Lehren der Präsidenten der Kirche
Beten – der Schlüssel zu geistiger Macht


Kapitel 5

Beten – der Schlüssel zu geistiger Macht

Wenn wir aufrichtig und inniglich beten, können wir Liebe, Kraft und Stärke von unserem himmlischen Vater empfangen.

Aus dem Leben von Spencer W. Kimball

Das Beten, seine Macht und seine Segnungen liegen mir wirklich sehr am Herzen“, erklärte Präsident Spencer W. Kimball. „Ich habe in meinem Leben so viele Segnungen empfangen, dass ich immer Dank dafür schuldig bleiben werde. Der Herr war so gut zu mir. In Krankheit und Gesundheit habe ich so viel erlebt, dass in meinem Herzen und Sinn auch nicht der geringste Zweifel daran besteht, dass es einen Gott im Himmel gibt, dass er unser Vater ist und unser Beten hört und erhört.“1

Ein solches Erlebnis hatte Präsident Kimball, als er mit seiner Frau Camilla zu einer Konferenz in Hamilton in Neuseeland fuhr. Als sie in Hamilton ankamen, waren sie so krank, dass Präsident Kimball Präsident N. Eldon Tanner, den Ersten Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft, bat, über die kulturelle Veranstaltung an diesem Abend zu präsidieren. Einige Stunden später „wachte Präsident Kimball plötzlich auf und fragte Dr. Russell Nelson, der neben ihm saß und ihn betreute: ‚Bruder Nelson, wann beginnt die Veranstaltung heute Abend?‘

‘Um sieben Uhr, Präsident Kimball.‘

‘Wie spät ist es jetzt?‘

‘Es ist fast sieben.‘

Spencer war schweißnass. Er hatte kein Fieber mehr. … Er sagte: ‚Sagen Sie meiner Frau, dass wir jetzt gehen!‘

Camilla stand auf, sie zogen sich schnell an und fuhren die kurze Strecke zum Stadion, wo das Programm gerade begonnen hatte. Präsident Tanner hatte zu Beginn der Versammlung verkündet, dass die beiden zu krank waren, um zu kommen. Beim Anfangsgebet hatte ein junger Neuseeländer innig gebetet: ‚Hier sind dreitausend junge Menschen aus Neuseeland versammelt. Wir haben uns darauf vorbereitet, für deinen Propheten zu singen und zu tanzen. Bitte heile ihn und lass ihn hierher kommen.‘ Nach dem Gebet traf das Auto mit Spencer und Camilla ein, und im Stadion brach spontan ein ohrenbetäubender Aufschrei aus, weil das Gebet erhört worden war.“2

Lehren von Spencer W. Kimball

Von uns wird verlangt zu beten, so wie von uns auch verlangt wird, jedes andere Gebot zu befolgen.

Das Gebet ist nicht etwas, was wir tun, wenn uns danach ist; es ist die Grundlage unserer Religion.3

Warum sollen wir beten? Weil wir Söhne und Töchter unseres himmlischen Vaters sind, von dem wir in allem, was wir haben, abhängen – Nahrung und Kleidung, Gesundheit, ja, das Leben selbst, das Seh- und Hörvermögen, die Stimme, die Fähigkeit, zu gehen, ja, selbst das Gehirn. …

Geben Sie sich denn selbst den Atem, das Leben, die Existenz? Können Sie Ihre Lebenszeit nur um eine einzige Stunde verlängern? Sind Sie ohne die Gaben des Himmels so stark? Ist Ihr Gehirn von selbst entstanden, haben Sie es gestaltet? Können Sie Leben schenken oder es verlängern? Haben Sie die Macht, etwas ohne Ihren Herrn zu tun? Und trotzdem stelle ich fest, dass viele es verabsäumen zu beten. …

Und Sie, die Sie manchmal beten, warum beten Sie nicht regelmäßiger, öfter, inniger? Ist die Zeit so kostbar, das Leben so kurz oder der Glaube so gering? …

Wir alle sind unserem Herrn gegenüber sehr verpflichtet. Niemand von uns ist schon vollkommen. Niemand von uns ist fehlerfrei. Es wird von allen Menschen verlangt, dass sie beten, so wie auch Keuschheit, die Heilighaltung des Sabbats, der Zehnte, das Leben nach dem Wort der Weisheit, der Versammlungsbesuch und das Eingehen der celestialen Ehe verlangt wird. Dies ist, so wahr wie alles andere, ein Gebot des Herrn.4

