2004
Heber J. Grant Ein Prophet Für Schwierige Zeiten
Januar 2004


Heber J. Grant Ein Prophet Für Schwierige Zeiten

Präsident Grant, bekannt für seine Beharrlichkeit, war gut darauf vorbereitet, die Kirche in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, während der Weltwirtschaftskrise und während des Zweiten Weltkriegs zu führen.

Als Präsident Joseph F. Smith 1918 im Sterben lag, war Heber J. Grant, damals Präsident des Kollegiums der zwölf Apostel, an seinem Bett. Präsident Smith nahm Hebers Hand und sagte: „Der Herr segne dich, mein Junge; der Herr segne dich. Du trägst eine große Verantwortung. Denk immer daran, dies ist das Werk des Herrn, nicht das der Menschen. Der Herr ist größer als irgendein Mensch. Er weiß, wen er an der Spitze seiner Kirche haben will, und er macht nie einen Fehler. Der Herr segne dich.“1

Mit diesen ermutigenden Worten fiel die Führung der 495 000 Mitglieder der Kirche Heber Jeddy Grant zu. Der Erste Weltkrieg war gerade zu Ende und die Menschen kämpften darum, sich von der schrecklichen Verwüstung zu erholen. Im Herbst 1918 brach eine weltweite Grippeepidemie aus, die letztlich über 20 Millionen Menschen das Leben kostete. Deshalb wurde die für April 1919 vorgesehene Generalkonferenz, an der Präsident Grant bestätigt werden sollte, auf den Juni verlegt.2

Heber J. Grant, der von stattlicher Statur war (1,85 Meter groß), war auf seine Aufgabe gut vorbereitet. In den darauf folgenden sechsundzwanzigeinhalb Jahren diente Präsident Grant als Prophet, Seher und Offenbarer. Als siebter Präsident der Kirche diente er länger als jeder andere Präsident der Kirche vor ihm, ausgenommen Brigham Young. Während dieser Jahre verdoppelte sich die Anzahl der Mitglieder nahezu auf 954 000, drei neue Tempel wurden gebaut und sechzehn neue Missionen gegründet. Unter der Führung von Präsident Grant führte die Kirche das Wohlfahrtssystem ein, begann sie, genealogische Aufzeichnungen auf Mikrofilm aufzunehmen, und rief sie die wöchentliche Radiosendung des Tabernakelchors ins Leben. Präsident Grant hielt in der ersten Radiosendung der Kirche eine Ansprache und trug viel dazu bei, dass sich das negative Bild, das damals von der Kirche existierte, änderte.

Jedediah und Rachel

Präsident Grant war durch das Beispiel seiner Eltern in geistiger Hinsicht gut vorbereitet worden. Sein Vater, Jedediah M. Grant, Präsident Brigham Youngs Zweiter Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft, starb mit 40 Jahren an einer Lungenentzündung, nur neun Tage nach Hebers Geburt am 22. November 1856. Doch das Vermächtnis an Glauben und Rechtschaffenheit, das sein Vater hinterlassen hatte, war für Heber J. Grant stets ein Ansporn. „Noch Jahre nach seinem Tod profitierte ich von seiner Ehrlichkeit und seinem Arbeitseifer“, erklärte Präsident Grant später.3

Der Einfluss von Heber Grants Mutter, Rachel Ridgeway Ivins Grant, war nicht geringer. Ehe sich Rachel der Kirche anschloss, hatte ihr ihre wohlhabende Familie im Osten der Vereinigten Staaten ein beträchtliches Einkommen angeboten, sollte sie dem Evangelium Jesu Christi abschwören. Doch sie lehnte ab und stand zu ihrem Zeugnis. Nach dem Tod ihres Mannes sorgte die junge Witwe, die mittellos zurückgeblieben war, für ihren Sohn, indem sie Kleidung nähte und Untermieter aufnahm.

