1990–1999
Grundsätzlich hat sich nichts geändert
April 1997


Grundsätzlich hat sich nichts geändert

Lernen Sie vor allem, gehorsam zu sein - damit Sie das Werk des Herrn auf die majestätische Weise vollbringen können, wie es sein muß.

Welch ein gewaltiger Anblick, meine Brüder. Es begeistert mich, hier zu stehen und Sie alle hier so zahlreich im Tabernakel zu sehen und daran zu denken, was sich überall in der Welt tut. Die Lieder, die wir gerade gehört haben, sind meiner Meinung nach recht passend. „Wo wird mir Trost zuteil?” (Gesangbuch, Nr. 77.) Über das Thema könnten wir den ganzen Abend reden. Davor haben wir das mitreißende Lied „Laßt die Berge vor Freude jubeln” gehört, das von Evan Stephens geschrieben wurde. Wenn wir über dieses Jahr nachdenken, in dem sich die Ankunft der Pioniere zum hundertfünfzigsten Mal jährt, können Sie sich dann vorstellen, welche Begeisterung die Heiligen erfüllt haben muß, wenn sie dieses Lied sangen oder es zum ersten Mal hörten? Nachdem sie die Reise über die Prärie bewältigt und alles geschafft hatten - das Leid und das Leben in den Wagenbetten und das Schlafen draußen auf der Erde und das Barfußlaufen und daß sie die Toten draußen auf der Prärie begraben mußten - als sie dann endlich im Great Salt Lake Valley ankamen, um hier ihr Zion aufzurichten, können Sie sich vorstellen, wie sie dann später gesungen haben: „Laßt die Berge vor Freude jubeln”?

Wir können das jetzt tun, wenn wir über unsere Vorfahren nachsinnen, die an dem Treck teilgenommen haben, und wenn wir an all das denken, was sie getan haben, um uns den Weg zu bereiten, und dann können wir darüber nachdenken, wie die Kirche heute aussieht. Wir haben heute gehört, wie die Statistik verlesen wurde, und können uns vorstellen, wie die Kirche in der ganzen Welt wächst und wie sich die Pfähle und Gemeinden vermehren und es in immer neuen Ländern, neuen Gebieten in der ganzen Welt Mitglieder gibt, dann können wir wieder mit großer Begeisterung singen: „Laßt die Berge vor Freude jubeln.” Hier sind wir, und das Wort breitet sich so aus, wie es vorhergesagt worden ist und wie es sein soll.

Es ist mir eine Ehre, daß ich heute abend am Programm beteiligt bin. Ich werde allmählich alt genug, um fast das ganze 20. Jahrhundert miterlebt zu haben. Mir fehlen sechs Jahre vom Anfang des Jahrhunderts - ich bin 1906 geboren und am anderen Ende fehlen mir auch noch drei Jahre, sonst wären es die ganzen hundert Jahre. Neulich hat Präsident Hinckley über eine Weihung gesprochen, die 2000 stattfinden soll, und zu mir gesagt: „Ich rechne damit, daß du dann da bist.” Ich habe gesagt: „Ich habe vor, dabei zu sein.” Wenn ich das also schaffe, dann hätte ich die drei fehlenden Jahre am Ende, und es würden mir nur noch die sechs vom Anfang fehlen. Dann hätte ich 94 Prozent des Jahrhunderts geschafft.

Wenn ich so über das 20. Jahrhundert und über das nachdenke, was ich gelernt habe, möchte ich gern etwas zum Aaronischen Priestertum sagen, vor allem über das, was ich miterlebt habe und welche Gefühle ich in der Zeit hatte.

Ich möchte Sie alle daran erinnern, daß die Kirche 1906 rund 360000 Mitglieder hatte. Es gab 55 Pfähle und 22 Missionen. Soweit ich weiß, gab es rund 1500 Missionare, so daß jede der 22 Missionen im Durchschnitt 70 Missionare hatte. Die Arbeit ging auch in jenem Jahr, als ich zur Welt kam, voran.

Meine Mutter hat erzählt, an dem Morgen, als ich geboren wurde, es war ein Sonntag, sei mein Vater recht stolz gewesen. Er war der Bischof der Gemeinde Oakley l in Oakley, Idaho, und er ging nach draußen, um einem unserer skandinavischen Freunde, Bruder Petersen, der gerade vorbeiging, die frohe Kunde mitzuteilen. Mein Vater bat ihn, hereinzukommen und sich den neugeborenen Sohn anzusehen. Meine Mutter sagte, ich sei das häßlichste kleine Kind gewesen, das sie je gesehen habe. Bruder Petersen betrachtete mich eine Weile und meinte dann: „Schwester Haight, meinen Sie, daß es sich lohnt, sich mit dem da abzumühen?” Na ja, so bin ich in die Welt gekommen.

