1990–1999
Die Macht der Unterweisung in der Lehre
April 1999


Die Macht der Unterweisung in der Lehre

Wir können sogar ein Kind lehren, die Lehre Jesu Christi zu verstehen. Mit Gottes Hilfe ist es also möglich, die errettende Lehre auf einfache Weise zu lehren.

Es tobt ein Krieg zwischen Licht und Finsternis, zwischen Gut und Böse, und er war schon im Gang, ehe die Welt erschaffen wurde. Der Kampf tobt immer noch, und es scheint immer mehr Verluste zu geben. Wir alle haben Familienmitglieder, die unter den Schlägen des Zerstörers leiden, der darauf aus ist, alle Kinder Gottes unglücklich zu machen. Viele von uns haben schon schlaflose Nächte gehabt. Wir bemühen uns, den Mächten, die die gefährdeten Menschen umgeben, so viele gute Kräfte wie möglich hinzuzufügen. Wir lieben sie. Wir geben ihnen das beste Beispiel, das uns möglich ist. Wir beten inständig für sie. Aber ein weiser Prophet hat uns vor langer Zeit noch zu einer weiteren Kraft geraten, die wir manchmal unterschätzen und zu wenig einsetzen.

Alma war der Führer eines Volkes, das von grimmigen Feinden bedroht wurde. Angesichts dieser Gefahr konnte er nicht alles tun, was nötig war, sondern er mußte auswählen. Er konnte Befestigungsanlagen bauen, Waffen schmieden oder Soldaten ausbilden. Aber auf den Sieg konnte er nur hoffen, wenn Gott ihm half, und er wußte, daß das Volk vorher umkehren mußte. Und so entschied er sich dafür, zuerst folgendes zu versuchen:

“Da nun das Predigen des Wortes sehr dazu führte, daß das Volk das tat, was gerecht war ­ ja, es hatte eine mächtigere Wirkung auf den Sinn des Volkes gehabt als das Schwert oder sonst etwas, was ihnen zugestoßen war ­, darum dachte Alma, es sei ratsam, daß sie die Kraft des Gotteswortes erprobten.” (Alma 31:5.)

Das Gotteswort ist die Lehre, die Jesus Christus und seine Propheten verkünden. Alma wußte, daß das Wort der Lehre eine große Macht hat. Es kann den Sinn für Geistiges öffnen, das für den natürlichen Menschen nicht sichtbar ist. Und es kann das Herz für Gefühle der Liebe zu Gott und der Wahrheit öffnen. Der Erretter benutzt im 18. Abschnitt von Lehre und Bündnisse diese beiden Quellen der Kraft, wo er diejenigen unterweist, die ihm als Missionare dienen sollen. Denken Sie jetzt, während Sie zuhören, an den jungen Mann in Ihrer Familie, der unschlüssig ist, ob er sich auf eine Mission vorbereiten soll oder nicht. Hier hören wir, wie der Meister zwei seiner Knechte belehrte und wie auch Sie den jungen Mann, den Sie liebhaben, in der Lehre Jesu unterweisen können.

“Und nun, Oliver Cowdery, spreche ich zu dir und auch zu David Whitmer, und zwar als Gebot. Denn siehe, ich gebiete allen Menschen überall, umzukehren, und ich spreche zu euch wie zu meinem Apostel Paulus; denn ihr seid mit der gleichen Berufung berufen, wie er es war.

Denkt daran: Die Seelen haben großen Wert in den Augen Gottes.” (LuB 18:9,10.)

Er sagt zu Beginn, wie sehr er ihnen vertraut. Danach zieht er ihre Herzen zu sich, indem er sagt, wie sehr der Vater und er jeden Menschen lieben. Und dann geht er zur Grundlage seiner Lehre über. Er beschreibt, wieviel Grund wir haben, ihn zu lieben.

“Denn siehe, der Herr, euer Erlöser, erlitt den Tod im Fleische; darum hat er die Schmerzen aller Menschen gelitten, damit alle Menschen umkehren und zu ihm kommen können.

Und er ist von den Toten wieder auferstanden, um alle Menschen zu sich … zu führen ­ unter der Bedingung, daß sie Umkehr üben.

Und wie groß ist seine Freude über die Seele, die umkehrt!” (LuB 18:11­13.)

Nachdem er sie über seine Mission unterwiesen hat, um ihnen das Herz zu öffnen, gibt er ihnen das folgende Gebot: “Darum seid ihr berufen, diesem Volk Umkehr zu predigen.” (LuB 18:14.)

