2020
Wacht und betet allezeit
November 2020


Wacht und betet allezeit

Heute möchte ich meinen Aufruf zum Gebet auf alle Menschen in allen Ländern der Welt ausweiten

Meine lieben Brüder und Schwestern, in der letzten Woche seines Wirkens auf Erden ermahnte Jesus seine Jünger: „Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt!“1

Zu dem, was vor seinem Zweiten Kommen geschehen wird, gehören Kriege und Kriegsgerüchte sowie Hungersnöte, Seuchen und Erdbeben an vielen Orten.2

Im Buch Lehre und Bündnisse sagt der Erretter: „Und alles wird in Aufruhr sein; … denn Furcht wird über alles Volk kommen.“3

Zweifelsohne leben wir in einer Zeit, in der so manches in Aufruhr ist. Viele Menschen haben Angst vor der Zukunft, und viele haben sich innerlich von ihrem Glauben an Gott und seinen Sohn Jesus Christus abgewandt.

Die Nachrichten sind voller Berichte über Gewalttaten. Im Internet breiten sich üble Schmähungen aus. Friedhöfe, Kirchen, Moscheen, Synagogen und Heiligenschreine sind verwüstet worden.

Eine weltweite Pandemie hat wahrhaftig jeden Winkel der Erde erreicht; Millionen Menschen haben sich angesteckt, über eine Million sind gestorben. Schulabschlussfeiern, Gottesdienste, Hochzeiten, Missionen und eine Unmenge weiterer wichtiger Ereignisse im Leben sind durcheinandergeraten. Darüber hinaus wurden unzählige Menschen allein gelassen und isoliert.

Wirtschaftliche Verwerfungen haben vielen große Schwierigkeiten bereitet, besonders den anfälligsten unter den Kindern unseres himmlischen Vaters.

Wir haben gesehen, wie Menschen engagiert ihr Recht auf friedlichen Protest wahrgenommen haben und wie aufgebrachte Horden randaliert haben.

Gleichzeitig sehen wir nach wie vor Konflikte überall auf der Welt.

Ich denke oft an diejenigen von Ihnen, die leiden, besorgt sind, Angst haben oder sich einsam fühlen. Ich versichere jedem Einzelnen von Ihnen, dass der Herr Sie kennt, dass ihm Ihre Sorgen und Ängste bewusst sind und dass er Sie liebt – innig, persönlich, tief und ewig.

Jeden Abend bitte ich den Herrn in meinem Gebet, alle zu segnen, denen Kummer, Schmerzen, Einsamkeit und Traurigkeit zu schaffen machen. Ich weiß, dass auch andere Führer der Kirche solche Gebete sprechen. Wir als Einzelne und als Gruppe fühlen uns Ihnen von Herzen verbunden und beten zu Gott für Sie.

Ich habe letztes Jahr mehrere Tage im Nordosten der Vereinigten Staaten verbracht und dabei Gedenkstätten des Landes und der Kirche besucht, an Versammlungen mit Missionaren und Mitgliedern teilgenommen und mich mit Politikern und Geschäftsleuten getroffen.

Am Sonntag, dem 20. Oktober, sprach ich vor einer größeren Runde in der Nähe von Boston in Massachusetts. Mittendrin hatte ich die Eingebung, Folgendes zu sagen: „Ich bitte Sie, … für dieses Land, für unsere Führer, für unser Volk und für die Familien zu beten, die in dieser großartigen, von Gott begründeten Nation leben.“4

Ich sagte auch, dass Amerika und viele Völker der Erde wie in der Vergangenheit wieder einmal an einem Wendepunkt stünden und unsere Gebete bräuchten.5

Ich hatte meine Bitte vorher nicht aufgeschrieben. Die Worte stellten sich ein, als der Geist mir eingab, die Anwesenden zu Gebeten für ihr Land und ihre Führer aufzurufen.

Heute möchte ich meinen Aufruf zum Gebet auf alle Menschen in allen Ländern der Welt ausweiten. Ganz gleich, wie Sie beten oder zu wem Sie beten: Bitte üben Sie Ihren Glauben aus – welcher es auch sein mag – und beten Sie für Ihr Land und die Führer Ihres Landes. Wie ich im vergangenen Oktober in Massachusetts sagte, stehen wir heute an einem großen Wendepunkt in der Geschichte, und die Völker der Erde brauchen dringend göttliche Eingebungen und Weisungen. Hier geht es nicht um Politik oder Grundsätze. Hier geht es um Frieden und die Heilung, die der Seele des Einzelnen ebenso zuteilwerden kann wie der Seele eines Landes mit seinen Städten, Gemeinden und Dörfern, und zwar durch den Fürsten des Friedens und die Quelle aller Heilung, den Herrn Jesus Christus.

