Generalkonferenz
Die Liebe Gottes: Die größte Freude für die Seele
Herbst-Generalkonferenz 2021


Die Liebe Gottes: Die größte Freude für die Seele

Gottes Liebe finden wir nicht in unseren Lebensumständen, sondern in seiner Gegenwart in unserem Leben

Brüder und Schwestern, wissen Sie, wie vollkommen Gott, unser Vater im Himmel, Sie liebt? Haben Sie seine Liebe schon tief in Ihrer Seele verspürt?

Wenn Sie wissen und verstehen, wie vollkommen Sie als Kind Gottes geliebt werden, ändert sich alles. Es verändert, was Sie über sich selbst denken, wenn Sie Fehler machen. Es verändert, wie Ihnen zumute ist, wenn Schwierigkeiten auftreten. Es verändert Ihre Einstellung zu den Geboten Gottes. Es verändert Ihre Einstellung zu Ihren Mitmenschen und zu Ihrer Fähigkeit, etwas bewirken zu können.

Elder Jeffrey R. Holland hat gesagt: „Das wichtigste und oberste Gebot in alle Ewigkeit besteht darin, dass wir Gott mit unserem ganzen Herzen, aller Macht, ganzem Sinn und aller Kraft lieben. Das ist das wichtigste und oberste Gebot. Doch die wichtigste und oberste Wahrheit in alle Ewigkeit besteht darin, dass Gott uns mit seinem ganzen Herzen, aller Macht, ganzem Sinn und aller Kraft liebt.“1

Wie kann jeder von uns diese bedeutende ewige Wahrheit tief in der Seele erfassen?

Dem Propheten Nephi wurde in einer Vision der machtvollste Beweis für die Liebe Gottes gezeigt. Nachdem er den Baum des Lebens gesehen hatte, fragte Nephi nach dessen Bedeutung. Als Antwort zeigte ein Engel Nephi eine Stadt, eine Mutter und ein Baby. Als Nephi die Stadt Nazaret und die rechtschaffene Mutter Maria mit dem kleinen Jesus in den Armen erblickte, verkündete der Engel: „Sieh das Lamm Gottes, ja, selbst den Sohn des ewigen Vaters!“2

In diesem heiligen Augenblick wusste Nephi, dass Gott in der Geburt des Erretters seine reine und vollkommene Liebe kundtat. Nephi bezeugte, dass die Liebe Gottes „sich überall den Menschenkindern ins Herz ergießt3.

Bild
Der Baum des Lebens

Wir können uns die Liebe Gottes als Licht vorstellen, das vom Baum des Lebens ausgeht und sich über die ganze Erde hinweg den Menschenkindern ins Herz ergießt. Das Licht und die Liebe Gottes durchdringen alle seine Schöpfungen.4

Manchmal meinen wir fälschlicherweise, dass wir Gottes Liebe nur verspüren können, nachdem wir der eisernen Stange gefolgt sind und von der Frucht gegessen haben. Gottes Liebe wird jedoch nicht nur von denen empfangen, die zum Baum kommen, sie ist auch die Kraft, die uns antreibt, nach diesem Baum zu suchen.

„Darum ist sie das Begehrenswerteste von allem“, erklärte Nephi, und der Engel rief aus: „Ja, und die größte Freude für die Seele.“5

Vor zwanzig Jahren verließ ein geliebtes Familienmitglied die Kirche. Dieser Mann hatte viele unbeantwortete Fragen. Seine Frau, eine Bekehrte, blieb ihrem Glauben treu. Die beiden unternahmen große Anstrengungen, um ihre Ehe trotz der entstandenen Meinungsunterschiede zu bewahren.

Letztes Jahr schrieb der Mann drei Fragen über die Kirche auf, die für ihn schwer in Einklang zu bringen waren, und schickte sie an zwei Ehepaare, mit denen er schon seit einigen Jahren befreundet war. Er bat sie, über diese Fragen nachzudenken und zum Abendessen zu kommen, um ihre Gedanken dazu mitzuteilen.

