2010–2019
Unsere geistige Fähigkeit
Herbst-Generalkonferenz 2019


Unsere geistige Fähigkeit

Als treuer Jünger oder treue Jüngerin Jesu Christi können Sie persönliche Inspiration und Offenbarung empfangen, die in Einklang mit seinen Geboten steht und auf Sie zugeschnitten ist

Als ich mich in diesem Sommer bei einem JD-Zeltlager von den Mädchen verabschiedete, drückte mir eine liebe junge Dame einen Zettel in die Hand. Darauf stand die Frage: „Woran erkenne ich, dass Gott versucht, mir etwas mitzuteilen?“ Mir gefällt diese Frage! Unsere Seele sehnt sich nach einer Verbindung zu unserem ewigen Zuhause. Wir möchten spüren, dass wir gebraucht werden und zu etwas nutze sind. Doch hin und wieder bereitet es uns Schwierigkeiten, zwischen unseren eigenen Gedanken und den sanften Eingebungen des Heiligen Geistes zu unterscheiden. Propheten in alter und neuer Zeit haben erklärt: Wenn etwas einlädt und lockt, Gutes zu tun, kommt es von Christus.1

Präsident Russell M. Nelson hat eine einfache, eindrucksvolle Aufforderung ausgesprochen: „Meine lieben Brüder und Schwestern, ich bitte Sie inständig, Ihre geistige Fähigkeit, Offenbarung zu empfangen, auszubauen. … Entscheiden Sie sich, die geistige Arbeit zu leisten, die nötig ist, damit Sie sich der Gabe des Heiligen Geistes erfreuen können und die Stimme des Geistes häufiger und klarer vernehmen.“2

Es ist mir heute Morgen ein tiefes Bedürfnis, zu Ihnen über vier Möglichkeiten zu sprechen, wie man seine geistige Fähigkeit, Offenbarung zu empfangen, ausbauen kann.

1. Schaffen Sie bewusst Zeit und Raum, um Gottes Stimme zu vernehmen

Wenn Sie Ihre Entscheidungsfreiheit nutzen und täglich etwas Zeit dafür reservieren, Gottes Stimme nahe zu sein, besonders durch das Buch Mormon, dann werden Sie seine Stimme mit der Zeit klarer vernehmen und sie wird Ihnen immer vertrauter werden.

Im Gegensatz dazu können die Ablenkungen und der Lärm, die sich in der Welt, in unserem Zuhause und in unserem Leben ausbreiten, es schwerer machen, Gottes Stimme zu hören. Diese Ablenkungen können unsere Gedanken und Gefühle so einnehmen, dass für die sanften Eingebungen des Heiligen Geistes kein Raum mehr bleibt.

Der Prophet Joseph Smith hat erklärt, dass Gott sich einzelnen Menschen vorwiegend im stillen Kämmerlein offenbart, „in der Wildnis oder auf dem Feld und gewöhnlich auch ohne Lärm oder Tumult“3.

Der Satan will uns dadurch von Gottes Stimme absondern, dass er uns von solch ruhigen Orten fernhält. Wenn Gott mit leiser, sanfter Stimme spricht, müssen wir uns ihm nahen, um ihn hören zu können. Überlegen Sie nur, was wohl geschehen würde, wenn wir alles daransetzten, so mit dem Himmel verbunden zu bleiben, wie wir immer mit dem WLAN verbunden sein wollen! Wählen Sie sich eine Zeit und einen Ort aus und achten Sie jeden Tag auf Gottes Stimme. Halten Sie dann diesen heiligen Termin genau ein, denn es hängt so viel davon ab.

2. Handeln Sie unverzüglich

Wenn Sie Eingebungen empfangen und daraufhin gezielt zur Tat schreiten, kann der Herr mit Ihnen arbeiten. Je öfter Sie handeln, desto vertrauter wird Ihnen die Stimme des Geistes. Sie werden immer besser erkennen, wie und wohin Gott Sie führt und „wie bereitwillig [er] seine Absicht und seinen Willen offenbart“4. Wenn wir zögern, vergessen wir die Eingebung vielleicht oder verpassen die Chance, jemandem an Gottes statt zu helfen.

