2011
Das Evangelium ist für alle da
Februar 2011


Das Evangelium ist für alle da

Ich hatte mich oft gefragt, wo wahres Glück zu finden war. Dann fand ich es in „dem großen Kasten“.

Als ich sechzehn war, wohnte ich in Porto Alegre in Brasilien. Mein älterer Bruder hatte einen Freund, der oft bei uns zu Hause war. Einmal erzählte uns dieser Freund, dass er eine Kirche gefunden hatte und die Lebensweise der Mitglieder ihm gefiel.

Er erzählte uns ein wenig davon, wie er sich der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage angeschlossen hatte, aber er war sich nicht sicher, ob mein Bruder und ich als zukünftige Mitglieder in Frage kamen. Er dachte, die Grundsätze der Kirche wären für meinen Bruder und mich zu schwierig.

Doch unsere Schwester war ein gutes, freundliches Mädchen. Deshalb meinte unser Freund, sie könnte vielleicht an dem interessiert sein, wofür die Heiligen der Letzten Tage eintraten, und fragte unsere Mutter, ob er sie zu einer Aktivität in der Kirche mitnehmen dürfe.

Unsere Mutter war einverstanden, aber nur unter der Bedingung, dass mein Bruder oder ich auch mitgingen. Mein Bruder war schneller als ich und antwortete prompt: „Ich nicht!“ Also blieb es mir überlassen, meine Schwester zu dieser Aktivität zu begleiten.

Es machte mir nichts aus. Seit ich das große, eckige Gemeindehaus gegenüber meiner Schule zum ersten Mal gesehen hatte, war ich neugierig, was für eine Kirche das war. Ich hatte oft gesehen, wie Menschen hineingingen und herauskamen, und mir war aufgefallen, dass die Männer Anzug, weißes Hemd und Krawatte trugen. Ich fragte mich, was wohl in diesem „großen Kasten“ vorging, wie ich das Gebäude damals nannte.

Meine erste Aktivität

Meine Schwester und ich kamen also mit unserem Freund im Gemeindehaus an. Drinnen standen in der Mitte der großen Kulturhalle ein paar Leute: zwei Missionarinnen und vielleicht noch sechs andere. Sie spielten ein einfaches Spiel, aßen Popcorn und tranken Saft. Alle lachten und hatten viel Spaß.

„Was sind das für Menschen?“, fragte ich mich, „und warum sind sie so glücklich?“ Ich wusste, dass es bestimmt nicht an dem Spiel liegen konnte, auch nicht an der Umgebung oder dem Essen. Das war alles so einfach. Das Glück schien von innen zu kommen.

Ich hatte mich oft gefragt, wo wahres Glück zu finden war und was ich tun konnte, um es zu finden. Ich dachte, man müsse vielleicht etwas Aufregendes machen, exotische Reisen unternehmen oder allem nachjagen, was die Welt zu bieten hat. Dann ging ich in dieses Gemeindehaus, wo die Menschen so glücklich waren, ohne dass sie das alles hatten. Es hinterließ einen bleibenden Eindruck.

Nach der Aktivität standen die Missionarinnen am Ausgang und gaben jedem die Hand. Als meine Schwester hinausging, fragten sie sie, ob sie gern mehr über die Kirche erfahren wolle. „Nein, danke“, antwortete sie. Aber ich war immer noch neugierig. Ich spürte den Wunsch, zu glauben (siehe Alma 32:27), und als sie mich fragten, ob ich mehr über das Evangelium erfahren wolle, sagte ich Ja.

Meine Eltern hatten kein Interesse an den Missionarslektionen und wollten auch nicht, dass die Missionarinnen zu uns kamen, deshalb trafen wir uns im Gemeindehaus. In den folgenden Monaten erfuhr ich vieles über das wiederhergestellte Evangelium Jesu Christi – darüber, warum die Menschen in dieser Kulturhalle so glücklich waren. Ich erfuhr, dass mein Glück damit verbunden war, dass ich das tat, was der Herr von mir erwartete, dass es von innen kam und dass ich ganz unabhängig von dem, was um mich herum vorging, glücklich sein konnte. Diese Lehre war „mir köstlich“ (Alma 32:28). Ich wollte das auch haben.

Einen Monat nach dieser ersten Begegnung beschloss ich, mich der Kirche anzuschließen. In den Jahren darauf schlossen sich auch meine Eltern der Kirche an.

Prüfungen nach der Taufe

Nach meiner Taufe erlebte ich viele Prüfungen. Ich musste erhebliche Änderungen in meinem Leben vornehmen. Dazu kam, dass ich manchmal das Gefühl hatte, in der Kirche keine Freunde zu haben, und ich war versucht, zu meinen alten Freunden zurückzukehren. Aber mein Wunsch, Freude zu empfinden – und mein Wissen, dass wir unabhängig von äußeren Umständen glücklich sein können –, halfen mir, immer wieder in die Kirche zu gehen. Ich wusste, dass ich meinen „Glauben nicht beiseitelegen“ konnte (Alma 32:36). Mit der Zeit fand ich Freunde in der Kirche, die mir in dieser Übergangszeit halfen. Und als ich weiter nach dem Evangelium lebte, wurde mein Zeugnis stärker und ich wurde glücklicher (siehe Alma 32:37).

Meine Erfahrung mit Bekehrung – meiner eigenen und der anderer – hat mir gezeigt, dass der Heilige Geist jeden Menschen berühren kann, wo er auch lebt, und dass es kein Idealprofil für ein zukünftiges Mitglied der Kirche gibt. Wir alle brauchen das Evangelium Jesu Christi. Wir alle sind im Begriff, ihm ähnlicher zu werden.

Diese Erkenntnis half mir als Missionar in São Paulo in Brasilien, als Missionspräsident in Belem in Brasilien und als Mitglied der Kirche. Sie hat mir geholfen, als meine Frau und ich unsere Kinder auf den Missionsdienst vorbereiteten. Zwei unserer Kinder haben bereits eine Vollzeitmission erfüllt. Bevor sie gingen, erinnerte ich sie daran, dass man Menschen nicht nach ihrem Äußeren oder ihrer Lebensweise beurteilen darf. „Gebt niemals jemanden auf, nur weil er euch etwas merkwürdig vorkommt“, sagte ich ihnen. „Bemüht euch, das Innere zu sehen. Es kann überall noch einen zweiten Carlos geben.“

Ich bin dankbar zu wissen, dass wir alle Kinder Gottes sind und dass es jedem – nicht nur einigen wenigen – möglich ist, die Freude zu empfangen, die ein Leben nach dem Evangelium Jesu Christi mit sich bringt.

Der Freund meines Bruders war sich nicht sicher, ob mein Bruder und ich (oben) als zukünftige Mitglieder der Kirche in Frage kamen. Aber ich war neugierig.

Elder Godoy 1982 als Missionar in Brasilien

Illustrationen von Bryan Beach; Abdruck der Fotos mit freundlicher Genehmigung von Elder Carlos A. Godoy