Nach diesem Besuch der Freunde ging er in sein Zimmer und fing an, an einem Projekt zu arbeiten. Das Gespräch am Abend und die Liebe, die ihm seine Freunde entgegengebracht hatten, kamen ihm immer wieder in den Sinn. Später schrieb er, dass er genötigt war, mit der Arbeit innezuhalten. Er sagte: „Ein helles Licht erfüllte meine Seele. … Mir war dieses tiefe Gefühl der Erleuchtung vertraut, aber in diesem Fall wurde es stärker als je zuvor und hielt mehrere Minuten an. Ich saß still da und spürte dem Gefühl nach, das ich für mich als Ausdruck der Liebe Gottes erkannte. … Ich verspürte eine geistige Eingebung, die mir sagte, ich könne in die Kirche zurückkehren und in dem, was ich dort tue, diese Liebe Gottes zum Ausdruck bringen.“

Er dachte dann über seine Fragen nach. Er bekam den Eindruck, dass Gott seine Fragen zu schätzen wusste und dass er sich nicht davon abhalten lassen sollte, vorwärtszugehen, nur weil er keine klaren Antworten hatte.6 Er sollte die Liebe Gottes an alle weitergeben, während er weiter über seine Fragen nachdachte. Als er dieser Eingebung folgte, fühlte er sich eng mit Joseph Smith verbunden, der nach der ersten Vision sagte: „Meine Seele war von Liebe erfüllt; und viele Tage lang verspürte ich die allergrößte Freude.“7

Bemerkenswerterweise erhielt er ein paar Monate später die gleiche Berufung, die er 20 Jahre zuvor innegehabt hatte. Als er die Berufung zum ersten Mal innehatte, hatte er seine Aufgaben als pflichtbewusstes Mitglied der Kirche erfüllt. Nun stellte sich für ihn nicht die Frage: „Wie kann ich diese Berufung erfüllen?“, sondern: „Wie kann ich durch meinen Dienst Gottes Liebe zeigen?“ Mit dieser neuen Herangehensweise verspürte er in allen Bereichen seiner Berufung Freude und erkannte den Sinn und Zweck.

Schwestern und Brüder, wie können wir die Liebe Gottes samt ihrer alles verändernden Macht empfangen? Der Prophet Mormon fordert uns auf: „Betet mit der ganzen Kraft des Herzens zum Vater, dass ihr von dieser Liebe erfüllt werdet, die er all denen zuteilwerden lässt, die wahre Nachfolger seines Sohnes Jesus Christus sind.“8 Mormon fordert uns auf, nicht nur darum zu beten, dass wir mit Gottes Liebe zu anderen erfüllt werden mögen, sondern auch darum zu beten, dass wir Gottes reine Liebe zu uns selbst erkennen mögen.9

Wenn wir Gottes Liebe empfangen, finden wir größere Freude in dem Bestreben, so wie der Erretter zu lieben und zu dienen und „wahre Nachfolger seines Sohnes Jesus Christus“10 zu werden.

Gottes Liebe finden wir nicht in unseren Lebensumständen, sondern in seiner Gegenwart in unserem Leben. Wir wissen um seine Liebe, wenn wir Kraft erhalten, die über unsere eigene hinausgeht, und wenn sein Geist uns Frieden, Trost und Weisung schenkt. Mitunter mag es schwierig sein, Gottes Liebe zu spüren. Doch wir können darum beten, dass unsere Augen offen sein mögen, sodass wir seine Hand in unserem Leben erkennen und seine Liebe in der Schönheit seiner Schöpfungen wahrnehmen.

