2010–2019
Durch die Macht des Buches Mormon gefunden
Herbst-Generalkonferenz 2019


Durch die Macht des Buches Mormon gefunden

Jeder muss die Macht der im Buch Mormon enthaltenen Wahrheiten selbst erleben und dadurch gefunden werden

Wenn ich bekehrte Mitglieder zuhause besuche, frage ich immer gern, wie sie und ihre Familie von der Kirche erfahren haben und wie sie dazu kamen, sich taufen zu lassen. Es spielt keine Rolle, ob der Betreffende derzeit in der Kirche aktiv ist oder seit vielen Jahren nicht mehr in der Kirche war. Die Antwort ist immer gleich: Mit einem Lächeln und leuchtenden Augen erzählt jeder, wie er gefunden wurde. In der Tat scheint die Bekehrungsgeschichte immer davon zu handeln, wie man gefunden wurde.

Jesus Christus ist der Herr verlorener Dinge. Er kümmert sich um Verlorenes. Gewiss hat er deshalb die drei Gleichnisse erzählt, die wir im 15. Kapitel des Lukasevangeliums finden: die Gleichnisse vom verlorenen Schaf, von der verlorenen Drachme und vom verlorenen Sohn. Alle drei haben eines gemeinsam: Es spielt keine Rolle, warum sie verlorengingen. Es spielt nicht einmal eine Rolle, ob sie wussten, dass sie verlorengegangen waren. In jedem Gleichnis herrscht uneingeschränkte Freude, die sich in den Worten äußert: „Freut euch mit mir, denn ich habe [das] wiedergefunden, [was] verloren war!“1 Letzten Endes ist für den Herrn nichts wahrhaft verloren.2

Ich möchte Ihnen heute Nachmittag etwas erzählen, was mir sehr kostbar ist: die Geschichte, wie ich gefunden wurde.

Kurz bevor ich 15 wurde, lud mich mein Onkel, Manuel Bustos, ein, eine Weile bei ihm und seiner Familie hier in den Vereinigten Staaten zu leben. Das war eine gute Gelegenheit für mich, Englisch zu lernen. Mein Onkel hatte sich viele Jahre zuvor zur Kirche bekehrt und war durch und durch ein Missionar. Wahrscheinlich sprach meine Mutter deshalb ohne mein Wissen mit ihm. Sie sagte, sie würde der Einladung unter einer Bedingung zustimmen: Er dürfe nicht versuchen, mich davon zu überzeugen, mich seiner Kirche anzuschließen. Wir waren katholisch und das schon seit Generationen, und es gab keinen Grund, dies zu ändern. Mein Onkel war voll und ganz einverstanden und hielt sein Wort sogar so weit, dass er nicht einmal einfache Fragen zur Kirche beantworten wollte.

Allerdings konnten mein Onkel und seine liebe Frau Marjorie natürlich nicht umhin, so zu sein, wie sie nun einmal waren.3

Ich bekam ein Zimmer, in dem sich sehr viele Bücher befanden. Ich konnte sehen, dass es in den Regalen ungefähr 200 Exemplare des Buches Mormon in verschiedenen Sprachen gab – 20 davon in Spanisch.

Aus purer Neugier nahm ich mir eines Tages ein Buch Mormon auf Spanisch.

Bild
Spanischsprachige Ausgabe des Buches Mormon

Es war eine dieser Ausgaben mit einem himmelblauen Einband und dem Engel Moroni auf der Vorderseite. Als ich es aufschlug, fand ich auf der ersten Seite diese Verheißung geschrieben: „Und ich möchte euch ermahnen: Wenn ihr dieses hier empfangt, so fragt Gott, den ewigen Vater, im Namen Christi, ob es wahr ist; und wenn ihr mit aufrichtigem Herzen, mit wirklichem Vorsatz fragt und Glauben an Christus habt, wird er euch durch die Macht des Heiligen Geistes kundtun, dass es wahr ist.“

Und dann ging es weiter: „Und durch die Macht des Heiligen Geistes könnt ihr von allem wissen, ob es wahr ist.“4

Ich kann nur schwer beschreiben, wie sehr diese Schriftstellen meinen Verstand und mein Herz ansprachen. Ehrlich gesagt suchte ich gar nicht nach „der Wahrheit“. Ich war eben ein Teenager, freute mich meines Lebens und genoss all das Neue.