Während der letzten paar Monate habe ich den Eindruck gewonnen, dass man der derzeitigen Lage in der Welt am besten beikommt, wenn alle Menschen noch stärker auf Gott vertrauen und ihm in aufrichtigem Gebet ihr Herz zuwenden. Wenn wir uns demütigen und uns um Eingebungen vom Himmel bemühen, um das, was vor uns liegt, durchzustehen oder zu bewältigen, so ist dies der sicherste und zuverlässigste Weg, in diesen beunruhigenden Zeiten voller Zuversicht weiterzukommen.

In den heiligen Schriften sind Gebete, die Jesus während seines Wirkens auf Erden sprach, ebenso zu finden wie seine Lehren über das Gebet. Das Vaterunser ist Ihnen bekannt:

„Unser Vater im Himmel, geheiligt werde dein Name,

dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf der Erde.

Gib uns heute das Brot, das wir brauchen!

Und erlass uns unsere Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben!

Und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns vor dem Bösen! [Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.]“6

Dieses schöne, in der ganzen Christenheit oft wiederholte Gebet, verdeutlicht kurz und bündig, dass es durchaus angebracht ist, den Vater im Himmel unmittelbar um Antworten auf die Fragen anzugehen, die uns Sorgen bereiten. Beten wir also um göttliche Führung.

Ich möchte Sie bitten, jederzeit zu beten.7 Beten Sie für Ihre Familie. Beten Sie für die Führer der Völker. Beten Sie für die Mutigen an vorderster Front in den derzeitigen Schlachten gegen soziale, ökologische, politische und biologische Plagen, die auf alle Menschen auf der ganzen Welt ihre Auswirkungen haben – die Reichen wie die Armen, die Jungen wie die Alten.

Der Erretter möchte, dass wir uneingeschränkt für jedermann beten. Er hat gesagt: „Liebt eure Feinde, segnet die, die euch fluchen, tut Gutes denen, die euch hassen, und betet für die, die euch böswillig schlecht behandeln und euch verfolgen.“8

Am Kreuz auf Golgota, wo Jesus unserer Sünden wegen starb, setzte er seine Lehren in die Tat um, als er betete: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“9

Ein aufrichtiges Gebet für diejenigen, die man als unsere Feinde ansehen kann, belegt unsere Überzeugung, dass Gott in uns und in anderen eine Herzenswandlung bewirken kann. Ein solches Gebet soll uns in dem Entschluss bestärken, in unserem Leben, in der Familie und in der Gesellschaft eine jede Änderung vorzunehmen, die nötig ist.

Es spielt keine Rolle, wo Sie leben, welche Sprache Sie sprechen oder vor welchen Schwierigkeiten Sie stehen: Gott hört und erhört Sie auf seine Weise und zu der von ihm bestimmten Zeit. Weil wir seine Kinder sind, dürfen wir an ihn herantreten, um Hilfe und Trost zu suchen und unseren Wunsch zu erneuern, die Welt zum Besseren zu verändern.

Oftmals genügt es nicht, für Gerechtigkeit und Frieden oder für die Armen und Kranken zu beten. Nachdem wir zum Gebet niedergekniet sind, müssen wir uns von den Knien wieder erheben und unser Bestes geben, um zu helfen, und zwar uns selbst wie auch anderen.10

Die heiligen Schriften bieten eine Fülle von Beispielen, wie gläubige Menschen Beten und Handeln miteinander verbunden haben, um im eigenen Leben und im Leben anderer eine Veränderung zu bewirken. Im Buch Mormon etwa lesen wir von Enos. In einer Feststellung heißt es, dass „etwa zwei Drittel dieses kurzen Buches ein Gebet oder eine Reihe von Gebeten beschreiben, und der Rest gibt Aufschluss, was [Enos] infolge der Antworten, die er erhalten hat, unternommen hat“.11

In der Geschichte unserer eigenen Kirche gibt es etliche Beispiele dafür, wie Gebete Veränderungen bewirkt haben – angefangen beim ersten Gebet, das Joseph Smith im Frühjahr 1820 auf einer Lichtung nahe der Blockhütte seiner Eltern sprach. Joseph, der Vergebung und geistige Anleitung suchte, öffnete die Himmel mit seinem Gebet. Heute profitieren wir davon, dass der Prophet Joseph und weitere glaubenstreue Heilige der Neuzeit – Männer und Frauen – gebetet und gehandelt haben, um die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage aufzurichten.

