1990–1999
Als Einladung (Alma 5:62)
Oktober 1992


Als Einladung (Alma 5:62)

„Als Mitglieder der wahren Kirche des Herrn muß uns wohl nichts Neues gelehrt werden, vielmehr müssen wir an das erinnert werden, was wir bereits wissen.”

Eine Freundin trieb ihre Kinder an, ins Auto zu klettern, damit sie nicht zu spät zu den Sonntagsversammlungen kamen. „Bitte beeil dich, Matthew”, sagte sie. „Ich komme, ich komme”, rief eine Stimme aus einem anderen Teil des Hauses. Die Mutter antwortete: „Ja, und Weihnachten kommt auch bald!” In diesem Moment erschien der dreijährige Matthew in der Tür und sagte: „Oh, prima, prima, ich liebe Weihnachten.” Ich bin heute hier, um Ihnen zu sagen, daß auch ich Weihnachten liebe. Und es ist wunderbar, daß wir Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage sind, denn wir machen die Ereignisse der Weihnachtszeit zu einem Teil unseres täglichen Lebens.

Wenn ich den Bericht über die Geburt meines Erretters lese, sehne ich mich danach, das zu erleben, was die Sterndeuter erlebt haben, nämlich von einem Stern geleitet zu werden, oder zu erleben, was die Hirten erlebt haben, nämlich nach Betlehem eingeladen zu werden, von einem Engelschor eingeladen zu werden. Ich möchte vor der Krippe knien und das frische Stroh riechen und das kleine Baby mit seiner irdischen Mutter sehen, dieses Wunder mit eigenen Augen sehen. Ich glaube, daß jeder Mensch instinktiv wünscht, zu Christus zu kommen. Vielleicht ist es, da jeder von uns ein Kind Gottes ist, ein grundlegendes menschliches Bedürfnis, uns in dieser Weise dem geistigen Teil unseres Wesens zu verpflichten. Jeder bemüht sich, dieses Bedürfnis gemäß seinem Wissen zu erfüllen.

Als Mitglieder der wahren Kirche des Herrn muß uns wohl nichts Neues gelehrt werden, vielmehr müssen wir an das erinnert werden, was wir bereits wissen. Das geschieht auch, wenn wir über die Geburt unseres Erretters nachdenken. Ich denke, es erinnert unseren Verstand an etwas, was unser Geist längst weiß.

In diesen Letzten Tagen habe ich selbst Wunderbares erleben dürfen. Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage lädt alle Kinder Gottes ein: „Kommt zu Christus” und „Kommt zurück”. Diese Einladung besteht, seit Jesus zu seinen Jüngern gesagt hat: „Kommt her, folgt mir nach!” (Matthäus 4:19.) In allen Zeitaltern haben die Propheten ebendiese Einladung an alle gerichtet, die zuhören wollen.

Der Prophet Alma, der Sohn Almas, brachte diese wichtige Botschaft den Mitgliedern in Zarahemla, die ebenfalls erinnert werden mußten. Der Prophet sagte: „Siehe, alle Menschen lädt er ein, denn die Arme der Barmherzigkeit sind zu ihnen ausgestreckt, und er spricht: Kehrt um, und ich will euch empfangen. … Ja, kommt zu mir und bringt Werke der Rechtschaffenheit hervor.” (Alma 5:33,35.)

Als getauftes Mitglied der Kirche höre ich diese Einladung und frage mich: Wie komme ich dahin? Da ich weiß, daß der Herr uns alle in diese Einladung einschließen möchte, lautet meine aufrichtige Antwort ebenso wie die des kleinen Matthews: „Ich komme.” Aber was muß ich jetzt tun? Alma erinnerte das Volk in Zarahemla an seine Pflichten und endete mit dem wichtigen Satz: „Kommt zu mir und bringt Werke der Rechtschaffenheit hervor.” (Alma 5:35; siehe auch 4:3.) Wir wollen uns von Almas

Rat leiten lassen und uns gemeinsam ins Gedächtnis rufen, was wir tun können, um die Einladung Christi anzunehmen.

Wir können das Wort Gottes erforschen

Indem wir die heiligen Schriften und die Worte der neuzeitlichen Propheten studieren und darüber nachsinnen, können wir uns an den Worten von Christus weiden, und die Worte von Christus sagen uns alles, was wir tun sollen. (Siehe 2 Nephi 32:3.) Dann müssen wir das Wort nähren, damit es Wurzel fassen kann. (Siehe Alma 32:41-43.) Wenn wir dann auf das Wort Gottes hören und daran festhalten, gibt uns die Verheißung, daß uns Versuchungen und die feurigen Pfeile des Widersachers nicht bezwingen. (Siehe l Nephi 15:24.) Dann können wir die Wahrheit erkennen, wenn wir sie hören, so wie die Hirten und die Sterndeuter wußten, daß es wahr war, als ihnen von der Geburt des Erretters berichtet wurde. Die heiligen Schriften sind das Wort Gottes und sind für uns und die ganze Welt ein Licht, dem wir folgen können, als wäre es ein Stern, der uns leitet.

Wir können beten

Wir können unseren himmlischen Vater im Namen unseres Erretters anrufen. Durch das Gebet können wir unsere Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Wenn wir unsere Segnungen aufzählen, werden wir von Hoffnung erfüllt. „Betet mit der ganzen Kraft des Herzens zum Vater, daß ihr von dieser Liebe erfüllt werdet.” (Moroni 7:48.)