Als ich früher die Pfähle und Missionen der Kirche bereist habe, habe ich häufig Menschen kennen gelernt, die in Schwierigkeiten waren und dringend Hilfe brauchten. Als Erstes habe ich sie immer gefragt: „Wie steht es bei Ihnen mit dem Beten? Beten Sie oft? Wie ernst meinen Sie es, wenn Sie beten?“ Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es im Allgemeinen dann zu Sünden kommt, wenn die Verbindung abgerissen ist. Aus diesem Grund hat der Herr zum Propheten Joseph Smith gesagt: „Was ich zu einem sage, das sage ich zu allen: betet immer, damit jener Schlechte nicht Macht in euch habe.“ (LuB 93:49.)5

Die Welt bedarf heute sehr des Betens, denn es erhält die Verbindung und Kommunikationswege zu Gott aufrecht. Niemand von uns soll sich so viel Beschäftigung aufladen, dass er nicht mehr gebeterfüllt nachdenken kann. Das Beten ist der Schlüssel zu geistiger Macht.6

Beim Beten sollen wir dem himmlischen Vater unsere Dankbarkeit zum Ausdruck bringen und demütig darum bitten, uns und unsere Mitmenschen zu segnen.

Was sollen wir im Gebet sagen? Wir sollen voller Freude und aufrichtig für die erhaltenen Segnungen Dank sagen. Der Herr hat gesagt: „Und ihr müsst im Geiste Gott danken für jeglichen Segen, mit dem ihr gesegnet seid.“ (LuB 46:32.) Ein wunderbares Gefühl der Sicherheit kommt über uns, wenn wir dem Vater im Himmel aufrichtig für unsere Segnungen danken – für das Evangelium und die Erkenntnis davon, mit der wir gesegnet werden, für die Mühe und Arbeit, die sich unsere Eltern und andere mit uns machen, für unsere Angehörigen und unsere Freunde und Bekannten, für die uns gebotenen Möglichkeiten, für unseren Verstand, unseren Körper und unser Leben, für gute und nützliche Erfahrungen in unserem Leben, für die Hilfe und das Wohlwollen des Vaters im Himmel und dafür, dass er unsere Gebete erhört.

Wir können auch für unsere Führer beten. Paulus schrieb:

„Vor allem fordere ich zu Bitten und Gebeten, zu Fürbitte und Danksagung auf, und zwar für alle Menschen, für die Herrscherr und für alle, die Macht ausüben.“ (1 Timotheus 2:1,2.)

Wenn wir darum beten, werden wir dem Vaterland und den Gesetzen, denen wir unterliegen, treuer ergeben sein. Wir entwickeln Liebe und Vertrauen zu unseren Führern in der Kirche, und unsere Kinder lernen sie achten. Man kann nämlich kaum die Beamten der Kirche kritisieren, wenn man aufrichtig für sie betet. Ich bin froh dafür, dass ich mein Leben lang meine Führer unterstütze und für ihr Wohlergehen bete. Und in den letzten Jahren habe ich gespürt, wie mir viel Kraft zuströmt, weil die Heiligen in ähnlicher Weise für mich Gebete emporsenden.

Die alles umfassende Missionsarbeit soll ständig Gegenstand unserer Gebete sein. Wir beten dafür, dass sich die Türen zu allen Völkern öffnen, damit diese das Evangelium empfangen. Wir beten um Gelegenheiten, unseren Mitmenschen die Evangeliumsbotschaft zu bringen, und wir beten um Führung dabei. Wenn jemand als Kind allezeit für die Missionsarbeit betet, wird er einmal ein guter Missionar. …

Wir beten für den, den wir für einen Feind halten, denn wir erinnern uns an den eindringlichen Rat des Herrn: „Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln.“ (Lukas 6:27,28.) Kann man jemanden lange zum Feind haben, wenn man für diejenigen betet, denen man nicht wohl gesonnen ist?

Wir beten um Weisheit, um Urteilskraft, um Verständnis. Wir beten darum, dass wir dort, wo Gefahr lauert, beschützt werden, und um Kraft in Versuchung. Wir gedenken auch unserer Angehörigen und unserer Freunde. Wir sprechen spontan Gebete – hörbar oder in Gedanken, laut oder im Stillen. Wir beten jederzeit im Herzen darum, dass wir all das gut ausführen mögen, was an dem betreffenden Tag zu tun ist. Kann man mit einem aufrichtigen Gebet im Herzen oder auf den Lippen Böses tun?

