Blickt empor und strebt vorwärts!
„ Eine Frau in Gottes Bund zu sein ist eine heilige Berufung. Die Bündnisse müssen uns adeln und uns als Inspiration und Ansporn dienen.”
Als meine vier Söhne noch zu Hause waren, haben mein Mann und ich an vielen Sommertagen mit ihnen Wanderungen unternommen, am liebsten in den Bergen. Es machte uns Freude, zuerst den steilen Aufstieg zu bewältigen und dann den herrlichen Augenblick zu erleben, wenn uns, wie es schien, die Welt zu Füßen lag. Wir ließen den Blick über den ganzen Horizont schweifen und genossen den Anblick anderer Gipfel und Täler.
Eines der größten Abenteuer in meinem Leben war der Tag, an dem wir nacheinander drei Pässe erstiegen. Schon früh am Morgen machten wir uns auf, stiegen höher und höher. Der Anstieg war lang und anstrengend. Doch bot jeder neue Punkt majestätische Ausblicke, ungeahnte Schönheiten. Ich war von dem, was ich sah, so erfüllt, daß alle Müdigkeit von mir abfiel. Nie werde ich vergessen, mit wieviel Ehrfurcht und dem Gefühl, etwas vollbracht zu haben, ich dort auf dem Gipfel stand und in die weite, wunderschöne Welt hinausblickte.
Heute, meine lieben Schwestern in der Frauenhilfsvereinigung, reichen wir uns rund um die Welt die Hände, wenn wir nun auf einem Gipfel anderer Art stehen. Von diesem Höhepunkt der 150 Jahre FHV
blicken wir auf den reichen Ertrag an Nächstenliebe, der in 135 Ländern aus den Samenkörnern des Glaubens erwachsen ist. Es ist solch eine Befriedigung zu sehen, wie Zeugnisse gewonnen, einzelne Menschen gesegnet werden, wie Nächstenliebe sich entfaltet und umgesetzt wird, wie sich Familien festigen und mehr als drei Millionen FHV-Mitglieder sich an ihrer Schwesternschaft erfreuen.
Vielleicht sehen Sie die Welt tatsächlich von einem Gipfel, vielleicht von einer Kuppe im flachen Grasland oder einem Sandhügel in der Wüste. Vielleicht von Ihrem Lieblingsplatz am Strand oder der eisigen Zinne eines schneebedeckten Berges. Vielleicht von der obersten Stufe des Aufgangs zu Ihrem Haus. Wie auch immer - heute fordere ich Sie auf, stellen Sie sich mit mir Arm in Arm hin, und blicken Sie nach oben! Laßt uns miteinander neue geistige Höhen erklimmen. Wir wollen Jesajas Worte widerhallen lassen: „Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen.” (Jesaja 2:3.) Heute fordere ich Sie auf, machen Sie mit mir eine geistige Reise, die unserer höchsten Anstrengungen wert ist. Ich fordere Sie auf, streben Sie mit mir vorwärts, damit wir unvergleichliche Höhen persönlicher Geistigkeit erreichen. Laßt uns unsere Sicht klarer und unser Herz stärker machen. Laßt uns „Die Liebe hört niemals auf” zu einem Wahlspruch von so persönlicher Bedeutung machen, daß die ganze Welt durch uns gesegnet wird, durch uns Töchter Gottes und Schwestern der Frauenhilfsvereinigung.
Diese Sendung vereint uns wie nie zuvor. Noch nie zuvor waren die Frauen Zions miteinander so eng verbunden. Das erinnert uns sinnbildlich daran, daß uns der größte Anlaß zusammenführt, den es gibt, nämlich das Evangelium Jesu Christi. Als junges Mädchen, am Fuß der kanadischen Rocky Mountains aufgewachsen, habe ich mir oft vorgestellt, wie ich die fernen Gipfel ersteigen würde. Heute, wo wir auf allen Kontinenten der Erde buchstäblich miteinander
verbunden sind, ersteigen wir weit höhere Berge als die, die ich damals sah.
