2012
Nehmen wir uns Zeit zum Reden und Zuhören
April 2012


Heim und Familie

Nehmen wir uns Zeit zum Reden und Zuhören

Aus einer Ansprache, die am 24. Oktober 2010 anlässlich der Satellitenübertragung einer Pfahlkonferenz in Salt Lake City gehalten wurde.

Wenn wir uns heute bewusst anstrengen, besser zu kommunizieren, wird unsere Familie auf ewig gesegnet.

Bild
Rosemary M. Wixom

In einer vollkommenen Welt würde jedes Kind, das von der Schule nach Hause kommt, mit einem Teller frischgebackener Schokoladenkekse und einem großen Glas Milch begrüßt werden, von einer Mutter, die sich Zeit nimmt, mit dem Kind über seinen Tag zu reden und ihm zuzuhören. Wir leben aber nicht in einer vollkommenen Welt, also können Sie die Kekse und die Milch gern weglassen, aber unterlassen Sie es auf keinen Fall, sich Zeit zu nehmen zum Reden und Zuhören.

Vor 29 Jahren hat Präsident James E. Faust (1920–2007), Zweiter Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft, beklagt, dass Familien so wenig Zeit miteinander verbringen. Bedenken Sie, dass er dies vor 29 Jahren auf einer Generalkonferenz gesagt hat: „Eines der größten Probleme in den Familien heutzutage ist, dass wir immer weniger Zeit miteinander verbringen. … Gemeinsam verbrachte Zeit ist kostbare Zeit. Wir brauchen diese Zeit, um zu reden, zuzuhören, Mut zu machen und zu zeigen, wie man etwas macht.“1

Wenn wir mit unseren Kindern Zeit verbringen und mit ihnen reden, lernen wir sie kennen und sie lernen uns kennen. Unsere Prioritäten, was wir wirklich im Herzen fühlen, kommen in Gesprächen mit jedem Kind zum Ausdruck.

Welche Botschaft, die Sie Ihrem Kind unbedingt mitteilen wollen, liegt Ihnen am meisten am Herzen?

Der Prophet Mose sagt in Deuteronomium:

„Du [sollst] den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.

Diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen.

Du sollst sie deinen Söhnen wiederholen. Du sollst von ihnen reden, wenn du zu Hause sitzt und wenn du auf der Straße gehst, wenn du dich schlafen legst und wenn du aufstehst.“ (Deuteronomium 6:5-7; Hervorhebung hinzugefügt.)

Und ich möchte gern hinzufügen: „Und wenn du gemeinsam mit ihnen am Esstisch sitzt.“

Wenn wir wollen, dass unsere Familie für immer zusammen bleibt, beginnen wir noch heute damit. Zeit für Gespräche mit unseren Kindern ist eine Investition in unsere ewige Familie auf unserem gemeinsamen Weg zum ewigen Leben.

Eine Mutter aus Illinois erzählte einmal, wie sie sich Zeit dafür nahm, mit ihren Kindern zu reden:

„Als unsere Kinder noch klein waren, hatte ich ein paar Lieblingsfernsehsendungen, die ich immer anschaute. … Leider kamen diese Sendungen genau dann, wenn es für die Kinder Zeit war, ins Bett zu gehen. …

 Irgendwann wurde mir bewusst, dass die Fernsehsendungen ganz oben auf meiner Liste standen und meine Kinder viel weiter unten. Eine Zeit lang versuchte ich, den Kindern Gutenachtgeschichten vorzulesen, während der Fernseher lief, aber eigentlich wusste ich, dass dies nicht die beste Lösung war. Als ich über die Tage und Wochen nachdachte, die ich wegen meiner Fernsehgewohnheiten versäumt hatte, bekam ich Schuldgefühle und beschloss, mich zu ändern. Es dauerte eine Weile, bis ich mich selbst davon überzeugen konnte, dass ich den Fernseher wirklich ausschalten konnte.

Nachdem ich den Fernseher etwa zwei Wochen lang nicht mehr eingeschaltet hatte, spürte ich, wie mir eine Last genommen worden war. Ich merkte, dass ich mich besser und irgendwie auch reiner fühlte, und ich wusste, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte.“2

Die Zeit vor dem Schlafengehen eignet sich hervorragend für Gespräche.