Dennoch begann ich, mit dieser Verheißung im Hinterkopf, heimlich das Buch zu lesen. Als ich mehr las, wurde mir klar: Wenn ich irgendetwas davon haben wollte, sollte ich besser anfangen zu beten. Und wir alle wissen ja, was geschieht, wenn man sich entschließt, das Buch Mormon nicht nur zu lesen, sondern darüber zu beten. Genau das geschah mit mir. Es war ein ganz besonderes und einmaliges Erlebnis – ja, das Gleiche, was auch Millionen andere in aller Welt erlebt haben. Ich fand durch die Macht des Heiligen Geistes heraus, dass das Buch Mormon wahr ist.

Dann ging ich zu meinem Onkel und erzählte ihm, was geschehen war und dass ich bereit war, mich taufen zu lassen. Mein Onkel konnte sein Erstaunen nicht verbergen. Er setzte sich ins Auto, fuhr zum Flughafen und kam mit meinem Ticket für den Heimflug zurück. Er gab mir noch eine Notiz für meine Mutter, in der einfach stand: „Ich hatte damit nichts zu tun!“

In gewisser Weise hatte er Recht. Ich war direkt durch die Macht des Buches Mormon gefunden worden.

Es gibt wohl viele, die von wunderbaren Missionaren in aller Welt gefunden wurden – in jedem Fall wie durch ein Wunder. Vielleicht wurde man auch von Freunden gefunden, die Gott einem ganz bewusst an die Seite gestellt hatte. Es kann sogar sein, dass man von jemandem aus dieser Generation oder durch einen seiner Vorfahren gefunden wurde.5 Wie es auch gewesen sein mag: Um sich wirklich zu bekehren, muss ein jeder eher früher als später die Macht der im Buch Mormon enthaltenen Wahrheiten selbst erleben und dadurch gefunden werden. Gleichzeitig muss man sich entschließen, Gott ernsthaft zu versprechen, dass man bestrebt ist, seine Gebote zu halten.

Als ich nach Buenos Aires zurückkehrte, wurde meiner Mutter klar, dass ich mich wirklich taufen lassen wollte. Da ich etwas rebellisch war, widersetzte sie sich mir nicht, sondern stellte sich klugerweise auf meine Seite und führte, ohne es zu wissen, mit mir mein Taufinterview. Ich glaube sogar, dass ihr Interview gründlicher war als das, was bei unseren Missionaren üblich ist. Sie sagte mir: „Wenn du dich taufen lassen willst, unterstütze ich dich. Aber zuerst stelle ich dir ein paar Fragen. Ich möchte, dass du gründlich darüber nachdenkst und mir ehrlich antwortest. Versprichst du, wirklich jeden Sonntag in die Kirche zu gehen?“

Ich sagte ihr: „Natürlich mache ich das.“

„Hast du eine Ahnung, wie lang die Versammlungen dauern?“

„Ja, das weiß ich“, erwiderte ich.

Sie antwortete: „Gut. Wenn du dich taufen lässt, sorge ich dafür, dass du immer in die Kirche gehst.“ Dann fragte sie mich, ob ich wirklich bereit sei, nie Alkohol zu trinken oder zu rauchen.

Ich gab zur Antwort: „Ja, natürlich werde ich mich nach all dem richten.“

Daraufhin entgegnete sie: „Wenn du dich taufen lässt, sorge ich dafür, dass du das einhältst.“ Und so machte sie das mit beinahe jedem Gebot.

Mein Onkel hatte meine Mutter angerufen und ihr gesagt, sie brauche sich keine Sorgen machen – meine Begeisterung würde sicher bald abflauen. Als ich vier Jahre später meine Berufung in die Uruguay-Mission Montevideo erhielt, rief sie meinen Onkel an und fragte ihn, wann genau denn meine Begeisterung abflauen werde. Tatsache ist: Von der Zeit an, als ich mich taufen ließ, war meine Mutter eine glücklichere Mutter.

Ich fand heraus, dass das Buch Mormon bei der Bekehrung eine entscheidende Rolle spielt, und erlebte selbst die Verheißung, dass „man dadurch näher zu Gott komm[t] als durch jedes andere Buch“6.

