1990–1999
Das Priestertum und die Familie
April 1999


Das Priestertum und die Familie

Jede Gemeinde kann durch die Ratsgremien alle diese … Familien [die ohne das Priestertum sind] ansprechen und ihnen den Weg zum Tempel ebnen.

Meine lieben Brüder im Aaronischen und Melchisedekischen Priestertum, es ist ein besonderer Segen, hier an diesem Pult zu stehen, von wo aus Propheten und Apostel Gottes sowie rechtschaffene und fähige Männer und Frauen seit Jahrzehnten die Mitglieder der Kirche unterweisen und beraten. Heute ist es mein demütiger Wunsch, den Priestertumsführern, insbesondere denen aus dem Pfahl- bzw. Gemeinderat, Mut zu machen, sich vermehrt um jene Familien in der Kirche zu bemühen, die noch nicht die Segnungen des Melchisedekischen Priestertums in der Familie haben ­ Familien, wo der Vater noch nicht das Priestertum erhalten hat, das doch so entscheidend ist, wenn er seine Familie segnen und führen möchte. Die Fülle des Evangeliums, und hier insbesondere die Segnungen des Tempels, stehen einer solchen Familie nicht allein aufgrund ihrer eigenen Anstrengungen offen, es bedarf dazu vielmehr auch der liebevollen Anstrengung seitens jener Mitglieder der Kirche, die wissen, was die heiligen Handlungen des Tempels für die Familie bedeuten.

Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der es völlig klar war, daß das Priestertum ebenso lebensnotwendig war wie das Wasser, das unseren Durst stillte. Meine Mutter hatte voll Freude miterlebt, wie alle aus ihrer großen Familie in der Kirche aktiv wurden und schließlich gemeinsam in den Salt-Lake-Tempel gingen. Mein Großvater Shoell empfing mit 47 Jahren das Priestertum samt allen dazugehörigen Segnungen. Und nachdem meine Mutter ihre Vollzeitmission beendet hatte, bat sie um einen besonderen Priestertumssegen, weil es ihr ein Anliegen war, einen würdigen Priestertumsträger kennenzulernen, der sie nicht nur heiratete, sondern auch ihren Kindern ein würdiger Vater, der das Priestertum trägt, sein konnte. Nach diesem Priestertumssegen gingen alle ihre rechtschaffenen Wünsche für sie und uns als Familie im südlichen Nevada in Erfüllung. Die Grundlage unserer Familie war schon vom ersten Tag an das Priestertum samt den heiligen Handlungen des wiederhergestellten Evangeliums. Wir Kinder konnten spüren, daß wir eine richtige, vollständige Familie waren, nicht nur in der Eltern-Kind-Beziehung, sondern auch in der Beziehung zu den übrigen Verwandten.

Wir kannten die heilende Macht des Priestertums bereits von klein auf, denn unser Vater wandte ­ manchmal allein und manchmal gemeinsam mit anderen Männern aus unserer Gemeinde ­ das Priestertum in der Familie an. In unserer kleinen Pionierstadt in Nevada gab es in den Dreißigerjahren keinen Arzt. Die nächsten ärzte waren in Las Vegas oder in St. George. Bei einem Unfall oder bei Krankheit war stets der erste Gedanke, dem Betreffenden einen Segen zu geben, durch den die Macht des Priestertums herabgerufen wurde. Ich weiß noch, wie meine Mutter gelegentlich sagte: “Hier in Bunkerville gibt es zwar keinen Arzt, aber wir haben das Priestertum, das uns segnen kann, und das reicht.” Machtvoll waren in der Tat die Segen, die jung und alt beruhigten und trösteten. Niemals waren wir hilflos, wenn das Priestertum da war. Ich bin dankbar, daß mir schon als Kind die Macht des Priestertums Gottes in unserer Familie bewußt geworden ist.

Die Familie steht heute noch nie dagewesenen Herausforderungen gegenüber, die sie zu zerreißen drohen und ihr das Gefühl der Geborgenheit und der Zuversicht für die Zukunft nehmen. Die bösen Mächte, die Unmoral, Unehrlichkeit und Versklavung durch Drogen offen propagieren, scheinen immer stärker zu werden. Der moralische Druck und die sittlichen Herausforderungen hören gewiß nicht auf. Dazu kommt, daß wir erleben, wie die Herausforderungen, die das tägliche Leben in zeitlicher Hinsicht mit sich bringt, ebenfalls größer werden. Wir alle wissen, daß heutzutage ein Arbeitsplatz nicht mehr so sicher ist wie früher, denn überall auf der Welt schließen sich Firmen und Unternehmen zusammen, um wettbewerbsfähiger zu sein. Der Familienbetrieb wird heute, im Gegensatz zu früher, immer mehr von weltweiten Märkten und den herrschenden wirtschaftlichen Gegebenheiten bedrängt und nicht nur vom Standort oder den Wirtschaftsbedingungen des eigenen Landes bestimmt.