Helaman sagte über die jungen Krieger: „Sie wiederholten mir die Worte ihrer Mütter und sprachen: Wir zweifeln nicht; unsere Mütter haben es gewusst.“ (Alma 56:48.)

Durch „die Worte ihrer Mütter“ wussten sie Bescheid. Diese Mütter hatten in den Gesprächen mit ihren Kindern das Wort Gottes gelehrt.

Achten wir auf das persönliche Gespräch

Viel Gutes entsteht aus Gesprächen, und der Widersacher weiß, wie machtvoll das gesprochene Wort ist. Er würde liebend gern den guten Geist abschwächen, der in unserer Familie entsteht, wenn wir reden, zuhören, einander Mut machen und gemeinsam etwas unternehmen.

Der Satan versuchte vergeblich, die Wiederherstellung des Evangeliums Jesu Christi in dieser Evangeliumszeit zu verhindern, als er den Versuch machte, das entscheidende Gespräch zwischen Joseph Smith und Gottvater und dem Sohn Jesus Christus zu verhindern.

Joseph Smith beschreibt es so: „Ich [wurde] sogleich von einer Macht gepackt, die mich gänzlich überwältigte und eine so erstaunliche Wirkung auf mich hatte, dass sie mir die Zunge lähmte und ich nicht sprechen konnte.“ (Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:15.)

Der Widersacher möchte uns liebend gern die Zunge lähmen – alles tun, um uns daran zu hindern, unsere Gefühle von Angesicht zu Angesicht verbal auszudrücken. Ihm gefallen Distanz und Ablenkung; ihm gefällt Lärm; ihm gefällt unpersönliche Kommunikation – alles, was uns von der Wärme einer Stimme und den Gefühlen abhält, die bei einem persönlichen Gespräch entstehen.

Hören wir uns an, was unsere Kinder bewegt

Zuhören ist genauso wichtig wie sprechen. Elder Jeffrey R. Holland vom Kollegium der Zwölf Apostel hat gesagt: „Wenn wir liebevoll zuhören, müssen wir uns nicht fragen, was wir sagen sollen. Es wird uns eingegeben – durch den Geist.“3

Wenn wir zuhören, blicken wir in das Herz derer, die uns nahe sind. Der Vater im Himmel hat für jedes seiner Kinder einen Plan. Stellen Sie sich vor, wir könnten einen kurzen Einblick in den Plan erhalten, den er für jedes unserer Kinder hat. Was wäre, wenn wir erkennen könnten, wie wir ihre geistigen Gaben fördern können? Was wäre, wenn wir wüssten, wie wir ein Kind anspornen können, sein Potenzial auszuschöpfen? Was wäre, wenn wir wüssten, wie wir jedem Kind helfen könnten, vom kindlichen Glauben zu einem eigenen Zeugnis zu gelangen?

Wie können wir das wissen?

Wir können es in Erfahrung bringen, indem wir zuhören.

Ein Vater, der der Kirche angehört, hat gesagt: „Ich tue mehr Gutes, wenn ich meinen Kindern zuhöre, als wenn ich mit ihnen rede. … Ich habe mit der Zeit gelernt, dass meine Kinder keine vorgefertigten, bewährten, klugen Antworten wollen. … Ihnen ist es wichtiger, ihre Fragen zu stellen und über ihre Probleme zu sprechen, als meine Antworten zu hören. Wenn sie mit dem Reden fertig sind und ich lange und gut genug zugehört habe, brauchen sie meist meine Antwort gar nicht. Sie haben ihre Antwort bereits gefunden.“4

Es erfordert Zeit, sich auf das zu konzentrieren, was am wichtigsten ist. Reden, zuhören, Mut machen, all das braucht Zeit. Man kann es nicht rasch erledigen und nicht einplanen; es entsteht aus der Situation heraus. Es ergibt sich, wenn wir etwas gemeinsam unternehmen: zusammen arbeiten, zusammen etwas gestalten, zusammen spielen. Es ergibt sich, wenn wir Computer und Handy, Radio und Fernseher ausschalten, weltliche Ablenkungen beseitigen und einander unsere Aufmerksamkeit schenken.