Schwestern, wir sind das Bundesvolk und haben den Vorteil, jetzt zu leben, wo wir uns ernsthaft für das Zweite Kommen des Erretters bereitmachen können. Ich bete, wir mögen uns täglich darüber freuen, daß wir zu einer Zeit leben, wo wir durch die Taufe und im Tempel Bündnisse schließen können. Mir geht es so wie Jakob, meine Seele „erfreut sich an den Bündnissen des Herrn, … meine Seele erfreut sich an seiner Gnade und seiner Gerechtigkeit und Macht und Barmherzigkeit im großen und ewigen Plan der Befreiung vom Tod”. Eine Frau in Gottes Bund zu sein ist eine heilige Berufung. Die Bündnisse müssen uns adeln und uns als Inspiration und Ansporn dienen. Wenn wir die Bündnisse besser begreifen, hebt sich unser Blick, und wir sehen, was uns erwartet. Wenn wir wahre Nachfolgerinnen Jesu Christi sind, können wir Töchter Gottes werden, die, „wenn er erscheinen wird, so sein werden wie er - denn wir werden ihn sehen, wie er ist” (Moroni 7:48).
In diesem Bestreben, unser Bestes zu vollbringen, sind wir wie Saria, die mit Lehi und ihren Kindern auf das Gebot des Herrn hin aus Jerusalem wegzog. Wir nehmen unsere „Familie sowie Vorräte” und ziehen durch die Wildnis (l Nephi 2:4). Wir „danken dem Herrn, unserem Gott” (l Nephi 2:7). Manchmal grämen wir uns, weil liebe Menschen ihr Herz verhärtet haben. Gelegentlich sind wir „voller Freude und … überaus froh” (l Nephi 5:1). Ein andermal ermahnen wir mit allem Gefühl einer liebevollen Mutter, seien wir die leibliche Mutter oder nicht (l Nephi 8:37). Wir arbeiten. Wir haben mit Konflikten zu tun. Wir trachten nach Glauben. Wir erleiden alles (l Nephi 17:20). Und doch gehen wir, wie Saria, der Erhöhung entgegen, dem eigentlichen verheißenen Land.
Sie erinnern sich, daß während Lehis und Sarias Wanderung Nephi seinen Bogen zerbrach. Er wurde angewiesen, „auf den Gipfel des Berges” zu steigen (l Nephi 16:30), um für seine Familie Nahrung zu beschaffen. Ob er da oben wohl auch Halt machte, wie ich es so oft in luftiger Höhe getan habe, um sich umzusehen und festzustellen, wie weit sie gekommen waren und in welcher Richtung sie weiterziehen mußten?
Liebe Schwestern, von meinem Standpunkt aus sehe ich, wie gut Sie sind und welche Möglichkeiten Sie haben. Ich weiß, daß Sie Schwierigkeiten haben. Ich sehe auch, wie weit Sie schon gestiegen sind und welche Höhen Sie erreicht haben. Ich spüre, wie lieb der Erretter Sie hat und wie lieb Sie ihn haben. Der Herr selbst hat verheißen: „Ich werde vor eurem Angesicht hergehen. Ich werde zu eurer rechten Hand sein und zu eurer linken, und mein Geist wird in
eurem Herzen sein und meine Engel rings um euch, um euch zu stützen.” (LuB 84:88.) Mit dieser Verheißung können wir weitergehen. Mit dieser Zusicherung werden wir uns zu ungeahnter geistiger Höhe aufschwingen.
Eine Gemeinde-FHV-Leiterin erzählte mir von der Reaktion einer Stadtbeauftragten, die gebeten hatte, man möge den Schwestern mitteilen, daß ihre Hilfe erwünscht sei. Die Leiterin sagte ohne Aufhebens, daß jede FHV in der Kirche ohnehin ein Hilfsprojekt unternehme. Die Beauftragte sagte: „Wie, Sie sagen, daß 18000 Einheiten Ihrer Frauen Vereinigung jeweils etwas für ihre Wohngemeinde tun? Da werden Sie die Welt verändern!”
