2019
Zuckerbrot und Ehrlichkeit
April 2019


Zuckerbrot und Ehrlichkeit

Die Verfasserin lebt in Colorado.

„Jedermann soll ehrlich handeln.“ (Lehre und Bündnisse 51:9)

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Sweet Honesty

„Pass bitte auf deinen Bruder auf“, sagte Mama. „Papa und ich müssen weg und jemandem helfen, der krank ist.“

Ich fegte gerade den Boden unseres Häuschens. Nun sah ich auf und nickte. Mama war die FHV-Leiterin und sie besuchte oft Schwestern aus unserer Gemeinde.

„Danke, Alina“, sagte Mama und gab mir einen Kuss aufs Haar. „Jonas schläft. Und auf der Arbeitsplatte steht Brotteig, der noch gehen muss. Geh da bitte nicht dran.“

Ich sah durch die Tür, wie sie und Papa mit dem Wagen unsere staubige Straße hinunterfuhren. Ich war stolz darauf, dass Mama mir vertraute.

Als ich die Küche fegte, machte ich eine kleine Pause, um mir den Brotteig anzuschauen. Ich konnte es kaum erwarten, bis Mama ihn heute Abend backen würde. Normalerweise aßen wir das frische Brot mit selbstgemachter Marmelade. Aber wir hatten vor drei Monaten unsere letzte Marmelade aufgebraucht.

Marmelade! Der Gedanke machte mir Appetit auf etwas Süßes. Ich sah zum Zuckerbehälter hoch, er stand weit oben auf dem Regal. Ich wusste, dass Mama den Zucker aufsparte, um noch mehr Marmelade kochen zu können.

Aber je mehr ich an den Zucker dachte, desto hungriger wurde ich. Schließlich zog ich einen Stuhl an die Arbeitsplatte heran und streckte mich nach oben. Meine Finger reichten nur ganz knapp an den Zuckerbehälter heran. Ich zog ihn näher an die Regalkante …

Und dann rutschte die Dose vom Regal! Ich versuchte sie zu fangen, aber sie fiel mit einem lauten Plumps mitten in den Brotteig. Der Zucker wurde auf dem ganzen Brot, der Arbeitsplatte und dem Boden verstreut.

„O nein!“, schrie ich. Davon wachte mein kleiner Bruder auf. Er fing an zu weinen. Mir war auch zum Weinen zumute. Was würde Mama wohl zu diesem Schlamassel sagen?

Nachdem ich Jonas beruhigt hatte, tat ich mein Bestes, den Zucker zu beseitigen. Ich zog den Behälter aus dem Teig und wusch ihn. Ich wischte den Zucker von der Arbeitsplatte und dem Boden. Aber ich konnte den Zucker nicht aus dem Teig entfernen.

Ich dachte darüber nach, den Behälter wieder aufs Regal zu stellen. Vielleicht würde Mama gar nicht bemerken, dass er leer war. Aber ich wusste, dass das nicht richtig war. Also stellte ich den Behälter auf den Tisch und wartete, dass Mama und Papa nach Hause kamen.

Als sie zur Tür hereinkamen, bemerkte Mama die Zuckerdose sofort.

Ich holte tief Luft. „Ich wollte nur ein kleines bisschen Zucker naschen. Aber dann ist mir die Dose vom Regal gefallen. Ich hab versucht, alles sauber zu machen, aber ich konnte den Zucker nicht aus dem Brotteig herausbekommen.“ Ich schaute zu Boden, während die Worte aus mir heraussprudelten.

Mama schwieg einen Augenblick.

„Es tut mir so leid“, flüsterte ich.

Mama seufzte. „Tja, dann wird das Brot heute wohl besonders süß sein“, sagte sie. Ich blickte auf. Sie lächelte ein wenig. „Danke, dass du uns das erzählt hast.“

Als wir an diesem Abend das zuckrige Brot aßen, sprachen Mama, Papa und ich über Ehrlichkeit.

„Jeder von uns macht viele Fehler“, sagte Papa. „Wenn wir aber ehrlich sind und uns bemühen umzukehren, sind der Vater im Himmel und Jesus froh. Wir werden immer dafür gesegnet, wenn wir ehrlich sind – auch wenn es erst einmal schwierig erscheint.“

Ich war immer noch traurig, dass ich den Zucker verschüttet hatte. Ich wusste, dass wir deswegen dieses Jahr wahrscheinlich weniger Marmelade als sonst haben würden. Aber ich war froh, die Wahrheit gesagt zu haben. In mir machte sich ein köstliches Gefühl breit – fast wie ein süßer Geschmack, aber viel besser als Zucker.