2023
Lassen Sie nie eine Gelegenheit aus, für Christus Zeugnis abzulegen
Mai 2023


Lassen Sie nie eine Gelegenheit aus, für Christus Zeugnis abzulegen

Auf unserer Bereitschaft, Christus näherzukommen und selbst ein Zeugnis zu erlangen, gründet sich wahre Freude

Auf den Tag genau vor fünf Jahren haben wir die Hand gehoben, um unseren geschätzten Propheten, Präsident Russell M. Nelson, als Präsidenten der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage zu bestätigen – als das Sprachrohr des Herrn für diese bemerkenswerte Zeit des Wachstums und der Offenbarung. Durch ihn sind unzählige Aufforderungen an uns ergangen und uns sind herrliche Segnungen verheißen worden, wenn wir unseren Erretter Jesus Christus in den Mittelpunkt unseres Lebens stellen.

Als mein Mann und ich 2011 Missionsführer im wunderschönen Curitiba in Brasilien waren, klingelte in einer Versammlung mein Telefon. Hektisch stellte ich es stumm und sah, dass mein Vater der Anrufer gewesen war. Schnell verließ ich die Versammlung, um ihn zurückzurufen. „Hallo, Papa!“, sagte ich.

Ganz unerwartet antwortete er mit belegter Stimme: „Hallo, Bonnie. Ich muss dir etwas sagen. Bei mir wurde ALS diagnostiziert.“

Mir drehte sich alles im Kopf. „Was ist los? Was ist ALS?“

Da erklärte mein Vater auch schon: „Ich bleibe bei klarem Verstand, aber mein Körper schaltet seine Funktionen nach und nach ab.“

Ich spürte, wie meine ganze Welt aus den Fugen geriet, und musste erst einmal verarbeiten, was diese schlimme Nachricht eigentlich bedeutete. Aber sein letzter Satz war es, der an jenem unvergesslichen Tag unauslöschlich in mein Herz drang. Eindringlich sagte mein guter Vater: „Bonnie, lass nie eine Gelegenheit aus, für Christus Zeugnis abzulegen.“

Ich habe über diesen Rat meines Vaters nachgedacht und deswegen viel gebetet. Ich frage mich oft: Weiß ich wirklich, was es heißt, nie eine Gelegenheit auszulassen, für Jesus Christus Zeugnis abzulegen?

Wie Sie bin auch ich dann und wann am ersten Sonntag des Monats aufgestanden und habe für Christus Zeugnis gegeben. Ich habe oft im Unterricht Evangeliumswahrheiten bezeugt. Als Missionarin habe ich kühn die Wahrheit verkündet und die Göttlichkeit Christi bekräftigt.

Und doch kam mir diese Bitte viel persönlicher vor. Es war, als würde mein Vater sagen: „Bonnie, lass dich von der Welt nicht bezwingen! Bleib deinen Bündnissen mit dem Erretter treu. Bemühe dich jeden Tag um seine Segnungen. Sei in der Lage, durch den Heiligen Geist die Macht Jesu und seinen Einfluss in deinem Leben zu bezeugen.“

Wir leben in einer gefallenen Welt. Ablenkungen verlocken uns, den Blick und das Herz abwärts zu richten anstatt gen Himmel. Ebenso wie die Nephiten in 3 Nephi 11 brauchen wir Jesus Christus. Können Sie sich vorstellen, unter dem Volk dort zu sein, das so viel Chaos und Zerstörung erlebt hatte? Wie wäre es, die Aufforderung des Herrn an Sie ganz persönlich gerichtet zu hören:

„Erhebt euch, und kommt her zu mir, dass ihr eure Hände in meine Seite legen und auch, dass ihr die Nägelmale in meinen Händen und in meinen Füßen fühlen könnt, damit ihr wisst, dass ich … der Gott der ganzen Erde bin und für die Sünden der Welt getötet worden bin.

