2006
Platz für drei
Dezember 2006


Platz für drei

„Seid einander in brüderlicher Liebe zugetan.“ (Römer 12:10)

Nach einer wahren Begebenheit

Brent lief die Treppen hinunter, seine kleine Schwester, Lindsey, war ihm dicht auf den Fersen. „Mama!“, rief Brent. „Lindsey lässt uns einfach nicht in Ruhe!“

Brents bester Freund, Clint, war zum Spielen gekommen. Die Jungen spielten mit Brents Feuerwehrauto und löschten Feuer in den Wolkenkratzern, die sie mit Bausteinen errichtet hatten. „Lindsey möchte immer das tun, was wir tun“, sagte Brent. „Warum kann sie nicht woanders hingehen?“

„Brent, bitte sei nett zu deiner Schwester. Sie möchte doch nur mit dir zusammensein“, entgegnete Mama.

„Aber Mama, sie läuft uns immer hinterher. Kann sie nicht für eine Weile etwas anderes tun?“

„Wie wäre es, wenn wir gemeinsam etwas ausmalen, Lindsey?“, fragte Mama. Lindsey nickte.

„Danke, Mama“, sagte Brent und ging wieder nach oben.

„Denk dran, Brent“, rief ihm Mama nach, „du musst mit Clint in knapp einer Stunde zur Probe für die Weihnachtsaufführung.“

„In Ordnung, Mama“, antwortete Brent.

„Mama, warum kann Brent mich nicht leiden?“, fragte Lindsey mit Tränen in den Augen.

„Er kann dich leiden“, sagte Mama. „Doch manchmal möchte er nur mit seinen Freunden zusammen sein. Brent hat dich sehr lieb, auch wenn er es nicht immer zeigt.“

Etwas später fuhr Mama Brent und Clint zur Probe für die Weihnachtsaufführung in die Kirche. Brent war aufgeregt. Dieses Jahr sollte er Josef spielen. In den vorangegangenen Jahren war er immer ein Schaf, ein Hirte oder ein Sterndeuter gewesen. Das war schön gewesen, doch diesmal würde es besser werden als je zuvor.

„Gut, jetzt proben wir die Szene mit den Herbergen“, sagte Bruder Mitchell. „Josef und Maria, nehmt eure Plätze ein. Herbergsbesitzer, euer Auftritt!“

Die PV-Kinder nahmen rasch ihre Plätze auf der Bühne ein, während Josef und Maria sich der ersten Herberge nahten.

„Haben Sie ein Zimmer, in dem wir übernachten können?“, fragte Brent. „Meine Frau bekommt bald ein Baby, und sie braucht einen Platz, an dem sie sich ausruhen kann.“

„Es tut mir leid. Wir haben keinen Platz“, sagte der Herbergsbesitzer.

„Gehen wir weiter, Maria. Versuchen wir es woanders“, sagte Brent. Sie gingen zum nächsten Herbergsbesitzer. „Guten Tag, mein Herr. Wir sind weit gereist, und meine Frau bekommt schon bald ein Baby. Haben Sie einen Platz, an dem wir bleiben können?“

„Nein, wir sind voll belegt. Wir haben keinen Platz.“

Brent ging zum nächsten Herbergsbesitzer und klopfte an die Tür, dann zum nächsten und immer weiter. Die Antwort fiel immer gleich aus.

„Wir haben keinen Platz.“

„Kein Platz.“

„Kein Platz.“

„Es tut mir leid, Maria“, sagte Brent. „Hier versuchen wir es ein letztes Mal.“ Er wandte sich um und klopfte an die Tür. „Bitte, mein Herr, wir sind weit weg von zu Hause. Wir können nirgendwo bleiben, und meine Frau bekommt schon bald ein Baby. Wir haben bei jeder Herberge in der Stadt nachgefragt. Haben Sie einen Platz, wo wir bleiben können?“

„Es tut mir Leid. Bei uns ist alles belegt.“

Langsam wandten sich Josef und Maria ab, sie sahen traurig aus. „Es tut mir leid, Maria“, setzte Brent an. „Ich weiß nicht, was …“

„Wartet! Wartet einen Augenblick,“ rief ihnen der Herbergsbesitzer nach. „Vielleicht habe ich doch einen Platz. Kommt mit.“ Der Herbergsbesitzer führte sie in den Stall mit Kühen, Schafen und anderen Tieren. „Es ist nicht viel, aber wenn ihr wollt, könnt ihr hier bleiben.“

„Das ist großartig,“ sagte Brent dankbar. „Haben Sie vielen, vielen Dank.“

* * * *

Ein paar Tage später war Clint wieder bei Brent zu Besuch. Sie spielten in einer großen Kiste; sie stellten sich vor, sie sei eine Festung, die sie vor Angreifern schützte. Doch Lindsey ließ sie nicht in Ruhe. Sie fragte, ob sie auch hineinkommen dürfe.

„Lindsey, warum gehst du nicht und tust etwas anderes? Siehst du nicht, dass hier kein Platz für …“, Brent hielt mitten im Satz inne. Er dachte an die Worte, die er nur ein paar Tage zuvor gehört hatte: „Kein Platz, kein Platz, kein Platz.“ Er dachte an Josef und Maria und an das Jesuskind, die ihnen allen so viel bedeuteten. Dann schaute er seine kleine Schwester an.

„Es tut mir leid, Lindsey. Natürlich haben wir Platz für dich. Es gibt immer Platz für drei.“