1990–1999
Niemand hat gesagt, es werde einfach sein
Oktober 1992


Niemand hat gesagt, es werde einfach sein

„Verpflichten Sie sich gegenüber dem himmlischen Vater, daß Sie sich durch nichts davon abhalten lassen wollen, eine Vollzeitmission zu erfüllen.”

Meine lieben Brüder des Priestertums. Es ist wirklich eine große Freude, heute Abend vor Ihnen zu stehen und Ihnen zu sagen, daß ich dankbar bin zu wissen, daß Gott lebt und daß er uns liebt, daß Jesus Christus unser älterer Bruder und unser Erretter ist und daß es einen Propheten auf Erden gibt, der mit Vollmacht sagen kann: „So spricht der Herr.” Voll Ehrfurcht und Demut erkenne ich, daß der Herr mich berufen hat, als Siebziger zu dienen und der Welt Zeugnis zu geben, daß Jesus der Messias ist; und ich will mein Bestes geben, um die Arbeit voranzubringen, wohin ich auch berufen werde.

Ich möchte heute darüber sprechen, wie wichtig das Dienen im Reich Gottes und die Vollzeitmission für die jungen Männer und die älteren Ehepaare ist.

Ich möchte nicht selbstgerecht erscheinen, möchte euch jungen Männern aber dennoch von meiner Missionsberufung erzählen. Es war 1962, und ich erhielt von Präsident McKay eine Berufung in die Mexikanische Mission. Nicht lange nachdem ich meine Berufung erhalten hatte, wurde bei mir im rechten Arm Knochenkrebs diagnostiziert und daß ich wahrscheinlich nicht mehr lange zu leben hätte. Mein Vater gab mir einen Segen, in dem er mich mit Leben segnete und mir sagte, daß ich meiner Missionsberufung würde nachkommen können, daß ich eine Familie haben würde und dem Herrn mein ganzes Leben würde dienen können. Der Arzt gratulierte mir zu meinem Glauben an den Erretter, sagte mir aber, daß mir offensichtlich nicht klar war, wie schwer krank ich war. Wie einige von euch festgestellt haben, habe ich nur einen Arm als Folge meiner Erkrankung. Aber zehn Monate nachdem mir der Arm amputiert worden war, begann ich meine Mission in Mexiko - voll Begeisterung und bereit zu arbeiten. Ich hatte nämlich einige Jahre zuvor dem Herrn versprochen, daß ich eine Vollzeitmission erfüllen und mich durch nichts davon abbringen lassen wollte. Der Arzt - er starb vor zwanzig Jahren - war immer wieder erstaunt, daß ich noch herumlaufe, und er begann, sich für die Kirche zu interessieren.

Brüder, seit fast dreißig Jahren habe ich nur einen Arm, und das ist eine meiner größten Segnungen im Leben gewesen. Es war nicht meine größte Herausforderung, aber ich habe dadurch viel gelernt. Ich habe gelernt, geduldiger und toleranter gegenüber anderen zu sein, so wie ich gelernt habe, mit mir geduldiger zu sein. Ich habe dadurch erkannt, daß im Leben Herausforderungen nötig sind, so daß wir Charakter und Stehvermögen erlangen und letzten Endes so werden, wie der Herr es von uns erwartet.

Unsere Herausforderungen mögen körperlicher, geistiger, wirtschaftlicher oder seelischer Art sein, wenn wir darin aber Gelegenheiten und Hilfen für unseren Fortschritt sehen und nicht Hindernisse und Stolpersteine, wird unser Leben und unser Wachstum wunderbar sein. Mir ist klar geworden, daß es zwischen den Herausforderungen sehr ruhig ist, aber daß wahres Wachstum, über das ich mich gefreut habe, immer mit einer Herausforderung verbunden ist.

Es gibt da ein kleines Gedicht eines unbekannten Verfassers, an das wir denken könnten, wenn wir mit Problemen konfrontiert werden. Es heißt „Die Auster”.

Da war eine Auster, das wurde bekannt,

der kam unter die Schale ein kleines Korn Sand.

Das war zwar nur klein, doch es schmerzte sie sehr.

Sie fühlen wie Menschen - vielleicht noch viel mehr.

Ging sie etwa hin mit zornigem Sinn

und zwischen den Schalen das Staubkorn darin?

Beklagte sie etwa im Meer all den Schmutz,

und verlangte sie von der Regierung mehr Schutz?

„Nein”, rief sie, „soll ich drum mehr Staub noch aufwedeln?

Kann ich’s nicht entfernen, so will ich’s veredeln!”

Die Jahre vergingen, wie’s mit Jahren passiert,

da wird uns’re Auster zum Essen serviert.

Das Staubkorn, wo ist es? Verschwunden ist’s ganz!

