2020
Außergewöhnliche Töchter Gottes
März 2020


Außergewöhnliche Töchter Gottes

Nach einer Ansprache bei der Frauenkonferenz der Brigham-Young-Universität am 5. Mai 2017

Mit kleinen guten Taten können wir unserer Familie und anderen auf außergewöhnliche Weise ein Segen sein

Bild
Paintings of women

Schwestern, Gemälde von Katherine Ricks; Frauen mit und ohne Kinder, Gemälde von Caitlin Connolly; Umarmung, Gemälde von Kathleen Peterson; Komponisten, Gemälde von Gaylynn Ribeira; Dienende Engel, Gemälde von Annie Henrie Nader; Nicht vergessen, Gemälde von Katherine Ricks; Sie springen über die Kuppen der Berge, Gemälde von Jenedy Paige; Trost, Gemälde von Louise Parker; Zeit für eine Umarmung, Gemälde von Connie Lynn Reilly

Meine Geschichte ist recht gewöhnlich. Als ich jung war, habe ich sehr gern gelernt, aber ich war nie die Klassenbeste. Ich habe auch keine besonderen Fachkenntnisse auf irgendeinem Gebiet. Ich spiele Klavier, aber es reicht gerade so, um ein Kirchenlied zu klimpern. Ich gehe unheimlich gern in Kunstausstellungen, aber meine künstlerischen Fähigkeiten beschränken sich auf die Kritzeleien in meinen Notizbüchern. Ich kann einen Rock nähen, den man ohne Weiteres tragen kann, aber einen Anzug zu schneidern übersteigt mein Können bei Weitem.

Obwohl ich mich guter Gesundheit erfreuen darf und gern im Park gelaufen oder im See geschwommen bin, war ich nie in irgendeiner Schulmannschaft. Ich wurde nie von einem Jungen zum Abschlussball eingeladen und ich war nie die Leiterin von irgendwas. Ich gehörte nie zu den „Coolen“, und eine auffallend attraktive Freundin schaute mich einmal prüfend an und sagte: „Naja, schön wirst du nie sein, aber vielleicht hübsch.“ Anders gesagt: Ich war bloß durchschnittlich.

Manche von Ihnen erkennen sich vielleicht in dem einen oder anderen wieder und meinen auch, dass sie nur durchschnittlich sind – oder sogar weniger als das. Wenn Sie ein Mensch sind – besonders wenn Sie eine Frau sind –, haben Sie wahrscheinlich schon einmal Selbstzweifel gehabt und waren entmutigt, weil Sie nicht so sind, wie Sie gern sein möchten.

Doch obwohl ich so durchschnittlich bin, hat der Vater im Himmel meinen Wert gesehen und mir beruhend auf seinem Wissen geholfen, die Gaben und Talente allmählich zu entwickeln, mit denen ich alles erreichen kann, wozu er mich erschaffen hat. Seien Sie gewiss: Ihr himmlischer Vater wird Ihnen alles geben, was Sie brauchen, um als Tochter Gottes außergewöhnlich zu werden. Jede von uns kann durch ihre einzigartigen Talente und Fähigkeiten aus der Masse herausstechen.

Anders als in der Welt gibt es im Reich Gottes kein Siegerpodest, auf dem nur ein, zwei Personen stehen können. Jede seiner Töchter wurde im Vorherdasein unterwiesen, vorbereitet und mit dem herrlichen Potenzial ausgestattet, im celestialen Reich eine Königin zu werden.

Bild
Collage of illustrations of women

Salz, Gemälde von Vicki Walker; Die Himmel haben mit mir geweint, Gemälde von Caitlin Connolly; Sonntagnachmittag, Gemälde von Heather Barron

Ihr Potenzial, Großes zu erreichen

Was möchten Sie in Ihrem Leben erreichen? Welche Ziele und Wünsche haben Sie? Wenn es Ihr langfristiges Ziel ist, in das celestiale Reich zu kommen, um für immer zusammen mit unseren himmlischen Eltern und lieben Angehörigen zu leben, wird der unverwandte Blick darauf Sie wesentlich weiter voranbringen, als Sie es jetzt für möglich halten (siehe 1 Korinther 2:9).

