2000–2009
Spaß und Freude
Oktober 2002


Spaß und Freude

Kurz gesagt: Das Geringe, das wir jeden Tag tun, kann uns glücklich machen, und vollends glücklich werden wir, wenn wir die Gebote Gottes halten, der uns liebt.

Vor ungefähr vier Monaten erhielt ich den Auftrag, in Bogotá in Kolumbien zu dienen, und zog dorthin. Als ich eines Tages versuchte, den Weg zum Gemeindehaus meiner neuen Gemeinde zu finden, hielt ich an einem Park, um mich nach dem Weg zu erkundigen.

Ich konnte viele Familien sehen, die den schönen, sonnigen Morgen genossen. Ich stand eine Weile da und beobachtete die Kinder, wie sie fröhlich im Park spielten. Auf ihrem Gesicht lag ein besonderes Leuchten, ihre Wangen waren von der Sonne, dem Rennen und dem gemeinsamen Spiel gerötet. Sie gingen alle sehr freundlich miteinander um.

Ich konnte sehen, dass sie wirklich Spaß hatten. Als ich sie aus der Nähe beobachtete, erkannte ich, dass diese unschuldigen kleinen Kinder mehr als nur ihren Spaß hatten; sie waren wirklich glücklich.

Später, als ich zum Gemeindehaus fuhr, wanderten meine Gedanken zu der Zeit zurück, als ich getauft wurde. Einer meiner alten Freunde kam zu mir und fragte mich, was ich denn hier gefunden hätte, was so anders wäre. Ich antwortete: „Ich habe wahres Glück gefunden.“ Worauf er entgegnete: „Es gibt kein wahres Glück, nur glückliche Augenblicke.“

Ich glaube, dass dieser gute Freund nicht den Unterschied zwischen Spaß und Freude kannte. Was er „glückliche Augenblicke“ nannte, waren in Wirklichkeit Augenblicke, in denen er Spaß hatte. Zu dem damaligen Zeitpunkt wusste er nicht, dass Freude viel mehr ist, als einfach Spaß zu haben. Spaß währt nur einen flüchtigen Augenblick, aber Freude ist etwas Dauerhaftes.

Viele Menschen verstehen den Unterschied zwischen Spaß und Freude nicht. Viele versuchen Freude zu finden, indem sie Spaß haben, aber diese beiden Gefühle sind nicht das Gleiche.

Ich habe im Wörterbuch nachgeschlagen, um herauszufinden, was sie bedeuten: Spaß bedeutet Spiel, Vergnügen, Fröhlichkeit, Lustigsein, Amüsement, Ausgelassenheit, oft laute Aktivitäten und Necken. Freude bedeutet Zufriedenheit, Glück und Wonne.

Nachdem ich ein Mitglied der Kirche geworden war, lernte ich, dass tatsächlich ein großer Unterschied zwischen Spaß und Freude besteht. Ich lernte sogar schon vor meiner Taufe, dass der Herr einen Plan der Errettung für alle seine Kinder hat (siehe 2 Nephi 2:9). Durch seinen Plan werden wir – abhängig von dem, was wir hier auf dieser Erde vollbringen – in die Gegenwart des himmlischen Vaters zurückkehren und bei ihm in einem Zustand ewiger Freude leben.

Sowohl Spaß als auch Freude sind gut, aber es ist gewiss am lohnendsten, nach Freude zu trachten. Freude kann Spaß mit einschließen, aber Spaß allein garantiert uns keine wahre Freude.

In Lukas, Kapitel 15, finden wir das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Darin bittet der jüngere Sohn seinen Vater, ihm sein Erbteil zu geben. Der Vater tut dies und der junge Mann geht in die Welt hinaus und trachtet nach dem, was er für wahre Freude gehalten hat. Zuerst hat er Spaß, und solange er Geld hat, ist er von vielen Menschen umgeben, die behaupten, seine Freunde zu sein. Als sein ganzes Vermögen mit all dem Spaß, den er mit seinen so genannten Freunden hatte, verschwendet ist, drehen ihm alle den Rücken zu und er bleibt ohne einen roten Heller. Er erfährt dann viel Leid und Enttäuschung. Er fängt an, für jemanden zu arbeiten und füttert die Schweine, und weil er Hunger hat, versucht er sogar, die Futterschoten zu essen, die für die Schweine gedacht sind. Er denkt an die Knechte seines Vaters, die genug Brot zu essen haben, so dass noch etwas übrig bleibt – und er hat gar nichts zu essen.