Wir beten für unsere Ehe und für unsere Kinder, unsere Nachbarn und unsere berufliche Tätigkeit. Wir beten wegen unserer Entscheidungen und für unsere Aufgaben in der Kirche und unser Zeugnis, unser Gefühlsleben und unsere Ziele. Ja, wir nehmen uns Amuleks großartigen Rat zu Herzen und beten um Barmherzigkeit; wir beten für das, was wir für den Lebensunterhalt brauchen, für unseren Haushalt und gegen die Macht unserer Feinde. Wir rufen Gott an „gegen den Teufel, der ein Feind aller Rechtschaffenheit ist“, und wir beten für die Ernte auf unseren Feldern. Und wenn wir den Herrn nicht anrufen, dann lassen wir „[unser] Herz voll sein, ständig im Gebet zu ihm hingezogen für [unser] Wohlergehen und auch für das Wohlergehen derer, die um [uns] sind“ (siehe Alma 34:18-27).7

Wir beten um Vergebung. Ich habe mit sehr vielen Missionarsanwärtern Unterredungen geführt. Zu oft stelle ich fest, dass sie nicht beten, obwohl sie Torheiten begangen haben, die ihnen noch nicht vergeben worden sind. „Warum beten Sie nicht“, habe ich sie gefragt, „wo Sie doch so sehr verpflichtet sind, etwas wieder gutzumachen? Glauben Sie denn, Sie könnten es einfach ignorieren, mit den Achseln zucken und sagen, so etwas wäre ja allgemein üblich? Schämen Sie sich, niederzuknien, schämen Sie sich vor Christus? Zweifeln Sie an Gott? Wissen Sie nicht, dass er lebt und Sie liebt, dass er vergibt, wenn man umkehrt? Wissen Sie denn, dass Sünden durch Ausflüchte und bloßes Vergessen nicht ausgelöscht und Übertretungen nicht vergeben werden können?“ …

Wir beten um alles, was wir brauchen, was unserer würdig und richtig ist. Ich habe gehört, wie ein vierzehnjähriger Junge den Herrn im Familiengebet angefleht hat, er möge die Schafe auf dem Berg beschützen. Es schneite, und es war bitterkalt. Ich hörte, wie eine Familie während einer argen Dürre um Regen betete, als die Lage hoffnungslos schien. Ich hörte, wie ein Mädchen für die Prüfung, die an diesem Tag anstand, um Hilfe betete.

Wir bitten auch für diejenigen, die krank sind und leiden. Der Herr hört uns, wenn wir aufrichtig beten. Nicht immer heilt er sie, aber er verleiht ihnen Frieden, Mut oder die Kraft, es zu ertragen. In unseren Gebeten denken wir auch an die Menschen, die die Segnungen noch mehr brauchen als die körperlich Kranken – nämlich die Menschen, die entmutigt, verwirrt, in Versuchung geraten, sündig und beunruhigt sind.

Wir beten für das Wohlergehen unserer Kinder. Manchmal kommt es vor, dass Kinder, wenn sie heranwachsen, trotz allem, was wir sagen oder tun, rebellieren. Als Alma gewahr wurde, dass seine Ermahnungen an seinen [Sohn] vergeblich waren, betete er für [ihn], und seine Gebete waren machtvoll. Manchmal ist es das Einzige, was Eltern noch tun können. Das Gebet eines rechtschaffenen Menschen vermag viel, so steht es in der Schrift, und so war es auch in diesem Fall [siehe Jakobus 5:16; Mosia 27:14].8

Es ist beglückend und schenkt Freude, dass wir zu unserem Vater im Himmel beten dürfen, ja, es bringt Segen. Aber das Beten allein genügt nicht. Was Amulek sagte, ist genau richtig: „Und nun siehe, meine geliebten Brüder … wenn ihr [gebetet] habt, aber die Bedürftigen und die Nackten abweist und nicht die Kranken und Bedrängten besucht und von eurer Habe, sofern ihr habt, mit den Bedürftigen teilt – ich sage euch, wenn ihr dies nicht tut, siehe, so ist euer Beten unnütz und trägt euch nichts ein, und ihr seid wie Heuchler, die den Glauben verleugnen.“ (Alma 34:28.) Wir dürfen nie vergessen, dass wir so ehrlich und aufrichtig nach dem Evangelium leben sollen, wie wir beten.9

In unseren vertraulichen, persönlichen Gebeten können wir uns mit Gott beraten und seinen Willen erfahren.

