2010–2019
Wo dein Schatz ist
April 2014


Wo dein Schatz ist

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Elder Michael John U. Teh

Wenn wir nicht aufpassen, jagen wir mehr dem Weltlichen nach als dem Geistigen.

Kurz nach der Herbst-Generalkonferenz 2007 sagte einer der führenden Brüder zu mir, ich müsse diese Qual erst wieder in etwa sieben Jahren durchleiden. Erleichtert erwiderte ich, dass ich diese sieben Jahre wohl als meine Jahre des Überflusses betrachten werde. Nun, hier stehe ich wieder; meine sieben Jahre des Überflusses sind vorbei.

Im Januar haben meine liebe Frau Grace und ich den Auftrag erhalten, die Mitglieder in den Philippinen zu besuchen, die unter den Folgen des starken Erdbebens und gewaltigen Taifuns litten. Wir freuten uns, weil dieser Auftrag die Antwort auf unsere Gebete war und ein Zeugnis der Barmherzigkeit und Güte des liebevollen Vaters im Himmel. Er linderte unser Verlangen, diesen Menschen persönlich unsere Liebe und unsere Sorge um sie bekunden zu können.

Viele der Mitglieder, die wir aufsuchten, waren noch immer in Behelfsunterkünften, etwa in Zelten, Gemeindezentren oder Gemeindehäusern der Kirche untergebracht. Bei den Häusern, die uns gezeigt wurden, fehlten Teile des Dachs oder das ganze Dach. Die Menschen hatten schon vorher nur wenig besessen, und nun war auch noch das Wenige fortgespült worden. Überall war Schlamm und Schutt. Dennoch waren die Mitglieder für jede noch so geringe Hilfe, die sie erhielten, zutiefst dankbar, und sie waren trotz der äußerst schwierigen Umstände zuversichtlich. Als wir sie fragten, wie sie zurechtkamen, erklärten alle mit Nachdruck: „Es geht uns gut.“ Offensichtlich schenkte ihnen ihr Glaube an Jesus Christus die Hoffnung, dass sich letzten Endes alles zum Guten wenden würde. In jedem einzelnen Haus und Zelt, das meine Frau und ich besuchten, lernten wir etwas von diesen gläubigen und treuen Mitgliedern.

Wenn Katastrophen über uns hereinbrechen, hat der Herr seine Art, uns und unsere Prioritäten neu auszurichten. Plötzlich spielt all das Materielle, wofür wir uns so abgemüht haben, keine Rolle mehr. Es zählen nur noch unsere Familie und die Beziehung zu unseren Mitmenschen. Eine liebe Schwester hat es so ausgedrückt: „Nachdem das Wasser wieder abgeflossen war und wir die Aufräumarbeiten in Angriff nehmen konnten, schaute ich mich in meinem Haus um und dachte: ‚Unglaublich, wie viel Gerümpel ich in all den Jahren angesammelt habe.‘“

Vermutlich hat diese Schwester eine neue Sichtweise gewonnen und wird von nun an genau darauf achten, was wirklich notwendig ist und worauf man eigentlich auch verzichten kann.

Über die Jahre haben wir mit vielen Mitgliedern zusammengearbeitet und zu unserer Freude eine Fülle an großer geistiger Kraft beobachtet. Wir haben außerdem bei diesen treuen Mitgliedern sowohl eine Fülle als auch einen Mangel an materiellem Besitz gesehen.

Notwendigerweise sind die meisten von uns damit beschäftigt, Geld zu verdienen und ein paar weltliche Güter zu erlangen, um ihre Familie zu versorgen. Das nimmt einen beträchtlichen Teil unserer Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch. Was die Welt zu bieten hat, scheint unbegrenzt, deshalb müssen wir unbedingt lernen zu erkennen, wann wir genug haben. Wenn wir nicht aufpassen, jagen wir mehr dem Weltlichen nach als dem Geistigen. Unser Streben nach dem, was geistig und ewig ist, tritt dann in den Hintergrund. Es soll aber umgekehrt sein. Leider scheint die Neigung groß zu sein, immer noch mehr anzuschaffen und stets das Modernste und Schickste zu besitzen.

Wie können wir sicherstellen, dass wir nicht in diesen Sog geraten? Jakob gibt uns dazu diesen Rat: „Darum gebt nicht Geld hin für das, was ohne Wert ist, noch eure Arbeit für das, was nicht zufrieden machen kann. Hört eifrig auf mich, und denkt an die Worte, die ich gesprochen habe; und kommt zum Heiligen Israels und labt euch an dem, was nicht zugrunde geht noch verderbt werden kann, und lasst eure Seele an Fettem sich erfreuen.“1

Ich hoffe, dass keiner von uns Geld für etwas ausgibt, was ohne Wert ist, noch für etwas arbeitet, was nicht zufrieden macht.