Er beschließt, zu seinem Vater zurückzukehren und ihn zu bitten, ihn als Tagelöhner einzustellen. Er kehrt reumütig zurück und sein Vater, ein rechtschaffener Mann, heißt ihn willkommen, denn auch dies ist ja sein Sohn. Er versteht schließlich, dass wahre Freude dort, in dem einfachen Leben mit seiner Familie, zu finden ist.

Alle, die nach vollkommener Freude suchen, können sie im Evangelium Jesu Christi finden, das in seiner Kirche gelehrt wird. Durch die Lehre Christi erfahren wir, dass wir am großen Plan des Glücklichseins, den er für jeden von uns, für seine Söhne und Töchter, bereitet hat, teilhaben können. Wenn wir seine Gebote halten, werden wir gesegnet und erfahren, was wahre Freude ist. Wir lernen, dass es Freude bringt, die kleinen Dinge zu tun, die uns aufbauen und unseren Glauben und unser Zeugnis stärken. Kleinigkeiten, die wir im Alltag tun, zum Beispiel:

Wir sind glücklich, wenn wir jeden Morgen und jeden Abend beten und spüren können, dass der Herr uns hört und immer bereit ist, uns zu segnen, uns zu vergeben und uns zu helfen. Wir sind glücklich, wenn wir die Eingebungen des Heiligen Geistes spüren – wenn wir bei den wichtigen Entscheidungen des Lebens den Geist verspüren. Wir sind glücklich, wenn wir uns nach einem anstrengenden und ermüdenden Tag bei der Arbeit in die Arme unserer Familie begeben können und sie uns Liebe und Wertschätzung entgegenbringt. Wir sind glücklich, wenn wir mit unseren Kindern sprechen, etwas Schönes in der Familie erleben und beim Familienabend zusammenkommen können. Kurz gesagt: Das Geringe, das wir jeden Tag tun, kann uns glücklich machen, und vollends glücklich werden wir, wenn wir die Gebote Gottes halten, der uns liebt und dem an uns liegt.

Wahre Freude folgt, wenn wir die Gebote Gottes halten. In 2 Nephi 2:25 wird uns gesagt: „Adam fiel, damit Menschen sein können, und Menschen sind, damit sie Freude haben können“ oder mit anderen Worten, damit sie glücklich sind.

Ich habe diese Freude im Leben vieler Mitglieder der Kirche gesehen. Vor einigen Wochen hatte ich den Auftrag, über eine Pfahlkonferenz in Cali in Kolumbien zu präsidieren. Ich traf dort einen ganz besonderen jungen Mann, der Mitglied der Kirche ist und der ein gutes Beispiel für wahre Freude ist.

Er heißt Fabián. Seine Familie gehört der Kirche an und er erfuhr vom Plan des Glücklichseins, als er noch ein kleiner Junge war. 1984, als er drei Jahre alt war, wohnten Fabián und seine Familie in einem Haus an einer breiten und viel befahrenen Straße. Auf dieser Straße verkehrten viele Linienbusse.

Eines Tages, als er das Tor offen sah, versuchte der kleine Fabián die Straße zu überqueren und wurde von einem Bus angefahren. Dank der Güte des himmlischen Vaters überlebte Fabián. Seine Eltern brachten ihn in drei verschiedene Krankenhäuser, wo man ihnen zu verstehen gab, dass sie ihn nicht behandeln könnten. Sie suchten weiter nach Hilfe und als sie geeignete ärztliche Hilfe fanden, war die Prognose nicht sehr gut. Nach mehreren Operationen teilten die Ärzte der Familie mit, dass seine Füße und Beine so sehr verletzt seien, dass sie ihm, wenn sie ihn retten wollten, das rechte Bein amputieren müssten.

