2010–2019
Der Preis – und die Segnungen – der Nachfolge Jesu
April 2014


14:45

Der Preis – und die Segnungen – der Nachfolge Jesu

Bild
Elder Jeffrey R. Holland

Seid stark. Lebt treu nach dem Evangelium, auch wenn andere um euch herum es überhaupt nicht tun.

Präsident Monson, wir haben Sie sehr gern. Sie haben sich mit dem Herzen und mit Ihrer Gesundheit für jede Berufung eingesetzt, die der Herr Ihnen je anvertraut hat, vor allem auch für das heilige Amt, das Sie jetzt ausüben. Die gesamte Kirche dankt Ihnen für Ihre Standhaftigkeit im Dienen und Ihr unerschütterliches Pflichtbewusstsein.

Ich bewundere alle, die in diesen Letzten Tagen standhaft bleiben müssen, und möchte sie anspornen. Daher sage ich zu jedem hier und insbesondere zu den Jugendlichen der Kirche, dass – falls noch nicht geschehen – der Tag kommen wird, da ihr aufgerufen seid, euren Glauben zu verteidigen oder vielleicht sogar einige Schikanen zu ertragen, nur weil ihr der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage angehört. Dann werden sowohl Mut als auch Höflichkeit gefordert sein.

Kürzlich schrieb mir beispielsweise eine Missionarin: „Meine Mitarbeiterin und ich sahen einen Mann, der im Stadtzentrum auf einer Bank saß und sein Mittagessen verzehrte. Als wir uns ihm näherten, schaute er auf und sah unsere Namensschilder. Mit zornerfülltem Blick sprang er auf und erhob die Hand gegen mich. Ich konnte gerade noch ausweichen. Da spuckte er sein Essen auf mich und überhäufte uns mit den schlimmsten Flüchen. Wortlos entfernten wir uns. Als ich mir gerade das Essen aus dem Gesicht wischte, traf mich ein Klumpen Kartoffelbrei am Hinterkopf. Als Missionarin hat man es nicht immer leicht. Am liebsten wäre ich zurückgegangen, hätte mir den zierlichen Mann geschnappt und ihm laut und deutlich die Meinung gesagt. Doch ich ließ es.“

Dieser engagierten Missionarin möchte ich sagen: Liebes Kind, in Ihrer eigenen bescheidenen Weise sind Sie in den Kreis der herausragenden Männer und Frauen eingetreten, die, wie es der Prophet Jakob im Buch Mormon nennt, „[den Tod Christi] vor Augen [hatten] und sein Kreuz er[litten] und die Schande der Welt [trugen]“1.

Ja, über Jesus selbst schrieb Jakobs Bruder Nephi: „Und wegen ihres Übeltuns wird die Welt über ihn urteilen, er sei ein Nichts; darum geißeln sie ihn, und er erduldet es; und sie schlagen ihn, und er erduldet es. Ja, sie speien ihn an, und er erduldet es wegen seines liebevollen Wohlwollens und seiner Langmut gegenüber den Menschenkindern.“2

Vergleichbar mit dem, was dem Erlöser selbst widerfahren ist, gibt es eine lange Geschichte an Zurückweisung und einen schmerzhaft hohen Preis, den in jeder Generation die Propheten und Apostel, die Missionare und Mitglieder zahlen mussten, die sich gemäß Gottes Auftrag mühten, die Menschen auf den Weg zu führen, „der alles übersteigt“3.

„Und was soll ich noch aufzählen?“, fragt der Verfasser des Hebräerbriefs.

„Sie haben … Löwen den Rachen gestopft,

Feuersglut gelöscht; sie sind scharfen Schwertern entgangen; … sie sind im Krieg zu Helden geworden[,] haben feindliche Heere in die Flucht geschlagen[,]

haben ihre Toten durch Auferstehung zurückerhalten. Einige … ließen sich foltern …

Andere haben Spott und Schläge erduldet, … Ketten und Kerker.

Gesteinigt wurden sie, … zersägt, mit dem Schwert umgebracht; sie zogen in Schafspelzen und Ziegenfellen umher, Not leidend, bedrängt, misshandelt.

