2003
Innerlich stark werden
Februar 2003


Botschaft von der Ersten Präsidentschaft

Innerlich stark werden

Der Apostel Paulus wünschte sich für die Epheser, der Herr möge ihnen gewähren, „dass ihr in eurem Innern durch seinen Geist an Kraft und Stärke zunehmt“ (Epheser 3:16). Gleichermaßen geht es heute in der Kirche darum, den Menschen zu helfen, im Innern an Kraft zuzunehmen, also innerlich stark zu werden. Unser Ziel ist es, dass jeder die Geborgenheit, die Liebe und die Wärme spürt, die das Evangelium vermittelt. Der Erlöser zeigte uns, wie sich dieses Ziel erreichen lässt, als er das folgende Gebot verkündete: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. … Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Matthäus 22:37,39.)

Wir sind darauf bedacht, dass unsere Mitglieder sittlich stark werden und ihren Charakter formen. Dies geschieht in vollständiger Übereinstimmung mit den folgenden Aussagen neuzeitlicher Propheten und Apostel: „Unser vornehmstes Ziel besteht darin, … Unabhängigkeit, Fleiß, Sparsamkeit und Selbstachtung [zu vermitteln].“1Langfristig ist es unser Ziel, „den Charakter der Mitglieder zu formen, … alles in ihrem Innern zu bewahren, was gut ist, und ihre geistige Gesinnung erblühen zu lassen. Denn das ist doch schließlich die Mission und der Zweck der Kirche und auch der Grund dafür, warum man darin Mitglied ist.“2

Unsere Prioritäten

Damit die Mitglieder innerlich stark werden können, müssen wir vielleicht Änderungen vornehmen, was die Prioritäten bei der Planung und den Aktivitäten der örtlichen Programme der Kirche betrifft. Wir tun das Werk des Herrn besser, wenn wir uns an die offenbarten Grundsätze halten und nicht nur einfach die vorgeschriebenen Aktivitäten durchführen.

Bei der Überlegung, wie wir den Einzelnen erreichen und einbeziehen und ihm dienen können, müssen wir uns immer wieder, wie auf einer Riesenleinwand, die beiden wichtigen Gebote vor Augen halten, die der Erretter allen seinen Kindern aufgegeben hat, nämlich dass wir Gott lieben und ihm dienen sollen und dass wir unsere Mitmenschen lieben und ihnen dienen sollen. Die Planung muss damit beginnen, dass man die Aktivitäten auf die geistigen Bedürfnisse der Mitglieder abstimmt. So gibt man ihnen nämlich unter anderem die Möglichkeit, bei sinnvollen Dienstprojekten mitzumachen und – wenn sie das wollen – auch an kulturellen, pädagogischen, der Erholung dienenden oder geselligen Aktivitäten teilzunehmen, die von den Priestertumsführern genehmigt wurden. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Erfolg einer Aktivität nicht immer daran bemessen werden kann, wie groß angelegt sie war. Er muss vielmehr daran bemessen werden, wie sich die Aktivität auf die Lebensführung der Teilnehmer auswirkt. Eines muss ganz klar sein: Grundsätze sind wichtiger als Programme, und Menschen sind wichtiger als Organisationen. Wir sind eher bemüht, Grundsätze und Richtlinien zu vermitteln, als Programme anzupreisen, denn uns geht es ja darum, dass die Menschen durch den Geist Gottes innerlich stark werden.

Was wir tun

Wie gut wir etwas machen, lässt sich am besten daran bemessen, wie wir unsere innere Kraft in die Tat umsetzen. Was unsere Religion wirklich ausmacht, zeigt sich am besten an unserer Lebensführung. Thomas Carlyle hat geschrieben: „Eine Überzeugung… ist so lange wertlos, wie sie das Verhalten nicht beeinflusst.“3Präsident Harold B. Lee (1899-1973) hat erklärt, was wir tun müssen, damit Gott und sein Geist uns Kraft verleihen. Er hat gesagt: Die Mitgliedschaft in der Kirche „muss mehr bedeuten, als dass man bloß Mitglied der Kirche mit den richtigen Karten in der Tasche ist, also eine Zehntenquittung, einen Mitgliedschaftsausweis, einen Tempelschein usw. hat. Es bedeutet, dass man die Neigung zu kritisieren überwindet und beständig darum bemüht ist, innere Schwächen abzulegen und nicht nur Äußerlichkeiten zu verändern.“4