Ich habe inzwischen erlebt, wie erst die Autos gekommen sind und dann die ersten Flugzeuge. Ich habe erlebt, wie sich das Radio von der kleinen Steuerung mit Kristalldetektoren und der Detektornadel aus der Anfangszeit bis hin in die moderne Welt der Elektronik entwickelt hat. Ich weiß noch, wie wir abends mit einem kleinen Radio in der Elektrizitätsgesellschaft von Idaho gesessen und uns mit der Detektornadel abgemüht haben und nur atmosphärische Störungen eingefangen haben. Wir meinten damals, wir hörten China, weil wir nichts verstehen konnten.

Wenn ich an die Welt denke, die ich in meiner Jugend gekannt habe, dann sehe ich, daß das Grundsätzliche, wovon wir reden, da war. Bei allem, was ich miterlebt habe, seit ich auf der Erde bin, hat sich doch grundsätzlich nichts geändert. Wir können jetzt gewaltig schnell und auf vielfältige Art und Weise miteinander kommunizieren. Wir können schneller reisen - durch die Luft, im Auto und so weiter - aber am Grundsätzlichen, an den ewigen Grundsätzen - daran hat sich nichts geändert.

Diejenigen von Ihnen, die noch jung sind - und ich denke da an die Diakone, die sich in der ganzen Welt versammelt haben - ich weiß noch, wie ich von Bischof Adams zum Diakon ordiniert worden bin. Er hatte den Platz meines Vaters eingenommen, nachdem mein Vater gestorben war. Mein Vater hatte mich noch getauft, aber er war nicht mehr da, als ich das Aaronische Priestertum erhielt. Ich weiß noch, wie aufgeregt ich war, weil ich jetzt Diakon werden und das Priestertum tragen sollte, wie mir ganz schlicht und mit einfachen Worten erklärt wurde, nämlich daß ich jetzt die Vollmacht hatte, in der Organisation mitzuarbeiten und das Programm des Herrn auf der Erde mit voranzubringen. Das bekommen wir nämlich als zwölfjährige Jungen. Wir durchlaufen die ersten Stufen des geringeren Priestertums - Diakon, Lehrer und dann Priester - und lernen schrittweise - hier ein bißchen und da ein bißchen - und wachsen an Erkenntnis und Weisheit. Das kleine Zeugnis, mit dem man anfängt, wächst dann allmählich, und man sieht, wie es größer wird und sich aufbaut, und zwar auf eine Art und Weise, die man nachvollziehen kann. Man spürt, wie bedeutsam es ist, während man allmählich erwachsen wird und sich darauf vorbereitet, im Leben seinen Mann zu stehen.

Was das Heranwachsen zum Mann betrifft, so kann ich mich noch daran erinnern, wie ich 12 war. Ich war der Mann im Haus. Ich war mit 12 bereits ein Mann, weil meine Mutter das von mir erwartete. Sie wurde nicht als Witwe betrachtet; sie war meine Mutter, die uns erzog und uns unterwies und uns auf das Leben vorbereitete. Und deshalb möchte ich den Jungen im Aaronischen Priestertum sagen, denkt an die ganz einfachen Grundlagen, die wir von Anfang an lernen, die wir in den heiligen Schriften lernen. Seit Adam waren die Grundsätze auf der Erde zu finden, und trotz der Entwicklung der Menschheit und der Geschwindigkeit der Autos und der Flugzeuge und der Kommunikation hat sich am Evangelium doch grundsätzlich nichts geändert. Es ist alles noch da. Wir müssen bereit sein, auf unserem Weg durch das Leben zu lernen, das zu tun, was für unseren Aufstieg im Priestertum und unseren Aufstieg zu irgendwelchen Positionen in der Gesellschaft oder in irgendeiner anderen Sache nötig ist, aber wir müssen lernen, die einfachen, grundlegenden Regeln des Evangeliums zu befolgen.

Als die Erste Präsidentschaft heute abend hereinkam, sagte einer von ihnen: „Heute müssen wir aber gut spielen.” Jemand anders sagte: „Wir brauchen viele Punkte.” Das hat mich daran erinnert, daß ich vor ein paar Jahren einer ähnlichen Versammlung wie dieser hier eine Footballgeschichte erzählt habe, an der ich beteiligt war, als der Schulausschuß in Oakley, Idaho, einmal genug Geld zusammenbrachte, um 12 Footballausrüstungen zu kaufen. Wir hatten noch nie Football gespielt; wir hatten Basketball gespielt, weil das einfach und billig war und weil man dazu nicht viel brauchte. Aber schließlich wurden doch 12 Ausrüstungen gekauft, so daß wir eine vollständige Mannschaft mit einem Ersatzspieler hatten. Unser Trainer war der Chemielehrer. Er hatte einmal ein Spiel gesehen, und so brachte er uns bei, anzugreifen und das Spielfeld hinauf und hinunter zu laufen und ein paar einfache Spielzüge zu machen, aber wir hatte noch nie eine richtige Mannschaft spielen sehen.

