2023
Geistlicher Dienst und Betreuung
Mai 2023


Geistlicher Dienst und Betreuung

Wir wollen uns anderen zuwenden und uns wie der Erretter um sie kümmern, vor allem um diejenigen, die wir liebevoll betreuen dürfen

Meine lieben Brüder und Schwestern, liebe Freunde, willkommen zur Generalkonferenz!

Nach der vergangenen Herbst-Generalkonferenz begrüßten meine Frau und ich hier im Konferenzzentrum einige von Ihnen und wollten von Ihren Erfahrungen mit dem Evangelium hören.

Unsere Mitglieder aus Mexiko sagten: „Hoy es el tiempo de México“ – Mexikos Stunde hat geschlagen.

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Gilly und Mary mit Elder Gong und Schwester Gong

Wir sprachen mit Gilly und Mary, Freundinnen aus England. Als sich Mary der Kirche anschloss, musste sie aus ihrer Wohnung ausziehen. Großzügig bot Gilly ihr an, bei ihr zu wohnen. Gilly sagt voller Glauben: „Ich habe nie daran gezweifelt, dass der Herr bei mir ist.“ Bei der Konferenz sah Gilly auch zum ersten Mal die ehemalige Missionarin wieder, die sie vor 47 Jahren im Evangelium unterwiesen hatte.

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Jeff und Melissa mit Elder Gong und Schwester Gong

Jeff besuchte zum ersten Mal die Generalkonferenz, begleitet von seiner Frau Melissa. Jeff war Profi-Baseballspieler gewesen (als Fänger) und ist mittlerweile als Anästhesist tätig. Er sagte: „Zu meiner großen Überraschung bereite ich mich auf die Taufe vor, weil ich es für die authentischste und ehrlichste Art zu leben halte.“

Anfangs hatte sich Melissa bei Jeffs betreuendem Bruder dafür entschuldigt, dass Jeff „die mit dem weißen Hemd“ nicht zuhause haben wollte. Der betreuende Bruder hatte erwidert: „Ich finde schon einen Weg.“ Heute sind er und Jeff gute Freunde! Bei Jeffs Taufe lernte ich eine Gemeinde kennen, in der Jeff, Melissa und ihre Tochter Charlotte sich gut aufgehoben fühlen.

Als Nachfolger Jesu Christi wollen wir uns so um andere kümmern, wie er es täte, denn das Leben vieler Menschen kann sich dadurch ändern.

Als Peggy mir erzählte, ihr Mann John wolle sich nach 31 Jahren Ehe taufen lassen, fragte ich, was sich geändert habe.

Peggy sagte: „John und ich lasen im Leitfaden Komm und folge mir nach! zum Neuen Testament, und John stellte mir Fragen zur Lehre der Kirche.“

Da schlug Peggy vor, die Missionare einzuladen.

John erwiderte: „Aber nur, wenn mein Freund auch kommt!“ Im Laufe der vergangenen zehn Jahre war Johns betreuender Bruder zu einem verlässlichen Freund geworden. (Ich fragte mich, was wohl geschehen wäre, wenn dieser betreuende Bruder nach ein, zwei oder auch neun Jahren nicht mehr zu Besuch gekommen wäre!)

John hörte zu. Er las das Buch Mormon mit wirklichem Vorsatz. Als die Missionare fragten, ob John sich taufen lassen wolle, bejahte er. Peggy erzählte: „Ich fiel vom Hocker und fing an zu weinen.“

John meinte: „Ich änderte mich, als ich dem Herrn näherkam.“ Später wurden John und Peggy im heiligen Tempel gesiegelt. Im vergangenen Dezember verstarb John im Alter von 92 Jahren. Peggy sagt: „John war immer ein guter Mensch gewesen, aber nach der Taufe änderte er sich dennoch auf wunderbare Weise.“

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Jenny und Meb

Meb und Jenny lernten meine Frau und ich während der Coronapandemie per Video kennen. (Während der Pandemie lernten wir viele wundervolle Menschen per Video kennen, die von ihrem Pfahlpräsidenten gebeterfüllt ausgewählt und uns vorgestellt worden waren.)

Voller Demut berichteten Meb und Jenny von Sorgen, die bei ihnen die Frage aufwarfen, ob ihre Tempelehe gerettet werden könne – und wenn ja, wie. Sie glaubten daran, dass das Sühnopfer Jesu Christi und ihre Bündnisverpflichtungen ihnen helfen konnten.

Stellen Sie sich meine Freude vor, als Meb und Jenny einen neuen Tempelschein erhielten und gemeinsam ins Haus des Herrn zurückkehrten! Später wäre Meb beinahe gestorben. Welch ein Segen, dass Meb und Jenny ihre Bündnisbeziehung zum Herrn und zueinander wiederhergestellt hatten und von liebevollen Menschen umgeben waren, die sich um sie kümmerten!

Wo immer ich bin, lerne ich voller Dankbarkeit von denjenigen, die wie der Erretter geistlich dienen und sich um andere kümmern.

