2005
Wir hatten nichts zu essen
Juli 2005


Wir hatten nichts zu essen

Mein Mitarbeiter und ich waren in der Kanada-Mission Winnipeg und dienten in der wunderschönen Stadt Prince Albert in Saskatchewan. Ich war in Laie in Hawaii in der Nähe des dortigen Tempels aufgewachsen, mein Mitarbeiter, Elder Larmour, stammte aus Belfast in Nordirland. Unsere Familien und die Gemeinden daheim unterstützten uns finanziell, doch mitunter konnte es passieren, dass die monatliche Geldüberweisung ungewöhnlich lange dauerte. Das war auch der Fall, als sich Folgendes zutrug:

Ich erhielt meinen Scheck zu Anfang des Monats, und wir warteten nun darauf, dass auch Elder Larmours Geld vom Missionsbüro weitergeleitet wurde. Wie üblich war die Wohnungsmiete fällig, und die Küchenschränke waren fast leer. Wir mussten eine Entscheidung treffen: Sollten wir mit meinem Geld die Miete zahlen oder etwas zu essen kaufen? Wir zahlten die Miete.

Es vergingen wieder ein paar Tage, und Elder Larmours Geld war noch immer nicht da. Bis auf eine halbe Tüte tiefgefrorenes Mischgemüse und einen alten Suppenknochen mit Gefrierbrand, den wir erst mühsam aus dem Tiefkühlfach herausbrechen mussten, hatten wir alle Lebensmittel aufgegessen, die wir in der Wohnung gehabt hatten. Ich kochte aus diesen beiden Zutaten eine Gemüsesuppe – viel war es ja nicht, aber wir waren auch für das Wenige dankbar.

Am nächsten Tag beschlossen wir, in der Nähe unserer Wohnung missionieren zu gehen. Die Straße schien endlos lang, und keiner war an unserer Botschaft interessiert. Uns plagte nagender Hunger, und da wir ja kaum etwas gegessen hatten, wurden wir ziemlich matt. Am Ende der Straße legten wir eine Pause ein. Wir setzten uns auf eine Parkbank und versuchten, wieder zu Kräften zu kommen. Mein Mitarbeiter sagte aus tiefstem Herzen: „Ich hab Hunger!“ Mir tat er furchtbar Leid. Ich war viel größer als er. Ich wusste: Ich würde es noch eine gute Weile aushalten, aber wenn er nicht bald etwas zu essen bekäme, würde er nicht mehr lange weitermachen können.

Ich war der Seniormitarbeiter; im Stillen bat ich den himmlischen Vater, dass er uns das geben möge, was wir brauchten, um weiterarbeiten zu können. Ich blickte mich um und sah jenseits des Parks eine kurze Gasse mit etwa fünf Häusern. Es war die Fortsetzung der langen Straße, in der wir zuvor gearbeitet hatten. Ich wandte mich an meinen Mitarbeiter und sagte: „Komm, machen wir die Straße fertig!“ Er sagte bloß: „Gehen wir doch nach Hause!“ Schließlich einigten wir uns darauf, diese Straße zu Ende zu missionieren und, falls niemand Interesse hatte, anschließend nach Hause zu gehen.

Wir gingen zum ersten Haus, wo ein Mann und eine Frau in der Einfahrt mit ihrem Auto beschäftigt waren. „Heute nicht, Leute“, riefen sie uns zu, und so gingen wir weiter. Beim nächsten Haus duftete es köstlich nach frisch gekochtem Essen. Plötzlich ging die Tür auf und eine Frau mittleren Alters lud uns lächelnd ein: „Kommt herein, Jungs! Ich hoffe, ihr habt Hunger!“

Wir traten zögernd ein und wussten nicht, was wir davon halten sollten. Sie führte uns ins Esszimmer – dort war bereits für zwei Personen gedeckt. Wir nahmen Platz, und sie trug auf. Ich fand keine Worte, denn es sah so aus, als ob wir fürstlich bewirtet werden sollten. Aber vielleicht warf sie uns auch hinaus, wenn sie schließlich merkte, wer wir waren?

Sie stellte Schweinekoteletts mit Kartoffelpüree vor uns auf den Tisch, dazu Soße und allerlei Beilagen, und sagte: „Ich habe keine Ahnung, warum ich so viel gekocht habe. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich müsse das tun. Dabei habe ich gar keinen Besuch erwartet und wohne hier ganz allein. Ich freue mich, dass ihr Jungs vorbeigekommen seid. Ihr habt doch noch nicht gegessen, oder?“

Ich sagte: „Nein. Aber wissen Sie denn, wer wir sind?“

„Seid ihr nicht Mormonenmissionare?“, entgegnete sie. „Und betet ihr nicht vor dem Essen?“

Wir segneten das Essen und dankten dem Herrn für die vielen Segnungen, die er uns gegeben hatte. Bis heute hat mir nichts besser geschmeckt als diese Mahlzeit, die der Herr in unserer Not für uns bereiten ließ, hat er doch gesagt: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes … Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Matthäus 28:19,20.)

Adam N. Ah Quin gehört zur Gemeinde Villa Bonita im Pfahl Las Vegas Paradise in Nevada.