1990–1999
An die Frauen der Kirche
Oktober 1992


An die Frauen der Kirche

„Wir müssen die Frauen der Kirche zusammenscharen, so daß sie mit den Brüdern zusammenstehen und wir gemeinsam die Flut des Bösen, die uns umgibt, eindämmen.”

Liebe Schwestern, ich grüße Sie voll Liebe und Achtung, denn ich weiß, daß Sie die Töchter des himmlischen Vaters sind, und ich weiß, welches Potential in jeder von Ihnen steckt.

Ich danke Ihnen im Namen der leitenden Beamten der Kirche für den Dienst, den Sie in der Kirche, in Ihrer Familie, in Ihrer Nachbarschaft und in Ihrem Gemeinwesen leisten. Dabei weiß ich auch, daß vieles von dem, was Sie in selbstloser Nächstenliebe tun, unbekannt bleibt, daß niemand darüber spricht und Sie manchmal nicht einmal Dank erhalten.

Die heiligen Schriften raten uns: „Werdet nicht müde, das Rechte zu tun, denn ihr legt den Grund für ein großes Werk.” (LuB 64:33.) Denken Sie an die Verheißung Christi, daß gütige Taten, die im Verborgenen getan werden, einmal vom Vater im Himmel öffentlich belohnt werden (siehe Matthäus 6:3-6,16-18). Der Herr sieht Sie wirklich. Wir beten für Ihr Wohlergehen. Wir danken Gott für den läuternden Einfluß, den Sie durch Ihre Dienstbereitschaft und Opferbereitschaft und Ihre Anteilnahme und dadurch, daß Sie nach allem Schönen und Edlen streben, ausüben.

Danke, daß Sie durch das, was Sie sind, unser Leben soviel besser machen. Ihr stetes rechtschaffenes Beispiel ist so ganz anders als die Wege der Welt.

Die Welt um uns herum ist in Aufruhr. Wir hören viele Stimmen, die sich für alles Mögliche einsetzen und die Menschen auf ihr Denken einschwören wollen. In dieser Hinsicht ist die Lage heute ganz ähnlich wie der Aufruhr, den der Prophet Joseph Smith zu seiner Zeit beschrieben hat. Er hat gesagt, manche hätten geschrien:, „Hierher!”’, und andere hätten geschrien: ^Daher!’” (Joseph Smith - Lebensgeschichte 1:5.) Viele Menschen ringen heute mit den Herausforderungen des Lebens. Angesichts der inneren Unruhe und des Bösen um uns herum ist es ganz natürlich, daß wir nach jemandem suchen, der uns helfen kann. Manche Frauen sehnen sich nach Inspiration, die das Herz trösten und die Wunden verbinden und solche Erkenntnis vermitteln kann, die auch dann den Weg weist, wenn es keinen zuverlässigen Wegweiser gibt.

Aber wir können durchaus Trost finden! Wir haben die heiligen Schriften, die die Worte des liebenden Vaters im Himmel enthalten, der uns sagt, daß wir für ihn an erster Stelle stehen: „Denn siehe, es ist mein Werk und meine Herrlichkeit, die Unsterblichkeit und das ewige Leben des Menschen zustande zu bringen.” (Mose 1:39.) Und seine Worte haben Bestand.

Außer diesen Worten des liebenden Vaters im Himmel haben wir den Erretter, von dem Alma sagt:

„Und er wird hingehen und Schmerzen und Bedrängnisse und Versuchungen jeder Art leiden; und dies, damit sich das Wort erfülle, das da sagt, er werde die Schmerzen und Krankheiten seines Volkes auf sich nehmen.

Und er wird den Tod auf sich nehmen, auf daß er die Bande des Todes löse, die sein Volk binden; und er wird ihre Schwächen auf sich nehmen, auf daß sein Inneres von Barmherzigkeit erfüllt sei gemäß dem Fleische, damit er gemäß dem Fleische wisse, wie er seinem Volk beistehen könne gemäß dessen Schwächen.” (Alma 7:11,12.)

