2011
Ein Stück Himmel auf Erden
September 2011


Ein Stück Himmel auf Erden

Aus einer Ansprache, die am 9. November 1976 bei einer Andacht an der Brigham-Young-Universität gehalten wurde. Den englischen Text finden Sie in voller Länge unter speeches.byu.edu.

Wer eine celestiale Ehe führen will, muss ein würdiges, gottgeweihtes Leben führen und sich an celestiale Grundsätze halten, die zu Glücklichsein in diesem Leben und Erhöhung im nächsten Leben führen.

Bild
Elder Robert D. Hales

Der Begriff Tempelehe benennt den Ort, wo eine solche Ehe vollzogen wird. Eine celestiale Ehe entwickelt sich dadurch, dass Sie den heiligen Bündnissen, die Sie bei der Eheschließung im Tempel eingehen, treu sind.

Nachdem die Gelübde abgelegt wurden, muss man, wenn man eine celestiale Ehe führen will, ein würdiges, gottgeweihtes Leben führen und sich an celestiale Grundsätze halten, die zu Glücklichsein in diesem Leben und Erhöhung im nächsten Leben führen. Wenn wir nach den Gesetzen leben, die die celestiale Ehe betreffen, werden wir gemeinsam mit unserem Ehepartner und unseren Kindern ein Stück Himmel auf Erden erleben. Und wenn wir nach diesen Gesetzen leben, erfüllen wir die gleichen Gesetze, die im Himmel erfüllt werden. Wir üben, wie wir mit dem Vater und dem Sohn und mit unserer Familie in den zukünftigen Ewigkeiten leben werden. Für mich ist dies die Botschaft der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage an die Welt.

Die Wahl des Ehepartners

Alleinstehende Mitglieder der Kirche fragen oft: „Wie finde ich den richtigen Ehepartner?“ Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen, wie Sie das angehen können. Beurteilen Sie, wie geistig gesinnt Ihr möglicher zukünftiger Ehepartner ist. Erstens: Wenn er der Kirche angehört: Ist er aktiv und setzt sich voll ein, oder ist er passiv oder widerstrebend? Zweitens: Wenn er nicht der Kirche angehört: Ist er für das Evangelium und seine Lehren offen, oder ist er zurückhaltend oder widerstrebend?

Werden Sie, wenn Sie ein aktives Mitglied der Kirche im Tempel für Zeit und alle Ewigkeit im neuen und immerwährenden Bund heiraten, Schwierigkeiten haben? Ja. Werden Sie sie lösen können? Ja. Ist die Chance, sie zu lösen und Ihr Zeugnis zu stärken, größer, als wenn Sie nicht im Tempel geheiratet hätten? Ja. Wenn Sie aber jemanden heiraten, der sich gegen die Kirche sträubt oder dem das Evangelium gleichgültig ist, bringen Sie sich selbst in die Situation, sich vielleicht eines Tages zwischen diesem Menschen und der Kirche entscheiden zu müssen. Damit bürden sie sich eine große Verantwortung auf.

Achten Sie bei der Wahl Ihres Ehepartners darauf, dass Sie beide den Wunsch verspüren, eine celestiale Ehe zu führen, einen Partner für die Ewigkeit zu haben, eine Familie für die Ewigkeit zu haben und einmal in der Gegenwart unseres Vaters im Himmel zu leben.

Befolgen Sie das Gesetz

Der Herr hat klargestellt, dass wir nur dann mit unserem Partner in Ewigkeit zusammen sein können, wenn wir das Gesetz befolgen. In einer neuzeitlichen Offenbarung sagt er:

„Bereite dein Herz vor, die Weisungen zu empfangen und zu befolgen, die ich im Begriff bin, dir zu geben; denn alle, denen dieses Gesetz offenbart wird, müssen es befolgen.

Denn siehe, ich offenbare euch einen neuen und einen immerwährenden Bund.“ (LuB 132:3,4.)

Jedes Mitglied der Kirche sollte den 132. Abschnitt des Buches Lehre und Bündnisse sehr aufmerksam lesen. Ist Ihnen klar, dass niemand zwischen dem Herrn und dem Siegler steht, wenn eine Siegelung vollzogen wird? Es ist eine wunderschöne, bewegende Zeremonie.

Der Erlöser selbst stellte klar, welche Absicht der Tempelehe zugrunde liegt: „Was den neuen und immerwährenden Bund [der Ehe] betrifft, so wurde er für die Fülle meiner Herrlichkeit festgelegt; und wer eine Fülle davon empfängt, muss und wird das Gesetz einhalten, sonst wird er verdammt sein.“ (LuB 132:6.)