Uns ist bewusst, dass viele erwachsene alleinstehende Mitglieder nicht alle Segnungen haben, die sie sich wünschen. Dennoch sind sie nicht im geringsten weniger wert als die übrigen Mitglieder, denn sie können auch die beiden großen Gebote halten. Dann werden sie in überreichem Maß dafür gesegnet und gestärkt. Sie können genauso geistig gesinnt sein wie jeder andere und ihr Leben dem Meister weihen. Sie können ihren Mitmenschen gegenüber genauso viel Güte an den Tag legen wie jeder andere und spüren, welch großen Lohn das Dienen mit sich bringt. Wer ernstlich bemüht ist, geistige Einsicht und ein Zeugnis zu entwickeln, der schafft das auch.

Alles ist geistig

Die Mitglieder werden dann innerlich stark, wenn sie geistig gestärkt werden. Die Galater wurden ermahnt: „Wer im Vertrauen auf das Fleisch sät, wird vom Fleisch Verderben ernten; wer aber im Vertrauen auf den Geist sät, wird vom Geist ewiges Leben ernten.“ (Galater 6:8.) Die geistig orientierte Lösung lässt Probleme verschwinden, denn zum höheren Gesetz gehört die geistige Komponente. Der Herr hat gesagt: „Für mich ist alles geistig, und niemals habe ich euch ein Gesetz gegeben, das zeitlich ist.“ (LuB 29:34.) Doch mit der Umsetzung dieser höheren Gesetze und der entsprechenden Lebensführung geht nicht automatisch einher, dass man nun auch höhere Rechte hätte. Vielmehr wird nun auch erwartet, dass man höhere Aufgaben erfüllt.

Wir haben oft das Gefühl, dass wir, damit wir in dieser komplexen und schwierigen Welt unseren Weg finden, Hilfe brauchen, die über unsere natürlichen Gaben und Fähigkeiten hinausgeht. Der Prophet Alma hat klar gesagt, wie es kam, dass er von so vielem wusste: „Der Herr hat es mir durch seinen Heiligen Geist kundgetan.“ (Alma 5:46.) Viele Menschen auf der Welt haben heute ständig Angst um ihr Leben. Doch wenn sie innere Kraft und Sicherheit besäßen, müssten sie keine Angst haben. Der Erretter hat gesagt: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können.“ (Matthäus 10:28.)

Innere Heilung

Die Heilung, derer wir alle so häufig bedürfen, ist ja die Heilung der Seele und des Geistes. Diese Heilung kann sich vollziehen, wenn wir Geistigem Einlass in unser Leben gewähren. Im 7. Glaubensartikel heißt es, dass wir an geistige Gaben glauben, unter anderem an die Gabe der Heilung. Meiner Meinung nach bezieht sich diese Heilung sowohl auf den Körper als auch auf den Geist. Der Heilige Geist spricht der Seele Frieden zu. Solch geistiger Trost wird einem zuteil, indem man geistige Gaben aktiviert, die man auf vielerlei Weise herbeirufen kann und die sich auf mannigfache Weise kundtun. Sie sind heute in reichem, ja, überreichem Maß in der Kirche vorhanden. Sie entspringen dem demütigen und angemessenen Gebrauch des Zeugnisses. Christus ist der große Arzt, der von den Toten auferstanden ist – „mit Heilung in den Flügeln“ (2 Nephi 25:13). Diese Heilung wird uns durch den Tröster zuteil.

Wenn wir wollen, dass wir innerlich stark werden, müssen wir uns innerlich reinigen und Übertretung ausmerzen. Wer sich mit dem Bösen einlässt, erleidet den geistigen Tod. Wir haben keinen Zugang zur Quelle geistiger Gesinnung, wenn wir nicht alle Übertretungen, vor allem sittliche Übertretungen, ausmerzen. Damit meine ich nicht nur sexuelle Sünden, sondern auch jede Form des Fehlverhaltens, also auch lügen, betrügen, stehlen und andere Menschen absichtlich bzw. rücksichtslos verletzen.