Schließlich öffnet er ihnen die Augen, damit sie durch den Schleier sehen können. Er führt sie und uns in eine zukünftige Existenz, die im großen Plan der Errettung beschrieben wird und wo wir eines Tages sein können. Er spricht von wunderbaren Möglichkeiten, die es wert sind, daß wir dafür alles hingeben:

“Und wenn ihr alle Tage damit zubringt, diesem Volk Umkehr zu predigen, und auch nur eine einzige Seele zu mir führt ­ wie groß wird doch eure Freude sein mit ihr im Reich meines Vaters!

Und nun, wenn eure Freude schon groß sein wird über die eine Seele, die ihr zu mir ins Reich meines Vaters geführt habt ­ wie groß wird eure Freude erst sein, wenn ihr viele Seelen zu mir führt!” (LuB 18:15,16.)

In diesen wenigen Absätzen verkündet er Lehre, um unser Herz für seine Liebe zu öffnen. Und er verkündet Lehre, um unsere Augen für geistige Realitäten zu öffnen, die für den unsichtbar sind, der nicht vom Geist der Wahrheit erleuchtet ist.

Wenn wir wissen, daß es nötig ist, Augen und Herz zu öffnen, wissen wir auch, wie wir unterweisen müssen. Die Lehre gewinnt ihre Kraft dadurch, daß der Heilige Geist uns bestätigt, daß sie wahr ist. Wir bereiten diejenigen, die wir unterweisen, so gut wir können, darauf vor, die leise, sanfte Stimme zu hören. Dazu braucht man mindestens ein wenig Glauben an Christus. Man braucht zumindest ein wenig Demut, ein wenig Bereitschaft, sich dem Willen des Erretters zu unterwerfen. Derjenige, dem Sie helfen möchten, hat vielleicht von alldem nur wenig, aber Sie können anregen, daß er den Wunsch hat zu glauben. Darüber hinaus kann man auf eine weitere Kraft der Lehre vertrauen. Die Wahrheit bereitet sich selbst den Weg. Wenn jemand dem Wort der Lehre nur zuhört, kann schon der Same des Glaubens in sein Herz gelegt werden. Und selbst ein winziges Körnchen Glauben an Jesus Christus lädt den Heiligen Geist ein.

Auf unsere Vorbereitung haben wir größeren Einfluß. Wir laben uns am Wort Gottes in den heiligen Schriften und beschäftigen uns mit den Worten der lebenden Propheten. Wir fasten und beten, um den Geist zu uns und zu demjenigen, den wir unterweisen wollen, einzuladen.

Weil wir den Heiligen Geist brauchen, müssen wir sorgfältig darauf achten, daß wir nicht über die wahre Lehre hinausgehen. Der Heilige Geist ist der Geist der Wahrheit. Wenn wir Spekulationen und eigene Auslegung vermeiden, wird der Geist die Lehre bestätigen. Das kann schwierig sein. Sie lieben den Menschen, den Sie beeinflussen wollen. Er hat vielleicht das Wort, das gelehrt wurde, nicht beachtet. Da ist man versucht, etwas Neues und Sensationelles auszuprobieren. Aber wir haben den Heiligen Geist nur als Begleiter, wenn wir uns sorgfältig auf die wahre Lehre beschränken.

Eine der sichersten Methoden, nicht in die Nähe falscher Lehre zu geraten, besteht darin, daß man ganz einfach unterweist. Diese Einfachheit gibt Sicherheit, und wir verlieren dabei nichts. Wir wissen das, weil der Erretter uns aufgetragen hat, die kleinen Kinder in der allerwichtigsten Lehre zu unterrichten. Hören Sie sein Gebot:

“Und weiter: Wenn Eltern in Zion oder einem seiner organisierten Pfähle Kinder haben und sie nicht lehren, die Lehre von der Umkehr, vom Glauben an Jesus Christus, den Sohn des lebendigen Gottes, und von der Taufe und der Gabe des Heiligen Geistes durch Händeauflegen zu verstehen, wenn sie acht Jahre alt sind, so sei die Sünde auf dem Haupt der Eltern.” (LuB 68:25.)

Wir können sogar ein Kind lehren, die Lehre Jesu Christi zu verstehen. Mit Gottes Hilfe ist es also möglich, die errettende Lehre auf einfache Weise zu lehren.

Bei den kleinen Kindern haben wir die besten Möglichkeiten. Die beste Unterweisungszeit ist früh, wenn die Kinder gegen die Versuchungen ihres Todfeindes noch immun sind, und lange, bevor es ihnen vielleicht schwerfällt, durch den Lärm ihrer persönlichen Kämpfe hindurch die Worte der Wahrheit zu hören.