Wir können um das bitten, was wir Stunde um Stunde, Minute für Minute brauchen. Es ist möglich, durch Jesus Christus ein ganz persönliches Gespräch mit unserem himmlischen Vater zu führen, indem wir im Gebet niederknien, so als ob wir neben der Krippe knien und den Erretter dort sehen könnten.

Wir können an den errettenden Verordnungen teilhaben

Wir werden an unser Taufbündnis erinnert, wenn wir das Abendmahl nehmen. Das Abendmahlsgebet hilft uns, an den Erretter und seine Güte zu denken.

Wir können würdig leben, so daß wir die heiligen Handlungen des Tempels an uns vollziehen lassen können. Diese Verordnungen bilden den Höhepunkt der Bekehrung eines Menschen, die notwendige Selbstverpflichtung gegenüber geistiger Erkenntnis. Wir können den Tempelbesuch als persönliche Pilgerfahrt an einen heiligen Ort betrachten, so wie die Hirten ihre Wanderung zu der einfachen Krippe betrachtet haben

Wir können unsere Talente entfalten

Das sind die Gaben, die wir mitbringen. Die Talente, die wir besitzen, haben wir vom himmlischen Vater erhalten, und um ihn zu ehren, können wir sie entfalten und vermehren und ihm dann zurückgeben. Jeder von uns besitzt irgendein Talent, das er weiterentwickeln und darbringen kann. Gebrauchen Sie Ihre Talente regelmäßig? Vielleicht ist Freundlichkeit oder Dankbarkeit Ihr Talent. Wie steht es damit, heiter, hilfsbereit oder selbstlos zu sein? Oder wie wäre es mit einem gewinnenden Lächeln? Die Sterndeuter brachten Gold, Weihrauch und Myrrhe. Wir können unsere Talente als Gaben darbringen.

Wir können unseren Mitmenschen dienen

Alles, was wir tun, um unseren Mitmenschen zu dienen, zeigt, daß wir seine Einladung, zu ihm zu kommen, annehmen wollen. Wie wäre es, wenn wir einmal überprüften, wie es um unseren Dienst am Nächsten bestellt ist? Fragen wir uns: Besuche ich meine Freundin, die das Haus nicht mehr verlassen kann? Tue ich den Mund auf, um die Wahrheit zu verteidigen und zu bezeugen? Gebe ich von meinen weltlichen Gütern ab? Widme ich einen Teil meiner produktiven Zeit meinen Kindern? Erfülle ich meine Berufung in der Kirche gern?

Manchmal fühle ich mich von meiner Berufung überwältigt, aber ich vertraue darauf, daß der Herr mir den Mut gibt und mir hilft, seinen Willen zu tun. Wahrscheinlich wollen die meisten von Ihnen sich sicher fühlen und still innerhalb der Grenzen leben, die Ihnen vertraut und angenehm sind. Wenn wir jedoch nicht das Risiko neuer Erfahrungen und herausfordernder Berufungen zum Dienen eingehen, können wir nicht wachsen und helfen nicht in dem Maß, das Reich des Herrn aufzurichten, wie wir es tun müßten. So wie die Hirten in der dunklen Nacht die vertraute Umgebung verlassen haben, um eine neue Erfahrung zu machen, so werden wir aufgerufen, unsere sichere und angenehme Lebensweise zu verlassen, um zu dienen und Erfahrung zu sammeln.

Ich glaube, daß jeder die uns so vertraute Szene in Betlehem in seinem eigenen Leben nachvollziehen kann. Wir können einen Stern haben, dem wir folgen, wie die Sterndeuter es getan haben. „Dein Wort ist meinem Fuß eine Leuchte, ein Licht für meine Pfade.” (Psalm 119:105.) Die heiligen Schriften können uns den Weg erleuchten, und unser Zeugnis kann ein Licht von innen sein. Die Stimmen der Engel können die Stimme unseres geliebten Propheten und der Knechte des Herrn sein. Wir können buchstäblich zu Füßen unseres Erretters knien, wie es die Hirten und die Sterndeuter getan haben, doch wir tun es im Gebet. Die Gaben, die wir darbringen, sind unsere Talente. Wir können „Hosanna” rufen wie der Engelschor und die gute Nachricht verbreiten, indem wir unser Zeugnis geben. Jeder neue Tag gibt uns die Möglichkeit, uns dazu zu verpflichten, daß wir gemäß unserem Wissen handeln. (Siehe LuB 43:8.) Durch Werke der Rechtschaffenheit können wir jeden Tag unseres Lebens zu ihm kommen, als ob wir in Sandalen den steinigen Weg nach Betlehem wanderten, in der Hand einen Stab oder ein Geschenk.

Ich bete darum, daß der himmlische Vater uns hilft, weise zu sein, weise genug, um seine Einladung anzunehmen, sein Wort zu nähren und dem „geraden Weg zu ewiger Seligkeit” zu folgen (Alma 37:44). Mögen wir alle frohgemut antworten: „Ich komme.” Denn ich bezeuge: „Wenn darum ein Mensch gute Werke hervorbringt, so hört er auf die Stimme des guten Hirten und folgt ihm nach.” (Alma 5:41.) Das tue ich im Namen des Hirten, der „euch nachgerufen hat und noch immer nachruft” (Alma 5:37), nämlich Jesus Christus. Amen.