Manches bespricht man am besten im persönlichen Gebet, wo wir uns um Zeit und Vertraulichkeit keine Gedanken machen brauchen. Ein Gebet an einem abgelegenen Ort ist herrlich und lohnend. Wenn wir allein beten, fällt es uns leichter, Scham, Heuchelei und jegliche Täuschung abzulegen; es fällt uns leichter, unser Herz auszuschütten und unsere Hoffnungen und Wünsche ganz ehrlich und aufrichtig zum Ausdruck zu bringen.

Mir ist schon seit langem klar, dass wir für unser persönliches Gebet ungestört sein müssen und Ruhe brauchen. Der Erretter hielt es zeitweilig für notwendig, auf einen Berg oder in die Wüste zu entfliehen und dort zu beten. Auch der Apostel Paulus begab sich nach seiner bedeutsamen Berufung in die einsame Wüste. Enos begab sich an einen einsamen Ort, um mit Gott zu sprechen. Joseph Smith fand diese ungestörte Ruhe in einem Hain, wo nur die Vögel, die Bäume und Gott sein Beten hörten. Beachten Sie einige bedeutende Punkte in seinem Bericht: „Also zog ich mich gemäß diesem meinem Entschluss, Gott zu bitten, in den Wald zurück, um den Versuch zu machen. … Zum ersten Mal in meinem Leben unternahm ich so einen Versuch, denn bei all meiner Unruhe hatte ich doch noch nie versucht, laut zu beten.“ (Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:14, Hervorhebung hinzugefügt.)

Auch wir sollten, wo dies möglich ist, ein Zimmer, eine Ecke, eine Kammer oder sonst einen Ort finden, wohin wir uns „zurückziehen“ können, um für uns allein laut zu beten. Denken wir daran, wie oft der Herr uns anweist, laut zu beten: „Und weiter gebiete ich dir: Du sollst sowohl laut als auch in deinem Herzen beten, ja, sowohl vor der Welt als auch im Verborgenen, sowohl in der Öffentlichkeit als auch, wenn du allein bist.“ (LuB 19:28.)10

Wenn wir uns dem Herrn aber selbst in diesen kostbaren Augenblicken des Gebets nicht voll und ganz anvertrauen, können uns gewisse Segnungen vorenthalten bleiben. Wir beten doch als Bittsteller zu einem allweisen Vater im Himmel, warum sollten wir dann unsere Gedanken und Gefühle, die unsere Bedürfnisse und Segnungen betreffen, für uns behalten?11

In unseren Gebeten dürfen wir nichts verdecken und nicht heucheln, denn hierbei kann es keine Täuschung geben. Der Herr kennt unsere wahre Lage. Sagen wir dem Herrn, wie gut wir sind oder wie schwach wir sind? Wir stehen entblößt vor ihm. Bringen wir unsere Anliegen bescheiden, aufrichtig und mit einem „reuigen Herzen und zerknirschtem Geist“ vor ihn, oder tun wir es wie der Pharisäer, der damit prahlte, wie gut er das Gesetz des Mose einhielt? [Siehe Ether 4:15; Lukas 18:11,12.] Leiern wir ein paar abgedroschene Worte oder übliche Phrasen herunter, oder sprechen wir ganz vertraulich mit dem Herrn, und zwar so lange, wie es die Situation erfordert? Beten wir nur gelegentlich, obwohl wir regelmäßig, oft und immer beten sollen?12

Es ist etwas Besonderes – nicht nur zum Vater im Himmel sprechen zu dürfen, sondern auch Liebe und Inspiration von ihm zu empfangen. Wenn unser Gebet beendet ist, müssen wir einige Zeit aufmerksam zuhören – ja, mehrere Minuten lang. Wir haben um Rat und Hilfe gebeten. Nun gilt: „Lasst ab und erkennt, dass [er] Gott [ist].“ (Psalm 46:11.)13

Wir müssen uns täglich für das Familiengebet Zeit nehmen.