Als Tochter himmlischer Eltern, die Bündnisse geschlossen hat, haben Sie ein ungemein großes Potenzial, Gutes zu bewirken. Der Beweis für Ihr angeborenes Potenzial, Großes zu erreichen, ist die einfache Tatsache, dass Sie geboren wurden. Das heißt ja, dass Sie im vorirdischen Dasein den Erlösungsplan des himmlischen Vaters angenommen und sich entschieden haben, dem Beispiel seines Sohnes Jesus Christus zu folgen. Und weil Jesus Christus bereit war, die Sünden und Schwächen – oder Unzulänglichkeiten – einer jeden von uns auf sich zu nehmen (siehe Alma 7:11-13), und diese heilige Verantwortung durch sein unbegrenztes Sühnopfer erfüllt hat, können wir voller Zuversicht sein, dass wir all das werden können, wozu uns Gott erschaffen hat. Wenn wir heilige Bündnisse eingehen und halten, bekunden wir unseren Wunsch, dieses göttliche Potenzial auszuschöpfen. Wir wissen, dass wir das nicht allein schaffen. Aber durch die Liebe des Vaters im Himmel und die Gnade des Erretters können wir alles erreichen, was für die Erhöhung erforderlich ist.

Dieser Gedanke hat mir geholfen, als ich als Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung berufen wurde. Ich weiß zwar, dass ich nicht genügend Weisheit und Fähigkeiten besitze, um allen Anforderungen zu genügen, doch ich finde Trost und Kraft in dem Wissen, dass Gott „alle Weisheit und alle Macht hat, sowohl im Himmel wie auf Erden“ (Mosia 4:9), und dass der Herr, wenn wir es wenigstens versuchen, wenn wir einfach unser Bestes geben, so unvollkommen das sein mag, „zu [unserer] rechten Hand … und zu [unserer] linken [sein wird] und [seine] Engel rings um [uns sein werden], um [uns] zu stützen“ (Lehre und Bündnisse 84:88). Er fordert lediglich „das Herz und einen willigen Sinn“ (Lehre und Bündnisse 64:34). Wenn wir seine Gebote halten, werden wir gestärkt, sodass wir alles schaffen, was in diesem Leben und für den Einlass in Gottes Reich nach diesem Leben erforderlich ist. Die Entscheidung, eine Jüngerin Jesu Christi zu werden, eröffnet uns die Möglichkeit, auf unser Umfeld einen größeren Einfluss auszuüben, als wir es erwartet haben.

Unabhängig davon, wo wir leben, wie unsere Familie zusammengesetzt ist, wie viel Geld wir auf dem Konto haben oder wie lange wir schon der Kirche angehören, können wir einen enorm positiven Einfluss ausüben. Es gibt viele Kleinigkeiten, die wir tun und die andere ebenfalls dazu beflügeln können, sich zu verbessern. Wir können beispielsweise zuhause und in der Gesellschaft Integrität zeigen. Wir können mit einem Kind oder Kollegen in einer schwierigen Situation ruhig und freundlich reden. Wir können durch anständige Kleidung unsere Maßstäbe zeigen. Und wir können unsere Komfortzone verlassen und auf unsere Nachbarn zugehen, um sie kennenzulernen.

Wer sich mit der Geschichte von Siedlungen in Grenzgebieten in aller Welt auskennt, weiß, dass viele dieser Orte zunächst eine eher zufällige Ansammlung rauer Männer waren, die Geschäfte machen und ihr Glück finden wollten. Erst als mehr und mehr Frauen dazukamen und auf Kirchen, Schulen und einem geordneten Umfeld bestanden, entstand etwas, was man Zivilisation nennen konnte.

„Schon seit Menschengedenken war die Gesellschaft auf die moralische Kraft der Frau angewiesen“, hat Elder D. Todd Christofferson vom Kollegium der Zwölf Apostel erklärt. „Obwohl es gewiss nicht der einzige positive Einfluss in einer Gesellschaft ist, so hat die moralische Grundlage, die von Frauen gelegt wurde, sich für das Allgemeinwohl doch als ganz besonders segensreich erwiesen. Vielleicht wird dieser Beitrag der Frauen oftmals deshalb geringgeschätzt, weil er alles durchdringt. … Frauen bringen eine gewisse Tugendhaftigkeit mit sich in die Welt – eine göttliche Gabe, die sie befähigt, in einer Beziehung oder Kultur Eigenschaften zu fördern wie Glaube, Mut, Einfühlungsvermögen oder Kultiviertheit.“1

Frauen haben Gaben bekommen, die sie befähigen, sowohl auf das Detail als auch auf das Gesamtbild zu achten – oft sogar zur selben Zeit. Entdecken Sie diese Gaben in sich, liebe Schwestern, und nutzen Sie sie!