Der Herr erklärte sowohl den Juden als auch den Nephiten:

„Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen,

sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen.

Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“2

An anderer Stelle erzählte der Erretter dieses Gleichnis:

„Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte.

Da überlegte er hin und her: Was soll ich tun? Ich weiß nicht, wo ich meine Ernte unterbringen soll.

Schließlich sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen.

Dann kann ich zu mir selber sagen: Nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freu dich des Lebens!

Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann all das gehören, was du angehäuft hast?

So geht es jedem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber vor Gott nicht reich ist.“3

Präsident Dieter F. Uchtdorf hat uns vor kurzem diesen Rat erteilt:

„Unser Vater im Himmel sieht, was wirklich in uns steckt. Er weiß so manches über uns, was wir selbst nicht wissen. Er regt uns zeit unseres Lebens dazu an, das Maß unserer Erschaffung zu erfüllen, ein gutes Leben zu führen und in seine Gegenwart zurückzukehren.

Warum verwenden wir dann so viel von unserer Zeit und Energie auf Sachen, die derart flüchtig, derart belanglos, derart oberflächlich sind? Wollen wir nicht erkennen, was für ein Unfug es ist, dem Banalen und dem Vergänglichen nachzujagen?“4

Wir alle wissen, dass die Liste unserer irdischen Schätze Stolz, Reichtum, materiellen Besitz, Macht und die Ehre der Menschen umfasst. Sie verdienen nicht noch mehr Zeit und Aufmerksamkeit, deshalb gehe ich stattdessen auf das ein, woraus unsere Schätze im Himmel bestehen werden.

Welche Schätze im Himmel können wir uns also sammeln? Zunächst einmal tun wir gut daran, uns christliche Eigenschaften wie Glaube, Hoffnung, Demut und Nächstenliebe anzueignen. Immer wieder werden wir aufgefordert, „den natürlichen Menschen [abzulegen und so zu werden] wie ein Kind“5. Der Erlöser fordert uns auf, danach zu streben, vollkommen zu sein, so wie er und der Vater im Himmel vollkommen sind.6

Zweitens müssen wir mehr sinnvoll genutzte Zeit und mehr Energie einsetzen, um die Beziehungen in unserer Familie zu stärken. Schließlich ist „die Familie … von Gott eingerichtet. Sie ist die wichtigste Einheit zu dieser Zeit und in Ewigkeit.“7

Drittens zeichnet uns der Dienst am Mitmenschen als wahre Jünger Christi aus. Er hat gesagt: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“8

Viertens: Mit der Lehre Christi vertraut zu werden und unser Zeugnis zu stärken ist eine Anstrengung, die wahre Freude und Zufriedenheit bringt. Wir müssen uns beständig mit den Worten Christi befassen, die wir in den heiligen Schriften und den Worten der lebenden Propheten finden. „Denn siehe, die Worte von Christus werden euch alles sagen, was ihr tun sollt.“9

Abschließend möchte ich gern von einer 73-jährigen Witwe erzählen, der wir bei unserem Besuch in den Philippinen begegnet sind:

Als die Insel Bohol von einem Erdbeben erschüttert wurde, zerfiel das Haus, das sie und ihr verstorbener Mann unter großen Mühen gebaut hatten, und begrub ihre Tochter und ihren Enkel unter sich. Nun ist sie ganz allein und muss für ihren Lebensunterhalt Geld verdienen. Sie hat für andere die Wäsche übernommen (die sie von Hand wäscht). Dazu muss sie mehrmals täglich einen recht hohen Hügel hinaufgehen, um Wasser zu holen. Als wir sie besuchten, lebte sie noch immer in einem Zelt.

Dies waren ihre Worte: „Elder Teh, ich nehme alles an, was der Herr mir auferlegt. Ich hege keinen Groll. Ich bin dankbar für meinen Tempelschein. Er liegt unter meinem Kopfkissen. Sie sollen wissen, dass ich von dem bisschen Geld, das ich mit dem Wäschewaschen verdiene, den Zehnten zahle. Was auch geschieht, ich werde immer den Zehnen zahlen.“

Ich gebe Zeugnis davon, dass unsere Prioritäten, Absichten, Neigungen, Wünsche und Leidenschaften sich direkt auf unseren nächsten Stand auswirken werden. Mögen wir immer an die Worte des Heilands denken: „Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“ Mögen wir immer das Herz auf dem rechten Fleck haben. Darum bete ich im Namen Jesu Christi. Amen.