2000–2009
Ich gehe, wohin du mich heißt
Oktober 2002


Ich gehe, wohin du mich heißt

Unsere vollständige Bekehrung, die uns zu Männern und Frauen Gottes macht, vollzieht sich am besten dadurch, dass wir in seinem Weingarten arbeiten.

Meine Worte bauen auf einem Lied auf, das seit vielen Generationen treue Diener des Herrn inspiriert hat:

Nicht auf der Berge so steiler Höh,

noch über dem stürmschen Meer,

nicht in dem tobenden Schlachtgetös

will haben er mich, mein Herr.

Doch wenn er mich sanft und leise ruft

auf Pfade, die ich nicht weiß,

antworte ich: Herr, mit dir Hand in Hand

will ich gehn, wohin du mich heißt.

(„Ich gehe, wohin du mich heißt“, Gesangbuch, Nr. 180.)

Diese Worte einer Dichterin, die keine Heilige der Letzten Tage war, bringen das Engagement der treuen Kinder Gottes in allen Zeitaltern zum Ausdruck.

Abraham, der Isaak auf jene herzzerreißende Reise zum Berg Morija mitnahm, ging treu dorthin, wohin der Herr ihn hieß (siehe Genesis 22). Ebenso David, als er vor die Reihen Israels trat, um die Herausforderung des Riesen Goliat anzunehmen (siehe 1 Samuel 17). Ester, inspiriert, ihr Volk zu retten, schlug einen lebensgefährlichen Weg ein, als sie den König im inneren Palasthof aufsuchte (siehe Ester 4,5). „Ich gehe, wohin du mich heißt, o Herr“ war der Grund, der Lehi dazu bewegte, Jerusalem zu verlassen (siehe 1 Nephi 2) und seinen Sohn Nephi veranlasste, dorthin zurückzukehren, um die wertvollen Aufzeichnungen zu holen (siehe 1 Nephi 3). Man könnte noch hunderte Beispiele aus den heiligen Schriften anführen.

All diese treuen Seelen bewiesen ihren Gehorsam gegenüber der Weisung des Herrn und ihren Glauben an seine Macht und Güte. Wie Nephi erklärte: „Ich will hingehen und das tun, was der Herr geboten hat; denn ich weiß, der Herr gibt den Menschenkindern keine Gebote, ohne ihnen einen Weg zu bereiten, wie sie das vollbringen können, was er ihnen geboten hat.“ (1 Nephi 3:7.)

In unserer Umgebung und in unserer Erinnerung an frühere Zeiten finden wir inspirierende Beispiele für den ergebenen, treuen Dienst Heiliger der Letzten Tage. Eines der bekanntesten Beispiele gab uns Präsident J. Reuben Clark. Nach über sechzehn Jahren als sehr einflussreicher Erster Ratgeber wurde die Erste Präsidentschaft neu gebildet und er wurde als Zweiter Ratgeber berufen. Seine beispielhafte Demut und seine Bereitschaft zu dienen haben Generationen beeinflusst. Er sagte den Mitgliedern: „Im Dienst für den Herrn zählt nicht, wo man dient, sondern, wie man dient. In der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage übernimmt jeder die Stellung, zu der er ordnungsgemäß berufen wird – ohne sie sich anmaßen zu wollen, aber auch, ohne sie abzulehnen.“ (Generalkonferenz, April 1951.)

Ebenso bedeutend, wenn auch nicht so sichtbar, sind die Millionen Mitglieder, die heute mit ähnlichem Glauben und Eifer in den entlegenen Winkeln des Weingartens des Herrn arbeiten. Unsere treuen Missionarsehepaare sind das beste Beispiel dafür, das ich kenne.

Kürzlich sah ich die Missionspapiere von über fünfzig älteren Ehepaaren durch. Alle hatten bereits mindestens drei Missionen erfüllt, als sie ihre Papiere für eine weitere Berufung einreichten. Sie kamen von überallher, von Australien bis Arizona, von Kalifornien bis Missouri. Sie waren in den Sechzigern oder frühen Siebzigern oder sogar in den … – na ja, egal. Ein Ehepaar, das bereit war, eine siebte Mission zu erfüllen, hatte bereits auf dem Tempelplatz gedient, außerdem in Alaska, Neuseeland, Kenia und Ghana. Sie wurden auf die Philippinen berufen. Man könnte unzählige solcher Beispiele anführen.