3. Erlangen Sie Ihren Auftrag vom Herrn

Wenn wir den Vater im Himmel anflehen, er möge uns zu jemandem führen, der unsere Hilfe braucht, erhört er ein solches Gebet offenbar besonders gern. Präsident Henry B. Eyring hat uns ans Herz gelegt, nach Offenbarung zu streben, indem wir Gott fragen, wem wir an seiner statt helfen können. „Wenn Sie solche Fragen stellen, wird sich der Heilige Geist einstellen, und Sie werden spüren, wie Sie leise angestoßen werden und Ihnen Gedanken dazu kommen, was Sie für jemand anders tun könnten. Wenn Sie dann hingehen und entsprechend handeln, sind Sie im Auftrag des Herrn unterwegs, und wenn Sie im Auftrag des Herrn unterwegs sind, sind Sie der Gabe des Heiligen Geistes würdig.“5

Sie können beten und den Herrn um einen Auftrag bitten. Dann kann er Ihre gewöhnlichen Fähigkeiten dafür einsetzen, sein außergewöhnliches Werk zu vollbringen.

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Schwester Craigs Großvater Fritz Lundgren

Mein Großvater, Fritz Hjalmar Lundgren, wanderte mit 19 Jahren aus Schweden aus. Er kam ganz allein in Amerika an, mit einem Koffer und sechs Jahren formeller Schulbildung. Des Englischen nicht mächtig machte er sich auf den Weg nach Oregon, wo er als Holzfäller arbeitete und sich dann später, zusammen mit meiner Großmutter und meiner Mutter, der Kirche anschloss. Er leitete zwar nie eine Gemeinde, doch als treuer Heimlehrer half er über 50 Familien, in der Kirche aktiv zu werden. Wie hat er das geschafft?

Nach Großvaters Tod sah ich eine Schachtel mit Unterlagen von ihm durch und stieß auf einen Brief, geschrieben von einem Mann, der dank Großvaters Liebe zur Kirche zurückgekommen war. In dem Brief stand: „Das Geheimnis von Bruder Fritz ist, glaube ich, dass er immer im Auftrag des himmlischen Vaters unterwegs ist.“

Bruder Wayne Simonis hatte den Brief geschrieben. Großvater hatte ihn besucht und jedes Mitglied der Familie Simonis kennengelernt. Irgendwann sagte Großvater ihnen, dass man sie brauchte, und lud sie zur Kirche ein. Doch als Bruder Simonis an jenem Sonntag aufwachte, fand er sich in einer Zwickmühle wieder: Er hatte das Dach seines Hauses noch nicht ganz gedeckt, und in derselben Woche wurde Regen erwartet. Er beschloss, zur Kirche zu gehen, Großvater die Hand zu schütteln und dann wieder nach Hause zu gehen und die Arbeiten am Dach fertigzustellen. Seine Familie könnte die Abendmahlsversammlung ja auch ohne ihn besuchen.

So weit, so gut – bis er später, als er auf dem Dach werkelte, jemanden die Leiter heraufsteigen hörte. Er schilderte das so: „Als ich aufsah, stand da plötzlich Bruder Fritz auf der obersten Sprosse. Er lächelte mich an. Mir war das zuerst peinlich. Ich kam mir wie ein kleiner Junge vor, der beim Schuleschwänzen erwischt worden war. Da stieg Ärger in mir hoch. [Doch Bruder Fritz] zog einfach sein Sakko aus und hängte es an die Leiter. Als er die Ärmel seines weißen Hemdes hochkrempelte, wandte er sich mir zu und fragte: ‚Bruder Simonis, haben Sie noch einen Hammer? Die Arbeit hier muss ja sehr wichtig sein, sonst wären Sie nicht schon ohne Ihre Familie gegangen, und wenn sie so wichtig ist, möchte ich Ihnen gerne helfen.‘ Als ich ihm in die Augen blickte, sah ich darin nur Güte und christliche Liebe. Da verrauchte mein Zorn. … Ich legte mein Werkzeug an jenem Sonntag nieder, folgte meinem guten Freund die Leiter hinunter und ging mit ihm zum Gemeindehaus zurück.“

Großvater hatte seinen Auftrag vom Herrn erhalten, und er wusste, dass er nach verlorenen Schafen suchen musste. So wie die vier Männer damals ihren gelähmten Freund auf ein Dach trugen und von dort hinunterließen, damit Jesus Christus ihn heilen konnte,6 führte auch Großvaters Auftrag ihn auf ein Dach hinauf. Der Herr schickt denen Offenbarung, die anderen gern helfen wollen.