Wenn wir über das Leben des Erretters und sein unbegrenztes Opfer nachsinnen, verstehen wir allmählich, wie sehr er uns liebt. Ehrfürchtig singen wir die Worte Eliza R. Snows: „Sein teures Blut gab er dahin, sein Leben für die Welt.“11 Jesu Demut in seinem Leiden für uns träufelt auf unsere Seele herab, öffnet uns das Herz dafür, ihn um Vergebung zu bitten, und erfüllt uns mit dem Wunsch, so zu leben, wie er gelebt hat.12

Präsident Russell M. Nelson schrieb: „Je fester wir uns vornehmen, unser Leben nach [dem Beispiel Jesu] auszurichten, desto reiner und göttlicher wird auch unsere Liebe werden.“13

Unser Sohn hat erzählt: „Als ich 11 war, beschlossen meine Freunde und ich, uns vor dem Lehrer zu verstecken und die erste Hälfte des PV-Unterrichts zu schwänzen. Als wir dann schließlich hineingingen, begrüßte uns der Lehrer herzlich – zu unserer Überraschung. Dann sprach er ein aufrichtiges Gebet, in dem er dem Herrn innig dankte, dass wir an diesem Tag beschlossen hatten, aus eigenem freiem Willen zum Unterricht zu kommen. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, worum es im Unterricht ging oder wie der Lehrer hieß, aber heute, gut 30 Jahre später, bin ich noch immer von der reinen Liebe, die er mir an jenem Tag gezeigt hat, tief berührt.“

Vor fünf Jahren habe ich ein Beispiel der Liebe Gottes beobachtet, als ich in Russland die PV besuchte. Ich sah eine gläubige Schwester vor zwei Kindern niederknien und ihnen bezeugen, dass Jesus für sie gelitten hätte und gestorben wäre, selbst wenn sie die Einzigen auf der Erde wären.

Ich weiß, dass unser Herr und Erretter wahrhaftig für jeden Einzelnen von uns gestorben ist. Es war ein Ausdruck seiner unendlichen Liebe zu uns und zu seinem Vater.

„Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, welch Trost mir die Erkenntnis gibt! … Er lebt und liebt [uns] voller Huld.“14

Mögen wir unser Herz öffnen, damit wir die reine Liebe empfangen, die Gott uns entgegenbringt, und dann in allem, was wir tun und sind, seine Liebe ausgießen. Im heiligen Namen Jesu Christi. Amen.

Anmerkungen

  1. Jeffrey R. Holland, „Morgen wird der Herr mitten unter euch Wunder tun“, Liahona, Mai 2016, Seite 127

  2. 1 Nephi 11:21

  3. 1 Nephi 11:22; Hervorhebung hinzugefügt

  4. Siehe Lehre und Bündnisse 88:13

  5. 1 Nephi 11:22,23

  6. Siehe 1 Nephi 11:17

  7. Joseph Smith, in: Karen Lynn Davidson et al., Hg., The Joseph Smith Papers, Histories, Volume 1: Joseph Smith Histories, 1832–1844, 2012, Seite 13

  8. Moroni 7:48

  9. Siehe Neill F. Marriott, „In Gott verbleiben und Risse ausbessern“, Liahona, November 2017, Seite 11: „Vielleicht hat unser Leben in einer liebevollen, vorirdischen Welt unsere Sehnsucht nach wahrer, beständiger Liebe hier auf der Erde geweckt. Gott hat es so vorgesehen, dass wir Liebe geben und empfangen sollen, und die größte Liebe entsteht, wenn wir mit Gott eins sind.“

  10. Moroni 7:48

  11. „Wie groß die Weisheit und die Lieb“, Gesangbuch, Nr. 122

  12. Siehe Linda S. Reeves, „Der uns verheißenen Segnungen würdig“, Liahona, November 2015, Seite 11: „Ich bin überzeugt, wenn wir täglich daran denken und erkennen würden, wie sehr der Vater im Himmel und unser Erretter uns lieben, wären wir bereit, alles zu tun, worum sie uns bitten, um wieder in ihrer Gegenwart sein zu können und für immer von ihrer Liebe umgeben zu sein.”

  13. Russell M. Nelson, „Die Liebe Gottes“, Liahona, Februar 2003, Seite 17

  14. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“, Gesangbuch, Nr. 85