Die Anmerkungen der Priestertumsführer auf den Papieren dieser Ehepaare sind Zeugnisse vom Dienen und Opfern. Ich zitiere einige:

„Bereit, überallhin zu gehen, alles zu tun, so lange, wie es nötig ist.“

„Sie sind beispielhafte Mitglieder der Kirche, die ihr Leben dem Herrn weihen.“

„Wir gehen, wohin der Herr uns heißt“, schrieb ein anderes Ehepaar. „Wir beten darum, dass wir dorthin gesandt werden, wo wir gebraucht werden.“

Die Anmerkungen der Priestertumsführer über die Qualifikationen dieser Ehepaare fassen zusammen, welche Arbeit unsere Missionarsehepaare so effektiv leisten.

„Es gelingt ihm ausgezeichnet, die Programme zu verwirklichen. Er hat gute Führungsqualitäten.“

„Sie freuen sich am meisten, wenn sie gebeten werden, ‚aufzubauen‘ und zu entwickeln, daher wäre ein Auftrag in einem Entwicklungsgebiet der Kirche angebracht. Sie sind bereit, in jeder Berufung zu dienen.“

„Sie können wertvolleren Dienst mit [weniger Aktiven] und Neubekehrten leisten als in einem Büro.“

„Sie lieben die Jugendlichen und können sehr gut mit ihnen umgehen.“

„Sie fühlen sich am besten dafür geeignet, die Führungsbeamten zu unterstützen und bei der Eingliederung zu helfen, und tun das auch am liebsten.“

„Sie sind körperlich etwas langsamer geworden, aber nicht in geistiger Hinsicht oder in ihrem Missionseifer.“

„Er ist ein wahrer Missionar. Er heißt Nephi und folgt seinem Namensvetter. Sie ist eine großartige Frau, war immer ein großes Vorbild. Sie werden großartig sein, wohin sie auch berufen werden. Das ist ihre fünfte Mission.“ (Sie hatten bereits in Guam, Nigeria, Vietnam, Pakistan, Singapur und Malaysia gedient. Um ihnen ein wenig Erholung von diesen anstrengenden Wegen zu gönnen, beriefen die Diener des Herrn dieses Ehepaar in den Nauvoo-Tempel.)

Ein anderes Ehepaar sprach für all diese Helden und Heldinnen, als sie schrieben: „Wir gehen überallhin und tun alles, worum man uns bittet. Das ist kein Opfer, sondern ein Vorzug.“

Diese Missionarsehepaare sind in besonderem Maß bereit, Opfer zu bringen und sich zu engagieren. Ebenso unsere Missionspräsidenten und Tempelpräsidenten und ihre treuen Ehepartner. Alle verlassen ihr Zuhause und ihre Familie, um sich eine Zeit lang ganz in den Dienst des Herrn zu stellen. Dasselbe gilt für das Heer der jungen Missionare, die ihr Leben zu Hause zurückstellen, sich von Familie und Freunden verabschieden und sich aufmachen (meist auf eigene Kosten), dort zu dienen, wohin der Herr sie, durch seine Diener, sendet.

Ich gehe, wohin du mich heißt, o Herr,

über Meer, über Berg und Gestein;

ich rede, was du mich heißt reden, o Herr,

und wie du willst, so will ich sein.

(Gesangbuch, Nr. 180.)

Millionen weitere dienen von zu Hause aus in ihren Aufgaben in der Kirche. Beispielsweise die 26.000 Bischofschaften und Zweigpräsidentschaften und die treuen Präsidentschaften der Kollegien und Leitungen der Frauenhilfsvereinigung, der Primarvereinigung und der Jungen Damen, die mit ihnen und unter ihrer Leitung dienen. Ebenso Millionen von treuen Lehrern in den Gemeinden, Zweigen, Pfählen und Distrikten. Und denken Sie an die hunderttausenden Heimlehrer und Besuchslehrerinnen, die das Gebot des Herrn befolgen, „immer über die Gemeinde zu wachen und bei den Mitgliedern zu sein und sie zu stärken“ (LuB 20:53). Sie alle können in diese inspirierten Zeilen einstimmen:

Es mögen Worte der Liebe sein,

die ich zu verkünden hab,

auch lädt zu suchen der Herr mich ein

Verirrte auf sündgem Pfad.

O Heiland, willst du mein Führer sein,

wenn dunkel und rau der Weg?

Mein Ruf halle wider die Botschaft dein,

ich red, was du reden mich heißt.

(Gesangbuch, Nr. 180.)