Ich denke oft an die Gebete glaubenstreuer Frauen wie Mary Fielding Smith, die ihre Familie mutig und mit Gottes Hilfe vor der zunehmenden Verfolgung in Illinois gerettet und in dieses Tal geführt hat, wo sich ihre Familie geistig und zeitlich entfalten konnte. Nachdem sie ernsthaft auf ihren Knien gebetet hatte, überwand sie zum Segen ihrer Familie durch harte Arbeit alle Schwierigkeiten.

Gebete werden uns aufrichten und uns als einzelne Menschen, als Familie, als Kirche und als ganze Welt zusammenführen. Gebete werden Wissenschaftler beeinflussen und ihnen helfen, Impfstoffe und Medikamente zu entdecken, die dieser Pandemie ein Ende bereiten. Gebete werden diejenigen trösten, die Angehörige verloren haben. Sie werden uns erkennen lassen, was wir zu unserem eigenen Schutz unternehmen müssen.

Brüder und Schwestern, ich bitte Sie inständig, Ihre Anstrengungen beim Beten zu verdoppeln. Ich bitte Sie inständig, in Ihren Kammern, auf ihren täglichen Wegen, zuhause, in Ihrer Gemeinde und jederzeit in Ihrem Herzen zu beten.12

Im Namen der Führer der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage danke ich Ihnen für Ihre Gebete um unseretwillen. Ich bitte Sie inständig, auch weiterhin zu beten, dass wir die Inspiration und Offenbarung empfangen mögen, die Kirche durch diese schwierigen Zeiten zu führen.

Beten kann unser Leben verändern. Wenn uns ein aufrichtiges Gebet antreibt, können wir besser werden und anderen helfen, ebenfalls besser zu werden.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie machtvoll ein Gebet sein kann. Neulich war ich allein in meinem Büro. Ich hatte mich gerade an der Hand ärztlich behandeln lassen. Sie war schwarzblau angeschwollen und tat weh. Die Schmerzen machten mich verrückt, und so konnte ich mich an meinem Schreibtisch auf wichtige und entscheidende Angelegenheiten gar nicht konzentrieren.

Ich kniete zum Gebet nieder und bat den Herrn, meine Sinne zu schärfen, damit ich meine Arbeit erledigen konnte. Ich stand auf und kehrte zu dem Stapel Papiere auf meinem Schreibtisch zurück. Beinahe im Handumdrehen war ich wieder klar und konzentriert und konnte die dringenden Angelegenheiten, die ich vor mir hatte, erledigen.

Die momentan chaotischen Zustände auf der Welt können beängstigend sein, wenn wir die Vielzahl der offenen Fragen und Probleme betrachten. Ich habe aber ein festes Zeugnis, dass wir erkennen werden, wie wir unserer Familie, unseren Nachbarn, dem Ort und sogar dem Land, in dem wir leben, ein Segen sein können, wenn wir nur beten und den Vater im Himmel um die Segnungen und die Führung bitten, die wir brauchen.

Der Erretter betete und zog dann umher und tat Gutes13 – er speiste die Armen, sprach den Bedürftigen Mut zu und unterstützte sie, und er wandte sich allen, die zu ihm kamen, liebevoll und vergebungsbereit zu und verschaffte ihnen Frieden und Ruhe. Er wendet sich auch uns nach wie vor zu.

Ich bitte alle Mitglieder der Kirche sowie unsere Nachbarn und Freunde aus anderen Glaubensgemeinschaften in aller Welt, dem zu folgen, was der Erretter seinen Jüngern auftrug: „Wacht und betet allezeit“14 für Frieden, für Trost, für Sicherheit und für Möglichkeiten, einander zu dienen.

Wie groß ist doch die Macht des Gebets und wie sehr werden in der heutigen Welt unsere Gebete voller Glauben an Gott und seinen geliebten Sohn benötigt! Vergessen wir niemals die Macht des Gebets und seien wir dankbar dafür. Im Namen Jesu Christi. Amen.