Die Kirche legt uns ans Herz, dass wir täglich morgens und abends mit der Familie beten. Dabei sollen sich alle oder möglichst viele Familienmitglieder zusammen niederknien. … Alle Familienmitglieder, auch die kleinen Kinder, sollen abwechselnd das Gebet sprechen dürfen, so wie es derjenige, der präsidiert, bestimmt. Normalerweise ist das der Vater, der das Priestertum trägt; ist er nicht da, bestimmt die Mutter, und sind beide nicht anwesend, das älteste Kind.14

Unser himmlischer Vater segnet uns damit, dass wir beten können; es soll uns helfen, bei allem, was wir zu Hause und auch sonst im Leben tun, erfolgreich zu sein. Ich weiß: Wenn wir für uns selbst und als Familie inbrünstig und rechtschaffen beten, und zwar morgens, wenn wir aufstehen, und abends, wenn wir schlafen gehen, und ebenso gemeinsam zu den Mahlzeiten, dann wachsen wir nicht nur als Familie enger zusammen, sondern wir wachsen auch geistig. Wir brauchen so sehr die Hilfe des Vaters im Himmel, denn wir bemühen uns ja, die Evangeliumswahrheiten kennen zu lernen und sie dann zu praktizieren; wir brauchen seine Hilfe bei unseren Entscheidungen, und wir streben danach.15

Das Familiengebet richtet sich in Länge und Inhalt nach den Bedürfnissen. Das Gebet … eines Ehepaares unterscheidet sich sicher von dem einer Familie mit größeren Kindern oder von dem einer Familie mit kleinen Kindern. Natürlich soll es sich nicht in die Länge ziehen, wenn kleine Kinder dabei sind; diese würden sonst das Interesse verlieren oder müde werden und das Gebet nicht mehr mögen. Kinder sprechen wahrscheinlich kein sehr langes Gebet. Das Vaterunser, das uns als ja ein Beispiel gegeben wurde, dauert nur etwa dreißig Sekunden, und in ein, zwei oder drei Minuten kann man ganz sicher viel danken und erbitten. Natürlich gibt es auch Zeiten, in denen es angebracht ist, länger zu beten.16

Wenn wir mit den Kindern zum Familiengebet niederknien, eignen sie sich eine Gewohnheit an, die sie ihr Leben lang beibehalten. Wenn wir uns nicht die Zeit zum Beten nehmen, sagen wir unseren Kindern damit eigentlich: „Na ja, so wichtig ist das nicht. Macht euch deswegen keine Sorgen. Wenn es sich leicht machen lässt, können wir ja beten, aber wenn es schon höchste Zeit für die Schule ist, wenn der Bus kommt oder wir zur Arbeit müssen – nun, das Beten ist nicht so wichtig, und wir werden es dann tun, wenn es uns passt.“ Wenn man es aber nicht plant, wird es nie passen!17

Keine Mutter würde ihre kleinen Kinder an einem kalten Wintertag sorglos ohne warme Kleidung zum Schutz vor Schnee, Regen und Kälte in die Schule schicken. Und doch gibt es viele Väter und Mütter, die ihre Kinder ohne den schützenden Mantel des Gebets in die Schule gehen lassen – ohne den Schutz gegen unbekannte Gefahren, böse Menschen und niederträchtige Versuchungen.18

Bisher hat es vielleicht ausgereicht, einmal am Tag als Familie zu beten. Aber in Zukunft wird das nicht genug sein, wenn wir unsere Familie retten wollen.19

In der Familie lernen unsere Kinder, wie man mit dem Vater im Himmel spricht, indem sie den Eltern zuhören. Sie merken bald, ob wir aufrichtig und von Herzen beten. Wenn wir in Eile beten oder womöglich gar nicht bei der Sache sind, werden sie auch das merken. Wir tun also gut daran, als Familie und wenn wir allein sind, der eindringlichen Aufforderung Mormons entsprechend zu handeln: „Darum, meine geliebten Brüder, betet mit der ganzen Kraft des Herzens zum Vater, dass ihr von dieser Liebe erfüllt werdet.“ (Moroni 7:48.)20

Beim Familiengebet geht es um mehr als um Bitten und Dankbarkeit. Es ist ein Schritt hin zu Einigkeit und Verbundenheit in der Familie. Es trägt dazu bei, dass Familiensinn und Zusammengehörigkeitsgefühl in der Familie entsteht. Dies ist ein Augenblick in der Hektik des Tages, wo das laute Radio verstummt, das Licht an Intensität verliert und sich Sinn und Herz einander und dem Unendlichen zuwenden; ein Augenblick, in dem die Welt ausgeschlossen und der Himmel eingeschlossen wird.21

Wenn wir uns zum Gebet versammeln, sollen wir dem Zweck entsprechend beten.