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Salvador mit Elder Gong und Schwester Gong

In Peru lernten meine Frau und ich Salvador und seine Geschwister kennen.1 Salvador und seine Geschwister sind Waisen. Es war Salvadors Geburtstag. Die Führer und Mitglieder der Kirche, die dieser Familie treu beistehen, begeistern mich. „Ein reiner und makelloser Gottesdienst“ besteht darin, „für Waisen und Witwen … zu sorgen“2 sowie den Schwachen beizustehen, die herabgesunkenen Hände emporzuheben und die müden Knie zu stärken3.

Ein Ältestenkollegiumspräsident aus Hongkong erzählt bescheiden, wie sein Kollegium 100 Prozent der Auswertungsgespräche durchführt. „Wir teilen gebeterfüllt Betreuungspaare ein, damit jeder betreuen und betreut werden kann“, erklärt er. „Wir sprechen regelmäßig mit jedem Betreuungspaar über diejenigen, die es betreut. Dabei geht es aber nicht darum, eine Checkliste abzuhaken – wir betreuen die betreuenden Brüder, die sich um unsere Mitglieder kümmern.“

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Familie Bokolo

In Kinshasa in der Demokratischen Republik Kongo erzählt Präsident Bokolo, dass er und seine Familie sich in Frankreich der Kirche angeschlossen hatten. Als er eines Tages seinen Patriarchalischen Segen las, gab der Heilige Geist ihm zu verstehen, er solle mit seiner Familie in den Kongo zurückkehren. Bruder Bokolo wusste, dass sie bei ihrer Rückkehr viele Schwierigkeiten erwarten würden. Auch war ihre Kirche, die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, in Kinshasa noch nicht offiziell vertreten.

Doch wie viele andere folgte auch Familie Bokolo voller Glauben dem Geist des Herrn. In Kinshasa stand die Familie Menschen in ihrem Umfeld zur Seite, überwand Schwierigkeiten und empfing geistige und zeitliche Segnungen. Mittlerweile gibt es in ihrem Land ein Haus des Herrn, was sie mit großer Freude erfüllt.4

Ein Bekehrter wurde durch ein gutes Vorbild beeinflusst. Als junger Mann, so erzählte er, verbrachte er viele Stunden am Strand. Eines Tages sah er dort ein hübsches Mädchen in einem unscheinbaren Badeanzug. Erstaunt darüber, dass ein so hübsches Mädchen einen so unscheinbaren Badeanzug trug, sprach er es an. Das Mädchen gehörte der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage an und fragte lächelnd: „Möchtest du am Sonntag mit in die Kirche kommen?“ Er bejahte.

Als Elder L. Tom Perry und ich vor vielen Jahren gemeinsam einen Auftrag erfüllten, erzählte er, wie er und sein Partner regelmäßig eine Schwester besucht hatten, die in einem üblen Viertel in Boston wohnte. Wenn Elder Perry und sein Partner eintrafen, bat die Schwester sie aus Vorsicht, ihre Tempelscheine unter der Tür durchzuschieben. Erst nachdem sie die Tempelscheine gesehen hatte, entriegelte sie alle Schlösser und öffnete die Tür.5 Damit will ich natürlich nicht sagen, dass ein Betreuungspaar einen Tempelschein haben muss. Aber mir gefällt der Gedanke, dass sich Türen und Herzen öffnen, wenn jemand, der seine Bündnisse hält, geistlich dient.

Elder Perry gab auch praktische Ratschläge. „Weisen Sie den Paaren gebeterfüllt eine vernünftige Anzahl von Betreuungsaufträgen zu, deren Ziele sich möglichst in geografischer Nähe befinden, damit die Fahrtzeit gering bleibt“, riet er. „Beginnen Sie mit denjenigen, die am dringendsten besucht werden müssen. Bauen Sie auf denen auf, die sich über Besuche am ehesten freuen.“ Er schloss mit den Worten: „Treu und beständig sein führt zu Wundern.“

Eine edlere und heiligere Art des Betreuens6 entsteht, wenn wir im Gebet um „die reine Christusliebe“7 bitten und dem Heiligen Geist folgen. Sie entsteht auch, wenn die Ältestenkollegiumspräsidentschaft und die FHV-Präsidentschaft das Betreuen auf Weisung des Bischofs leiten, wozu auch gehört, dass sie Betreuungspartner einteilen. Bitte geben Sie den Jungen Männern und den Jungen Damen die Chance, erfahrene betreuende Brüder und Schwestern zu begleiten und von ihnen angeleitet zu werden. Und lassen Sie auch unsere heranwachsende Generation die betreuenden Brüder und Schwestern inspirieren.

Mancherorts gibt es in der Kirche beim Betreuen eine Lücke. Es sagen mehr Mitglieder, dass sie betreuen, und weniger, dass sie betreut werden. Niemand soll nur deshalb Interesse zeigen, weil er dazu eingeteilt wurde. Oft ist aber mehr nötig als eine nette Begrüßung im Flur oder dass man auf dem Parkplatz beiläufig seine Hilfe anbietet. Vielerorts können wir durch regelmäßige Besuche bei Mitgliedern auf diese zugehen, ihre Situation nachvollziehen und eine Beziehung zu ihnen aufbauen. Eine inspirierte Einladung oder Aufforderung kann das Leben ändern. Wenn eine Einladung oder Aufforderung dazu beiträgt, dass wir heilige Bündnisse eingehen und halten, kommen wir dem Herrn und einander näher.

