Für die Familie
4. Kursstunde: Zorn Überwinden


4. Kursstunde

Zorn Überwinden

„Wer könnte denn die zugefügten Wunden berechnen, wie tief sie gehen, und die schmerzen, die von groben, im Zorn gesprochenen Worten verursacht werden?“

Präsident Gordon B. Hinckley

Ziele der lektion

In dieser Kursstunde soll erreicht werden, dass die Teilnehmer

  • die Probleme und den Preis begreifen, die mit Zorn verbunden sind

  • die emotionalen und biologischen Faktoren verstehen, die Zorn beeinflussen

  • verstehen, welche Möglichkeiten es gibt, Zorn zu überwinden

Das problem mit dem zorn

Präsident Gordon B. Hinckley hat gesagt: „Ein heftiges Temperament ist gefährlich und verwerflich, denn es zerstört die Zuneigung und vertreibt die Liebe.“1

Einige Leute finden es befriedigend und belebend, ihrem Zorn Ausdruck zu verleihen. Sie fühlen sich mächtig und überlegen, wenn sie andere einschüchtern. Zorn fügt jedoch denjenigen, die ihm nachgeben, Schaden zu. Nur wenige Menschen sind gern mit ärgerlichen oder zornigen Leuten zusammen.

In den heiligen Schriften wird vor Zorn gewarnt. David wies die Israeliten an: „Steh ab vom Zorn und lass den Grimm.“ (Psalm 37:8.) In den Sprichwörtern heißt es: „Besser ein Langmütiger als ein Kriegsheld, besser, wer sich selbst beherrscht, als wer Städte erobert.“ (Sprichwörter 16:32.) Kohelet schrieb: „Lass dich nicht aufregen, sodass du dich ärgerst, denn Ärger steckt in den Ungebildeten.“ (Kohelet 7:9.)

Während seines irdischen Wirkens prophezeite der Erlöser, dass in den Letzten Tagen „viele … einander hassen und verraten“ werden, „und weil die Missachtung von Gottes Gesetz überhandnimmt, wird die Liebe bei vielen erkalten“ (Matthäus 24:10,12). Er lehrte die Nephiten:

„[Der] Geist des Streites … ist vom Teufel, der der Vater des Streites ist, und er stachelt den Menschen das Herz auf, im Zorn miteinander zu streiten.

Siehe, es ist nicht meine Lehre, den Menschen das Herz mit Zorn gegeneinander aufzustacheln; sondern es ist meine Lehre, dass Derartiges hinweggetan werden soll.“ (3 Nephi 11:29,30.)

Nephi prophezeite, dass der Satan in unserer Zeit „im Herzen der Menschenkinder wüten und sie zum Zorn aufstacheln [wird] gegen das, was gut ist“ (2 Nephi 28:20). Das beleidigende, ausfallende Verhalten seitens des Ehemannes oder der Ehefrau gegenüber dem Partner oder seitens der Eltern gegenüber den Kindern ist Teil davon, wie diese Prophezeiung in Erfüllung geht.

Der tatsächliche Preis dafür, Ärger bei Freunden, Angehörigen oder anderen abzulassen, ist höher als man oft glaubt. Elder Lynn G. Robbins von den Siebzigern beschrieb Zorn als die „in Gedanken begangene Sünde, die zu feindseligem Denken beziehungsweise Verhalten führt. Sie ist der Grund für die Aggressivität auf den Straßen, die Schlägereien im Fußballstadion, die Gewalttätigkeiten zu Hause.“2

Präsident Hinckley ermahnte die Mitglieder der Kirche und besonders die Priestertumsträger wiederholt, ihren Zorn zu bezwingen, und er warnte, dass diejenigen, die ihren Zorn nicht im Zaum halten können, ihre geistige Macht verlieren: „Kein Mann, der bei sich zu Hause ein Tyrann ist, ist des Priestertums würdig. Er kann in den Händen des Herrn kein geeignetes Werkzeug sein, wenn er der Frau, die er sich ausgesucht hat, keinen Respekt, keine Freundlichkeit und keine Liebe erweist. So wird auch jeder Mann, der … sich selbst nicht im Griff hat …, die Macht des Priestertums nicht anwenden können.“3

Zornig zu werden, hilft einem vielleicht, ein unmittelbares Ziel zu erreichen, aber die langfristigen Folgen übersteigen bei weitem die Vorteile. Der Preis dafür ist hoch:

  • man verliert den Geist

  • man verliert Achtung (Selbstachtung und die Achtung von anderen) sowie Freundschaft und die Hilfe anderer

