1990–1999
“Dem Sohn Gottes gleich gemacht”
April 1999


“Dem Sohn Gottes gleich gemacht”

Das Priestertum zu tragen ist nicht etwas, was beiläufig, unbekümmert oder gleichgültig abgetan werden darf. Wer es einmal annimmt, darf es nicht ignorieren, vernachlässigen oder verwerfen. Mit ihm gehen Ehre und Macht einher.

Nachdem die Israeliten den Jordan überquert hatten und die Stadt Jericho zerstört worden war, wandten sie sich gegen die Stadt Ai. Ai war kleiner als Jericho und hatte weniger Verteidiger, und Josua hatte vor, es mit nur 3000 Soldaten zu erobern. Doch die Männer von Ai schlugen das israelitische Heer und zwangen es zur Flucht. Josua warf sich vor dem Herrn auf die Erde nieder und fragte nach den Gründen für die Niederlage. Aus der Antwort sollte er etwas lernen.

Als Jericho zerstört worden war, hatte der Herr den Israeliten verboten, von den dort vorhandenen wertvollen Besitztümern auch nur das geringste an sich zu nehmen. Einer der Männer, Achan, nahm aber einige Beutestücke und wollte sie verbergen. “Ich sah … [es]”, sagte er. “Ich wollte es haben und nahm es an mich. Es ist in meinem Zelt im Boden vergraben.” (Josua 7:21.) Der Herr gebot, die Beutestücke zu vernichten, und Achan wurde gesteinigt.

Es mag uns unbegreiflich sein, wie die Unehrlichkeit eines einzigen so weitreichende Folgen haben konnte, daß deswegen das Heer Israels geschlagen wurde. Elder James E. Talmage schreibt dazu:

“Ein gerechtes Gesetz war übertreten und verworfene Dinge im Lager des Bundesvolkes eingeführt worden; diese übertretung machte der göttlichen Hilfe ein Ende, und erst als sich das Volk wieder geheiligt hatte, wurde auch die Kraft wieder erneuert.” (Die Glaubensartikel, 112; siehe auch Josua 7:10­13.)

Wenn jemand irgendein Gebot Gottes übertritt und keine Umkehr erfolgt, entzieht der Herr seinen schützenden und unterstützenden Einfluß. Wenn wir die Macht verlieren, die Gott uns verliehen hatte, können wir uns sicher sein, daß das Problem bei uns und nicht bei Gott liegt. “Ich, der Herr, bin verpflichtet, wenn ihr tut, was ich sage; tut ihr aber nicht, was ich sage, so habt ihr keine Verheißung.” (LuB 82:10.) Unsere Missetaten bringen Verzweiflung mit sich. Sie dämpfen und verdunkeln den “Glanz der Hoffnung” (2 Nephi 31:20), den uns Christus anbietet. Ohne die Hilfe Gottes sind wir uns selbst überlassen.

Das Priestertum ist die Vollmacht, stellvertretend für den Herrn zu handeln und heilige Handlungen zu vollziehen, die allen bestimmte geistige Segnungen bringen. Es ist die Macht, die Absicht und den Willen des Herrn hinsichtlich der Leitung der Kirche kundzutun, die Macht, sein Wort durch Offenbarung zu erlangen, das Evangelium zu verkünden und sowohl für die Lebenden als auch für die Verstorbenen die heiligen Handlungen der Erhöhung zu vollziehen. Das Priestertum Gottes zu tragen ist etwas wirklich Machtvolles.

Uns ist gesagt worden, daß “die Rechte des Priestertums mit den Himmelskräften untrennbar verbunden [sind], und die Himmelskräfte nur nach den Grundsätzen der Rechtschaffenheit beherrscht und gebraucht werden [können].” (LuB 121:36.) Präsident Spencer W. Kimball hat gesagt: “Der Macht des Priestertums, das Sie tragen, sind keine Grenzen gesetzt. Die Grenzen kommen dann ins Spiel, wenn man nicht im Einklang mit dem Geist des Herrn lebt und sich in der Macht, die man ausübt, selbst einschränkt.” (Der Stern, Januar 1994, 38.)