Ein weiser Vater und eine weise Mutter versäumen keine Gelegenheit, ihre Kinder um sich zu scharen, damit diese die Lehre Jesu Christi hören. Im Vergleich zu den Anstrengungen des Feindes sind solche Augenblicke selten. Für jede Stunde, wo ein Kind die Macht des Wortes erlebt, gibt es Hunderte von Stunden, in denen es Botschaften hört und Bilder sieht, die die errettenden Wahrheiten verleugnen oder mißachten.

Die Frage sollte nicht lauten, ob wir zu müde sind, um uns auf die Unterweisung vorzubereiten, oder ob wir das Kind enger an uns binden, wenn wir etwas tun, was ihm Spaß macht, oder ob das Kind am Ende denkt, daß wir zuviel predigen. Die Frage muß lauten: “Wir haben so wenig Zeit und so wenige Gelegenheiten, welche Lehre wird die Kinder am besten gegen die Angriffe auf den Glauben ­ die sie ganz gewiß haben werden ­ wappnen?” Die Worte, die Sie heute sprechen, sind vielleicht gerade diejenigen, die das Kind im Gedächtnis behält. Und das Heute geht schnell vorbei.

Die Jahre vergehen, wir lehren das Wort, so gut wir können, und doch gehen manche nicht darauf ein. Das ist traurig. Aber wir finden Hoffnung in den Aufzeichnungen anderer Familien in den heiligen Schriften. Denken Sie an Alma den Jüngeren und Enos. Als sie eine Krise erlebten, erinnerten sie sich an die Worte ihres Vaters, an die Lehre Christi. Das rettete sie. Auch Ihre Lehren werden in Erinnerung bleiben.

Vielleicht schleichen sich zweierlei Zweifel ein. Sie fragen sich vielleicht, ob Sie die Lehre gut genug kennen, um sie zu unterrichten. Und wenn Sie es schon versucht haben, fragen Sie sich vielleicht, warum Sie nicht soviel positive Wirkung erkennen.

In meiner Familie gibt es die Geschichte von einer jungen Frau, die den Mut hatte, das Wort zu lehren, als sie sich gerade bekehrt hatte, und die wenig Schulbildung hatte. Daß das, was sie lehrte, noch immer weiter wirkt, gibt mir die Geduld, auf die Früchte meiner Anstrengungen zu warten.

Mary Bommeli war meine Urgroßmutter. Ich habe sie nicht kennengelernt. Ihre Enkelin hat die Geschichte von ihr gehört und sie aufgeschrieben.

Mary wurde 1830 geboren. Als sie 24 war, unterwiesen die Missionare ihre Familie in der Schweiz. Sie wohnte noch zu Hause; sie webte Tuch und verkaufte es, um ihre Familie auf ihrem kleinen Bauernhof zu unterstützen. Als die Familie die Lehre vom wiederhergestellten Evangelium Jesu Christi hörte, wußten sie, daß das die Wahrheit war. Alle ließen sich taufen. Marys Brüder wurden auf Mission berufen und gingen ohne Beutel und Tasche. Die übrige Familie verkaufte ihre Habe, um nach Amerika zu reisen und sich mit den Heiligen zu sammeln.

Das Geld reichte aber nicht für alle. Mary bot an, zurückzubleiben, weil sie meinte, sie könne mit dem Weben genug Geld verdienen, um davon zu leben und Geld für die Reise zu sparen. Sie zog nach Berlin und zu einer Frau, die sie anstellte, um für ihre Familie Stoff zu weben. Sie wohnte in einem Dienstbotenzimmer und stellte ihren Webstuhl in der Wohnung der Familie auf.

Damals war es in Berlin verboten, die Lehre der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage zu verbreiten. Aber Mary konnte die gute Nachricht nicht für sich behalten. Die Hausfrau und ihre Freundinnen saßen um den Webstuhl herum und hörten dem Mädchen aus der Schweiz zu. Sie sprach davon, wie der himmlische Vater und Jesus Christus Joseph erschienen sind, von Engelserscheinungen und vom Buch Mormon. Als sie zu den Berichten Almas kam, verkündete sie die Lehre von der Auferstehung.

Das gab Probleme für ihre Webarbeit. Zu jener Zeit starben viele kleine Kinder. Die Frauen, die um den Webstuhl herum saßen, hatten Kinder verloren, einige sogar mehrere. Als Mary lehrte, daß kleine Kinder das celestiale Reich ererben und ihre Mütter bei ihnen und beim Erretter und beim himmlischen Vater sein können, weinten die Frauen. Auch Mary weinte. Alle diese Tränen fielen auf den Stoff, den Mary webte.