Und … die Menge ging hin[,] einer nach dem anderen …, bis sie alle … mit eigenen Augen sahen und mit eigenen Händen fühlten und mit Bestimmtheit wussten … und sich selbst überzeugt hatten.“1

Erwartungsfroh traten diese Nephiten vor, um die Hände in Jesu Seite zu legen und die Nägelmale in seinen Händen und Füßen zu befühlen, damit sie sich selbst davon überzeugen konnten, dass er der Messias war. Gleichermaßen haben viele Gläubige, mit denen wir uns dieses Jahr im Neuen Testament beschäftigt haben, sehnsüchtig auf das Kommen Christi gewartet. Dann kamen sie von ihren Feldern, hinter der Werkbank und dem Esstisch hervor und folgten ihm, bedrängten ihn, umdrängten ihn und setzten sich mit ihm nieder. Sind auch wir so erpicht darauf, selbst ein Zeugnis zu erlangen, wie die Menschenmengen in den heiligen Schriften? Sind denn die Segnungen, die wir haben möchten, für uns nicht so wichtig wie für sie?

Als Christus den Nephiten leibhaftig bei ihrem Tempel erschien, forderte er sie nicht auf, auf Abstand zu bleiben und ihn anzuschauen, sondern ihn anzufassen und selbst zu spüren, dass der Erretter der Menschheit wirklich lebte. Wie können wir ihm so nah kommen, dass wir selbst ein Zeugnis von Jesus Christus erlangen? Vielleicht hat mir mein Vater auch das beibringen wollen. Wir mögen hier zwar nicht in den Genuss kommen, Christus räumlich so nah zu kommen wie die Menschen, die ihn während seines irdischen Wirkens begleiteten, aber durch den Heiligen Geist können wir seine Macht jeden Tag erleben! So viel, wie wir es brauchen!

Junge Frauen auf der ganzen Welt haben mich sehr viel darüber gelehrt, was es heißt, Christus zu suchen und täglich ein persönliches Zeugnis von ihm zu erlangen. Ich möchte erzählen, welch tiefe Verständigkeit zwei von ihnen an den Tag legen:

Livvy hat sich schon ihr Leben lang immer die Generalkonferenz angeschaut. In ihrer Familie ist es sogar Tradition, sich gemeinsam alle fünf Versammlungen anzusehen. Früher hat Livvy bei der Konferenz immer vor sich hingekritzelt oder ist auch mal eingenickt. Doch bei der letzten Herbst-Generalkonferenz war es anders: Da kam die persönliche Ebene hinzu.

Livvy beschloss nämlich, aktive Empfängerin zu sein. Sie stellte die Benachrichtigungen auf dem Handy auf stumm und hielt Eindrücke fest, die sie vom Heiligen Geist empfing. Erstaunt stellte sie fest, dass sie spüren konnte, was sie nach Gottes Willen konkret hören und tun sollte. Ihre Entscheidung hatte nahezu augenblicklich Auswirkungen auf ihr Leben.

Nur einige Tage später luden Freunde sie zu einem fragwürdigen Film ein. Sie erzählte: „Ich spürte, wie die Ansprachen und der Geist der Konferenz mein Herz wiederum erfüllten, und hörte mich selbst Nein sagen.“ Auch hatte Sie den Mut, in ihrer Gemeinde Zeugnis für den Erretter zu geben.

Nach diesen Erlebnissen erklärte sie: „Das Erstaunliche ist: Als ich mich selbst bezeugen hörte, dass Jesus der Messias ist, spürte ich, dass der Heilige Geist mir dies erneut bestätigte.“

Livvy hüpfte nicht wie ein Steinchen über die Wasseroberfläche des Konferenzwochenendes. Vielmehr tauchte sie mit Sinn und Geist tief ins Wasser ein – und fand dort den Erretter.

Mein zweites Beispiel ist Maddy. Als ihre Familie nicht mehr in die Kirche ging, war Maddy durcheinander und wusste nicht so recht, was sie tun sollte. Sie merkte, dass ihr etwas Wichtiges fehlte. Deshalb begann Maddy als 13-Jährige, allein in die Kirche zu gehen. Auch wenn es manchmal schwer und unbequem war, das allein zu machen, wusste sie, dass sie den Erretter in der Kirche finden konnte, und sie wollte dort sein, wo er war. Sie sagte: „In der Kirche fühlte ich mich von ganzer Seele wie zuhause.“

Maddy hielt sich daran fest, dass ihre Familie ja für die Ewigkeit aneinander gesiegelt war. Sie fing an, ihre jüngeren Brüder in die Kirche mitzunehmen und zuhause mit ihnen in den Schriften zu lesen. Irgendwann gesellte sich ihre Mutter hinzu. Maddy erzählte ihr, sie wolle gern eine Mission erfüllen, und fragte ihre Mutter, ob sie bereit wäre, mit ihr in den Tempel zu gehen.