  • man verliert das Selbstvertrauen

  • Schuldgefühle

  • Einsamkeit

  • gespannte Beziehungen

  • körperlicher, seelischer oder geistiger Schaden an sich und anderen

  • Kinder, die nicht mehr glauben, was die Eltern lehren

  • Eingreifen des Gesetzes und Verlust persönlicher Freiheit

  • Scheidung

  • Verlust des Arbeitsplatzes

Ärger und Wut verursachen oder verschlimmern auch gesundheitliche Probleme wie Geschwüre, Kopfschmerzen, Herzprobleme, Rückenschmerzen und zu hohen Blutdruck. Diese gesundheitlichen Probleme treten oft auf, wenn Menschen über längere Zeit auf ungesunde Weise mit Ärger oder Wut umgehen.

Arten, Ursachen und Ausdrucksformen von Zorn

Einige setzen Zorn ein, um andere einzuschüchtern und zu beherrschen, sich überlegen zu fühlen und um sich nicht mit Problemen und Pflichten befassen zu müssen. Zorn kann auch von Stolz und Selbstsucht herrühren, wenn jemand zum Beispiel nicht seinen Willen bekommt, oder bei einer Provokation nicht genügend Sanftmut oder Geduld aufbringen kann. Einige Menschen werden zornig, wenn sie frustriert, verletzt oder enttäuscht sind.

Manche Menschen werden schon ohne viel nachzudenken zornig, weil sie sich provoziert fühlen. Diese Art Zorn ist oft schwer zu beherrschen, weil er so plötzlich auftritt. In anderen Fällen baut sich Zorn langsam auf, wenn jemand sich andauernd bedroht, ungerecht oder schlecht behandelt fühlt oder mehrmals provoziert wird. Eine Bedrohung kann physischer oder emotionaler Natur sein. Beispielsweise kann man körperlichen Schaden, Demütigung oder den Verlust des Selbstwertgefühls oder der Wertschätzung anderer befürchten. In all diesen Fällen entscheidet man sich dafür, zornig zu werden.

Das Gefühl, bedroht oder in Gefahr zu sein, beruht oft auf einer verzerrten, übertriebenen oder eingebildeten Wahrnehmung. Zu oft entsteht Zorn dann, wenn jemand die Absicht anderer falsch beurteilt: „Er versucht, mich zu verletzen.“ „Sie hindert mich daran, das zu bekommen, was ich mir wünsche.“ „Meine Gefühle sind ihm egal.“ „Sie benutzt mich nur.“

Wenn man sich bedroht fühlt und auf einen zornigen Menschen reagiert, bereitet man den Körper darauf vor, zu handeln. Der Blutdruck steigt, die Muskeln spannen sich an, man atmet schneller und das Gehirn konzentriert sich darauf, die Bedrohung oder Misshandlung zu beseitigen. Diese Anspannung kann sich mit einem einzigen verbalen oder physischen Ausbruch als Reaktion auf eine wahrgenommene Bedrohung lösen. Oder die Zorn auslösenden Gedanken stauen sich mit der Zeit an, bis der Betreffende schließlich manchmal nur wegen einer Kleinigkeit, die er normalerweise nicht beachten würde, die Beherrschung verliert.

Es gibt drei Arten, mit Zorn umzugehen, die nicht förderlich sind: Aggression, den Zorn nach innen richten und passiv-aggressives Verhalten.

Aggression. Der Zorn wird zum Ausdruck gebracht durch:

  • körperliche Gewalt (schlagen, beißen, treten, prügeln, an den Haaren ziehen, kneifen, dem anderen eine Ohrfeige geben, Eigentum zerstören)

  • emotionale oder verbale Misshandlung (schreien, beschimpfen, fluchen, drohen, beschuldigen, spotten, streiten, provozieren, einschüchtern, manipulieren, erniedrigen)

  • sexuelle Misshandlung und Missbrauch (Vergewaltigung, Inzest, sexuelle Belästigung)

Nach innen richten. Man richtet den Zorn gegen sich selbst, was zur Verunglimpfung der eigenen Person, Depressionen oder selbstzerstörerischem Handeln (Alkoholkonsum, Gebrauch von Drogen, Selbstmordversuche, Selbstverstümmelung) führt.

Passiv-aggressives Verhalten. Der Zorn wird durch indirektes Handeln zum Ausdruck gebracht (Langsamkeit, Verantwortungslosigkeit, Sturheit, Sarkasmus, Unehrlichkeit, Reizbarkeit, Unzufriedenheit, Kritik, Aufschieben).