Sie lehrte Heber den Wert harter Arbeit und gemeinsam verdienten sie notdürftig ihren Lebensunterhalt. Dadurch standen sich Rachel und Heber sehr nahe. Später sagte er über sie: „Ich stehe heute hier als jemand, dessen Mutter alles für ihn war. Sie war Vater und Mutter für mich; sie gab mir ein unübertroffenes Beispiel an Redlichkeit, Hingabe und Liebe, an Entschlossenheit und Ehre. Ich stehe heute als Präsident der Kirche da, weil ich den Rat meiner Mutter befolgt habe und ihrem glühenden Zeugnis, dass dieses Werk von Gott ist, gefolgt bin.“4

Der Einfluss eines Propheten

Auch wenn Heber Grants Mutter den größten Einfluss auf ihn hatte, sorgte der Herr doch dafür, dass er auf seinem Weg noch vielen anderen begegnete, die ihn anleiteten. Zu den ersten gehörte Präsident Brigham Young (1801–1877). Der kleine Heber, der zu arm war, um selbst einen Schlitten zu besitzen, vergnügte sich im Winter damit, sich an vorbeifahrenden Fahrzeugen festzuhalten, ein Weilchen auf dem Schnee hinterher zu schlittern und dann wieder loszulassen. Einmal hielt sich Heber, der damals sechs Jahre alt war, an Präsident Youngs Schlitten fest. Als Heber Grant die Geschichte später erzählte, sagte er, Präsident Young „hing sehr an seinem Gespann und fuhr gern schnell. Daher schlitterte ich mit solcher Geschwindigkeit hinterher, dass ich es nicht wagte, abzuspringen, und nach einer Weile wurde mir sehr kalt.“

Schließlich bemerkte Präsident Young den kleinen Heber, hieß seinen Fahrer anhalten, wickelte das frierende Kind in ein Büffelfell und fragte dann, wer er sei. Als Präsident Young hörte, dass der kleine Junge Jedediah M. Grants Sohn war, sagte er, dass er Hebers Vater gern gehabt hatte, und äußerte die Hoffnung, dass aus Heber ein ebenso guter Mann werden möge. Ehe Präsident Young den kleinen Heber zu Hause absetzte, lud er ihn ein, ihn in seinem Büro zu besuchen. So begann eine Freundschaft, die andauerte, bis Präsident Young starb. Über diese Freundschaft sagte Heber Grant: „Ich empfand nicht nur große Achtung vor ihm, sondern liebte ihn auch so herzlich, wie ich wohl meinen eigenen Vater geliebt hätte, wenn ich die Liebe eines Vaters hätte kennen und erwidern dürfen.“5

Entscheidungen des jungen Heber

Heber wuchs in Armut heran, was aber kein Nachteil für ihn war. Wenig Geld zu besitzen war eine Herausforderung, durch die er sich nie abschrecken ließ. Da er unbedingt lernen wollte, Baseball zu spielen, aber nicht genug Geld für einen Ball hatte, verdiente er sich das Geld, indem er den Untermietern seiner Mutter die Schuhe putzte. Später wollte er gern die Vorstellungen des Theaters in Salt Lake besuchen. Anstatt traurig zu sein, dass er kein Geld hatte, um Karten zu kaufen, fand er einen Job im Theater, wobei er die Zuschauer mit Wasser versorgte und so die Vorstellungen sehen konnte.6

Als Heber älter wurde, brachte er seine Beharrlichkeit und innere Stärke in seine geschäftlichen Unternehmungen ein. Als man ihm anbot, an der Marineakademie der Vereinigten Staaten zu studieren, entschied er sich dafür, in der Nähe seiner Mutter zu bleiben und Geschäftsmann zu werden.7 Nachdem Heber mit 16 die Schule abgeschlossen hatte, bekam er eine Stelle als Bankangestellter und lernte Buchführung. Seine Ehrlichkeit, seine Fähigkeit, hart zu arbeiten, und sein großer Lerneifer eröffneten ihm bald viele Möglichkeiten. Mit 20 Jahren war er bereits der zweite Kassierer der Zion’s Savings Bank and Trust Company und hatte eine Versicherungsagentur gekauft.8

Die Armut, die Heber als Kind kennen lernte, machte ihn mitfühlend und bereitete ihn darauf vor, die Kirche in der schweren Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, in der Weltwirtschaftskrise und während des Zweiten Weltkriegs zu führen.

„Mr. Teufel“ überwinden

Als junger Mann war Heber Grant wegen einer Verheißung in seinem Patriarchalischen Segen, er werde schon in seiner Jugend zum Dienst berufen, beunruhigt. Da er annahm, damit sei gemeint, er würde eine Mission für die Kirche erfüllen, war er besorgt, als er mit 23 Jahren immer noch keine Missionsberufung erhalten hatte. Er machte sich Sorgen um seinen Stand und machte sich auch Gedanken über die Kirche. Vielleicht war ja der Patriarch nicht inspiriert gewesen, und vielleicht waren dann auch andere Offenbarungen nicht inspiriert. Während er solche Gedanken hegte, wurde er immer verwirrter. Er wusste, dass die Kirche wahr war, warum plagten ihn also ständig diese Zweifel? Schließlich kam er zu dem Schluss, dass der Patriarch wohl einen Fehler gemacht hatte, aber er fand immer noch keinen inneren Frieden.