Ich weiß noch, wie Präsident James E. Faust (1920–2007) mit seiner tiefen, aber sanften Stimme zu uns gesagt hat: „Sie, Schwestern, kennen gar nicht das ganze Ausmaß Ihres Einflusses. Sie, Schwestern, bereichern die ganze Menschheit. … Jede Frau bringt ihre eigenen, einzigartigen Stärken in die Familie und die Kirche mit ein.“2

Bild
illustration of angels

Dankbarkeit eines Engels, Gemälde von Annie Henrie Nader

Was bedeutet Ihnen die Frauenhilfsvereinigung?

Als erwachsene Frauen in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage gehören Sie und ich zu einer der ältesten und größten Frauenorganisationen weltweit. Mit über 7,1 Millionen Schwestern in der ganzen Welt verknüpft uns ein Band, das ewig halten kann.

Die FHV ist mehr als eine Klasse am Sonntag. Wie Präsident Faust gesagt hat, ist sie eine von Gott eingerichtete Schwesternschaft. Sie ist ein Ort des Lernens. Sie ist eine Organisation, die darauf ausgerichtet ist, sich um andere zu kümmern, wie es unser Motto ausdrückt: „Die Liebe hört niemals auf.“

„Die Mitgliedschaft in der FHV … bietet ein Zuhause, in dem [wir] fern vom himmlischen Zuhause Freundschaft mit anderen schließen können, die [unseren] Glauben und [unsere] Werte teilen.“3

In der Geschichte der FHV ist natürlich nicht alles immer glatt gelaufen. Wenn Sie einmal eine schlechte Erfahrung in der FHV gemacht haben, denken Sie daran, dass wir alle noch lernen. Die FHV ist ein sicherer Ort für Schwestern, die Fragen haben oder erfahren möchten, wer sie sind und was ihre Bestimmung ist. Sie ist ein Ort, wo wir als Einzelne aufblühen und als Gemeinschaft besser werden können.

Vielleicht kennen Sie schon die überarbeitete Fassung des Zwecks der FHV: „Die FHV bereitet Frauen auf die Segnungen des ewigen Lebens vor, indem sie ihnen hilft, an Glauben an den Vater im Himmel und an Jesus Christus und sein Sühnopfer zuzunehmen, den Einzelnen, die Familie und das Zuhause durch heilige Handlungen und Bündnisse zu stärken und in Einigkeit zusammenzuarbeiten, um den Bedürftigen zu helfen.“4

An oberster Stelle steht also, dass wir daran arbeiten, unser göttliches Potenzial auszuschöpfen. Um das zu erreichen, arbeiten wir alle vereint daran, unsere Mitmenschen im Namen des Erretters zu lieben, sie aufzumuntern und ihnen ein Segen zu sein.5 Wir tragen zu diesem Erlösungswerk bei. Dazu gehört die Missionsarbeit der Mitglieder, die Aktiverhaltung der Bekehrten, die Aktivierung der weniger aktiven Mitglieder, Tempelarbeit und Familienforschung und das Lehren des Evangeliums6 – alles etwas, was Sie bereits tun.

Bild
Collage 2 paintings of women

Der Glaube einer Mutter, Gemälde von Kate Lee; Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Deseret Book Company; Mein Glaube, Gemälde von Kwani Povi Winder; Gleichgewicht in allem, Gemälde von Emily McPhie

Wo fangen wir an?

Wo und wie tun wir das alles? Wenn wir eine schüchterne Schwester in der Kirche umarmen; wenn wir mit einer jungen Dame reden, die Schwierigkeiten hat; wenn wir jeden Tag ein Kind mit Essen und Kleidung versorgen und es erziehen; wenn wir einer Nachbarin erzählen, weswegen uns das wiederhergestellte Evangelium glücklich macht; wenn wir in den Tempel gehen, obwohl wir wenig Zeit haben; wenn wir unsere Talente entwickeln, weil wir gern ein Werkzeug in den Händen des Herrn sein wollen. All dies und viele weitere Möglichkeiten, wie wir auf einfache, aber bedeutende Weise anderen helfen können, gehören zum Erlösungswerk. Das ist unsere Aufgabe. Sie ist wahrhaft groß,7 aber sie ist machbar, wenn jede von uns einen Teil übernimmt – und ausführt!