Ist man sich der verzerrten Wahrnehmung und der dazugehörigen körperlichen Veränderungen bewusst, hat man wichtige Strategien zum Umgang mit Zorn. Der beste Zeitpunkt, den Kreislauf zu durchbrechen, ist dann, wenn man ansteigenden Stress das erste Mal bemerkt. Dann kann man sich näher mit der wahrgenommenen Bedrohung oder Ungerechtigkeit befassen und die Situation besser begreifen.

Wenn man die Situation besser begreift, fühlt man sich nicht mehr so bedroht und die Gefahr, wütend zu werden, verringert sich. Bevor sich Stress anstaut, kann der Betreffende überlegen, wie er besser auf die Bedrohung oder Ungerechtigkeit reagieren kann – eine Reaktion, die eher dazu angetan ist, das Problem zu lösen, statt es eskalieren zu lassen.

Jemand, der gestresst ist, kann auch Situationen meiden, die vermutlich noch mehr Stress verursachen, bis er entspannter ist und sich unter Kontrolle hat. Dann kann er daran arbeiten, die Situation zu meistern, ohne wütend zu werden.

Ohne Zorn leben

Elder Wayne S. Peterson von den Siebzigern hat erklärt, wie das Beispiel des Erlösers die Mitglieder der Kirche dazu inspirieren kann, ihren Zorn und andere emotionale Reaktionen zu mäßigen:

„Christus gibt uns ein vollkommenes Beispiel dafür, wie man in jeder Lebenslage seine Gefühle beherrscht. Als er vor Kajaphas und Pilatus stand, wurde er von seinen Peinigern geschlagen, geohrfeigt, angespuckt und verspottet (siehe Matthäus 26; Lukas 23). Die große Ironie dabei war, dass sie ihren Schöpfer erniedrigten, der das aus Liebe zu ihnen erduldete.

Selbst angesichts dieser ungerechten Misshandlung behielt Jesus die Fassung und weigerte sich, unfreundlich zu handeln. Selbst am Kreuz, als er diese unaussprechlichen Qualen litt, bat er: ‚Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.‘ (Lukas 23:34.)

Das Gleiche erwartet er von uns. Denen, die ihm nachfolgen wollen, hat er gesagt: ‚Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.‘ (Johannes 13:35.)“4

Die folgenden Grundsätze haben vielen geholfen, Probleme im Zusammenhang mit Zorn zu überwinden.

Stellen Sie fest, ob Sie zyklisch zornig werden

Wütendes, gewalttätiges Verhalten verläuft gewöhnlich zyklisch, und der Kreislauf wiederholt sich dann immer wieder. Psychologen haben die einzelnen Phasen dieses Kreislaufs zwar unterschiedlich bezeichnet, aber die wesentlichen Elemente stimmen überein. Die Spezialisten für Aggressionsbewältigung Murray Cullen und Robert Freeman-Longo haben den Kreislauf beschrieben, der weiter unten zusammengefasst ist.5 Die Versuche, seinen Zorn in den Griff zu bekommen, sind in den frühen Phasen des Kreislaufs am erfolgreichsten, bevor der physiologische Druck ansteigt.

Die scheinbar normale Phase. Alles läuft glatt, aber der Zorn lauert unter der Oberfläche und beeinflusst die Lebens- und Denkweise des Betreffenden. Ereignisse oder Situationen lösen umgehend notorisch verzerrte Denkmuster aus. Der Betreffende redet sich heraus und rechtfertigt diese Verzerrungen.

Aufbauphase. Der Betreffende konzentriert sich auf die verzerrten Gedanken, fühlt sich körperlich oder emotional bedroht und fängt an, ärgerlich zu reagieren. Die Gedanken des Betreffenden drehen sich immer wieder um die gleichen Sachverhalte: „Sie muss alles bestimmen“ oder „Ich mache hier die ganze Arbeit“. Körperliche Signale zeigen an, dass der Betreffende zornig wird (Anspannung, Steifheit, Beklemmung, Herzklopfen, schnelles Atmen, ein gereizter Magen oder ein roter Kopf). Der Betreffende fantasiert, schmiedet Pläne, wie er den Zorn herauslassen kann, und gibt einer Sucht nach, die den Zorn noch anschürt (Drogen- oder Alkoholmissbrauch, übermäßiges essen oder arbeiten).

Ausführungsphase. Der Zorn wird an anderen ausgelassen, indem man sie anschreit, sie erniedrigt oder körperlich oder sexuell angreift. Wut kann aber auch nach innen gerichtet werden - in Form von Verunglimpfung der eigenen Person, Selbstmordversuchen oder Alkohol- oder Drogenmissbrauch.

