2021
Nach 105 Jahren Großvater gefunden
Oktober 2021


Stimmen von Heiligen der Letzten Tage

Nach 105 Jahren Großvater gefunden

Bielefeld (MS): Schon viele Jahre arbeite ich mit Begeisterung in der Familienforschung. Allerdings musste ich im Laufe der Jahre lernen, dass man bei dieser Aufgabe viel Geduld benötigt. Von meinem Großvater väterlicherseits kannte ich nur den Namen und das Geburtsdatum. Über die Partner-Website von FamilySearch konnte ich bei Ancestry die Geburtsurkunde meines Großvaters, Paul Glomb, finden, was mich riesig gefreut hat. Aber das sollte nur der Anfang dieser wunderbaren Geschichte sein.

Mein Vater wurde im Juli 1914 in Schlesien geboren. Aus seinen Erzählungen wusste ich, dass sein Vater mit nur 26 Jahren drei Wochen nach der Geburt meines Vaters gleich zu Beginn des 1. Weltkrieges im Frankreichfeldzug gefallen war. Meine Großmutter stand als junge Frau mit 22 Jahren und einem neugeborenen Sohn im Sommer 1914 als Witwe allein da.

Im Jahr 2018 versuchte ich erneut, etwas über meinen Großvater und dessen Tod herauszufinden. Und siehe da, durch einen Hinweis in FamilySearch bekam ich über „Find A Grave“ die Information, wann und wo mein Großvater gestorben war. Bei meiner Begeisterung darüber hatte ich aber versäumt, den Link, den die Website mir zusandte, zu öffnen, um noch genauere Angaben zu erhalten. Im Spätsommer 2019 rief mich eines Tages einer unserer Söhne an. Er hatte in FamilySearch geforscht und war auf meinen Großvater betreffende interessante Details gestoßen. So sagte er mir, dass bei dem Link zu „Find A Grave“ sogar Angaben zum Ort des Grabes meines Großvaters samt Adresse und Grabnummer vorhanden seien. Sollte es tatsächlich möglich sein, das Grab meines Großvaters zu finden? Stimmten diese Angaben wirklich? Könnte das Grab nach nunmehr 105 Jahren überhaupt noch bestehen? Mich durchströmten auf einmal ganz besondere Gefühle und eine hohe Erwartungshaltung wurde in mir geweckt. Unserem Sohn erging es ähnlich und kurz entschlossen fragte er, ob wir nicht in den Herbstferien nach Belgien fahren sollten. Wir entschieden uns sofort dafür. Kurz darauf hatte unsere Schwiegertochter auch schon ein Ferienhaus in der Gegend von Tintigny in Belgien nahe der französischen Grenze gebucht. Also machten wir uns im Oktober 2019 auf den Weg, voller Spannung darauf, was uns wohl erwarten würde.

Nach unserer Ankunft brachen wir am Nachmittag gleich auf, um den Friedhof zu finden. Wir fuhren an vielen Soldatenfriedhöfen mit teilweise über 30.000 Gräbern vorbei. Wie sollte man auf so einem riesigen Friedhof dann das Grab unseres Vorfahren finden? Immerhin ist es nicht selbstverständlich, dass nach so vielen Jahren noch ein identifizierbares Grab vorhanden ist.

Doch dann war es so weit. Die Adresse stimmte und wir fanden den Soldatenfriedhof Bellefontane, Tintigny im Arrondissement De Virton. Es war ein kleiner Friedhof mit knapp 1000 Gräbern von französischen und deutschen Soldaten. Wir waren sehr überrascht, wie gepflegt dieser Friedhof war. Alles war aufgeräumt, der Rasen gemäht und die Grabsteine in einem so ordentlichen Zustand, dass man ohne Probleme die Namen und Daten lesen konnte. Seitdem weiß ich die in ganz Europa ehrenamtliche Tätigkeit der Mitarbeiter der Kriegsgräberfürsorge wirklich zu schätzen.

So machten wir uns auf die Suche nach dem Grab. Und da sahen wir es nun tatsächlich: Grabstelle 455 war mit dem Namen Paul Glomb, gefallen am 22.08.1914, beschriftet. Nach 105 Jahren standen zum ersten Mal Verwandte an seinem Grab, nämlich einer seiner Enkel, sein Urenkel und seine Ururenkel. Drei Generationen seiner Nachkommen standen dort mit Tränen in den Augen, da dieser Moment unglaublich berührend war und wir das starke Gefühl hatten, hier eine echte Verbindung zu unserem Großvater, Urgroßvater und Ururgroßvater zu erleben. Auch wenn uns bewusst war, dass hier nur noch die sterblichen Überreste von Paul Glomb lagen, war es für uns überwältigend. Wir spürten, wie die Verheißungen Maleachis in Erfüllung gingen, dass sich nämlich das Herz der Väter wieder den Söhnen und das Herz der Söhne ihren Vätern zuwenden wird. Es war ein Gefühl, uns gefunden zu haben und vereint zu sein. Das war für uns alle ein sehr zeugnisstärkendes Erlebnis. Tief beeindruckt und dankbar für diese Gelegenheit verließen wir den Friedhof.

Leider hatten wir noch nie ein Bild von meinem Großvater gesehen, sodass wir die Verbindung zu ihm auf diesem Friedhof zwar spüren konnten, aber kein Gesicht vor Augen hatten. Das tat aber dem besonderen geistigen Erlebnis keinerlei Abbruch. Zu diesem Zeitpunkt ahnten wir nicht, dass es noch mehr Hilfe von unbekannter Seite geben sollte.

Im März 2020 bekam ich über MyHeritage wieder einen Hinweis, wodurch ich meinen Großcousin aus Hamburg kennenlernte. Durch ihn erhielt ich viele Daten von meinen Vorfahren, die ich schon seit Jahren ohne jeden Erfolg gesucht hatte. Nach regem Schriftwechsel schickte er mir dann Unterlagen und – das war die größte Überraschung! – das Hochzeitsbild meines Großvaters Paul Glomb, das ich noch nie zuvor gesehen hatte. Was für eine Freude!

Ja, die Familienforschung ist oft eine mühsame Angelegenheit. Aber für mich ist dieses Erlebnis wieder ein Zeugnis dafür, dass wir bei dieser wichtigen Arbeit nicht allein gelassen werden. Die Familienforschung gehört neben der Missionsarbeit zu den segensreichsten Tätigkeiten, die wir hier auf Erden tun können. Dabei werden wir durch den Einfluss des Heiligen Geistes und durch viele andere „Engel“ auf beiden Seiten des Schleiers unterstützt und am Ende mit einer überaus großen Freude und einem erfüllten, dankbaren Herzen gesegnet.