Jetzt ist Maddy in der Missionarsschule. Sie ist Missionarin. Sie gibt Zeugnis für Christus. Ihr Beispiel hat dazu beigetragen, dass ihre Mutter und ihr Vater sich wieder auf den Weg zum Tempel und zu Christus begeben haben.

Wenn wir uns – wie Livvy und Maddy – dafür entscheiden, Christus zu suchen, legt der Geist in vielen unterschiedlichen Situationen für ihn Zeugnis ab. Solche Zeugnisse des Geistes vernehmen wir, wenn wir fasten, beten, warten und weiter vorwärtsgehen. Unsere Nähe zu Christus nimmt zu, wenn wir Gott oft im Tempel verehren, täglich umkehren, in den Schriften lesen, in die Kirche gehen, am Seminar teilnehmen, über unseren Patriarchalischen Segen nachsinnen, heilige Handlungen würdig annehmen und heilige Bündnisse in Ehren halten. All dies eröffnet dem Heiligen Geist die Möglichkeit, unseren Verstand zu erleuchten, und bringt uns mehr Frieden und Schutz. Nehmen wir das Genannte aber auch als heilige Gelegenheit an, für Christus Zeugnis abzulegen?

Ich war schon oft im Tempel, aber wenn ich den Herrn in seinem Haus verehre, führt das in mir eine Wandlung herbei. Manchmal wenn ich faste, merke ich bloß, dass ich Hunger habe, aber dann und wann genieße ich ganz bewusst die Gegenwart des Geistes. Ich habe mitunter schon routinemäßig dieselben Gebete dahingesagt, aber ich habe mich auch schon eifrig darum bemüht, durch das Gebet Rat vom Herrn zu erhalten.

Es bewirkt sehr viel, wenn wir diese heiligen Gewohnheiten nicht als To-do-Liste führen, sondern für unser Zeugnis nutzen. Der Weg dahin mag sich strecken, aber wenn wir täglich aktiv dabei sind und zielbewusst Erfahrungen mit Christus sammeln, kommen wir voran. Wenn wir beständig nach seiner Lehre handeln, erlangen wir ein Zeugnis von ihm; wir bauen zu ihm und zum Vater im Himmel eine Beziehung auf. Wir fangen an, wie sie zu werden.

Der Widersacher verursacht so viel Lärm, dass es mitunter schwierig ist, die Stimme des Herrn zu hören. Was unsere Welt, unsere Herausforderungen und Lebensumstände anbelangt, so wird es nicht ruhiger werden, daher kann und muss es uns nach dem hungern und dürsten, was von Christus kommt, damit wir ihn klar hören können.2 Wir müssen für die Nachfolge Jesu und unser Zeugnis ein Muskelgedächtnis aufbauen, das uns tagtäglich unsere Abhängigkeit vom Erretter vor Augen führt.

Der Tod meines Vaters ist nun schon über elf Jahre her, aber seine Worte klingen lebendig in mir. „Bonnie, lass nie eine Gelegenheit aus, für Christus Zeugnis abzulegen.“ Ich ermuntere Sie, dieser Aufforderung mit mir nachzukommen. Halten Sie überall nach Christus Ausschau! Ich verheiße, er ist da.3 Auf unserer Bereitschaft, Christus näherzukommen und selbst ein Zeugnis zu erlangen, gründet sich wahre Freude.

In den Letzten Tagen, so wissen wir, wird sich jedes Knie beugen und jede Zunge bekennen, dass Jesus der Messias ist.4 Möge dieses Zeugnis schon jetzt ein ganz natürlicher Vorgang für uns werden – dass wir jede Gelegenheit nutzen, um freudig zu bezeugen: Jesus Christus lebt!

O, wie sehr ich ihn liebe! Wie dankbar wir doch für sein unbegrenztes Sühnopfer sind, dass „das ewige Leben zu einer Möglichkeit und die Unsterblichkeit zu einer Wirklichkeit für [uns] alle gemacht [hat]“5. Ich gebe Zeugnis für die Güte und große Herrlichkeit unseres Erretters, in seinem heiligen Namen, nämlich Jesus Christus. Amen.