2005
Das musst du selbst entscheiden
Februar 2005


Das musst du selbst entscheiden

„Wer ewiges Leben hat, ist reich.“ (LuB 6:7.)

Eine wahre Geschichte aus historischen Quellen

Priscillas Großeltern wohnten in einem wunderschönen Haus in Liverpool in England. Priscilla war das vierte von neun Kindern und hatte außerdem noch viele Cousinen und Cousins. Dennoch gaben ihr Großvater und Großmutter Mitchell das Gefühl, sie hätten sie am allerliebsten. Sie war gern bei ihnen, und ihre Großeltern kauften ihr auch immer wieder Geschenke.

Doch eines Tages wurde alles anders. Missionare aus Amerika unterwiesen ihre Familie im Evangelium und ihre Eltern ließen sich taufen. Auch Priscilla und ihre Geschwister wollten sich taufen lassen. Doch als ihr Großvater das hörte, wurde er sehr böse.

Priscilla hatte ihren Großvater noch nie böse erlebt. Sie hatte Angst. Er schrie ihren Vater an und kränkte ihn fürchterlich: „Hezekiah, nimm deine Familie und geh! Und komm nie wieder zurück!“

Priscillas Familie saß daheim völlig schockiert am Kamin. Vater hatte noch nie so traurig ausgesehen. Mutter hatte unterwegs die ganze Zeit geweint und konnte gar nicht aufhören.

Priscilla verstand das alles nicht. Ihr brach es schier das Herz. „Warum mögen sie uns denn nicht mehr?“, sagte sie unter Tränen.

Ihr Vater versuchte, es ihr zu erklären. „Großvater hat etwas gegen unsere neue Kirche. Er möchte damit nichts zu tun haben und er möchte auch mit uns nichts mehr zu tun haben, wenn wir weiterhin zur Kirche gehen.“ Doch Priscillas Vater stand aufrecht da. „Ich weiß aber, dass Jesus Christus lebt. Dies ist die wahre Kirche. Er wird uns helfen, wenn wir uns nur nach besten Kräften bemühen, ihm ähnlich zu werden.“

Priscillas Familie versuchte, dem Leben positive Seiten abzugewinnen, doch alles wurde noch schlimmer. Ihr Vater verlor seinen Posten als Geistlicher in seiner früheren Kirche. Er unterrichtete zwar an einer Schule, aber trotzdem hatten sie nur wenig Geld. Ihre Mutter flickte die Kleider, weil sie keine neuen kaufen konnte. Priscilla bemühte sich, nicht zu jammern, aber das Leben kam ihr jeden Tag schwerer vor. Sie hätte so gern ihre Großeltern besucht. Wenn sie doch nur mit ihnen reden könnte!

Da klopfte eines Tages jemand an die Tür. Priscillas Herzschlag beschleunigte sich voller Hoffnung, doch es waren nicht die Großeltern. Onkel George und Tante Hannah standen da und brachten Geschenke und einen Korb mit Essen. Priscilla freute sich über den Besuch. Aber schon wurde sie aus dem Zimmer geschickt, damit sich die Erwachsenen in Ruhe unterhalten konnten. Das alles klang sehr ernst.

„Priscilla!“, rief Tante Hannah sie schließlich herein. „Würdest du gern bei uns wohnen?“ Onkel George erklärte ihr, dass sie sie gern adoptieren wollten, weil sie selbst keine Kinder hatten. In ihrem großen Haus hätte Priscilla genügend Platz, und sie könnte auch eine bessere Ausbildung erhalten.

„Dann bleibt vom Lebensnotwendigen auch mehr für deine Geschwister übrig“, fügte Tante Hannah hinzu. Priscilla wusste, wie schwer es für ihre Eltern war, Essen und Kleidung für alle neun Kinder zu beschaffen. Ihre Familie würde es leichter haben, wenn sie mit Onkel George und Tante Hannah ginge.

Vater blickte traurig zu Boden. Mutter schluchzte in ihr Taschentuch. Natürlich war das Angebot gut gemeint, aber es würde nicht leicht sein, es anzunehmen. Priscilla packte ihre Tasche und verabschiedete sich von ihrer Familie.

*****

„Das hier ist dein Schlafzimmer“, sagte Tante Hannah. Priscilla hatte bisher mit ihren vier Schwestern in einem Zimmer geschlafen, doch nun hatte sie ein eigenes Zimmer und ein Hausmädchen, das es sauber hielt.

Tante Hannah ging mit ihr einkaufen und kaufte ihr schöne Kleider. Schon bald hatte sie einen ganzen Schrank voll. Ihr Onkel und ihre Tante veranstalteten Partys, damit Priscilla neue Freunde kennen lernte. Priscilla hatte viele Vorteile, aber sie vermisste ihre Familie. Sie hatten oft um den Kamin gesessen, und ihr Vater hatte sie unterwiesen.

*****

Am Morgen ihres 10. Geburtstags band Priscilla gerade Blumensträuße im Garten, die wie tanzende Puppen aussehen sollten. Sie freute sich schon auf die Party am Nachmittag, aber sie wünschte sich, dass auch ihre Schwestern kommen könnten.

Da sah sie auf einmal einen großen, schlanken Mann mit einem Spazierstock den Weg heraufkommen. Priscilla rannte ihm entgegen.

„Alles Gute zum Geburtstag, Prinzessin Priscilla“, sagte ihr Vater. Er nahm sie in die Arme und wirbelte sie herum.

„Du hast meinen Geburtstag nicht vergessen, Papa“, rief Priscilla.

Sie gingen zusammen ins Haus. Vater zog einen Brief aus seiner Tasche. „Priscilla, Onkel George und Tante Hannah möchten dich ganz offiziell adoptieren.“ Priscilla wusste, was das bedeutete. Sie würde viel Geld erben und einen geachteten Namen tragen. Nie wieder müsste sie sich Sorgen um Geld machen.

„Ich habe noch eine Neuigkeit“, sagte ihr Vater. „Wir alle – deine Mutter, deine Geschwister und ich – fahren bald nach Amerika.“

„Kommt ihr denn je wieder zurück?“, fragte Priscilla.

Vater schüttelte den Kopf. „George und Hannah lieben dich. Sie werden gut für dich sorgen und dir mehr Reichtum und Möglichkeiten geben, als ich es könnte. Das Leben mit unserer neuen Kirche in Amerika wird jedoch schwierig sein und uns viele Opfer abverlangen.“ Priscillas Vater blickte ihr in die Augen. „Du musst dich entscheiden, Priscilla.“

Priscilla zögerte keinen Augenblick. Sie lief zu Tante Hannah und umarmte und küsste sie. Sie sagte: „Ich liebe dich, Tante Hannah. Ich werde dich nie vergessen. Aber ich weiß, dass die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage wahr ist. Ich muss mit meiner Familie nach Amerika fahren und ich muss mich taufen lassen.“

Und das tat sie dann auch.

Susan B. Mitchell gehört zur Gemeinde West Bountiful 3 im Pfahl West Bountiful in Utah.

„Durch das Gesetz des Opferns können wir … dem Herrn beweisen, dass wir ihn mehr als alles andere lieben. Unser Weg wird dann manchmal schwer, weil wir ja vollkommen gemacht werden sollen – bereit für das celestiale Reich.“

Elder M. Russell Ballard vom Kollegium der Zwölf Apostel, „Das Gesetz des Opferns“, Liahona, März 2002, Seite 12.