Der Herr hat auch gesagt: „Wenn darum in der Welt ein Mann eine Frau heiratet, und er heiratet sie nicht durch mich oder durch mein Wort, und er macht mit ihr einen Bund, solange er in der Welt ist und sie mit ihm, so sind ihr Bund und ihre Ehe nicht mehr in Kraft, wenn sie tot sind und wenn sie außerhalb der Welt sind; darum sind sie durch keinerlei Gesetz verbunden, wenn sie außerhalb der Welt sind.“ (LuB 132:15.)

Ist uns klar, dass uns im Buch Lehre und Bündnisse gesagt wird, dass wir nur dann, wenn wir in eine celestiale Ehe eintreten, den höchsten Grad der Herrlichkeit im celestialen Reich erlangen können (siehe LuB 131:1-4)? Ebenso klar ist, was mit denjenigen geschehen wird, die zu keiner Zeit die Segnungen einer Tempelehe empfangen: Sie sind zusammen, bis der Tod sie scheidet, und das ist sehr traurig, wenn man darüber nachdenkt.

Ziel und Zweck des Evangeliums und einer celestialen Ehe bestehen nicht allein darin, dass wir zusammenbleiben, vielmehr sollen wir dadurch auch in die Lage versetzt werden, den höchsten Lohn unseres Vaters im Himmel zu empfangen: Erhöhung im celestialen Reich, Vermehrung in diesem Reich und ewiges Leben mit unserer Familie.

Gemeinsamer Aufstieg

Die celestiale Ehe lässt sich mit einer Bergbesteigung vergleichen. Sie binden sich an einen ewigen Partner und beginnen mit der Bergbesteigung. Wenn dann Kinder dazukommen, binden Sie diese auch an sich und setzen Ihren Weg fort. Die Seile halten die Kletterer zusammen, aber Wind, Regen, Schnee und Eis – die Herausforderungen der Welt – werden Ihnen zusetzen und Sie vom Berg wegzerren.

Wie erreichen Sie den Gipfel? Wenn Mutter oder Vater aufgeben und das Seil durchtrennen, das sie und die Kinder aneinander bindet, besteht die Gefahr, dass der eine oder andere abstürzt und eventuell andere Familienmitglieder mitreißt. Die ganze Familie könnte abstürzen und den ewigen Gipfel nicht erreichen. Das können wir nicht riskieren. Wir dürfen nie vergessen, dass wir als Familie wie eine Seilschaft verbunden sind, die sich bemüht, in die Gegenwart des Vaters im Himmel zurückzukehren.

Jemand hat das so formuliert: „Du ziehst mich hinauf und ich ziehe dich hinauf – so kommen wir beide hinauf.“

Die Beziehung zum Ehepartner ist keine Krücke. Man heiratet nicht jemanden, den man wahrlich für einen Engel hält, und stützt sich dann auf ihn. Vielmehr entwickelt man sich selbst und seine eigenen Gaben und Talente weiter. Wenn Sie sich entwickeln, wachsen Sie miteinander und unterstützen und stärken einander.

Vor unserer Hochzeit sagte ich zu meiner Frau: „Weißt du, Mary, ich glaube, wenn ich im Beruf Erfolg haben will, muss ich auf dem heimischen und vielleicht auch auf dem internationalen Markt viel arbeiten. Möchtest du mich auf diesem Weg begleiten?“ Sie bejahte. Zehn Jahre nach unserer Heirat wurde ich nach England geschickt, und sie ging mit mir. Dann kamen wir nach Deutschland und später auch nach Spanien. Sie wurde mit anderen Ländern und Kulturen vertraut und sprach zwei Sprachen, weil sie sich entschlossen hatte, dass wir zusammenarbeiten und uns gemeinsam weiterentwickeln.

Beachten Sie immer, dass Sie einander freundlich behandeln und einander achten, weil Sie wissen, wer Sie sind und was Sie sein möchten.

Ich muss an eine Schwester denken, die zu meiner Gemeinde gehörte, als ich vor einigen Jahren Bischof war. Sie und ihr Mann hatten Eheprobleme. Im Gespräch mit mir begann sie, ihren Mann in allen wichtigen Bereichen herunterzumachen, in denen ein Mann Lob braucht, damit er sich selbst achten kann. Sie sprach über seine Unzulänglichkeit als Vater, seine Unzulänglichkeit als Ehemann, seine Unzulänglichkeit als Ernährer der Familie und seine Unzulänglichkeiten im zwischenmenschlichen Bereich.