Aber Marys Lehren brachten noch ein größeres Problem mit sich. Sie hatte die Frauen zwar gebeten, die Lehren nicht weiter zu verbreiten, aber einige erzählten ihren Freundinnen davon. So klopfte es eines Abends an der Tür. Es war die Polizei, die Mary ins Gefängnis brachte. Unterwegs fragte sie den Polizisten nach dem Namen des Richters, vor den sie am nächsten Morgen gebracht werden sollte. Sie fragte, ob er eine Familie habe. Sie fragte, ob er ein guter Vater und ein guter Ehemann sei. Der Polizist lächelte und beschrieb den Richter als einen weltlichen Menschen.

Im Gefängnis bat Mary um einen Stift und um Papier. Sie schrieb dem Richter einen Brief. Sie schrieb von der Auferstehung Jesu Christi, wie sie im Buch Mormon beschrieben wird, von der Geisterwelt und davon, wieviel Zeit der Richter haben würde, über sein Leben nachzudenken, bevor er vor dem Jüngsten Gericht stand. Sie schrieb, sie wisse, daß er von vielem umzukehren habe, was seiner Familie das Herz breche und auch ihm großen Kummer bereiten werde. Sie schrieb die ganze Nacht hindurch. Am Morgen bat sie den Polizisten, dem Richter ihren Brief zu bringen, und er tat es.

Später wurde der Polizist in das Büro des Richters gerufen. Der Brief, den Mary geschrieben hatte, war ein unwiderlegbarer Beweis dafür, daß sie entgegen dem Gesetz das Evangelium lehrte. Trotzdem kehrte der Polizist bald zu Marys Zelle zurück. Er sagte ihr, die Beschuldigungen seien verworfen und sie könne aufgrund des Briefs nach Hause gehen. Wegen ihrer Lehre vom wiederhergestellten Evangelium, die Augen und Herzen geöffnet hatte, war sie ins Gefängnis gekommen. Und weil sie dem Richter die Lehre von der Umkehr erklärt hatte, wurde sie wieder aus dem Gefängnis entlassen. (Siehe Theresa Snow Hill, Life and Times od Henry Eyring and Mary Bommeli [1997], 15­22.)

Was Mary lehrte, bewegte nicht nur jene Frauen um den Webstuhl und den Richter. Mein Vater, ihr Enkel, sprach in den letzten Nächten kurz vor seinem Tod mit mir. Er sprach von dem freudigen Wiedersehen, das bald in der Geisterwelt stattfinden sollte. Ich konnte das helle Sonnenlicht und die lächelnden Gesichter an jenem paradiesischen Ort fast vor mir sehen, als er mit solcher Gewißheit darüber sprach.

Einmal fragte ich ihn, ob er von etwas umkehren müsse. Er lächelte. Er lachte leise und sagte: “Nein, Hal, ich bin unterwegs immer wieder umgekehrt.” Die Lehre vom Paradies, die Mary diesen Frauen gebracht hatte, war für ihren Enkel Realität. Und selbst die Warnung an den Richter hatte auch meinen Vater beeinflußt. Und das ist noch nicht das Ende der Lehren Marys. Die Niederschrift ihrer Worte wird noch ungeborenen Generationen ihrer Familie wahre Lehre vermitteln. Weil sie daran glaubte, daß selbst eine Neubekehrte genug weiß, um die Lehre verkünden zu können, werden Verstand und Herz ihrer Nachkommen geöffnet und werden sie für den Kampf gestärkt.

Ihre Nachkommen werden einander in der Lehre unterrichten, weil Sie sie unterwiesen haben. Die Lehre kann mehr tun, als den Sinn für Geistiges und das Herz für die Liebe Gottes öffnen. Wenn diese Lehre Freude und Frieden bringt, hat sie auch die Macht, den Mund zu öffnen. So wie diese Frauen in Berlin werden Ihre Nachkommen die gute Nachricht nicht für sich behalten können.

Ich bin dankbar, daß ich in einer Zeit lebe, wo die Fülle des Evangeliums für uns und unsere Familien wiederhergestellt worden ist. Ich bin dankbar für die Mission der Liebe, die der Erretter für uns erfüllt hat, und für die Worte des Lebens, die er uns geschenkt hat. Ich bete darum, daß wir diese Worte denen mitteilen, die wir lieben. Ich bezeuge, daß Gott, der Vater, lebt und alle seine Kinder liebt. Jesus Christus ist sein einziggezeugter Sohn im Fleisch und unser Erretter. Er ist auferstanden. Durch Gehorsam gegenüber den Gesetzen und Verordnungen des Evangeliums Jesu Christi können wir reingewaschen werden. Die Schlüssel des Priestertums sind wiederhergestellt. Präsident Gordon B. Hinckley besitzt diese Schlüssel. Ich weiß, daß dies wahr ist. Im Namen Jesu Christi, amen.