In praktisch allen Bereichen haben die raschen Veränderungen in der Welt negative Auswirkungen auf die Familie. Eltern wie Kindern vermitteln sie ein Gefühl der Unsicherheit. Mit allen diesen Umständen und dem Zerfall sittlicher Werte, wird man eher in der Familie fertig, und zwar dadurch, daß die Mächte der Rechtschaffenheit in der Familie unter der würdigen Priestertumsführung eines Vaters, der mit einer guten und rechtschaffenen Mutter zusammenarbeitet, zur Anwendung kommen.

In einem Brief der Ersten Präsidentschaft an alle Mitglieder vom 11. Februar 1999 werden Vater und Mutter erneut dazu aufgerufen, sich nach besten Kräften zu bemühen, ihre Kinder in den Evangeliumsgrundsätzen zu unterweisen und zu erziehen. Außerdem weist die Erste Präsidentschaft darauf hin, daß die Familie die Grundlage eines rechtschaffenen Lebens ist und daß keine andere Institution ihren Platz einnehmen oder ihre wesentlichen Aufgaben erfüllen kann.

Wenn in der Familie die Priestertumsgrundlage funktioniert ­ so wie damals bei uns, als ich ein Kind war ­, wenn allen Herausforderungen durch das Priestertum begegnet wird, dann brauchen wir uns vor der Zukunft nicht zu fürchten. Vielleicht gehen wir etwas angeschlagen und mitgenommen aus dem Kampf hervor, aber das Ergebnis wird ewigen Wert haben. Jede Familie, in der das Priestertum geehrt und ausgeübt wird, wird dem Druck standhalten können, der heute auf ihr lastet, und wird eine ewige Familie werden. Und dabei vervollkommnen sich die einzelnen Mitglieder der Familie und bereiten sie sich auf den Lohn der Glaubenstreuen vor.

Es gibt in jeder Gemeinde und in jedem Zweig viele Familien, in denen das Priestertum nicht vorhanden ist. Da gibt es einen Ehemann und Vater, der darauf wartet, daß ihn jemand unterstützt und auffordert, sich bereit zu machen, um das Melchisedekische Priestertum zu empfangen. Seine Frau betet darum, sie wartet schon auf die Hand, die sich ihm entgegenstreckt. Es sind Männer, die in die Lage versetzt werden können, das Priestertum zu tragen, wenn wir sie nur belehren und unterstützen. Sie können für ihre Familie ein Vater werden, der Offenbarung und Weisung erhält. Sie können ein Vater werden, der seinen Kindern einen Segen gibt, der sie tauft und konfirmiert. Mann und Frau werden in den Tempel gehen, und sie werden ihre Kinder in den Tempel mitnehmen, wo sie für Zeit und Ewigkeit aneinander gesiegelt werden. Sie werden ihren Söhnen das Priestertum übertragen und ihren Söhnen und Töchtern ­ wenn sie krank oder gesund sind ­ einen Segen geben. Die meisten sorgen ohnehin, was das Zeitliche betrifft, schon sehr gut für ihre Familie. Sie müssen jetzt noch lernen, auch in ewiger, geistiger Hinsicht für ihre Familie zu sorgen.

Jede Gemeinde kann durch die Ratsgremien alle diese Männer und Frauen und ihre Familien ansprechen und ihnen den Weg zum Tempel ebnen. Wie kann man denn anders die Erhöhung erlangen oder mit den Herausforderungen fertig werden, die vor einem liegen? Ich bitte die Bischöfe und Zweigpräsidenten, die MP-Kollegien und die Ratsgremien in Gemeinde oder Zweig inständig, es als eine ihrer vorrangigen Aufgaben anzusehen, sich um diese Familien gebeterfüllt Gedanken zu machen und sich ihrer anzunehmen. Die Kirche wird erst dann ihr volles Potential erreichen, wenn diese Familien sicher unter den Einfluß des Priestertums gebracht worden sind. Im Namen Jesu Christi, amen.