Wir werden die Welt verändern, und zwar zum Besseren. Denn diese Reise in große Höhen ist keine gewöhnliche Reise, ebensowenig wie Sarias Reise es war. Wir trachten danach, uns selbst zu ändern und noch treuere Nachfolgerinnen unseres Herrn und Erretters zu werden. Wir werden unseren Blick zu den Bergen heben und unbeirrt der Erhöhung entgegengehen.
Und wie werden wir diesen Berg erklimmen? Voller Glauben, Schritt um Schritt. Ich habe eine gute Freundin, mit der ich im Lauf der Jahre oft meine schwerwiegendsten Sorgen besprochen habe. Besonders wenn ich eine neue Aufgabe vor mir habe und unsicher bin, sagt sie unweigerlich und begeistert: „Wie aufregend! Elaine, das kannst du sicher!” Ich bin für ihr Vertrauen dankbar. Schwestern, Ihnen sage ich heute: Sie können das sicher! Wir bauen das Reich Gottes auf - einen Menschen nach dem anderen, eine Familie nach der ändern. Verheiratet, alleinstehend, alt, jung, Mutter oder nicht wir werden beweisen, daß Eliza R. Snow, eine inspirierte FHV-Führerin der Anfangszeit, recht hatte: „Keine Schwester ist so isoliert und ihr Umkreis so eingeengt, daß sie nicht zur Errichtung des Gottesreiches auf der Erde ein gut Teil beitragen könnte.” (Wbmen’s Exponent, 15. September 1873, Seite 62.) Wir errichten das Gottesreich, wenn wir unser Zuhause mit Glauben erleuchten, ob wir nun allein leben oder das Haus voller Kinder haben.
Für viele ist der schwierigste Berg, den es zu ersteigen gilt, in der eigenen Familie. Wir streben doch danach, eine ewige Familieneinheit zu bilden, und deshalb müssen wir die Familie sehr hoch bewerten. Liebe Schwestern, bleiben Sie Ihrem Ehemann nah, ebenso Ihren Kindern, Ihren Eltern, Ihren Geschwistern und denen, die für Sie wie Angehörige sind, weil sie sich Ihnen eng angeschlossen haben. Betrachten Sie sie als Mitreisende.
Ein Frau mit starkem Glauben schloß sich der Kirche an. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten zog sie von ihrer Familie und ihrer Heimat fort. Ihre Reise führte sie in die Weite, aber ihr Glaube noch mehr. Als sie schon im Rentenalter war, wurde sie als Gemeinde-FHV-Leiterin berufen. Die Berufung brachte lebenslange Erfahrung und Kenntnis zum Vorschein. Sie war so von liebevollem Glauben beseelt, daß die Schwestern ihrer FHV sich erfaßt fühlten, wenn die Frau sie - körperlich und geistig - umarmte. Eine junge Mutter fragte, wie sie zu solch strahlendem Glauben gekommen sei. Ihre Antwort war: „Den Problemen den Rücken kehren und nach dem Licht Ausschau halten.” Schwestern, wenn wir die Berge ersteigen, besonders die zu Hause, wollen wir zum Herrn aufblicken, denn er ist das Licht. Zeigen Sie dieses Licht Ihrer Familie und allen, die sich Ihnen zugehörig fühlen, denn das Gestrüpp zu unseren Füßen wird uns hemmen, und manch ein Hindernis kann uns verletzen. Aber das Licht, warm und stetig, lockt uns an. Folgen Sie ihm: Ihre Anfechtungen sind Wirklichkeit, aber der Herr ebenso. Entzünden Sie zu Hause eine Fackel des Glaubens und lassen Sie sie hell brennen, auch wenn die Nacht lang und die Reise schwierig ist.