Die Phase der Abwärtsspirale. Der Betreffende fühlt sich schuldig und schämt sich. Es kommt zu einer Verteidigungshaltung; der Betreffende versucht, seinen Zorn zu überdecken, indem er etwas Gutes tut, um zu beweisen, dass er ein guter Mensch ist. Er beschließt, sein Temperament zu zügeln. Wenn der Versuch allmählich im Sande verläuft, verfällt der Betreffende wieder in die scheinbar normale Phase.

Führen Sie ein Wutprotokoll

Wenn man analysiert, unter welchen Umständen man zornig wird und wie man auf diesen Zorn reagiert, kann man lernen, besser mit ihm umzugehen. Eine Möglichkeit, mehr über seinen Zorn herauszufinden, ist ein Wutprotokoll. Nach einem entsprechenden Vorfall kann man das auslösende Ereignis oder die Person aufschreiben, ebenso das Datum und die Intensität des Zorns. Verwenden Sie dabei eine Skala von 1 bis 10, wobei 1 schwach und 10 stark ist. Man sollte auch die Gedanken notieren, die den Zorn genährt haben, wie man mit ihm umgegangen ist (den Erfolg oder das Versagen dabei, ihn unter Kontrolle zu halten), was anscheinend geholfen hat und was man beim nächsten Mal besser machen könnte. Wenn man ein Wutprotokoll führt, wird einem das zyklische Verhalten eher bewusst. Man kann dann den Zorn im Anfangsstadium unterbinden, indem man die Grundsätze aus dieser Lektion anwendet.6

Entschärfen Sie Gedanken, die Zorn hervorrufen

Fachleute für geistige Gesundheit haben wiederholt betont, dass nicht die Ereignisse im Leben einen Menschen negativ beeinflussen; vielmehr hat die Art und Weise, wie er über die Ereignisse denkt, diese negative Wirkung. Viele Menschen leiden unnötig, weil sie die Herausforderungen des Lebens auf verzerrte, negative Weise betrachten. Beispielsweise macht jemand eine kritische Bemerkung, die eigentlich als Hilfe gedacht war. Der Zuhörer interpretiert die Bemerkung fatalerweise ganz falsch: „Er denkt, ich bin dumm. Er versucht, mich zu demütigen und dafür zu sorgen, dass ich schlecht dastehe. Ich werde ihn damit nicht einfach davonkommen lassen.“ Gedanken erzeugen Gefühle, und Gefühle beeinflussen das Verhalten. Die Betreffenden bereiten sich durch falsches Denken selbst Stress und leiden sehr.

In der Veröffentlichung The Feeling Good Handbook stellt der Psychiater David Burns übliche, falsche Denkmuster vor.7 Dazu zählen:

  • Alles-oder-nichts-Denken („Ich habe ihn immer für einen anständigen Mann gehalten. Aber heute hat er sein wahres Gesicht gezeigt.“)

  • vorschnelle Schlüsse ziehen („Sie denkt nur an sich selbst. Meine Gefühle zählen überhaupt nicht.“)

  • positive Erlebnisse außer Acht lassen, während man auf den negativen herumreitet („Hast du gesehen, wie er auf mich losgeht? Und das nach allem, was wir gemeinsam durchgemacht haben. Ich bin ihm egal.“)

In all diesen Beispielen wird verzerrt gedacht, was zu emotionalem Stress und Zorn führt. Um den Zorn zu zügeln, kann man nach anderen Erklärungen für das suchen, was ihn auslöst. Man kann eine verzerrte Denkweise auf den Prüfstand stellen, indem man versucht, das auslösende Ereignis wie ein neutraler Beobachter zu sehen. Wie würde eine Kamera den provozierenden Vorfall aufzeichnen? Würde der Kameramitschnitt die Ereignisse genauso gnadenlos darstellen, wie der zornige Mensch sie auslegt? Normalerweise nicht.

Eine andere Möglichkeit, zu prüfen, ob eine verzerrte Denkweise vorliegt, besteht darin, die Situation aus der Perspektive des anderen zu betrachten. Derjenige, der einen im Straßenverkehr schneidet, könnte beispielsweise einen Termin haben und spät dran sein. Einfühlungsvermögen und Nächstenliebe sind wirksame Mittel zur Vermeidung einer zornigen Reaktion. Man kann sich auch diese beiden Fragen stellen:

  • „Welchen Beweis gibt es dafür, dass meine negativen Gedanken richtig sind?“

  • „Welchen Beweis gibt es dafür, dass meine negativen Gedanken nicht richtig sind?“

Wenn man sich diese beiden Fragen stellt, findet man gewöhnlich wenig Beweise, die eine negative Auslegung untermauern, und es gibt viele Beweise dafür, dass die negative Auslegung von Ereignissen nicht richtig ist. Wenn man sein Denken auf diese Weise beurteilt und korrigiert, beruhigt man sich in der Regel und akzeptiert andere bereitwilliger.