Unsere geistigen Gefühle

Eine wichtige Facette des geistigen Wesens in uns allen ist der stille, heilige Bereich, in dem wir das Gefühl der Heiligung haben. Das ist der Bereich in unserem Inneren, in den niemand sonst vordringen darf. Dieser Bereich ermöglicht es uns, dem Göttlichen nahe zu kommen, und zwar sowohl innerhalb als auch außerhalb der Welt. Diese Facette unseres Wesens ist nur uns selbst und unserem Schöpfer vorbehalten. Beim Beten öffnen wir die Tür dorthin. Hierher können wir uns zurückziehen und nachsinnen. Hier kann der Heilige Geist wohnen. Von hier aus können wir Kontakt zu Gott aufnehmen. Hier befindet sich sozusagen die Hauptzelle zum Aufladen unserer geistigen Batterie. Doch diese Zelle verliert ihre Kraft, wenn wir zulassen, dass sich die Sünde heimlich in unser Leben schleicht. Die Römer wurden ermahnt: „Das Trachten des Fleisches führt zum Tod, das Trachten des Geistes aber zu Leben und Frieden.“ (Römer 8:6.)

Wenn wir darangehen, innerlich stark zu werden, liegen uns Dinge, die wir anfassen und besitzen können, zunehmend weniger am Herzen. Ein weiser Mann hat einmal gesagt: „Der Reichtum der Seele bemisst sich an ihrer Empfindungsfähigkeit; ihre Armut am Mangel daran.“5

Das Ewige im Menschen

Die innere Seele überdauert das Erdenleben – mit allem, was sie sich bewahrt hat. Ein Dichter hat geschrieben: „Alles auf der Welt ist ein flüchtiger Schatten – nur die Seele des Menschen nicht. Das einzige Beständige liegt in uns.“6

Es ist tröstlich, zu wissen, dass jemand, der innerlich stark wird, das Angesicht Gottes schauen wird. Der Herr hat ja selbst gesagt: „Es wird sich begeben: Jede Seele, die von ihren Sünden lässt und zu mir kommt und meinen Namen anruft und meiner Stimme gehorcht und meine Gebote hält, wird mein Angesicht sehen und wissen, dass ich bin.“ (LuB 93:1.) Edna St. Vincent Millay hat geschrieben:

Die Seele kann den Himmel aufreißen,

so dass Gottes Antlitz sich zeigt.7

Damit man innerlich stark werden kann, muss man sehr demütig sein. Gideon hat von sich gesagt: „Meine Sippe ist die schwächste in Manasse und ich bin der Jüngste im Haus meines Vaters.“ (Richter 6:15.) Und es war später Gideon, der Israel aus der Hand der Midianiter befreite und dadurch zum Helden wurde.

Im Alten Testament heißt es: „Mose aber war ein sehr demütiger Mann, demütiger als alle Menschen auf der Erde.“ (Numeri 12:3.) Mose gehört zu den größten Propheten, die je gelebt haben; er hat fünf Bücher im Alten Testament verfasst.

Geistiges Sonnenlicht

Was meine Suche nach innerer Kraft angeht, so möchte ich Achtung, Wertschätzung und Dankbarkeit bekunden, und zwar für das Beispiel der Ersten Präsidentschaft und der übrigen Generalautoritäten sowie der vielen guten Männer und Frauen in der Kirche überall auf der Welt, die sich den Winden, die ihnen ins Gesicht blasen, und den Kräften, die überall um uns herum Unsicherheit, Zweifel und Zerstörung bewirken, entgegenstemmen. Durch den Geist Gottes gelingt es ihnen, falsche Stimmen zu erkennen, die sie verleiten wollen, und den Sirenengesang der Betrüger unter uns zu entlarven, die für sofortige Lustbefriedigung eintreten, einer dauerhaften Beziehung entgegenstehen und verkünden, man sei nur begrenzt verantwortlich, wenn man etwas Falsches tut. Rechtschaffen und heilig halten diese guten Männer und Frauen auf dem Wachturm der Rechtschaffenheit, der Hoffnung und des inneren Friedens Ausschau nach Gefahren und warnen ihre Mitmenschen.

