2021
Nachdem ich Nächstenliebe lernte, war ich für meine Mission bereit
Oktober 2021


Stimmen aus vergangenen Zeiten

Nachdem ich Nächstenliebe lernte, war ich für meine Mission bereit

Wien (RHS): Meine Taufe war die wichtigste Bereicherung meines Lebens. Die Liebe unseres Vaters im Himmel und den Sinn unseres Erdenlebens zu erkennen, erfüllte mich mit inniger Dankbarkeit. Ich bekam auch einige herausfordernde Berufungen, die zwar Opfer erforderten, mir aber auch viel Freude bereiteten. Zu dem jeweiligen Zeitpunkt war es das, was der Herr von mir erwartete.

Eines Tages fragte mich mein Gemeindepräsident Bruder Mika, ob ich eine Mission erfüllen wolle. Damals hatten wir gerade eine sehr schwierige Situation in der Familie zu bewältigen. Ich schilderte ihm meine Lage und er meinte, ich mache im Rahmen meiner Berufungen viel für den Herrn – das reiche auch. Dazu muss ich ehrlich eingestehen: Der Gedanke, auf Mission zu gehen, gefiel mir zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht, und ich war eigentlich froh, eine Begründung zu haben, dies nicht zu tun. Kurz darauf verbesserte sich die Situation in meiner Familie. Ein Familienmitglied, das viel Böses angerichtet hatte, erhielt die Diagnose Diabetes und wurde medizinisch behandelt. Mit der Genesung änderte sich das Verhalten dieser Person diametral, sodass sie sich sogar in der Kirche Jesu Christi taufen ließ. Ich freute mich natürlich über diese Entwicklung und stand nun vor der Aufgabe, diesem Menschen voll und ganz zu vergeben. Dies tat ich natürlich, allerdings, wie sich herausstellte, nur oberflächlich. Denn eines Tages bat mich gerade dieses Familienmitglied um einen Krankensegen. In diesem Moment spürte ich den schrecklichen Einfluss von Hass. Der Hass, der sich über Jahre in mir aufgebaut hatte, war zwar für andere nicht mehr erkennbar, jedoch für mich selbst und wohl auch für den Herrn. Ich spürte, wie sehr dieser Hass in meiner Seele eingebrannt war – doch ebenso war dort meine Nächstenliebe verankert. Ich weinte drei Tage lang in meinem Herzen und flehte den Herrn um Hilfe an. Nach dieser Zeit spürte ich, dass der Hass aus meiner Seele genommen war! Ich konnte mich zwar an die schrecklichen Szenen, die ich erlebt hatte, mit dem Verstand erinnern, aber meine damaligen Gefühle waren wie fortgespült. Mein Herz war frei! Ich spendete also den Segen und dieses Familienmitglied wurde gesund. Ich denke und hoffe, dass ich dadurch die Fähigkeit zu hassen für immer verloren habe!

Wenig später bekam unser Zweig einen neuen Gemeindepräsidenten, Bruder Johann Wondra. An einem Abend hatten wir eine Chorprobe in der Gemeinde. Bruder Wondra sah mich sehr ernsthaft an und sagte mir, ich möge nach der Probe bitte unbedingt zu ihm ins Büro kommen. Ich dachte nach, was er wohl von mir wollte. Eine neue Berufung schätzte ich als sehr unwahrscheinlich ein. Hatte ich vielleicht etwas angestellt? Mit sehr gemischten Gefühlen ging ich in sein Büro. Bruder Wondra sah mich kurz an und meinte: „Die großen Dinge des Lebens sind mit wenigen Worten gesagt: Präsident Watkins (der Missionspräsident) und ich wissen, der Herr möchte, dass du eine Mission erfüllst!“ Eine Vielzahl von Gedanken „rasten“ durch mein Gehirn. Wenige Tage zuvor hatte mich der oberste Chef meiner Firma ebenso in sein Büro gerufen. „Herr Mayrl“, hatte er gesagt, „wir werden eine neue Abteilung ins Leben rufen – eine Projektabteilung. Der Leiter wird Herr Buchner sein. Er möchte Sie als wichtigsten Mitarbeiter!“

Das war ein traumhaftes Angebot! Herr Buchner war ein erfahrener Konstrukteur, den auch ich sehr schätzte. Außerdem war es für mich gerade Zeit, eine Partnerin zu suchen, und ich hatte da eine sehr vielversprechende Freundschaft. Das waren meine Gedanken. Aber von meinen Gefühlen her wusste ich es ganz klar: Mein Vater im Himmel hat gesprochen – er möchte, dass ich eine Mission erfülle! Bruder Wondra meinte, ich solle mir das in Ruhe überlegen und ihm in einigen Tagen Bescheid geben.

Ich atmete tief („sehr tief“) durch und antwortete: „Ich weiß, die Berufung kommt vom Herrn! Da brauchte ich nicht länger überlegen. Die Entscheidung ist für mich ganz klar!“ Und so sagte ich sogleich „ja“.

Ich werde mein ganzes Leben dankbar für die Brüder sein, die nach Inspiration getrachtet und mich berufen haben. Und ich verspüre auch tiefe Dankbarkeit für alle, die mich unterstützt haben! Meine Mission war nicht nur eine großartige Zeit für mich, sondern war auch die Basis für die wichtigsten Eigenschaften, die ich im Leben entwickeln konnte, allen voran Nächstenliebe! Unser Vater im Himmel liebt uns. Ich habe miterlebt, wie sorgfältig, geduldig, weise und liebevoll er für uns Menschen sorgt und mit uns umgeht. Und weil er weiß, was für uns wertvoll und gut ist, wirken sich manche unserer schwierigen Entscheidungen und Opfer zu unserem größten Segen aus.