heute gibt es keinen weltumspannenden Frieden.

Jedoch können wir persönlichen Frieden erlangen – ungeachtet des Zorns, des Streits und der Spaltung, die unsere heutige Welt verderben und zerstören. Noch nie ist es wichtiger gewesen, nach persönlichem Frieden zu streben. In einem schönen und beliebten neuen Lied, das Bruder Nik Day für die heutige Jugend geschrieben hat und das den Titel „Friede in Christus“ trägt, heißt es: „Bist zu verzweifelt in der rauen Welt, spürst du, wie [Christus] dich hält und dir Frieden schenkt.“13 Es war ein Segen, dass dieses Lied kurz vor der weltweiten Coronapandemie herauskam.

Es spiegelt auf wunderschöne Weise das Streben nach Frieden wider und betont völlig zu Recht, dass Friede im Leben und in der Mission Jesu Christi verankert ist. Präsident Joseph F. Smith hat erklärt: „Ein solcher Friede, eine solche Liebe kann nicht entstehen, solange die Menschheit [Gottes Wahrheit und seine Botschaft] nicht annehmen will … und seine Macht und Autorität nicht anerkennen will, die göttlich … ist.“14

Während wir einerseits nicht aufhören, nach weltumspannendem Frieden zu streben, haben wir andererseits die Gewissheit, dass wir persönlichen Frieden erlangen können, wie Christus es lehrt. Dieser Grundsatz wird im Buch Lehre und Bündnisse dargelegt: „Sondern lernt, dass derjenige, der die Werke der Rechtschaffenheit tut, seinen Lohn empfangen wird, nämlich Frieden in dieser Welt und ewiges Leben in der künftigen Welt.“15

Welche „Werke der Rechtschaffenheit“ helfen uns, mit Auseinandersetzungen umzugehen, Streit zu vermindern und Frieden in dieser Welt zu finden? Alle Lehren Christi weisen in diese Richtung. Ich möchte einige nennen, die ich für besonders wichtig halte.

Erstens: Lieben wir Gott, leben wir nach seinen Geboten und vergeben wir jedem

Präsident George Albert Smith wurde 1945 Präsident der Kirche. Während seiner Jahre als Apostel kannte man ihn als friedliebenden Führer. Die Herausforderungen und Prüfungen in den 15 Jahren, bevor er Präsident wurde – eine schwere Weltwirtschaftskrise sowie anschließend Tod und Zerstörung durch den Zweiten Weltkrieg –, hatten wenig mit Frieden zu tun.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs rief Präsident Smith den Heiligen im Oktober 1945 bei seiner ersten Generalkonferenz als Präsident die Aufforderung des Erretters in Erinnerung, dass sie ihren Nächsten lieben und ihren Feinden vergeben sollten. Dann sagte er: „Das ist der Geist, um den sich alle Heiligen der Letzten Tage bemühen müssen, wenn sie hoffen, eines Tages in der Gegenwart des Herrn zu stehen und von ihm auf herrliche Weise willkommen geheißen zu werden.“16

Zweitens: Bemühen wir uns um die Früchte des Geistes

Der Apostel Paulus legt in seinem Brief an die Galater den Gegensatz dar zwischen Werken der Rechtschaffenheit, die uns würdig machen, das Reich Gottes zu ererben, und Werken, die uns, wenn wir nicht umkehren, dessen unwürdig machen. Zu den Werken, die uns dafür würdig machen, gehören die Früchte des Geistes, nämlich „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Enthaltsamkeit“17. Paulus ergänzt noch: einer des anderen Last tragen und nicht müde werden, das Gute zu tun.18 Als Werke, die nicht der Rechtschaffenheit entsprechen, nennt er unter anderem Feindschaften, Jähzorn und Streit.19

Etwas sehr Lehrreiches aus der Zeit des Alten Testaments steht im Zusammenhang mit unserem Stammvater Abraham. Abraham und sein Neffe Lot waren reich, stellten aber fest, dass sie sich nicht zusammen ansiedeln konnten. Um den Streit aus der Welt zu schaffen, erlaubte Abraham Lot, sich sein Land selbst auszusuchen. Lot wählte die Jordanebene. Sie war wasserreich und wunderschön. Abraham nahm die weniger fruchtbare Ebene von Mamre. In der Bibel heißt es, dass Abraham daraufhin mit seinen Zelten weiterzog und „dem Herrn einen Altar“20 baute. Lot hingegen schlug „seine Zelte bis Sodom hin [auf]“21. Was wir daraus lernen sollen, damit wir friedliche Beziehungen haben, ist klar und deutlich: Was Fragen angeht, bei denen es nicht um Rechtschaffenheit geht, müssen wir bereit sein, einen Kompromiss zu schließen und Streit aus der Welt zu schaffen. König Benjamin hat dazu gesagt: „Ihr werdet nicht im Sinn haben, einander zu verletzen, sondern friedlich zu leben.“22 Aber wo es um Rechtschaffenheit und Vorgaben durch die Lehre geht, müssen wir in unserem Verhalten fest und standhaft bleiben.

Wenn wir den Frieden haben wollen, der der Lohn für die Werke der Rechtschaffenheit ist, schlagen wir unsere Zelte nicht zur Welt hin auf. Wir schlagen unsere Zelte dann zum Tempel hin auf.