Dafür liegt ’ne Perle in vornehmem Glanz.

Der Auster ist doch etwas Großes geglückt,

nachdem sie so lange vom Sandkorn gezwickt!

In uns könnte heute manch’ Wertvolles reifen.

Doch dann dürfen wir nicht vor allem gleich kneifen!

Junge Männer, wie werdet ihr mit den Herausforderungen umgehen, vor denen ihr stehen werdet und die euch vom Dienst abhalten könnten? Es könnten Berufsaussichten sein, ein Auto, eine Freundin, jede erdenkliche Sünde oder eine Unzahl anderer Gründe. Für die älteren Brüder könnte es die Jacht sein, das Wohnmobil, das Angeln oder der Wunsch, keine der kommenden Hochzeiten oder Geburten zu versäumen. Was auch Ihre persönliche Herausforderung sein mag, ich möchte Sie heute abend einladen: Gehen Sie auf die Knie, und verpflichten Sie sich gegenüber dem himmlischen Vater, daß Sie sich durch nichts davon abhalten lassen wollen, eine Vollzeitmission zu erfüllen. Wenn Sie noch keine Berufung erhalten haben, lassen Sie Ihren Bischof wissen, daß Sie auf Mission gehen wollen.

Wenn der Herr im 25. Kapitel des Matthäus-Evangeliums sagt: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan”, meinte er, daß es wichtig ist, unseren Mitmenschen zu dienen, wenn wir seiner Gegenwart würdig sein wollen. Wie könnten wir besser dienen und Opfer bringen, als dadurch, daß wir eine Berufung auf eine Vollzeitmission annehmen? Verstehen Sie dabei bitte auch, daß bestimmte Behinderungen und Einschränkungen eine andere Form des Dienstes sinnvoller erscheinen lassen als eine Vollzeitmission.

In der Priestertumsversammlung der Aprilkonferenz sagte Eider Maxwell, ich zitiere: „Meine Brüder, dies sind Ihre Tage in der Geschichte der Kirche”. Ja, meine jungen Brüder, dies sind eure Tage, nämlich zu den 50 000, 75 000 bzw. 100 000 Missionaren zu gehören, die in der Armee des Herrn dienen, bewaffnet mit Frieden, Rechtschaffenheit und Kraft.

Als ich über die Mission Mexiko-Stadt-Nord präsidierte, beschlossen wir Ende der siebziger Jahre, das Gebiet Huasteca für die Missionsarbeit zu öffnen. Dort lebte nur eine HLT-Familie in einem riesigen Gebiet mit mehreren Ortschaften und kleineren Städten. Zwei Jahre später gab es 500 Mitglieder in fünf Zweigen und einen organisierten Distrikt. Das brachten eine Handvoll neunzehn- und zwanzigjähriger treuer Missionare und zwei wunderbare Ehepaare zustande, die sich hingaben, damit andere Kinder des himmlischen Vaters das Evangelium kennen und verstehen konnten.

Nachdem die Missionare etwa drei Wochen in dem Gebiet waren, rief uns einer an, der sichtlich mutlos war, da er noch keinen einzigen Brief erhalten hatte und in einem heißen, schwülen Gebiet lebte und eine Kultur kennenlernte, die uns allen neu war. Nachdem wir ein paar Minuten miteinander gesprochen hatten, erinnerte ich ihn daran, daß wir darüber gesprochen hatten, daß es nicht leicht sein würde. Er antwortete: „Das ist richtig, Präsident, es würde nicht einfach sein, ich wußte, es würde nicht einfach sein.” Er setzte seine Arbeit mit großer Begeisterung fort und beendete seine Mission dort mit Erfolg. Einige Monate später - er war an der BYU - riefen er und einige seiner früheren Mitarbeiter Schwester Dickson und mich um halb drei Uhr morgens im Missionsbüro an. Nach ein paar Worten sagte ich, daß es sehr schön sei, mit ihnen zu sprechen, daß es für den Anruf aber schon etwas spät sei. Darauf antwortete er: „Ich weiß Präsident, aber Sie wußten, es würde nicht einfach sein.”

Brüder, es war nicht vorgesehen, daß das Leben einfach wird, aber ich verspreche denen, die ihren Mitmenschen treu dienen und die Herausforderungen des Lebens mit Entschlossenheit und unter dem Einfluß des Heiligen Geistes annehmen, daß sie so glücklich werden, daß ihre ganze Seele davon erfüllt wird; und das, meine Brüder, ist eine Segnung, die uns formt und die uns nie genommen werden kann.

Ich lasse Ihnen mein Zeugnis, daß das Evangelium des Herrn Jesus Christus wahr ist und daß der selbstlose Dienst in seinem heiligen Namen Segnungen bringt. Im Namen Jesu Christi. Amen.