Als er einmal die Main Street in Salt Lake City entlangging, wurde er wieder von solchen Gedanken geplagt. Heber Grant blieb auf dem Gehweg stehen und sprach laut, obwohl niemand dabei war: „Mr. Teufel, jetzt ist Schluss! Es ist mir egal, selbst wenn jeder Patriarch in der Kirche in einem Segen einen Fehler gemacht und eine Lüge erzählt hat, ich glaube von ganzem Herzen daran, dass das Evangelium wahr ist, und lasse mich in meinem Glauben nicht erschüttern.“

Danach wurde er nie wieder von diesen negativen Gedanken geplagt. Und kurze Zeit darauf wurde er als Pfahlpräsident berufen, womit sich sein Patriarchalischer Segen erfüllte.9

Zum Apostel berufen

Heber J. Grant war erst 25 Jahre alt, als er 1882 zum Apostel ordiniert wurde. Er fürchtete, dass er des Vertrauens, das in ihn gesetzt wurde, nicht würdig war. Während eines Besuchs bei Indianern in Arizona ließ er seine Mitarbeiter zurück, um zu beten und nachzusinnen. Später erzählte er, dass er, als er allein war, eine Ratsversammlung auf der anderen Seite des Schleiers „zu sehen schien“. Der Rat besprach, wer die beiden Lücken im Kollegium der Zwölf Apostel füllen sollte. Heber Grants Vater und der Prophet Joseph Smith schlugen Heber vor. Das beruhigte ihn. „Mir kam auch in den Sinn“, sagte er, „dass das alles war, was diese Männer … für mich tun konnten; von diesem Tag an hing es einzig und allein von mir ab, was ich aus meinem Leben machte.“10

Das Familienleben

Präsident Grant war ein liebevoller Ehemann und Vater. Einmal schlug seine Frau vor, sie sollten einander ihre Schwächen sagen. Präsident Grant willigte ein. Sie nannte ein, zwei seiner Schwächen und bat ihn dann, ihr ihre Schwächen zu sagen. Mit einem Augenzwinkern antwortete er: „Du hast keine.“11

Präsident Grant liebte seine zehn Töchter und stand ihnen sehr nahe, aber dass seine beiden einzigen Söhne schon als Kind starben, bereitete ihm tiefen, anhaltenden Kummer.

In den vielen Jahren, in denen er unterwegs war, um seinen Aufgaben in der Kirche nachzukommen, fühlte sich Präsident Grant einsam, wenn er nicht bei seiner Familie war. Seine Heimkehr war immer eine große Freude. Seine Töchter erinnern sich, dass er dabei immer durchs Haus ging, auf jedem Fuß ein Kind, ihnen von seinen Erlebnissen erzählte und sich freute, bei ihnen zu sein.12

Beharrlichkeit und Sinn für Humor

Wer Präsident Grant persönlich kannte, stimmt zu, dass von den vielen guten Eigenschaften, die er besaß, zwei herausragend waren: seine Beharrlichkeit und sein Sinn für Humor. Präsident Grant erzählte oft die Geschichte von der Ameise, die 69 Versuche unternahm, ein Maiskorn wegzutragen, ehe sie es schaffte. „Diese großartige Beharrlichkeit, die ein Insekt zeigte, hat mich mein Leben lang inspiriert“, sagte er.13

Seine Beharrlichkeit kommt beispielsweise dadurch zum Ausdruck, wie er singen lernte. Als Präsident Grant 43 Jahre alt war, entschloss er sich, singen zu lernen, obwohl es ihm bisher nie gelungen war, die Töne richtig zu treffen. Er erzählte:

„Ich hatte einen Privatsekretär mit einer wunderschönen Baritonstimme. Ich sagte ihm, ich würde alles dafür geben, wenn ich nur singen lernen könnte. Er lachte und sagte: ‚Jeder, der eine Stimme hat und beharrlich ist, kann singen lernen.‘ Ich machte ihn auf der Stelle zu meinem Gesangslehrer.