Man sagt, wer den wahren Geist des Betreuens versteht, betreut mehr als früher; wer ihn nicht versteht, betreut weniger. Betreuen wir doch mehr! Der Erretter würde das auch tun. Wie es in einem unserer Kirchenlieder heißt, sollen wir mit Herz und Hand wirken.8

Bitte hören Sie im Gemeinderat, im Ältestenkollegium und in der Frauenhilfsvereinigung auf den guten Hirten. Helfen Sie ihm, das Verlorene zu suchen, das Vertriebene zurückzubringen, das Verletzte zu verbinden und das Kranke zu kräftigen.9 Möglicherweise beherbergen wir, ohne es zu ahnen, Engel,10 wenn wir in der Herberge des Herrn Platz für alle schaffen11.

Inspiriertes Betreuen ist ein Segen für die Familie und den Einzelnen. Es stärkt zudem die Gemeinde und den Zweig. Betrachten Sie Ihre Gemeinde oder Ihren Zweig als geistiges Ökosystem. Wie im Gleichnis von den Ölbäumen im Buch Mormon bringen der Herr des Weingartens und seine Diener kostbare Frucht hervor und stärken jeden Baum, indem sie die Stärken und Schwächen aller Bäume zusammenführen.12 Der Herr des Weingartens und seine Diener fragen immer wieder, was sie sonst noch tun können.13 Gemeinsam sind sie durch inspiriertes, beständiges Betreuen ein Segen für die Seele und für Familien, Gemeinden und Zweige.14

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Sich miteinander verflechtende Wurzeln und Zweige

Wenn wir wie ein Hirte geistlich dienen und betreuen, wird unser Weingarten ein „einziges Ganzes“15 – ein heiliger Hain. Jeder Baum in unserem Hain ist ein lebendiger Stammbaum. Wurzeln und Zweige bilden ein Geflecht. Geistlicher Dienst ist ein Segen für Generationen. Wenn Hilfe gebraucht wird, fragen kluge Bischöfe, Ältestenkollegiumspräsidentschaften und FHV-Präsidentschaften: „Wer sind die zuständigen betreuenden Brüder und Schwestern?“ Im Gemeinderat und in den Auswertungsgesprächen fragen wir nicht nur nach Problemen, sondern achten mit offenen Augen auf die liebevolle, große Barmherzigkeit des Herrn, über die wir uns freuen und die wir reichlich erfahren, wenn wir so dienen wie er.

Der Erretter ist unser vollkommenes Vorbild.16 Weil er gut ist, kann er umherziehen und Gutes tun.17 Er segnet den Einen und auch die Neunundneunzig. Er verkörpert den geistlichen Dienst. Wir werden mehr wie Jesus Christus, wenn wir für einen seiner geringsten Brüder das tun, was wir für ihn tun würden,18 wenn wir unseren Nächsten lieben wie uns selbst,19 wenn wir einander lieben, wie er uns geliebt hat,20 und wenn derjenige, der bei uns groß sein will, unser Diener ist21.

Jesus Christus dient geistlich. Engel dienen geistlich.22 Nachfolger Jesu Christi dienen einander,23 freuen sich mit den Fröhlichen und weinen mit den Weinenden,24 wachen über ihr Volk und nähren es mit dem, was die Rechtschaffenheit betrifft,25 gedenken der Armen und der Bedürftigen, der Kranken und der Bedrängten26 und machen seinen Namen durch ihren geistlichen Dienst bekannt27. Wenn wir den gleichen geistlichen Dienst verrichten wie er, werden wir Zeuge seiner Wunder, seiner Segnungen.28 Wir verrichten einen erhabeneren Dienst.29

Mag sein, dass wir körperlich ermüden. Doch in seinem Dienst werden wir „nicht müde, Gutes zu tun“30. Wir sind eifrig und geben unser Bestes, laufen nicht schneller, als wir Kraft haben,31 und vertrauen darauf, wie der Apostel Paulus sagt, dass Gott einen fröhlichen Geber liebt32. „[Denn] Gott, der Samen gibt für die Aussaat und Brot zur Nahrung, wird auch euch das Saatgut geben und die Saat aufgehen lassen.“33 Mit anderen Worten: Gott macht uns in allem reich genug.34 „Wer mit Segen sät, wird mit Segen ernten.“35

Wo wir auch sind, wir wollen uns in dieser Osterzeit anderen zuwenden und uns wie der Erretter um sie kümmern, vor allem um diejenigen, die wir liebevoll betreuen dürfen. Dabei kommen wir Jesus Christus und einander näher. Wir werden mehr wie er und Nachfolger Jesu Christi, die so sind – jeder Einzelne –, wie er es möchte. In seinem heiligen Namen – Jesu Christi. Amen.