Als Träger des Priestertums Gottes müssen wir uns dessen bewußt sein, daß wir ein “auserwähltes Geschlecht [sind], eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein Eigentum wurde.” (1 Petrus 2:9.) Uns ist geboten worden: “Tretet hervor von den Schlechten und sondert euch ab und rührt ihr Unreines nicht an.” (Alma 5:57.)

Wenn ein Mann, egal, ob jung oder alt, das Priestertum annimmt und empfängt, wird ihm zugleich auch die heilige Verantwortung auferlegt, dieses Priestertum groß zu machen. Dies erfordert von einem jeden von uns, daß wir mit Eifer dienen, mit Glauben und Zeugnis lehren und diejenigen, mit denen wir in Berührung kommen, ermutigen und stärken. Dies bedeutet, daß wir unser Leben nicht nur auf uns selbst ausrichten dürfen, sondern daß wir auch Verantwortung für das Wachstum, die Entwicklung und das Wohlergehen anderer tragen.

Niemand sollte aufgrund seines Alters oder anderer Umstände automatisch zu irgendeinem Amt im Priestertum ordiniert werden. Gesegnet ist der Priestertumsführer, der gewissenhaft einen jeden Kandidaten für ein Amt im Priestertum interviewt und von diesem Kandidaten einen Bericht über dessen bisherigen ehrenvollen Dienst, eine Bestätigung seiner Reinheit und Würdigkeit und die Zusage erhält, daß er noch größere Anstrengungen unternehmen und in Zukunft bereitwillig die große Verantwortung, die sein Amt im Priestertum mit sich bringt, tragen und erfüllen wird.

Das Priestertum zu tragen ist nicht etwas, was beiläufig, unbekümmert oder gleichgültig abgetan werden darf. Wer es einmal annimmt, darf es nicht ignorieren, vernachlässigen oder verwerfen. Mit ihm gehen Ehre und Macht einher, und es kann uns für immer gehören.

Wenn ein Mann das Priestertum annimmt, verpflichtet er sich bei seiner Rechtschaffenheit, in einer gewissen Weise zu handeln. Daraus erwächst ein Verantwortungsbewußtsein, das jedem von uns die Kraft vermittelt, verstärkt recht zu handeln, und uns davon abschreckt, träge zu sein.

Elder George Q. Cannon warnt diejenigen, die leichtfertig auf eine so heilige Berufung blicken:

“Wir müssen das Priestertum, das wir tragen, ehren, denn sonst wird das Priestertum uns nicht erhöhen, sondern vielmehr das Mittel unserer Verdammnis sein. Es ist eine beängstigende Sache, das Priestertum Gottes zu empfangen und es nicht groß zu machen.” (Gospel Truth, Hg. Jerreld L. Newquist, 2 Bde. [1957], 1:229.)

Wenn wir über das Priestertum nachdenken, dürfen wir seine wahre Bezeichnung nicht vergessen, nämlich das heilige Priestertum nach der Ordnung des Sohnes Gottes. Jesus Christus ist der große Hohe Priester Gottes. Er ist die Quelle aller Macht und Vollmacht des Priestertums auf der Erde. Als unser Erretter, Mittler und Erlöser ist er unser großes Vorbild auf dem Weg, dem wir ­ in Wort und Tat, im Glauben, in der Lehre, in den Verordnungen und unserer Rechtschaffenheit ­ folgen müssen. “Dazu seid ihr berufen worden; denn auch Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel gegeben, damit ihr seinen Spuren folgt.” (1 Petrus 2:21.)

Er hat uns Herrlichkeit, ewiges Leben und Erhöhung verheißen, ja, alles, was er hat, wenn wir glaubenstreu sein Priestertum tragen und all unsere Berufungen groß machen. Wir werden Miterben mit ihm im Reich seines Vaters sein. Der Apostel Paulus hat dies gut ausgedrückt: “Und alle, die zu diesem Priestertum ordiniert werden, werden dem Sohn Gottes gleich gemacht, der für immer Priester bleibt.” (Hebräer 7:3; Bibelübertragung von Joseph Smith.)

Ich gebe Ihnen mein feierliches Zeugnis, daß dies möglich ist, und verlasse mich ganz auf das Verdienst dessen, der Macht hat zu erretten (siehe 2 Nephi 31:19), nämlich auf unseren Herrn und Erretter, Jesus Christus. Ich sage das in seinem heiligen Namen, im Namen Jesu Christi, amen.