In den seltenen Fällen, in denen eine negative Interpretation richtig ist, muss man sich aber auch eine bessere Reaktion überlegen als den Zorn. Wenn die Versuche, das Problem zu lösen, nicht funktionieren, kann man sich an die Aufforderung des Erlösers halten: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen.“ (Matthäus 5:44.)

Man kann heikle Situationen als Probleme betrachten, die es zu lösen gilt, und nicht als Bedrohungen, die eine drastische Reaktion erfordern. Raymond Novaco von der University of California in Irvine empfiehlt Affirmationen wie die folgenden, um Zorn auslösende Gedanken zu entschärfen:8 „Ich erreiche gar nichts, wenn ich wütend werde. Wenn ich wütend werde, zahle ich einen Preis, den ich nicht zahlen möchte.“ Man kann diese Aussagen in Gedanken wiederholen, wenn man nicht zornig ist, sodass man die Aussagen parat hat, wenn es notwendig ist.

Umgehen Sie Situationen, die Zorn auslösen

Wenn der Zorn zunimmt und im Körper erst einmal eine chemische Reaktion stattfindet, lässt die Fähigkeit, vernünftig mit jemandem zu reden oder das Verhalten zu beobachten, nach. Vielleicht hilft es den Betreffenden, sich ein Thermometer vorzustellen, das ihren Zorn misst. Wenn sie bei 80 Grad die Beherrschung verlieren, können sie lernen, sich aus einer Situation zu entfernen, ehe es so heiß wird. Wenn sie sich aus einer Situation zurückziehen müssen, können sie dem anderen sagen: „Ich werde wütend. Ich brauche etwas Zeit, um mich zu beruhigen.“

Mit einem zuvor vereinbarten Signal wie dem T-Zeichen (time-out), mit dem bei Sportveranstaltungen eine Pause signalisiert wird, kann man das Gespräch beenden. Beide Partner müssen sich bereit erklären, das Signal zu respektieren, wenn es einmal festgelegt ist. Solche Pausen sind sinnvoll, wenn beide Partner sich darauf verlassen können, dass das Gespräch später zu Ende gebracht wird. Mit der Pause können Mann oder Frau einen Zeitpunkt vorschlagen, wann das Gespräch weitergeführt wird – in 30 Minuten, zwei Stunden oder am nächsten Tag.

Finden Sie Tätigkeiten, die Sie beruhigen

Viele Tätigkeiten können einem helfen, sich wieder zu beruhigen, wenn man anfängt, zornig zu werden. Entspannende Tätigkeiten können sein: meditieren, arbeiten, joggen, schwimmen, Musik hören, ein Buch lesen oder beten. Mann und Frau sollten darauf achten, dass sie ihrem Zorn nicht einfach Luft machen oder über den Vorfall oder damit verbundene Ereignisse brüten. Wenn sie eines davon tun, wird ihr Zorn höchstwahrscheinlich eskalieren. Wenn sie den Vorfall in Gedanken immer wieder durchgehen, werden sie höchstwahrscheinlich die Situation immer mehr übertreiben. Wenn man Dampf ablässt, tut man das Gleiche - man rechtfertigt in Gedanken den heftigen Ausdruck seines Ärgers.

Um den Zorn zu zügeln, kann man den Rat von Präsident Boyd K. Packer vom Kollegium der Zwölf Apostel befolgen, der vorschlug, unerwünschte Gedanken durch heilige Musik zu ersetzen: „Wenn die Musik beginnt und wenn Ihnen die Worte ins Gedächtnis kommen, werden sich die unwürdigen [Gedanken] schamerfüllt von der Bühne schleichen. Das Lied verwandelt die ganze Stimmung auf der Bühne. Weil [die Musik] erhebend und rein ist, verschwinden die niedrigen Gedanken, denn so wie Tugend sich nicht mit Schmutz verbinden will, kann das Schlechte seinerseits die Gegenwart des Lichtes nicht ertragen.“9

Sprechen Sie über unterschwellige Gefühle

Zorn wird häufig anstelle von verletzten Gefühlen, Angst, Verlegenheit oder Ablehnung zum Ausdruck gebracht. Einige Menschen zögern, diese Gefühle preiszugeben, weil sie befürchten, damit Schwäche oder Verletzlichkeit zu zeigen. Wenn man über unterschwellige Gefühle spricht, fällt es oft leichter, Konflikte zu lösen. Die anderen sind dann weniger defensiv und eher bereit, an Problemen zu arbeiten, bis sie gelöst sind.