Sie, deren die Welt nicht wert war, irrten umher in Wüsten und Gebirgen, in den Höhlen und Schluchten des Landes.“4

Gewiss weinten die Engel im Himmel, als sie diesen Preis der Nachfolge Jesu in einer Welt, die den Geboten Gottes oftmals feindselig gegenübersteht, verzeichneten. Der Heiland selbst vergoss Tränen um all jene, die im Laufe der Jahrhunderte in seinem Dienst abgewiesen und umgebracht worden waren. Und jetzt sollte es auch ihm sehr bald so ergehen.

„Jerusalem, Jerusalem“, so seine klagenden Worte, „du tötest die Propheten und steinigst die Boten, die zu dir gesandt sind. Wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt; aber ihr habt nicht gewollt.

Darum wird euer Haus (von Gott) verlassen.“5

Darin liegt eine Botschaft für jeden Jungen Mann und jede Junge Dame in dieser Kirche. Ihr mögt euch fragen, ob es sich lohnt, in der Schule in moralischer Hinsicht mutig Stellung zu beziehen oder auf Mission zu gehen, nur damit eure tiefste Überzeugung verhöhnt wird, oder in der Gesellschaft gegen vieles anzukämpfen, was eine religiöse Lebensweise lächerlich aussehen lässt. Ja, es lohnt sich! Die Alternative ist nämlich, dass unser Haus von Gott verlassen wird – einzelne Menschen, ganze Familien, unsere Nachbarschaft ringsum und ganze Länder.

Dies ist also die Bürde derer, die berufen sind, die Botschaft des Messias weiterzutragen. Zu den schönen Aufgaben eines Jüngers gehört es, andere zu belehren, zu ermutigen und anzuspornen. Doch hin und wieder obliegt es dem gleichen Boten auch, sich zu sorgen, zu warnen oder einfach nur zu weinen – das sind die schmerzlichen Aufgaben eines Jüngers. Er weiß ganz genau, dass die Straße, über die man ins verheißene Land gelangt, wo „Milch und Honig fließen“6, unweigerlich über den Berg Sinai führt und mit dem „Du sollst“ und dem „Du sollst nicht“7 gepflastert ist.

Leider sind diejenigen, die von den Geboten künden, die Gott festgeschrieben hat, heutzutage oft kaum beliebter als in vergangenen Zeiten, wie mindestens zwei angespuckte und mit Kartoffelbrei besudelte Missionarinnen jetzt bestätigen können. Hass ist ein unschönes Wort, und dennoch gibt es auch heute solche, die mit dem verderbten Ahab sagen würden: „Ich hasse [den Propheten Micha]; denn er weissagt mir nie Gutes, sondern immer nur Schlimmes.“8 Diese Art Hass auf die Ehrlichkeit eines Propheten kostete Abinadi das Leben. Zu König Noa sagte er: „Weil ich euch die Wahrheit gesagt habe, seid ihr zornig auf mich. … Weil ich das Wort Gottes gesprochen habe, habt ihr über mich geurteilt, ich sei verrückt“9 oder – wie man hinzufügen könnte – provinziell, patriarchalisch, intolerant, unfreundlich, engstirnig, altmodisch und rückständig.

Es ist so, wie der Herr es gegenüber dem Propheten Jesaja selbst beklagt hat:

„[Diese] Söhne [hören nicht] auf die Weisung des Herrn …

Sie sagen zu den Sehern: Seht nichts!, und zu den Propheten: Erschaut für uns ja nicht, was wahr ist, sondern sagt, was uns schmeichelt, erschaut für uns das, was uns täuscht.

Weicht nur ab vom rechten Weg, verlasst den richtigen Pfad, lasst uns in Ruhe mit dem Heiligen Israels!“10

Traurigerweise, meine jungen Freunde, ist es ein Kennzeichen unserer Zeit, dass die Menschen, wenn sie denn überhaupt einen Gott wollen, sich einen wünschen, der nicht viel verlangt. Es muss ein bequemer und sanfter Gott sein, der sich aus allem heraushält, der uns den Kopf tätschelt, uns zum Kichern bringt und uns dann zum Spielen und Blumenpflücken schickt.11

So erschafft sich der Mensch also Gott in seinem Abbild! Manchmal – und darin scheint die größte Ironie zu liegen – berufen sich diese Leute auf den Namen Jesu und behaupten, er sei so ein „bequemer“ Gott gewesen. Ach wirklich? War er es nicht, der gesagt hat, dass wir die Gebote nicht nur nicht brechen, sondern noch nicht einmal daran denken sollen, sie zu brechen? Und wenn wir daran denken, sie zu brechen, haben wir sie im Herzen bereits gebrochen. Klingt das nach „bequemer“ Lehre, die den Ohren schmeichelt und beim nächsten Nachbarschaftsfest gut ankommt?