Ich fragte sie: „Warum tun Sie das einem Mann an, den Sie lieben und unterstützen sollten?“

Sie erwiderte: „Man kann viel besser mit jemandem streiten, den man liebt, weil man weiß, wo man ihn am meisten verletzen kann.“

Und genau so meinte sie es auch.

Wir als Heilige der Letzten Tage müssen jedoch unsere sittliche Selbständigkeit in Anspruch nehmen und unsere Möglichkeiten zur Weiterentwicklung nutzen. Jeder Mensch hat Schwächen. Der Widersacher kennt die Achillesferse Ihrer Lieben, Ihrer Freunde, Ihrer Mitbewohner, Ihrer Geschwister und Eltern. Kennen Sie Ihre Achillesferse? Wissen Sie, von welchen Situationen Sie sich fernhalten müssen und welche Schwächen Sie haben? Das Geheimnis einer glücklichen Ehe besteht darin, dass man die Achillesferse schützt und aus den Schwächen derer, die man am besten kennt, am meisten liebt und die man letztlich am meisten verletzen kann, keinen Vorteil zieht.

„Darum stärke deine Brüder in all deinem Umgang, in all deinen Gebeten, in all deinen Ermahnungen und in all deinem Tun.“ (LuB 108:7.) Mit anderen Worten: Sie müssen einander täglich durch Ihre Gebete, Ihre Ermahnungen und Ihr Tun helfen.

Ich erinnere mich gut an ein junges Ehepaar, das gerade das College abgeschlossen hatte. Von den einen Eltern bekamen sie eine Wohnung, von den anderen Eltern die Einrichtung und ein neues Auto. Sie bekamen alles nur Erdenkliche geschenkt. Drei Jahre später waren sie geschieden. Sie hatten sich nichts erarbeitet und keine Opfer gebracht. Sie hatten sich aufeinander und auf ihre Eltern wie auf eine Krücke gestützt, hatten sich selbst zu Krüppeln gemacht und hatten sich nicht weiterentwickelt. Sie hatten nicht gelernt, sich anzustrengen. Sie hatten sich keine Gedanken darüber gemacht, wie ihre Ehe funktionieren könnte. Achten Sie darauf, dass Sie beide Opfer bringen, Anteil nehmen und sich weiterentwickeln.

Gegenseitige Unterstützung

Nachdem ich als Ältestenkollegiumspräsident, Zweigpräsident und fünf Jahre als Bischof gedient hatte, zogen wir um und kamen in eine neue Gemeinde. Kurz darauf wurde meine Frau als FHV-Leiterin berufen. Während ihres ersten Gesprächs mit dem Bischof jagte ich unseren zwei kleinen Kindern auf den Gängen, auf dem Parkplatz und in der Kulturhalle hinterher. Ich erlebte das erste Mal, was Warten bedeutet. Ich wartete anderthalb Stunden lang. Als Mary aus dem Büro des Bischofs trat, hatte ich einen Jungen auf dem Arm und den anderen an der Hand. Ich hatte nicht den Mut, etwas zu sagen, sondern schaute sie nur mit einem Blick an, der ausdrückte: Weißt du, dass du mich anderthalb Stunden lang hast warten lassen?“

Sie hielt nur fünf Finger in die Höhe und sagte: „Fünf Jahre.“ So lange hatte sie auf mich gewartet. Da wurde mir langsam bewusst, dass es nun meine Aufgabe war, meine Frau in ihrer Berufung zu unterstützen, so wie sie mich in meinen Berufungen unterstützt hatte.

Ich fordere Sie auf, sich nicht auf Ihren Ehepartner wie auf eine Krücke aufzustützen, sondern aufrecht dazustehen, einander zu stärken und um Hilfe zu bitten, wenn Sie jeden Abend gemeinsam beten. Ich bezeuge, dass ich in meinem Leben immer dann unglücklich, deprimiert oder traurig war, wenn ich mich – selbst in geringem Maß – von den Lehren des Herrn entfernt hatte. Ich bete darum, dass Sie wahres Glück und die Freude der celestialen Ehe mit einem Stück Himmel auf Erden finden mögen.

Foto von Robert Casey

Links: Foto von Matthew Reier; rechts: Foto von Vernon Wiley © iStockphoto

Links: Foto von Matthew Reier; rechts: Foto von Christina Smith