Gefühle wie Kränkung und Angst, die dem Zorn zugrunde liegen, sind oft beschämend und eng mit dem Selbstwertgefühl und Wohlbefinden eines Menschen verbunden. Viele Leute glauben, dass es sicherer ist, zornig zu sein, als diese Gefühle zu zeigen. Wenn man aber ehrlich sagt, wie sich das Handeln anderer auf einen selbst auswirkt, stellt man oft fest, dass andere besser reagieren und Konflikte leichter zu lösen sind. Oft legt sich der Zorn und die Beziehung wird stärker, wie das folgende Beispiel zeigt:

Betty und Mark

Immer wenn Betty zu einem Termin aus dem Haus ging, fürchtete sie Marks zornige Reaktion. Nachdem Mark den Kurs „Zur Stärkung der Ehe“ besucht hatte, fing er an, über die unterschwelligen Gefühle zu sprechen, die mit seinem Zorn zusammenhingen. „Ich habe Angst, dass du mit jemand anders eine Beziehung anfängst und mich verlässt, wie meine Mutter es bei meinem Vater getan hat“, gestand er. Betty versicherte Mark daraufhin ihrer völligen Treue. Mark war beruhigt und unterstützte ihre weiteren Unternehmungen.

Man muss gutes Urteilsvermögen an den Tag legen, wenn man über unterschwellige Gefühle spricht. Beispielsweise könnte man es mit jemandem zu tun haben, der es genießt, andere emotional oder körperlich zu bestrafen. Wenn man in so einem Fall über seinen Schmerz spricht, führt dies vielleicht nur zu weiterer Misshandlung. Dennoch gibt es bessere Reaktionsmöglichkeiten, als sich im Zorn zu revanchieren. Die Ermahnung des Erretters, „Liebt eure Feinde“ (Matthäus 5:44), wurde bereits erwähnt. In einigen Fällen ist es am besten, einer Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen.

Streben Sie nach geistiger Wandlung

Der Vorgang, zu Christus zu kommen, umfasst auch eine geistige Wandlung, die ein friedliches, liebevolles Verhalten zur Folge hat. Elder Marvin J. Ashton vom Kollegium der Zwölf hat erklärt, wenn wir uns wahrhaftig bekehren, ist „unser Verhalten [anderen] gegenüber … zunehmend von Geduld und Güte erfüllt, wir akzeptieren sie behutsam und möchten in ihrem Leben eine positive Rolle spielen.“10

Im Buch Mormon ist eine „mächtige Wandlung“ im Herzen beschrieben, die dadurch zustande kommt, dass man sich bekehrt und Jesus nachfolgt – die Einstellung, „ständig Gutes zu tun“ (Mosia 5:2). Paulus bezeichnet die Früchte des Geistes als „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (Galater 5:22,23). Präsident Ezra Taft Benson hat verheißen, dass man sich ändert, wenn man dem Heiland nachfolgt: „Der Entschluss, Christus nachzufolgen, ist der Entschluss, sich zu ändern. … Kann sich ein Mensch im Herzen ändern? Selbstverständlich! Im Missionswerk der Kirche geschieht das täglich. Es ist eines der häufigsten Wunder Christi in unserer Zeit. Entweder haben Sie es schon erlebt – oder Sie sollten es erleben.“11

Elder L. Whitney Clayton von den Siebzigern hat gesagt, dass das Fasten denjenigen, die bemüht sind, ihr Wesen von Grund auf zu ändern, helfen kann: „Wir müssen auch daran denken, dass aufrichtiges Fasten zu einem starken Glauben beiträgt. Das ist besonders wichtig, wenn wir voller Glauben versuchen, fest verankerte Charakterschwächen abzulegen, die nur durch Fasten und Beten überwunden werden können. [Matthäus 17:21; siehe auch Markus 9:29.]“12

Verhindern Sie Rückfälle

Rückfälle vermeidet man, indem man den Kreislauf des Zorns durch Änderung der Gedanken und des Verhaltens durchbricht oder indem man mit anderen Strategien, die man entwickelt, eingreift. Interventionsstrategien sind eine Alternative zur Entstehung von Zorn. Bei den Präventionsmaßnahmen und Interventionsstrategien können auch Angehörige, Freunde, Mitarbeiter, der Bischof oder der Kursleiter helfen. Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung von Rückfällen funktionieren gewöhnlich am besten in den ersten beiden Phasen des Kreislaufs – der scheinbar normalen Phase und der Aufbauphase. Der Betreffende lernt, Risikofaktoren (Ereignisse oder Gefühle, die Zorn auslösen) zu erkennen und so zu reagieren, dass der Kreislauf unterbrochen und ein Rückfall vermieden wird. Nachfolgend finden Sie ein Beispiel dafür, wie man einen Rückfall vermeiden kann.