Der kleine Fabián führte nun ein anderes Leben – mit nur einem Bein. Er lernte langsam, das Gleichgewicht zu halten und mit Hilfe von Krücken zu gehen. Er ging zur Schule und seine Lehrer und Freunde halfen ihm. Einige Leute verspotteten ihn, aber er lernte bald, sich nicht um die Streiche zu kümmern, die sie ihm spielten.

Er wollte an allen sportlichen Aktivitäten teilnehmen und tat es auch häufig. Obwohl es sehr schwer für ihn war zu gewinnen, war er immer tapfer und bereit mitzumachen.

Fabián dient zur Zeit als Ratgeber in der Jungen-Männer-Leitung seines Pfahles. Er nimmt am Unterricht des Religionsinstituts teil und ist Mitglied im Studentenrat. Er spielt Basketball und Fußball. Außerdem spielt er mit seinen Freunden aus dem Institut Tischtennis. Er fährt Fahrrad und kann alles tun, was man als junger Mann so tun kann. Er gibt ehrenamtlich Englischunterricht bei einer Stiftung, die sich um arme Kinder kümmert.

Fabián möchte seinen Mitmenschen und Gott mit all seiner Kraft dienen. Er hat immer ein Lächeln auf den Lippen und ist immer da, wenn jemand Hilfe braucht. Fabián ist wahrhaftig ein glücklicher junger Mann. Mit einer überwältigenden Stärke, die von seinem Glauben und seinem Vertrauen auf Gott herrührt, ist Fabián ein großartiges Vorbild für die Bürger seiner Heimatstadt.

Seine Freude rührt daher, dass er sich jeden Tag bemüht, würdig zu leben und die Gebote Gottes zu befolgen. Er erinnert mich an eine Schriftstelle in Mosia 2:41: „Und weiter wünschte ich, ihr würdet den gesegneten und glücklichen Zustand derjenigen betrachten, die die Gebote Gottes halten. Denn siehe, sie sind gesegnet in allem, zeitlich sowohl als auch geistig, und wenn sie bis ans Ende getreulich aushalten, werden sie in den Himmel aufgenommen, so dass sie dann mit Gott in einem Zustand nie endenden Glücks weilen. O denkt daran, denkt daran, dass dies wahr ist; denn der Herr Gott hat es gesprochen.“

Wenn wir die Gebote Gottes befolgen, werden wir in alle Ewigkeit glücklich leben. Der Herr sagt in Alma 41:10: „Schlecht zu sein hat noch nie glücklich gemacht.“

Als ein Diener Gottes und als Mitglied seiner Kirche lade ich Sie ein, wahrhaft glücklich zu sein, indem Sie seinen Ratschlägen Beachtung schenken, nach seinen Geboten leben und den Worten der lebenden Propheten Folge leisten.

Zu den Faktoren, die unser Glücklichsein weithin bestimmen, zählt auch, dass wir auf den Rat der lebenden Propheten hören, die uns in dieser Kirche unterweisen.

Ich habe ein Zeugnis davon, dass Gott lebt, dass Jesus der Messias ist, unser Erretter und Erlöser. Er gab sein kostbares Leben für einen jeden von uns. Ich weiß, dass Joseph Smith ein Prophet Gottes ist. Dies weiß ich von ganzem Herzen. Ich weiß, dass das Buch Mormon das Wort Gottes ist, und dass es uns auf den Weg der Freude führen kann.

Ich weiß, dass Präsident Gordon B. Hinckley heute der Prophet Gottes ist und dass er uns mit Liebe und Geduld lehrt, wie wir in diesem und im künftigen Leben glücklich sein können.

All dies ist Teil meines Zeugnisses von der Wahrheit, das ich Ihnen geben möchte, meine Brüder und Schwestern. Im Namen Jesu Christi. Amen.