Wenn wir uns zum Beten versammeln – daheim, in der Kirche, in Gesellschaft oder in der Öffentlichkeit –, sollen wir bedenken, was mit dem Beten erreicht werden soll: Wir wollen mit unserem Vater im Himmel sprechen. Beim gemeinsamen Beten habe ich die Erfahrung gemacht, dass es für unsere Einstellung besser ist, wenn wir von Herzen und aufrichtig mit Gott sprechen, als wenn wir uns Gedanken darüber machen, was die Zuhörer wohl denken könnten – so schwer dies wohl auch sein mag. Natürlich muss man auch bedenken, wann und wo man betet, und dies ist einer der Gründe, warum wir es nicht bei öffentlichen Gebeten und nicht einmal beim Familiengebet bewenden lassen dürfen.22

Gebete in der Öffentlichkeit sollen immer dem Anlass entsprechen. Ein Weihungsgebet mag länger sein, ein Anfangsgebet ist aber viel kürzer. Man soll dabei um das bitten, was bei diesem bestimmten Anlass gebraucht wird. Das Schlussgebet kann noch kürzer sein – nämlich ein Gebet zum Dank und zum Abschied. Die Salbung mit Öl ist ein kurzer und besonderer Teil einer heiligen Handlung und sollte nicht dieselben Worte enthalten wie die anschließende Siegelung. Diese kann dementsprechend länger sein, wenn man die Segnungen auf den Empfänger herab bittet. Die Segnung der Speise muss nicht lang sein, aber man soll dabei Dankbarkeit ausdrücken und den Segen dafür erbitten. Dabei soll man das Familiengebet nicht wiederholen, das gerade gesprochen worden ist.23

Wie oft hören wir jemanden, der in seinem Gebet immer beredter wird, bis es schon fast an eine Predigt grenzt? Die Zuhörer ermüden, und die Wirkung geht verloren.24

Weil uns der Vater im Himmel auf vollkommene Weise kennt und liebt, können wir seinen Antworten auf unsere Gebete vertrauen.

Erfolgt die Verständigung beim Beten aber nur in einer Richtung? Nein! …

Die Sprache des Gebets zu erlernen ist ein Prozess, der Freude bringt und sich über das ganze Leben hinzieht. Manchmal strömen uns, nachdem wir gebetet haben, Ideen in den Sinn. Gelegentlich bedrückt uns etwas – eine innere Ruhe versichert uns, dass sich alles zum Guten wenden wird. Doch immer, wenn wir aufrichtig und ernsthaft beten, fühlen wir uns gut – wir spüren Zuneigung zu unserem Vater im Himmel und erahnen, wie sehr er uns liebt. Es hat mich traurig gemacht, dass einige von uns die Bedeutung dieser Ruhe, dieser geistigen Wärme nicht verstanden haben. Dabei ist sie doch ein Zeugnis, dass unser Gebet erhört worden ist. Und weil uns der Vater im Himmel mehr liebt als wir uns selbst, können wir auf seine Güte bauen und ihm vertrauen. Wenn wir also unablässig beten und so leben, wie es recht ist, führt uns der Vater und segnet uns.

Und so sagen wir, wenn wir beten: „Dein Wille geschehe!“, und das meinen wir auch so. Wir würden auch nicht einen Führer um Rat bitten und den Rat dann missachten. Wir dürfen den Herrn nicht um Segnungen bitten und die Antwort dann unbeachtet lassen. Und so beten wir: „Dein Wille geschehe, o Herr. Du weißt es am besten, gütiger Vater. Ich werde deine Weisung dankbar annehmen und befolgen.“25

Wir sollen glaubensvoll beten, aber daran denken, dass die Antwort, die wir vom Herrn bekommen, nicht unbedingt die sein muss, die wir erwarten oder wünschen. Wir müssen daran glauben, dass Gottes Entscheidung für uns richtig ist.26

Da ich mein ganzes Leben lang gebetet habe, kenne ich die Liebe, die Macht und die Stärke, die sich aus ehrlichem, aufrichtigem Beten ergeben. Ich weiß, dass unser Vater bereit ist, uns bei unseren irdischen Erfahrungen zur Seite zu stehen, uns zu belehren, zu leiten und zu führen. So sagt der Erretter in seiner großen Liebe: „Was ich zu einem sage, das sage ich zu allen; betet immer.“ (LuB 93:49.)