Das ist allerdings schwierig. Wenn wir innehalten und alles abschalten, müssen wir vorbereitet sein auf das, was folgt. Anfangs mag die Stille unbehaglich sein; vielleicht spürt man einen Verlust. Seien Sie geduldig, warten Sie nur ein paar Sekunden, und genießen Sie, was dann folgt. Widmen Sie den Menschen, die Sie um sich haben, Ihre ganze Aufmerksamkeit, indem Sie ihnen eine Frage stellen und dann zuhören. Eltern, sprechen Sie über etwas, was Ihr Kind interessiert. Lachen Sie über die Vergangenheit – und träumen Sie von der Zukunft. Selbst aus ein paar albernen Sätzen kann sich ein ernsthaftes Gespräch entwickeln.

Was sind unsere wichtigsten Ziele?

Letztes Frühjahr besuchte ich einmal einen JD-Unterricht. Die Lehrerin bat die Mädchen, ihre zehn wichtigsten Ziele aufzuschreiben. Ich fing gleich an zu schreiben. Ich muss zugeben, dass mein erster Gedanke war: „1. die Stifte-Schublade in der Küche putzen.“ Als wir mit unseren Listen fertig waren, bat uns die Lehrerin, vorzulesen, was wir aufgeschrieben hatten. Abby, die erst vor kurzem zwölf geworden war, saß neben mir. Ihre Liste sah so aus:

  1. aufs College gehen

  2. werden

  3. nach Indien auf Mission gehen

  4. im Tempel einen zurückgekehrten Missionar heiraten

  5. fünf Kinder und ein Haus

  6. meine Kinder auf Mission und ans College schicken

  7. eine Oma werden, die Kekse bäckt und verschenkt

  8. meine Enkel verwöhnen

  9. mehr über das Evangelium erfahren und das Leben genießen

  10. zum Vater im Himmel zurückkehren

Ich sage: „Danke, Abby. Du hast mir gezeigt, was es heißt, eine Vorstellung von dem Plan zu haben, den der Vater im Himmel für uns alle hat. Wenn du weißt, dass du auf einem bestimmten Weg bist, trotz aller Umwege, die sich ergeben mögen, wirst du es schaffen. Wenn dein Weg zu deinem größten Ziel führt, nämlich Erhöhung und die Rückkehr zum Vater im Himmel, kommst du auch dort an.“

Woher wusste Abby, dass es auf ewige Ziele ankam? Es fängt zuhause an. Es fängt in der Familie an. Ich fragte sie: „Was macht ihr bei euch zuhause, was solche Ziele hervorbringt?“

Ihre Antwort: „Wir lesen die heiligen Schriften und außerdem die Anleitung Verkündet mein Evangelium!“ Außerdem sagte sie: „Wir reden viel miteinander – beim Familienabend, beim Essen oder im Auto, wenn wir unterwegs sind.“

Nephi schrieb: „Wir reden von Christus, wir freuen uns über Christus, wir predigen von Christus.“ Warum? „Damit unsere Kinder wissen mögen, von welcher Quelle sie Vergebung ihrer Sünden erhoffen können.“ (2 Nephi 25:26.)

Reden, zuhören, einander Mut machen und gemeinsam als Familie etwas unternehmen wird uns dem Erlöser, der uns liebt, näherbringen. Wenn wir uns heute – von diesem Tag an – bewusst anstrengen, besser zu kommunizieren, wird unsere Familie auf ewig gesegnet. Ich bezeuge Ihnen: Wenn wir von Christus reden, freuen wir uns auch über Christus und über die Gabe des Sühnopfers. Unsere Kinder werden wissen, „von welcher Quelle sie Vergebung ihrer Sünden erhoffen können“.

Anmerkungen

  1. James E. Faust, „Enriching Family Life“, Ensign, Mai 1983, Seite 41

  2. Susan Heaton, „Talk Time Instead of TV Time“, Ensign, Oktober 1998, Seite 73

  3. Jeffrey R. Holland, „Meine Zeugen“, Liahona, Juli 2001, Seite 16

  4. George D. Durrant, „Pointers for Parents: Take Time to Talk“, Ensign, April 1973, Seite 24

Foto von Schwester Wixom © Busath Photography; Fotos von Bradley Slade