Wir ersteigen unseren Gipfel mit Mut, denn er ist ein mächtiges Werkzeug. Mit ihm können wir Stufen in den Felsen hauen und fest stehen, selbst wenn vieles trügerisch ist. Ich sehe soviel Mut in Ihnen. Sie gehen kilometerweit in die Kirche. Sie bauen ein Haus wieder auf, das vom Hochwasser beschädigt wurde. Sie gehen zur Schule, manchmal mit dem Pult über dem Kopf. Sie gehen sparsam mit dem Geld um, so daß Sie die Ihren ernähren können. Sie bieten dem Tod die Stirn, überleben die Dürre und sind nach der Scheidung versöhnlich. Sie tun Umkehr, wenn das notwendig ist. Sie legen alte Gewohnheiten ab und ersetzen Sie durch das Evangelium. Sie zahlen den Zehnten, auch wenn die Kinder Schuhe brauchen. Sie durchstehen den Winter ohne warme Kleider. Sie ziehen Ihre Kinder allein auf. Sie nehmen eine Berufung in der Kirche an, auch wenn Sie nicht wissen, was Sie tun sollen. Sie arbeiten, um von sich selber ein gutes Gefühl zu haben, auch wenn Sie sich so unvollkommen fühlen. Sie gehen auf jemanden zu, der Ihnen nicht einmal die Hand entgegenstreckt. Sie beenden einen langen Zwist in der Familie. Sie setzen die Familie an die erste Stelle, auch wenn andere Möglichkeiten verlockend wären. Fassen Sie mehr Mut, denn er schenkt Ihnen Zuversicht und erleichtert Ihnen das Leben.
Der Prophet Mose sagte zu den Israeliten, die eben ein neues Land betreten wollten, das viel Unbekanntes barg: „Empfangt Macht und Stärke: Fürchtet euch nicht, und weicht nicht erschreckt zurück … ; denn der Herr, dein Gott, zieht mit dir. Er läßt dich nicht fallen und verläßt dich nicht.” (Deuteronomium 31:6.) Schwestern, der Herr wird uns nicht fallen lassen und uns nicht verlassen.
Wir werden unsere geistigen Berge freudig ersteigen. In unserem Herzen hallen die Worte Jesajas wider: „Voll Freude werdet ihr fortziehen, wohlbehalten kehrt ihr zurück. Berge und Hügel brechen bei eurem Anblick in Jubel aus, alle Bäume auf dem Feld klatschen Beifall.” (Jesaja 55:12.) Jede neugewonnene geistige Einsicht muß uns mit Dankbarkeit erfüllen, die auch die Menschen rings um uns beeinflußt. Wir Schwestern in Zion haben den meisten Grund, dem Herrn dankbar zu sein.
Danken Sie dem Herrn für Ihr Zeugnis. Danken Sie ihm, daß Sie jetzt leben. Wenn Sie Schwierigkeiten haben, danken Sie dem Herrn für das Bewußtsein, daß er lebt, und ziehen Sie daraus Frieden. Er liebt Sie. Wenn Sie schwer arbeiten, sagen Sie: „Der Herr schenkt mir überaus große Freude an der Frucht meiner Mühen.” (Alma 36:25.) Wenn Sie es schwer haben, sagen Sie: „Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt.” (Philipper 4:13.) Bei jeder neugelernten Lektion und jeder Antwort auf mein Beten sage ich: „Ich freue mich über die Maßen, daß mein Herr Jesus Christus meiner gedacht hat.” (Siehe Moroni 8:2.)
Heute, Arm in Arm und Hand in Hand, stehen wir miteinander auf Sand oder Felsen oder den Stufen eines Hauses. Miteinander sehen wir in die Richtung unserer himmlischen Heimat. Mögest du - Mitglied der Frauenhilfsvereinigung und meine Schwester - die höchsten geistigen Höhen für dich suchen und finden. Mögen die Gipfel geistigen Bewußtseins dir die Seele mit Freude erfüllen und dich inspirieren, emporzublicken und vorwärtszustreben. Und möge dieser Aufstieg, den wir gemeinsam machen, jeder Familie und jedem Volk Zeugnis geben: „Er lebt!” (LuB 76:22.) Im Namen Jesu Christi. Amen.