Es muß für Sie, geliebte Schwestern in seiner Kirche, tröstlich sein, daran zu denken, daß dieser selbe Jesus, der durch das Sühnopfer unser Erretter geworden ist, den Frauen seiner Zeit Liebe und Anteilnahme entgegengebracht hat. Er war gern mit Frauen zusammen und war mit mehreren Frauen befreundet. Eins seiner bedeutenden Gleichnisse handelt von den zehn Jungfrauen. Er hat die Kinder gesegnet. Er hat die arme Witwe geehrt, die nur zwei kleine Münzen spenden konnte. Er hat die Samariterin belehrt und ihr offenbart, daß er der Messias war. Er hat aus Maria Magdalene sieben Dämonen ausgetrieben und der Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war, vergeben. Er hat die Tochter der Griechin geheilt, desgleichen die Frau, deren Rücken seit achtzehn Jahren verkrümmt gewesen war, sowie die Schwiegermutter des Petrus.

Er hat der Mutter ihren toten Sohn wiedergegeben, dem Jairus und seiner Frau die tote Tochter und seinen Freund Lazarus dessen trauernden Schwestern, die zu seinen besten Freunden zählten. Als er am Kreuz hing, dachte er noch an seine Mutter und vertraute sie seinem geliebten Jünger Johannes an. Frauen bereiteten seinen Leichnam für die Grablegung vor. Als der auferstandene Herr erschien er als erster Maria, und ihr vertraute er die Verkündigung der herrlichen Botschaft an seine Jünger an, daß er auferstanden war.

Gibt es denn irgendeinen Grund zu der Annahme, die Frauen lägen ihm heute weniger am Herzen? Vor seiner Himmelfahrt verhieß er seinen Jüngern noch: „Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben. … Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen.” (Johannes 14:16,18.) Dieser Beistand, die Gabe des Heiligen Geistes, ist auch für seine Töchter und Jüngerinnen da.

Als besondere Zeugen für Jesus Christus haben wir die ehrfurchtgebietende Aufgabe übertragen bekommen, die Angelegenheiten seiner Kirche und seines Reiches zu leiten und seinen Töchtern und Söhnen zu dienen, wo immer auf der Erde sie sich auch befinden mögen. Aufgrund unserer Berufung, Zeugnis zu geben, zu regieren und zu dienen, wird von uns allen verlangt, daß wir trotz Alter, Gebrechlichkeit, Erschöpfung und Gefühlen der Unzulänglichkeit bis zum letzten Atemzug die Arbeit, die er uns aufgetragen hat, verrichten.

So wie unser Herr und Erretter die Frauen seiner Zeit brauchte - ihre tröstende Hand, ihr offenes Ohr, ihr gläubiges Herz, ihren gütigen Blick, ihr ermutigendes Wort, ihre Treue - und das auch in der Stunde seiner Demütigung, seiner Qualen und seines Todes —, so brauchen auch wir, seine Diener überall in der Kirche, Sie die Frauen der Kirche. Sie müssen mit uns und für uns die Flut des Bösen eindämmen, die uns zu überschwemmen droht. Wir müssen gemeinsam treu und fest im Glauben stehen - gegen viel mehr andersgesinnte Menschen. Ich glaube, wir müssen die Frauen der Kirche zusammenscharen, so daß sie mit den Brüdern zusammenstehen und wir gemeinsam die Flut des Bösen, die uns umgibt, eindämmen und das Werk unseres Erretters voranbringen. Nephi hat gesagt: „Darum müßt ihr mit Beständigkeit in Christus vorwärtsstreben, erfüllt vom Glanz der Hoffnung und indem ihr Liebe habt zu Gott und zu allen Menschen.” (2 Nephi 31:20.) Wenn wir ihm gehorsam sind, sind wir in der Mehrheit. Aber nur gemeinsam können wir das Werk verrichten, das er uns aufgetragen hat, und für den Tag, an dem wir ihn sehen werden, bereit sein.

Wir bemühen uns nach besten Kräften, den Menschen genauso teilnahmsvoll zu dienen, wie der Herr den Frauen seiner Zeit gedient hat, und bitten Sie, Ihren mächtigen guten Einfluß dazu zu nutzen, unsere Familien, unsere Kinder und unsere Gemeinwesen stark zu machen.