Die scheinbar normale Phase

Der Betreffende erkennt, dass er ein Problem mit dem Zorn hat, geht jedoch auf gesunde Weise damit um. Er ist sich der Auslöser des Zorns bewusst und verwendet Strategien, um damit zurechtzukommen oder Zorn zu vermeiden; er meidet hochriskante Situationen, macht Entspannungsübungen oder eine Pause. Er bemüht sich aktiv darum, die Konflikte und Probleme, die zum Zorn führen, zu lösen.13

Die Aufbauphase und Interventionsmaßnahmen

Der Betreffende verwendet neue Strategien, um das Ausmaß und die Intensität des Zorns zu begrenzen. Er berichtigt und ersetzt negative Gedanken durch positive Aussagen („Ich kann das schaffen“ oder „Ich kann für dieses Problem andere Lösungen finden“). Der Betreffende gesteht sich die schmerzlichen Gefühle, die hinter dem Zorn stecken, ein und erkennt, dass diese Gefühle normal sind. Er stellt das Suchtverhalten ein, wozu auch gehört, dass er sich nicht ausmalt, dieses Verhalten in die Tat umzusetzen, oder plant, zornigen Gefühlen Luft zu machen. Er bespricht die Probleme oder schreibt sie auf, wenn die Situation nicht zu ändern ist. Der Betreffende setzt Energie frei, indem er sich körperlich betätigt, und baut Selbstvertrauen auf, indem er etwas tut, was ihm Freude macht. Er bemüht sich um eine geistige Neugeburt.14

Der Friede Gottes

Der Apostel Paulus hat vom Frieden Gottes gesprochen, der „alles Verstehen übersteigt“ (Philipper 4:7). Diejenigen, die mit Zorn zu kämpfen hatten und ihn erfolgreich überwunden haben, wissen, wie befreiend es ist, von diesem Gefühl frei zu sein und Frieden zu verspüren. Jemand hat es einmal so beschrieben: „Ich ging immer mit dem Wunsch umher, jeden zu verletzen, den ich sah. Zorn beherrschte mein Leben. Als ich Evangeliumsgrundsätze anwandte und lernte, anders zu denken und andere in einem besseren Licht zu sehen, schwand mein Zorn. Jetzt kann ich es genießen, mit anderen zusammen zu sein. Ich habe mein Leben wieder.“

Anmerkungen

  1. Der Stern, Juli 1991, Seite 71

  2. Der Stern, Juli 1998, Seite 92

  3. Liahona, Januar 2002, Seite 60

  4. Liahona, Januar 2002, Seite 97

  5. Siehe Men and Anger: Understanding and Managing Your Anger, Holyoke, Massachusetts, NEARI Press, 2004, Seite 67ff. ISBN# 1-929657-12-9.

  6. Nach dem Wutprotokoll von Cullen und Freeman-Longo, Men and Anger, Seite 31f.

  7. The Feeling Good Handbook, überarbeitete Ausgabe, New York, Plume, 1999, Seite 8f.

  8. Siehe Raymond Novaco, Anger Control: The Development and Evaluation of an Experimental Treatment, Lexington, Massachusetts, Lexington Books, 1975, Seite 7, 95f.

  9. Herbst-Generalkonferenz 1973; siehe auch Der Stern, März 1990, Seite 43

  10. Siehe Der Stern, Juli 1992, Seite 19

  11. Der Stern, Oktober 1989, Seite 2, 5

  12. Liahona, Januar 2002, Seite 32

  13. Siehe Men and Anger, Seite 70f.

  14. Siehe Men and Anger, Seite 72ff.

Ich Analysiere Den Kreislauf Meines Zorns

Beschreiben Sie die typischen Situationen, die bei Ihnen Zorn auslösen (zum Beispiel: mein Partner streitet mit mir, das Konto ist überzogen, im Haus herrscht Unordnung):

Beschreiben Sie die Gedanken oder Rechtfertigungen, die ihren Zorn nähren (zum Beispiel: Meine Frau kümmert sich um niemanden außer sich selbst; mein Mann ist total unzuverlässig):