Mein erster Gesangsunterricht fand noch am selben Abend statt. Nach zwei Stunden konnte ich noch immer keine einzige Zeile des Liedes singen, das wir übten. Ich übte das Lied mehr als fünftausend Mal, aber als ich es dann vorsingen wollte, versagte ich kläglich. Ich übte es noch sechs Monate lang. Jetzt brauche ich nur ein paar Stunden, um ein Lied zu lernen.“14

Präsident Grants Sinn für Humor zeigt sich in seinen Geschichten über sein Bemühen, singen zu lernen. Einmal, erzählte er, übte er neben einer Zahnarztpraxis. Im Flur hörte er jemand sagen, es höre sich an, als würde jemandem ein Zahn gezogen.15

Ein Mann des Glaubens

Präsident Grant war 62 Jahre alt, als er am 23. November 1918 der siebte Präsident der Kirche wurde. Er war 88 Jahre alt, als er am 14. Mai 1945 starb. Von der Kanzel aus war er streng, wenn es notwendig war. In seinen Predigten sprach er sich immer wieder für die Prohibition aus, die die Herstellung und den Verkauf von Alkohol in den Vereinigten Staaten gesetzlich verbot, ebenso gegen staatliche Almosen. Aber er setzte auch oft seinen Sinn für Humor ein, um etwas deutlich zu machen. Einmal sprach er über die Eigenschaften der Heiligen der Letzten Tage und sagte: „Jemand hat gesagt, wenn eine Gesetzesvorlage vor den Kongress gebracht wird, die den Mormonen schaden würde, dann beten die Heiligen, sie möge abgelehnt werden, wird sie aber nicht abgelehnt, dann danken sie Gott trotzdem. … Da ist etwas Wahres dran. Ein Mormone weiß, dass die Verheißungen Gottes wahr sind und er gesagt hat, dass alle geprüft werden; deshalb danken die Heiligen der Letzten Tage ihrem Schöpfer nicht nur für ihre Segnungen, sondern auch in ihren Prüfungen.“16

Vor allem war Präsident Heber J. Grant ein Mann mit beständigem Glauben, der Zeugnis gab, wenn er die Welt bereiste, auch in den Jahren, als er über Missionen in Europa und Asien präsidierte. Einmal bezeugte er: „Ich weiß, dass Gott lebt. Ich weiß, dass Jesus der Messias ist. Ich weiß, dass Joseph Smith ein Prophet Gottes war. Ich habe die Hand ausgestreckt und von den Früchten des Evangeliums genossen. Ich habe sie gegessen und sie sind süß, ja, süßer als alles Süße.“17

Doch Präsident Grant kostete nicht nur davon, sondern er tat vielmehr alles, was er nur konnte, um diese Frucht anderen anzubieten, denn er wusste aus eigener Erfahrung, dass der Mensch durch das Evangelium alles Unglück bezwingen kann.

Sherrie Mills Johnson gehört zur Gemeinde Cascade 4, Pfahl Cascade, Orem, Utah

Anmerkungen

  1. Zitiert in: Lehren der Präsidenten der Kirche: Heber J. Grant, 2002, Seite xxii.

  2. Siehe Joseph Fielding Smith, Essentials in Church History, 20. Ausgabe, 1966, Seite 639.

  3. „Work, and Keep Your Promises“, Improvement Era, Januar 1900, Seite 191.

  4. In Conference Report, April 1934, Seite 15.

  5. Siehe Preston Nibley, The Presidents of the Church, 1941, Seite 271.

  6. Siehe The Presidents of the Church, Seite 273.

  7. Siehe Lehren der Präsidenten der Kirche, Seite xiv.

  8. Siehe The Presidents of the Church, Seite 276f.

  9. Siehe Francis M. Gibbons, Heber J. Grant: Man of Steel, Prophet of God, 1979, Seite 35f.

  10. In Conference Report, April 1941, Seite 4f.

  11. Augusta Winters Grant, „My Husband“, Relief Society Magazine, November 1936, Seite 671.

  12. Siehe Lehren der Präsidenten der Kirche, Seite xvii.

  13. „A Story That Helped Me“, Juvenile Instructor, Juni 1913, Seite 366.

  14. Zitiert in: Lehren der Präsidenten der Kirche, Seite 38.

  15. Siehe „Learning to Sing“, Improvement Era, Oktober 1900, Seite 887.

  16. Brian H. Stuy, Hg., Collected Discourses Delivered by President Wilford Woodruff, His Two Counselors, the Twelve Apostles, and Others, 5 Bände, 1987–1992, 2:101.

  17. Siehe: Lehren der Präsidenten der Kirche: Heber J. Grant, 2002, Seite 21.