2020
Die wichtigste Aufgabe
September 2020


Die wichtigste Aufgabe

Die Verfasserin lebt in Utah.

„Ich aber bin unter euch wie der, der bedient.“ (Lukas 22:27)

Bild
The most important job

Amelia besuchte ihre Oma gern. Sie spielte dort mit den Stofftieren oder kuschelte sich in die große, weiche Decke ihrer Oma. Heute war sie aber nicht dort, um zu spielen. Heute wollte sie helfen.

Auf dem Weg zur Oma besprachen Amelias Schwestern, welche Aufgaben sie dort erledigen wollten.

Sarah wollte fegen. Emily wollte wischen. Und ihre Mutter hatte Alyssa gebeten, die Fenster zu putzen.

„Und ich?“, fragte Amelia. „Soll ich Staub wischen?“

„Für dich habe ich eine ganz besondere Aufgabe“, sagte Mama. „Hör gut zu.“

Amelia wartete. „Gut, ich hör ja zu. Was soll ich machen?“

„Genau das ist deine Aufgabe“, sagte Mama und lachte. „Du sollst zuhören. Setz dich zu Oma und hör zu, während sie erzählt. Das ist die vielleicht wichtigste Aufgabe heute!“

Zuhören? Das sollte die wichtigste Aufgabe sein?, fragte sich Amelia. Staub wischen – das klang eher nach einer richtigen Aufgabe. Amelia wollte es aber versuchen.

Oma freute sich sehr, sie alle zu sehen. Jeder nahm sich seine Aufgabe vor. Amelia setzte sich neben Oma aufs Sofa. Sie entdeckte einen Stoffhasen in der Ecke. „Der Hase gefällt mir“, sagte sie.

Oma lächelte. „Hab ich dir jemals von meinem Bruder Mel und dem Häschen erzählt?“

Amelia war überrascht. „Ein echtes Häschen?“

Oma nickte. „Mel hatte es gefunden. Es hatte keine Eltern mehr. Er hat es in sein T-Shirt gekuschelt, damit es sicher ist.“ Dann erzählte Amelias Oma ihr von dem Gehege, das Mel gebaut hatte.

Daraufhin musste Oma an weitere Geschichten denken. So erzählte sie Amelia von einem Hauskalb namens Sternchen. Sie war viel auf Sternchens Rücken geritten! Amelia musste kichern, als sie sich vorstellte, dass ihre Oma auf einer kleinen Kuh umherritt. Es war gar nicht so einfach, sich Oma als kleines Mädchen vorzustellen.

Oma hörte gar nicht mehr auf zu reden. Noch einmal erzählte sie die Geschichte vom Häschen. Ein andermal unterbrach sie eine Geschichte und begann wieder ganz von vorn.

Amelia wollte ja weiter zuhören, aber sie wurde müde. Ihre Mutter und ihre Schwestern waren noch am Schuften.

Es war schwer, stillzusitzen und zuzuhören! Aber Oma lächelte vor sich hin. Sie schien froh, diese Geschichten erzählen zu können.

Ein paar Minuten später kam Mama ins Zimmer. „Wir sind fertig! Wir können heimfahren.“

„Das war wirklich schön“, sagte Oma zu Amelia. „Ich bin gern mit dir zusammen!“

Amelia umarmte ihre Oma fest. Sie sah Tränen in Omas Augen.

„Was ist denn los?“, fragte sie.

„Gar nichts“, erwiderte Oma. „Danke, dass du mit mir gesprochen hast. Ich hab dich lieb.“

Amelia wurde ganz warm ums Herz. „Ich hab dich auch lieb“, sagte sie. „Ich besuche dich bald wieder!“

„Und wie war es, Oma zuzuhören?“, fragte Alyssa auf dem Heimweg.

„Schwerer als ich dachte. Ich glaube, ich war mit dem Zuhören schneller fertig als Oma mit dem Geschichten erzählen!“

„Du hast das ganz toll gemacht“, lobte Mama sie.

„Danke!“, sagte Amelia. „Es waren allerdings auch ganz lustige Geschichten dabei. Wusstet ihr, dass Oma mal ein Hauskalb hatte?“

„Was denn, eine kleine Kuh?“, fragte Sarah.

„Ja!“, nickte Amelia. „Oma ist auf ihr umhergeritten. Sie hieß Sternchen.“

Amelia erzählte ihnen auch die anderen Geschichten ihrer Oma. Es war toll, dass sie so viel über sie erfahren hatte.

Emily grinste. „Vielleicht können wir nächstes Mal unsere Aufgaben tauschen. Ich möchte ihr auch mal zuhören!“ ●