Wie der Prophet und König Benjamin gelehrt hat: „Wenn [wir unseren] Mitmenschen [dienen], allein dann [dienen wir unserem] Gott.“ (Mosia 2:17.) Er hat uns auch gewarnt: „Seht zu, dass dies alles in Weisheit und Ordnung geschieht; denn es ist nicht erforderlich, dass der Mensch schneller laufe, als er Kraft hat.“ (Mosia 4:27.)

Das Evangelium Jesu Christi fordert uns auf, uns zu bekehren. Es lehrt uns, was wir tun sollen, und bietet uns Möglichkeiten, so zu werden, wie unser himmlischer Vater es möchte. Diese vollständige Bekehrung, die uns zu Männern und Frauen Gottes macht, vollzieht sich am besten dadurch, dass wir in seinem Weingarten arbeiten.

In der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist selbstloses Dienen schon zur Tradition geworden. Die Kirche zeichnet sich ja gerade auch dadurch aus, dass wir in den tausenden örtlichen Gemeinden und den regionalen Pfählen, Distrikten und Missionen, die sie betreuen, keine bezahlten oder hauptamtlichen Geistlichen haben. Es ist ein wesentlicher Teil des Planes Gottes für seine Kinder, dass die Führung und die Arbeit in seiner Kirche von seinen Kindern geleistet wird, die großzügig von ihrer Zeit geben, um Gott und ihren Mitmenschen zu dienen. Sie befolgen das Gebot des Herrn, ihn zu lieben und ihm zu dienen (siehe Johannes 14:15; LuB 20:19; 42:29; 59:5). So bereiten sich Männer und Frauen auf die größte Segnung, das ewige Leben, vor.

Dennoch können manche ihr Engagement noch steigern. Wenn ich Pfahlpräsidenten um Vorschläge bitte, welche Themen ich bei der Pfahlkonferenz behandeln soll, höre ich oft von Mitgliedern, die sich weigern, eine Berufung anzunehmen, oder die eine Berufung annehmen und dann ihre Aufgaben nicht erfüllen. Manche sind weder engagiert noch treu. So war es schon immer. Aber das bleibt nicht ohne Folgen.

Der Erretter sprach in drei bedeutenden Gleichnissen, die im 25. Kapitel des Matthäus aufgezeichnet sind, über den Unterschied zwischen den Treuen und den Untreuen. Die Hälfte der eingeladenen Gäste wurde vom Hochzeitsfest ausgeschlossen, weil sie nicht bereit waren, als der Bräutigam kam (siehe Matthäus 25:1-13). Der nichtsnutzige Diener, der das Talent, das sein Herr ihm gegeben hatte, nicht einsetzte, durfte nicht an der Freude seines Herrn teilnehmen (siehe Matthäus 25:14-30). Und als der Herr in seiner Herrlichkeit erschien, schied er die Schafe, die ihm und ihren Mitmenschen gedient hatten, von den Böcken, die dies nicht getan hatten. Nur diejenigen, die das „für einen meiner geringsten Brüder getan“ hatten (Matthäus 25:40), durften zu seiner Rechten sein, um das Reich in Besitz zu nehmen, das seit der Erschaffung der Welt für sie bestimmt war (siehe Matthäus 25:31-46).

Meine Brüder und Schwestern, wenn Sie in Ihrem Engagement nachlässig sind, bedenken Sie bitte, wen Sie da zurückweisen oder wem Sie nicht dienen, wenn Sie eine Berufung ablehnen oder sie annehmen, versprechen, sie zu erfüllen, und es dann nicht tun. Möge jeder von uns dieser inspirierten Erklärung folgen:

Gewiss hast du mich hierher gesandt

ins irdische Erntefeld

zur Arbeit für den Gekreuzigten,

für ihn, für den Herrn der Welt.

(Gesangbuch, Nr. 180.)

Jesus hat uns den Weg gezeigt. Obwohl er vor dem bitteren Pfad zurückschreckte, der durch Getsemani und Golgota führte (siehe LuB 19:18), sagte er dem Vater ergeben: „Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen.“ (Lukas 22:42.)

Zuvor hatte er gelehrt:

„Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.

Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.

Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen?“ (Matthäus 16:24-26.)

Wir dürfen nicht vergessen, zu welchem Zweck wir einander dienen. Wenn es nur darum ginge, einen Teil des Werkes Gottes zu vollbringen, könnte Gott „Legionen Engel schicken“, wie Jesus an anderer Stelle gelehrt hatte (siehe Matthäus 26:53). Damit würde aber der Zweck des Dienstes, den er vorgesehen hat, nicht erfüllt. Wir dienen Gott und unseren Mitmenschen, damit wir zu Kindern werden, die wirklich zurückkehren können, um bei ihren himmlischen Eltern zu leben.