Wenn wir dies tun, werden wir selbst erkennen, dass unser Vater im Himmel das Beten wahrhaftig hört und erhört. Er möchte, dass jeder von uns diese Erkenntnis hat. Streben Sie danach, meine lieben Brüder und Schwestern, streben Sie danach!27

Anregungen für Studium und Unterricht

Beachten Sie diese Anregungen, wenn Sie sich mit dem Kapitel befassen oder sich auf den Unterricht vorbereiten. Weitere Anregungen siehe Seite vii-xii.

  • Was wäre in Ihrem Leben anders, wenn Sie nicht beten würden? Überlegen Sie, warum der Herr uns das Gebot gegeben hat zu beten (Seite 57f.).

  • Lesen Sie Seite 58-61 noch einmal durch. Inwiefern beeinflusst es uns, wenn wir im Gebet Dankbarkeit ausdrücken oder für andere beten?

  • Lesen Sie den dritten Absatz auf Seite 61 noch einmal durch. Warum ist unser Beten nicht vollständig, wenn wir nicht „so ehrlich und aufrichtig nach dem Evangelium leben, … wie wir beten“?

  • Präsident Kimball hat gesagt: „Ein Gebet an einem abgelegenen Ort ist herrlich und lohnend“ (Seite 61). Was können wir tun, um Zeit für sinnvolle Gebete zu schaffen? Warum ist es Ihrer Meinung nach hilfreich, wenn wir unser persönliches Gebet gelegentlich laut sprechen? Warum ist das Zuhören ein wichtiger Bestandteil des Gebets?

  • Auf Seite 64f. zählt Präsident Kimball die Segnungen auf, die dem Familiengebet entspringen. Welche Erfahrungen haben Sie damit schon gesammelt? Was kann man als Familie tun, um morgens und abends Zeit für das tägliche Familiengebet zu schaffen?

  • Präsident Kimball hat gelehrt, dass ein Gebet in einer Versammlung dem Zweck entsprechen soll (Seite 66). Was sollen wir tun, wenn wir gebeten werden, ein solches Gebet zu sprechen? Was können wir aus dem Beispiel des jungen Neuseeländers, das auf Seite 55f. geschildert wird, lernen?

  • Lesen Sie den Absatz auf Seite 67. Welchen Einfluss hat das Beten auf Ihre Beziehung zum himmlischen Vater?

Einschlägige Schriftstellen: Psalm 55:17; Matthäus 6:5-15; Jakobus 1:5,6; 2 Nephi 32:8,9; 3 Nephi 18:18-21

Anmerkungen

  1. Conference Report, Oktober 1979, Seite 5

  2. Caroline Eyring Miner und Edward L. Kimball, Camilla: A Biography of Camilla Eyring Kimball, 1980, Seite 182ff.

  3. Faith Precedes the Miracle, 1972, Seite 200

  4. „Prayer“, New Era, März 1978, Seite 15, 17f.

  5. „Pray Always“, Ensign, Okotober 1981, Seite 3

  6. Conference Report, April 1979, Seite 7

  7. Ensign, Oktober 1981, Seite 4f.

  8. Faith Precedes the Miracle, Seite 205f.

  9. Ensign, Oktober 1981, Seite 6

  10. Ensign, Oktober 1981, Seite 4

  11. Conference Report, Oktober 1979, Seite 5

  12. Faith Precedes the Miracle, Seite 207

  13. Ensign, Oktober 1981, Seite 5

  14. Faith Precedes the Miracle, Seite 200f.

  15. „Therefore I Was Taught“, Ensign, Januar 1982, Seite 4

  16. Faith Precedes the Miracle, Seite 201

  17. The Miracle of Forgiveness, Seite 253

  18. Faith Precedes the Miracle, Seite 207

  19. Zitiert von James E. Faust, in Der Stern, Januar 1991, Seite 31

  20. Ensign, Oktober 1981, Seite 4

  21. „Family Prayer“, Children’s Friend, Januar 1946, Seite 30

  22. Ensign, Oktober 1981, Seite 4

  23. Faith Precedes the Miracle, Seite 201

  24. The Teachings of Spencer W. Kimball, Hg. Edward L. Kimball, 1982, Seite 119f.

  25. Ensign, Oktober 1981, Seite 5

  26. Faith Precedes the Miracle, Seite 207

  27. Ensign, Oktober 1981, Seite 6