Wir wissen, daß von einzelnen Menschen und von Organisationen, die sich bemühen, den Übeln der Welt entgegenzuwirken, viel Gutes kommt. Befolgen Sie die Ermahnung aus der Schrift, in einer guten Sache eifrig

tätig zu sein beziehungsweise sich in der Kirche, in der Nachbarschaft, im Gemeinwesen und in aller Welt für gute Sachen tatkräftig einzusetzen (siehe LuB 58:27). Aber wir sind trotzdem der Meinung, daß die Menschen sowohl in diesem Leben als auch im Jenseits nur dann ihr wahres Potential verwirklichen können, wenn sie Christus und sein Evangelium mit den errettenden Verordnungen und Bündnissen annehmen.

Wer Christus nachfolgt, bemüht sich, seinem Beispiel nachzueifern. Sein Leiden für unsere Sünden und Fehler, unseren Kummer und unsere Krankheiten muß uns motivieren, uns gleichermaßen voll Nächstenliebe unseren Mitmenschen zuzuwenden. Es ist überaus passend, daß das Motto der ältesten Frauenorganisation in der Welt, nämlich der Frauenhilfsvereinigung der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, lautet: „Die Liebe hört niemals auf.”

Schwestern, halten Sie weiter nach Möglichkeiten zum Dienen Ausschau. Machen Sie sich keine allzu großen Sorgen um Ihren Status. Wissen Sie noch, was der Herr über diejenigen gesagt hat, die nach dem „Ehrenplatz” und den „vordersten Sitzen” trachten? „Der Größte von euch soll euer Diener sein.” (Matthäus 23:6,11.) Es ist wichtig, daß man Wertschätzung erfährt. Aber uns muß es um Rechtschaffenheit und nicht um Anerkennung gehen, um Dienen, nicht um Status. Die treue Besuchslehrerin, die Monat für Monat still ihre Arbeit tut, ist für das Werk des Herrn genauso wichtig wie diejenigen, die die scheinbar prominenten Ämter in der Kirche innehaben. Sichtbarkeit hat nichts mit Rang zu tun.

In einer früheren allgemeinen Versammlung der Frauen der Kirche hat Präsident Spencer W. Kimball gesagt: „Denken Sie daran, liebe Schwestern, daß die ewigen Segnungen, die Ihnen kraft der Mitgliedschaft in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage gehören, viel, viel größer sind als irgendwelche anderen Segnungen, die Sie jemals erlangen können. Sie können in dieser Welt keine größere Anerkennung erlangen, als die, eine gottesfürchtige Frau zu sein. Es gibt keinen höheren Status als den einer Tochter Gottes, die eine wahre Schwester, Ehefrau und Mutter ist oder andere Aufgaben wahrnimmt, mit denen sie ihre Mitmenschen positiv beeinflußt.” (Ensign, November 1972, Seite 102.)

Sie sind erwählt worden, in unserer Zeit treue, gottesfürchtige Frauen zu sein und sich über Kleinlichkeit, Tratsch, Egoismus, Lüsternheit und alle übrigen Formen der Gottlosigkeit zu erheben.

Erkennen Sie Ihr göttliches Geburtsrecht als Töchter des himmlischen Vaters. Seien Sie jemand, der sowohl mit Worten als auch mit den Händen heilt. Bemühen Sie sich, zu erkennen, was der Herr mit Ihnen vorhat, so wie unser großes Vorbild Maria, die Mutter Jesu: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.” (Lukas 1:38.)

Zum Abschluß möchte ich Ihnen diese Verse eines unbekannten Dichters vortragen, die ich sehr bedeutsam finde:

Sie sprechen über die Sphäre einer Frau, als ob sie irgendwelche Grenzen hätte; es gibt auf der Erde und im Himmel keinen Ort,

es gibt für die Menschen keine Aufgabe, es gibt keinen Segen und kein Unheil, es gibt kein geflüstertes Ja oder Nein, es gibt kein Leben, keinen Tod, keine Geburt, die auch nur das geringste wert wären, … wenn keine Frau dabei ist.

Liebe Schwestern, ich weiß, daß Gott lebt und daß Jesus sein einziggezeugter Sohn ist, der Erretter der Welt. Ich weiß, daß dies die Kirche Jesu Christi ist. Er steht an der Spitze. Ich bezeuge auch, daß Sie als Frauen wahrhaftig und in Ewigkeit einen Ehrenplatz einnehmen.

Möge der Herr Sie segnen, während Sie ihm weiterhin dienen, indem Sie Ihren Mitmenschen dienen und sich bemühen, Ihr Potential auszuschöpfen. Im Namen Jesu Christi. Amen.