Und sicher, dass du mich liebst, o Herr,

vertrauend der Sorgfalt dein,

will ich im Gehorsam nur dir mich weihn,

und wie du willst, so will ich sein.

(Gesangbuch, Nr. 180.)

Vor fast zehn Jahren las ich einen Brief von einem zurückgekehrten Missionar, der diesen Prozess in seinem Leben beschrieb. Er hatte geschrieben, um denen, die die Missionsarbeit leiten, dafür zu danken, dass sie es gewagt hatten, „mich dorthin zu senden, wo der Herr mich brauchte, und nicht dahin, wo es mir geeignet erschien“. Er stammte, wie er sagte, „aus einer Umgebung des stolzen, konkurrierenden Intellektualismus“. Vor seiner Mission hatte er an einer angesehenen Universität im Osten der Vereinigten Staaten studiert. Ich zitiere:

„Ich füllte wohl aus Pflichtgefühl und Trägheit meine Missionspapiere aus und reichte sie ein, wobei es mir sehr wichtig war, anzugeben, dass es mein größter Wunsch war, im Ausland zu dienen und eine Fremdsprache zu sprechen. Ich machte deutlich, dass ich ein fähiger Student war, der Russisch konnte, und absolut geeignet war, zwei Jahre unter dem russischen Volk zu verbringen. Überzeugt, dass kein Komitee solchen Qualifikationen widerstehen konnte, war ich sicher, dass ich ein kulturelles Abenteuer erleben würde, das meinen Horizont erweiterte.“

Er war schockiert, als er die Berufung erhielt, in einer Mission in den Vereinigten Staaten zu dienen. Er wusste nichts über diesen Staat, in dem er dienen sollte, außer dass er in seinem eigenen Land lag, wo man Englisch sprach, anstatt im Ausland, wo man die Sprache sprach, die er gelernt hatte, und die Menschen, mit denen er arbeiten sollte, waren „wahrscheinlich völlig ungebildet“, wie er sagte. Er fuhr fort: „Fast lehnte ich die Berufung ab, denn ich meinte, ich würde wahrscheinlich im Friedenskorps oder sonst wo mehr Erfüllung finden.“

Glücklicherweise brachte dieser stolze junge Mann doch den Mut und Glauben auf, die Berufung anzunehmen und der Weisung und dem Rat seines ausgezeichneten Missionspräsidenten zu folgen. Dann begann das Wunder des geistigen Wachstums. Er beschrieb es so:

„Als ich begann, unter den ungebildeten Menschen [in diesem Bundesstaat] zu dienen, war es monatelang ein harter Kampf, aber allmählich begann das Wirken des Geistes, die Mauern des Stolzes und Unglaubens abzureißen, die meine Seele umgaben. Das Wunder der Bekehrung zu Christus begann. Das Gefühl, dass Gott wirklich lebt und alle Menschen Brüder sind, wurde immer machtvoller und erfüllte meinen unruhigen Sinn.“

Er gestand, dass es nicht leicht war, aber mit dem Einfluss seines großartigen Missionspräsidenten und der wachsenden Liebe für die Menschen, denen er diente, war es möglich und es geschah auch.

„Mein Wunsch, diese Menschen zu lieben und ihnen zu dienen, die letztendlich zumindest meinesgleichen waren, mir bestimmt sogar überlegen waren, wurde immer stärker. Zum ersten Mal in meinem Leben lernte ich Demut, ich lernte, was es bedeutet, andere nicht nach den irrelevanten Details ihres Lebens zu beurteilen. Ich spürte, wie in meinem Herzen die Liebe für diese Geister immer mehr zunahm, die mit mir hierher auf die Erde gekommen waren.“ (Brief an Generalautoritäten, Februar 1994.)

Das ist das Wunder des Dienens. Wie die Dichterin schrieb:

Doch wenn er mich sanft und leise ruft

auf Pfade, die ich nicht weiß,

antworte ich: Herr, mit dir Hand in Hand

will ich gehn, wohin du mich heißt.

(Gesangbuch, Nr. 180.)

Ich gebe Zeugnis von Jesus Christus, der uns einlädt, seinen Weg zu gehen und ihm zu dienen, und bete, dass wir den Glauben und das Engagement haben, ihm zu folgen, und die Kraft, so zu sein, wie er will, im Namen Jesu Christi. Amen.