Unser erstes Spiel ging gegen Twin Falls, Idaho, die in dem Jahr davor die Highschool-Champions von Idaho gewesen waren. Wir stiegen in die kleinen Fords und fuhren nach Twin Falls. Wir zogen uns die Anzüge und unsere Basketballschuhe an und gingen auf das Feld, alle 12, und nachdem wir uns ein bißchen warmgelaufen hatten, begann die Band zu spielen, und die andere Footballmannschaft lief ein. Sie hatten in ihrer Band mehr Spieler als wir Schüler an unserer ganzen Highschool. Aber als dann auch noch die Mannschaft mit ihrer tollen Ausrüstung einlief, staunten wir. Es waren 39, und alle in voller Montur.

Wie man sich vorstellen kann, war es ein interessantes Spiel. Sie fingen an, und wir versuchten ein paar Spielzüge, aber das brachte uns nichts ein, deshalb schössen wir den Ball bloß immer weg. Immer wenn wir den Ball hatten, schössen wir, und immer wenn sie den Ball hatten, machten sie einen Punkt. Es war ein interessanter Nachmittag. Gegen Ende des Spiels, als wir schon völlig zerschlagen und blutig waren, wurden sie ein bißchen sorglos, und Clifford Lee, der mit mir Halfback spielte, fing bei einem ihrer wilden Pässe aus Versehen den Ball. Er wußte nichts damit anzufangen. Aber er sah sie auf sich zukommen und rannte los. Er rannte nicht um Punkte, sondern um sein Leben. Und er machte einen Punkt.

Zum Schluß stand es 106 zu 6. Die Zeitung von Twin Falls hat vor zwei, drei Jahren einen Artikel über die großen Footballmannschaften der Stadt veröffentlicht. Auch das Spiel von damals gegen Oakley war aufgeführt, und das Ergebnis war mit 106 zu 7 angegeben. Ich habe der Zeitung einen Leserbrief geschrieben und ihr mitgeteilt: „Ich dachte, Sie würden gern die Meinung von jemandem hören, der in der gegnerischen Mannschaft mitgespielt hat.” Ich schilderte also den Spielverlauf und gab an: „Wir haben den zusätzlichen Punkt gar nicht gemacht, weil wir niemanden hatten, der das geschafft hätte. Korrigieren Sie also bitte das Spielergebnis in Ihren Unterlagen, es war nämlich 106 zu 6.”

Na ja, das gehört mit zum Leben, und wir können uns dafür bereitmachen; und wenn es etwas zu erledigen und zu lernen gibt, damit wir es schaffen, dann müssen wir das Grundsätzliche lernen und außerdem lernen, wie wir es in die Tat umsetzen.

Das Evangelium ist wahr. Wenn ich an die vielen Missionare denke, die wir jetzt draußen in der Welt haben, meine Güte, was für eine großartige Möglichkeit, das Werk des Herrn so auszuführen, wie es sein soll. Wir lieben Sie um dessen willen, was Sie tun. Ihr Jungen im Aaronischen Priestertum, seid so gut, wie ihr nur sein könnt, und lernt, rein und ehrlich und aufrecht und gehorsam zu sein - vor allem gehorsam - damit ihr das Werk des Herrn in der majestätischen Weise verrichten könnt, wie es ihm gebührt.

Ich lasse Ihnen meine Liebe und mein Zeugnis davon, daß dieses Werk wahr ist, daß Präsident Hinckley, der die Kirche heute führt, unser Prophet, Seher und Offenbarer ist, daß er vom Herrn dazu berufen worden ist, über die Kirche zu präsidieren. Ich beobachte ihn jetzt seit über 20 Jahren aus nächster Nähe, ich sehe seine Fähigkeiten, seine Talente, sein Engagement und den großen geistigen Einfluß, den er auf die Welt ausübt, während er dieses Werk leitet. Es ist wahr. Es wird vorwärtsgehen und alle Enden der Erde erfüllen. Die Menschen werden die Möglichkeit haben, mit eigenen Ohren zu hören - jemanden zu hören, der verkündet, daß Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, was auch ich Ihnen verkünde. Ich lasse Ihnen meine Liebe und mein Zeugnis, daß dieses Werk wahr ist. Im Namen unseres Herrn und Erretters Jesus Christus. Amen.