Nephi hat den eigentlichen Zweck des Buches Mormon so beschrieben:

„Denn wir arbeiten eifrig daran zu schreiben, um unsere Kinder und auch unsere Brüder zu bewegen, dass sie an Christus glauben und sich mit Gott versöhnen lassen …

Und wir reden von Christus, wir freuen uns über Christus, wir predigen von Christus [und] wir prophezeien von Christus, … damit unsere Kinder wissen mögen, von welcher Quelle sie Vergebung ihrer Sünden erhoffen können.“7

Das ganze Buch Mormon ist regelrecht durchtränkt von diesem heiligen Zweck.

Aus diesem Grund wird jeder Leser, der sich aufrichtig und gebeterfüllt damit auseinandersetzt, nicht nur etwas über Christus lernen, sondern er wird anfangen, von Christus zu lernen – vor allem, wenn er sich entscheidet, „die Kraft des Gotteswortes [zu] erprob[en]“8, und es nicht voreilig, befangen durch Unglauben, aufgrund dessen ausstößt,9 was andere über etwas sagen, was sie nie gelesen haben.

Präsident Russell M. Nelson hat gesagt: „Wenn ich an das Buch Mormon denke, kommt mir das Wort Macht in den Sinn. Die Wahrheiten des Buches Mormon haben die Macht, unsere Seele zu heilen, ihr Mut zuzusprechen, sie wiederherzustellen, ihr Beistand zu leisten, sie zu stärken, zu trösten und aufzumuntern.“10

Ich fordere heute Nachmittag einen jeden von uns auf, ganz gleich, wie lange wir schon der Kirche angehören: Erlauben wir der Macht der im Buch Mormon enthaltenen Wahrheiten, uns zu finden und uns erneut zu umfangen, und zwar Tag für Tag, während wir uns eifrig um persönliche Offenbarung bemühen. Das wird geschehen, wenn wir es nur zulassen.

Ich bezeuge feierlich, dass das Buch Mormon die Fülle des Evangeliums Jesu Christi enthält. Der Heilige Geist bestätigt die Wahrheit des Buches immer wieder, und zwar einem jeden, der mit aufrichtigem Herzen Erkenntnis für die Errettung seiner Seele sucht.11 Im Namen Jesu Christi. Amen.

Anmerkungen

  1. Lukas 15:6; siehe auch Lukas 15:9,32

  2. Im weitesten Sinn sind in den heiligen Schriften Prophezeiungen enthalten, in denen von der Sammlung der verlorenen Stämme Israels die Rede ist (siehe Russell M. Nelson, „Die Sammlung Israels aus der Zerstreuung“, Liahona, November 2006, Seite 79–82). Sie mögen zwar verloren sein, doch für den Herrn sind sie nicht verloren (siehe 3 Nephi 17:4). Interessanterweise weiß jemand, der zu einem solchen Stamm gehört, auch gar nicht, dass er verloren war, bis er gefunden wurde, vor allem wenn er dann seinen Patriarchalischen Segen empfangen hat.

  3. Elder Dieter F. Uchtdorf hat dazu einmal Franz von Assisi zitiert: „Predige das Evangelium jederzeit, und wenn nötig, mit Worten.“ („Wartende auf dem Weg nach Damaskus“, Liahona, Mai 2011, Seite 77; siehe auch William Fay und Linda Evans Shepherd, Share Jesus without Fear, 1999, Seite 22.)

  4. Moroni 10:4,5

  5. Die Bekehrungsgeschichte eines Vorfahren ist Teil unserer eigenen Geschichte. Elder William R. Walker hat einmal erklärt: „Es wäre hervorragend, wenn jeder Heilige der Letzten Tage die Bekehrungsgeschichte seiner Vorfahren kennen würde.“ („Dem Glauben treu bleiben“, Liahona, Mai 2014, Seite 97.) Insofern ist jeder von uns auf die eine oder andere Weise direkt oder durch einen Vorfahren gefunden worden – dank unseres Vaters im Himmel, der das Ende von Anfang an kennt (siehe Abraham 2:8).

  6. Einleitung zum Buch Mormon; siehe auch Alma 31:5

  7. 2 Nephi 25:23,26

  8. Alma 31:5

  9. Siehe Alma 32:28

  10. Russell M. Nelson, „Das Buch Mormon – wie wäre Ihr Leben ohne es?“, Liahona, November 2017, Seite 62

  11. Siehe 3 Nephi 5:20