Und was ist mit denen, die nur einen Blick auf die Sünde erhaschen oder sie aus der Ferne berühren wollen? Jesus fand deutliche Worte: Wenn dich dein Auge zum Bösen verführt, reiß es aus! Wenn dich deine Hand zum Bösen verführt, hau sie ab!12 „Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert“13, warnte er all diejenigen, die dachten, er gebe nur gefällige Allgemeinplätze von sich. Da überrascht es nicht, dass die Leute Jesus nach seinen Predigten baten, „ihr Gebiet zu verlassen“14. Es überrascht auch nicht, dass nach jedem Wunder seine Macht nicht Gott zugeschrieben wurde, sondern dem Teufel.15 Es ist offenkundig, dass es auf die allseits bekannte Frage „Was würde Jesus tun?“ nicht immer eine populäre Antwort gibt.

Auf dem Höhepunkt seines irdischen Wirkens sagte Jesus: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe.“16 Um unmissverständlich klarzustellen, von welcher Art Liebe er sprach, sagte er: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“17 Und: „Wer … eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein.“18 Christliche Liebe ist das, was wir auf diesem Planeten am dringendsten brauchen, unter anderem deshalb, weil immer vorgesehen war, dass Rechtschaffenheit damit verbunden ist. Wenn nun also Liebe unsere Losung sein soll – und so muss es sein –, dann müssen wir auf Geheiß desjenigen, der die Liebe in Person ist, von der Übertretung lassen und dürfen sie auch nicht im Geringsten bei anderen befürworten. Jesus wusste genau, was viele in unserer modernen Kultur zu vergessen scheinen: Es besteht ein entscheidender Unterschied zwischen dem Gebot, Sünde zu vergeben (wozu er in unbegrenztem Maße imstande war), und der Warnung, sie zu dulden (was er nicht ein einziges Mal getan hat).

Meine Freunde – vor allem die jüngeren hier: Fasst Mut! Echte christliche Liebe, die wahrer Rechtschaffenheit entspringt, kann die Welt verändern. Ich bezeuge, dass das wahre und lebendige Evangelium Jesu Christi auf der Erde ist und dass wir seiner wahren und lebendigen Kirche angehören und versuchen, es weiterzugeben. Ich gebe Zeugnis von diesem Evangelium und dieser Kirche, insbesondere von den wiederhergestellten Schlüsseln des Priestertums, die den errettenden Verordnungen Macht und Wirksamkeit verleihen. Dass diese Schlüssel wiederhergestellt wurden und dass diese Verordnungen über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage erneut zugänglich sind, weiß ich mit größerer Gewissheit als dass ich hier vor euch an diesem Pult stehe und ihr vor mir in dieser Konferenz sitzt.

Seid stark. Lebt treu nach dem Evangelium, auch wenn andere um euch herum es überhaupt nicht tun. Verteidigt eure Überzeugung höflich und einfühlsam, aber verteidigt sie. Eine lange Reihe inspirierter Stimmen – darunter auch jene, die ihr bei dieser Konferenz vernehmt, und wie eben gerade die von Präsident Thomas S. Monson, – weist euch den Weg als Jünger Christi. Dieser Weg ist eng und er ist schmal und bietet an manchen Stellen nicht viel Spielraum. Man kann ihn aber gespannt und erfolgreich „mit Beständigkeit in Christus“ zurücklegen, „erfüllt vom vollkommenen Glanz der Hoffnung und von Liebe zu Gott und zu allen Menschen“19. Wer diesen Weg mutig beschreitet, schmiedet unerschütterlichen Glauben, findet Schutz vor tückischen Winden, die toben, ja, vor den Pfeilen im Wirbelsturm, und spürt die Kraft des Erlösers, die einem Fels gleicht. Wer darauf sein Leben als eifriger Jünger baut, kann nicht fallen.20 Im heiligen Namen Jesu Christi. Amen.