Schon Emma Smith, die erste Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung, hat 1842 gesagt: „Wir werden Außergewöhnliches leisten.“8

Ich möchte ein Beispiel nennen. Eine beschäftigte junge Mutter in Arizona fragte sich, was sie für eine neu angekommene Flüchtlingsfamilie in ihrer Nachbarschaft tun könne. Sie fand bald heraus, dass sie diesen Leuten einiges für ihre leere Wohnung bringen konnte. Als sie und ihre Kinder die Familie besuchten und ihnen die Sachen brachten, bemerkte sie, dass die Mutter keine Handtasche hatte. Sie wusste, dass sie und viele ihrer Freundinnen mehrere Handtaschen hatten, also fragte sie in den sozialen Medien, ob jemand eine Handtasche nicht mehr brauchte und abgeben könne. Auf diese einfache Frage hin ist mittlerweile ein ganzes Lager voller Sachspenden für neu ankommende Familien entstanden, und zwischen Frauen unterschiedlichen Glaubens entwickelte sich eine herzliche Freundschaft.

Eliza R. Snow, die zweite Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung, hat für die Segnungen der Frauenhilfsvereinigung Zeugnis gegeben: „Sollte sich eine der Töchter und Mütter in Israel auch nur im geringsten in ihrem gegenwärtigen Wirkungsfeld [eingeschränkt] fühlen, wird sie nun einen weiten Spielraum vorfinden für alle Kraft und Fähigkeit, Gutes zu tun, womit sie so reichlich ausgestattet ist.“9

Also, was werden Sie Außergewöhnliches tun? Suchen Sie sich etwas, wofür Sie Zeit und die Mittel haben. „Laufe nicht schneller und verrichte nicht mehr Arbeit, als du Kraft hast und Mittel[,] doch sei eifrig.“ (Lehre und Bündnisse 10:4.) Ob Sie Ihr Erlösungswerk im Moment hauptsächlich zuhause vollbringen, ob Sie in der ganzen Welt Einfluss haben oder ob Sie sich irgendwo dazwischen befinden: Der Herr ist mit Ihren Bemühungen zufrieden, wenn Sie damit Gottes Kindern helfen wollen und Ihr ewiges Ziel verfolgen, als neue und verbesserte Version Ihres geistigen Selbst zu ihm zurückzukehren. Elder Dieter F. Uchtdorf vom Kollegium der Zwölf Apostel hat es kurz und bündig ausgedrückt: „Die Erhöhung ist unser Ziel, der Weg des Jüngers unser Weg dorthin.“10

Mögen wir auf unserem Weg als Jüngerinnen entschlossen die kleinen guten Taten tun, mit denen wir unserer Familie und anderen auf außergewöhnliche Weise ein Segen sein können. Mögen wir unsere Freundschaften in dieser von Gott eingerichteten Organisation schätzen und Jesus Christus kennenlernen und ihm nachfolgen. Seine Lehren und sein vollkommenes Vorbild führen uns zurück zu unserem himmlischen Vater.

Anmerkungen

  1. D. Todd Christofferson, „Die moralische Kraft der Frau“, Liahona, November 2013, Seite 29

  2. James E. Faust, „Was es bedeutet, eine Tochter Gottes zu sein“, Liahona, Januar 2000, Seite 123

  3. Siehe James E. Faust, „Was es bedeutet, eine Tochter Gottes zu sein“, Seite 121

  4. Handbuch 2: Die Kirche führen und verwalten, 9.1.1, aktuelle Fassung unter www.churchofjesuschrist.org/study/manual/handbook-2-administering-the-church/relief-society/relief-society?lang=deu

  5. Siehe „As Sisters in Zion“, Hymns, Nr. 309

  6. Siehe Handbuch 2, 5.1

  7. Siehe „As Sisters in Zion“, Hymns, Nr. 309

  8. Emma Smith, zitiert in: Die Töchter in meinem Reich: Die Geschichte und das Werk der Frauenhilfsvereinigung, 2011, Seite 16

  9. Eliza R. Snow, zitiert in: Die Töchter in meinem Reich, Seite 51

  10. Dieter F. Uchtdorf, „Es funktioniert ganz wunderbar!“, Liahona, November 2015, Seite 23