Drittens: Üben wir unsere Entscheidungsfreiheit aus, um uns für die Rechtschaffenheit zu entscheiden

Friede und Entscheidungsfreiheit sind als wesentliche Elemente des Erlösungsplans miteinander verflochten. In dem Artikel „Entscheidungsfreiheit und Verantwortlichkeit“ unter den Evangeliumsthemen steht: „Entscheidungsfreiheit ist die gottgegebene Fähigkeit und das Recht, selbst entscheiden und handeln zu dürfen.“23 Die Entscheidungsfreiheit ist also das Kernstück des persönlichen Wachstums und unserer persönlichen Erfahrungen – ein Segen bei unserer Nachfolge Christi.24

Die Entscheidungsfreiheit war „im vorirdischen Rat im Himmel“ und in dem Konflikt zwischen jenen, die sich dafür entschieden, Christus nachzufolgen, und den Nachfolgern des Satans ein wesentlicher Streitpunkt.25 Wenn wir den Stolz und unser Kontrollbedürfnis ablegen und uns für den Erretter entscheiden würden, könnten wir sein Licht und seinen Frieden haben. Der persönliche Friede geriete jedoch in Gefahr, wenn jemand seine Entscheidungsfreiheit so ausübte, dass jemand anderes zu Schaden käme oder verletzt würde.

Ich bin davon überzeugt, dass die friedliche Gewissheit, die wir im Herzen verspürt haben, durch unsere Erkenntnis darüber gestärkt wurde, was der Erretter der Welt für uns vollbringen würde. Dies wird in der Anleitung Verkündet mein Evangelium! treffend beschrieben: „In dem Maß, wie wir uns auf das Sühnopfer Jesu Christi verlassen, kann er uns helfen, unsere Prüfungen, Krankheiten und Schmerzen zu ertragen. Wir können Freude, Frieden und Trost erleben. Alles, was im Leben ungerecht ist, kann durch das Sühnopfer Jesu Christi wiedergutgemacht werden.“26

Viertens: Errichten wir Zion in unserem Herzen und in unserem Zuhause

Wir alle sind Kinder Gottes und Teil seiner Familie. Wir alle sind auch Teil der Familie, in die wir hineingeboren wurden. Die Einrichtung Familie ist die Grundlage für Glück und Frieden. Präsident Russell M. Nelson hat uns etwas aufgezeigt – was wir dann während der Pandemie ebenfalls festgestellt haben –, nämlich dass die auf das Zuhause ausgerichtete, von der Kirche unterstützte Religionsausübung „die Kräfte der Familie … entfesseln [und unser] Zuhause in einen Schutzraum für den Glauben“27 verwandeln kann. Wenn wir unsere Religion auf diese Weise in der Familie ausüben, werden wir auch den Frieden des Erretters haben.28 Uns ist bewusst, dass viele von Ihnen derzeit nicht im Genuss der Segnungen sind, die auf einem rechtschaffenen Zuhause beruhen, sondern sich regelmäßig mit denen auseinandersetzen müssen, die sich gegen die Rechtschaffenheit entscheiden. Der Erretter kann Ihnen Schutz und Frieden verschaffen, sodass Sie dank seiner Führung schließlich in Sicherheit sind, geschützt vor den Stürmen des Lebens.

Ich versichere Ihnen, dass die Freude, die Liebe und die Erfüllung, die man in einer liebevollen, rechtschaffenen Familie erfährt, Frieden und Glück hervorbringen. Liebe und Güte stehen im Mittelpunkt, wenn wir Zion in unserem Herzen und in unserem Zuhause haben.29

Fünftens: Befolgen wir die aktuellen Ermahnungen unseres Propheten

Unser Friede nimmt deutlich zu, wenn wir dem Propheten des Herrn, Präsident Russell M. Nelson, folgen. Wir haben gleich die Gelegenheit, von ihm zu hören. Er wurde von der Grundlegung der Welt an auf diese Berufung vorbereitet. Seine persönliche Vorbereitung ist äußerst bemerkenswert gewesen.30

Er hat uns erklärt, dass wir, „selbst in turbulenten Zeiten, dauerhaft Frieden und Freude empfinden“ können, wenn wir bestrebt sind, mehr wie unser Erretter Jesus Christus zu werden.31 Er hat uns geraten, täglich umzukehren, damit wir die reinigende, heilende und stärkende Macht des Herrn empfangen.32 Ich selbst bin ein Zeuge dafür, dass unser geschätzter Prophet Offenbarung vom Himmel empfangen hat und weiterhin empfängt.

Wir ehren und unterstützen ihn als unseren Propheten, verehren jedoch unseren Vater im Himmel und unseren Erretter Jesus Christus. Der Heilige Geist nimmt sich unser an.

Ich bezeuge und lege persönlich als Apostel Zeugnis dafür ab, dass Jesus Christus, der Erretter und Erlöser der Welt, seine wiederhergestellte Kirche führt und leitet. Sein Leben und seine sühnende Mission sind die wahre Quelle des Friedens. Er ist der Fürst des Friedens. Voller Gewissheit gebe ich feierlich Zeugnis, dass er lebt. Im Namen Jesu Christi. Amen.