4. Haben Sie Glauben und Vertrauen

Kürzlich habe ich in den heiligen Schriften von einem anderen großartigen Missionar gelesen, der seinen Auftrag vom Herrn erhalten hatte. Aaron predigte dem König der Lamaniten das Evangelium, und dieser fragte, weshalb nicht auch Aarons Bruder Ammon gekommen sei, ihn zu unterweisen. „Und Aaron sprach zum König: Siehe, der Geist des Herrn hat ihn woandershin berufen.“7

Der Geist hat mir dazu dies eingegeben: Jeder von uns hat seine eigene Mission zu erfüllen, und zuweilen mag der Geist uns „woandershin“ berufen. Als Jünger Jesu Christi, die Bündnisse schließen und halten, stehen uns viele Wege offen, das Gottesreich zu errichten. Als sein treuer Jünger oder seine treue Jüngerin können Sie persönliche Inspiration und Offenbarung empfangen, die in Einklang mit Gottes Geboten steht und auf Sie zugeschnitten ist. Sie haben im Leben eine einzigartige Mission und einzigartige Aufgaben zu erfüllen und werden zu diesem Zweck auf einzigartige Weise geführt.

Nephi, Jareds Bruder und sogar Mose mussten alle ein großes Gewässer überqueren – und jeder machte das auf andere Weise. Nephi bearbeitete „Holzstämme auf eine gediegene Machart“8. Jareds Bruder baute Wasserfahrzeuge, die „dicht wie eine Schüssel“9 waren. Und Mose zog „auf trockenem Boden mitten durch das Meer“10.

Jeder von ihnen erhielt ganz persönlich Weisung, auf den Einzelnen zugeschnitten, und jeder von ihnen vertraute darauf und handelte entsprechend. Der Herr schaut auf diejenigen, die gehorchen, und wird uns, wie Nephi es ausdrückt, „einen Weg … bereiten, damit [wir] das vollbringen können, was er … gebietet“11. Beachten Sie, dass Nephi „einen Weg“ sagt, nicht „den Weg“!

Übersehen oder ignorieren wir womöglich persönliche Aufträge vom Herrn, weil er einen anderen Weg bereitet hat als von uns erwartet?

Mein Großvater wurde an einen ungewöhnlichen Ort geführt – im Anzug, auf ein Dach, an einem Sonntag. Vertrauen Sie darauf, dass Gott Sie führt, auch wenn das ganz anders ist, als Sie erwartet hatten oder als Sie es von anderen Leuten kennen.

Heilige der Letzten Tage gibt es in vielen Größen und Formen, doch „alle sind vor Gott gleich“: „schwarz und weiß, geknechtet und frei, männlich und weiblich“12, alleinstehend und verheiratet, arm und reich, jung und alt, ein Mitglied von klein auf und ein kürzlich Bekehrter. Ganz gleich, wer Sie sind oder womit Sie sich plagen, der Herr lädt Sie an seinen Tisch ein.13

Wenn es in Ihrem täglichen Leben taktgebend wird, den Willen des Vaters zu erfahren und zu tun, wird dies Sie natürlich dazu bringen, sich zu ändern und umzukehren.

Das neue Programm der Kirche für Kinder und Jugendliche baut darauf auf, dass man lernt, nach Offenbarung zu streben, herausfindet, was man nach dem Willen des Herrn tun soll, und dann dementsprechend handelt. Jeder von uns kann unabhängig von Alter oder Lebensumständen eifrig streben, empfangen und handeln. Wenn Sie sich an dieses ewige Muster halten, das für die heutige Zeit bestimmt ist, werden Sie Jesus Christus näherkommen sowie seiner Liebe, seinem Licht, seiner Weisung, seinem Frieden und seiner heilenden, helfenden Macht. Sie werden Ihre geistige Fähigkeit ausbauen, Tag um Tag ein Werkzeug in Gottes Händen zu sein und so sein großes Werk zu vollbringen. Im Namen Jesu Christi. Amen.