Der finstere Nebel, der über den Straßen und Wegen liegt, die wir während unseres Lebens beschreiten, verflüchtigt sich angesichts des geistigen Sonnenlichts, das nur von Gott ausgeht. Dieses geistige Sonnenlicht scheint uns aber nur dann, wenn wir eifrig und demütig bemüht sind, seinen Geist mit uns zu haben, denn „der Herr fordert das Herz und einen willigen Sinn“ (LuB 64:34).

Der Geist des Herrn kann immer mit uns sein, selbst dann, wenn wir in den Feuerofen des Lebens geworfen werden. Dann kann jeder sehen, dass uns ein heiliger Begleiter zur Seite steht. Nebukadnezzar hatte ein solches Erlebnis. Er schaute in den Feuerofen und rief aus: „Haben wir nicht drei Männer gefesselt ins Feuer geworfen? … Ich sehe aber vier Männer frei im Feuer umhergehen. Sie sind unversehrt und der vierte sieht aus wie ein Göttersohn.“ (Daniel 3:91,92.)

Mögen sich unser innerer Friede und unsere Kraft in unseren Gedanken und in unseren Taten kundtun. Mögen wir unerschütterlich daran glauben, dass bei Gott alles möglich ist, und mögen wir immer daran denken, dass uns durch den Heiligen Geist alles kundgetan werden kann, sofern wir gehorsam sind. „Wer aber im Vertrauen auf den Geist sät, wird vom Geist ewiges Leben ernten.“ (Galater 6:8.)

Mögen wir, indem wir im Vertrauen auf den Geist säen, durch seinen Geist nachhaltig innerlich stark werden, denn die geistige Gesinnung ist wie Sonnenlicht – es scheint auf das Unreine, wird aber selbst nicht unrein. Mögen wir so leben, dass das Geistige in uns durch das Gewöhnliche, das Schmutzige und das Böse hindurchscheinen und unsere Seele heilig machen kann.

Für Die Heimlehrer

Bereiten Sie sich gebeterfüllt vor und präsentieren Sie dann diese Botschaft anhand einer Unterrichtsmethode, bei der Ihre Zuhörer einbezogen werden. Im Folgenden finden Sie einige Beispiele dazu:

  1. Fragen Sie die Familie, was man tun kann, um seinen Körper zu stärken, beispielsweise trainieren, sich richtig ernähren und ausreichend schlafen. Lassen Sie sie dann erklären, wie wir laut Präsident Faust innerlich sittlich stark werden können. Geben Sie Zeugnis davon, wie es Ihnen auf diese Weise gelungen ist, Unsicherheit, Zweifel und Versuchung zu überwinden.

  2. Zeigen Sie der Familie eine Batterie und besprechen Sie, wie eine Batterie funktioniert. Inwiefern ist unsere geistige Gesinnung wie eine Batterie? Lesen Sie den Abschnitt „Unsere geistigen Gefühle“ und besprechen Sie, wie wir unsere geistige Batterie aufladen können.

  3. Bitten Sie die Familie, kurz zu erklären, wie wir von der Sonne profitieren. Lesen Sie dann gemeinsam den Abschnitt „Geistiges Sonnenlicht“. Besprechen Sie, inwiefern die geistige Gesinnung wie Sonnenlicht ist und Sünde wie finsterer Nebel. Wie können wir laut Präsident Faust mehr geistiges Sonnenlicht in unser Leben bringen?

Anmerkungen

  1. Heber J. Grant, Generalkonferenz, Oktober 1936, Seite 3.

  2. Albert E. Bowen, The Church Welfare Plan (Anleitung zum Evangeliumsstudium, 1946), Seite 44.

  3. In Martin H. Manser, Hg., The Westminster Collection of Christian Quotations, 2001, Seite 2.

  4. Lehren der Präsidenten der Kirche: Harold B. Lee, 2000, Seite 41.

  5. William Rounseville Alger.

  6. W. E. Channing.

  7. „Renascence“, Renascence and Other Poems, 1917, Seite 14.