Beschreiben Sie die Gefühle, die Ihrem Zorn zugrunde liegen (beispielsweise nicht respektiert, benutzt oder ignoriert werden):

Beschreiben Sie die körperlichen Anzeichen dafür, dass Sie wütend werden (zum Beispiel Schweiß auf den Handflächen, schneller Herzschlag, Angespanntheit, Gereiztheit):

Beschreiben Sie, wie Sie Ihren Zorn nähren (zum Beispiel immer wieder an die Beleidigung denken, sich weigern, darüber zu sprechen, Alkohol trinken):

Beschreiben Sie, wie Sie Ihren Zorn ausleben (Ihr schlimmstes Verhalten eingeschlossen):

Beschreiben Sie Ihre Gedanken, Ihre Gefühle und Ihr Verhalten, nachdem Sie Ihrem Zorn Luft gemacht haben (zum Beispiel Erleichterung, Schuldgefühle, Kummer, Reue):

Beispiel Für Ein Wutprotokoll

Erforderliche Angaben

Situation A

Situation B

Datum und auslösendes Ereignis oder auslösende Person:

19.10. Streit mit dem Ehemann.

20.10. Kinder benehmen sich daneben

Intensität meines Zorns:

schwach

heftig

schwach

heftig

1

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6

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8

9

10

1

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4

5

6

7

8

9

10

Gedanken, die meinen Zorn nährten:

Er ist ein blöder Kerl. Ich bin ihm egal.

Die Kinder hören nie auf mich. Sie respektieren mich nicht.

Gefühle, die meinem Zorn zugrunde lagen:

ungeliebt, ignoriert, nicht geschätzt

benutzt, ignoriert

Wie ich mit meinem Zorn umgegangen bin:

Ihn angeschrien; ihn als blöden Kerl bezeichnet.

Ihnen ruhig gesagt, dass sie in ihr Zimmer gehen sollen, bis sie sich benehmen können.

Selbstgespräch im Umgang mit Zorn:

Er verdient es, bestraft zu werden. Er hat mich verletzt. Ich zahle es ihm nur zurück.

Es sind doch Kinder. Sie versuchen nicht, sich mir zu widersetzen.

Erfolg bei der Beherrschung meines Zorns:

kein Erfolg

großer Erfolg

kein Erfolg

großer Erfolg

1

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6

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8

9

10

1

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8

9

10

Was zu helfen schien:

Nichts, was ich gemacht habe, hat geholfen. Es ist alles nur noch schlimmer geworden.

Eine Auszeit genommen; spazieren gegangen und dann mit den Kindern gesprochen.

Unterdrückter, ausgelebter oder aufgelöster Zorn:

Gefühl der Niedergeschlagenheit nach meinem Ausbruch

meine Frustration in Worte gefasst

Was ich das nächste Mal besser machen will:

nicht reagieren; mich beruhigen, bevor ich spreche

Nichts. Ich habe es diesmal gut gemacht.

Nach Murray Cullen und Robert E. Freeman-Longo, Men and Anger: Understanding and Managing Your Anger, Holyoke, Massachusetts, NEARI Press, 2004, Seite 33f.; ISBN# 1-929657-12-9.

Wutprotokoll

Erforderliche Angaben

Situation A

Situation B

Datum und auslösendes Ereignis oder auslösende Person:

Intensität meines Zorns:

schwach

heftig

schwach

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Gedanken, die meinen Zorn nährten:

Gefühle, die meinem Zorn zugrunde lagen:

Wie ich mit meinem Zorn umgegangen bin:

Selbstgespräch im Umgang mit Zorn:

Erfolg bei der Beherrschung meines Zorns:

kein Erfolg

großer Erfolg

kein Erfolg

großer Erfolg

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Was zu helfen schien:

Unterdrückter, ausgelebter oder aufgelöster Zorn:

Was ich das nächste Mal besser machen will:

Nach Murray Cullen und Robert E. Freeman-Longo, Men and Anger: Understanding and Managing Your Anger, Holyoke, Massachusetts, NEARI Press, 2004, Seite 33f., 117. ISBN# 1-929657-12-9.

Mein Plan Zur Verhinderung Von Rückfällen

Normale Phase

Wutauslöser:

Strategien, wie ich mit Zorn umgehe oder ihn vermeide:

Maßnahmen zur Lösung von Problemen, die zu Zorn führen:

Die aufbauphase und interventionsmassnahmen

Wutauslöser:

Strategien, wie ich mit Zorn umgehe oder ihn vermeide: