2000–2009
Die Macht eines starken Zeugnisses
Oktober 2001


Die Macht eines starken Zeugnisses

Diese Gabe wird in dem Maß größer, wie sie angewandt wird. Sowohl der Gebende als auch der Empfangende werden gesegnet. Die Liebe reinigt und heiligt nämlich alles, womit sie in Berührung kommt.

Ich bin sehr dankbar, daß ich heute mit Ihnen, den großartigen Frauen dieser Kirche, Zusammensein kann. Sie vertreten viele verschiedene Teile der Welt, viele Sprachen, Bräuche und Kulturkreise. Aber Ihre Rechtschaffenheit ist beständig und tiefgreifend. Ganz gleich, wann Sie sich dieser Kirche angeschlossen haben oder wo Sie die Versammlungen besuchen, Ihre Rechtschaffenheit wird in Ihrer Güte sichtbar. Ihr Tun, Ihr Beispiel spiegeln Ihre Liebe zu Gott wider.

In einem Rundfunkinterview wurde ich einmal gefragt: „Wenn Sie einen Wunsch für die Frauen äußern könnten, wie würde er lauten?” Ich antwortete: „Ich möchte, daß die Frauen wissen, wie gut sie sind. Ich möchte, daß sie spüren, wie wertvoll und gut sie sind.”

Jetzt, wo ich zu Ihnen spreche, muß ich an meine Mutter denken, die vor dreiundzwanzig Jahren gestorben ist. Wie viele von Ihnen habe auch ich von meiner Mutter viel gelernt. Sie lehrte mich, wie wichtig gute Sprache, gutes Benehmen, Reinlichkeit und Bildung sind. Sie war eine reizende Frau. Sie lehrte mich die Grundsätze des Evangeliums und die Wahrheiten des Reiches Gottes. Sie war ein Vorbild an großem Glauben, reicher Hoffnung und reiner Liebe.

Ich bezweifle, daß meine Mutter sich je vorgestellt hat, daß ihre Tochter aus dem kleinen Cardston in Kanada über Satellit zu Frauen auf der ganzen Welt sprechen würde, und daß ich über das sprechen würde, was ich zu Hause gelernt habe. So viele Jahre sind vergangen, seit wir beide zusammen waren, aber ich habe oft das Gefühl, als sei meine Mutter bei mir. Das, meine Schwestern, veranlaßt mich zu fragen, ob wir je die Auswirkung unseres Dienstes und unseres Einflusses ermessen können.

Seit ich in dieser Berufung diene, bete ich, der Herr möge mir helfen, das Herz der Frauen in seiner Kirche zu verstehen. Durch das Herz können wir Einfluß ausüben, denn es zählt und mißt jedes gütige Wort, jede gute Tat, jedes Mal, wenn wir einander aufrichten, loben, belehren oder ermuntern. Mir ist klargeworden, daß das Herz der Frauen in der FHV voller Liebe ist. Ich habe Beispiele in jedem Zweig, in jeder Gemeinde und in jedem Pfahl gesehen, die ich besucht habe; ich habe von der Güte der Frauen in dieser Kirche erfahren, und zwar in Briefen, die bezeugen: „Die Liebe hört niemals auf.”

Nächstenliebe ist die Arbeit des Herzens

Der Erretter hat gesagt, das wichtigste Gebot im Gesetz laute: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken.” (Matthäus 22:36,37.) Wenn wir den Herrn mit all unseren Gedanken, mit ganzer Seele und mit ganzem Herzen lieben, dann lieben wir auch unsere Mitmenschen. Und dann ist Nächstenliebe im Überfluß vorhanden.

Das ist für Sie nichts Neues, denn Tag für Tag tun Sie anderen Gutes - Ihrer Familie, Ihren Nachbarn, Ihren Schwestern und sogar Fremden. Was Sie tun, um anderen beizustehen und ihnen zu helfen, ist so sehr Teil Ihrer selbst geworden, daß Sie es in den meisten Fällen spontan, instinktiv und sofort tun.

Die meisten von Ihnen meinen, ich spräche von jemand anders. Sie sagen vielleicht: „Ich bin nichts Besonderes. Ich bin eine ganz gewöhnliche Frau.”

Ich würde dasselbe sagen: „Ich bin nur eine einfache Frau, die dieselben Freuden und Enttäuschungen erlebt wie jede andere Frau.” Manchmal sind die Enttäuschungen groß, und andererseits sind die Freuden schlicht, zum Beispiel wenn man eine gerade Zahl Socken aus dem Wäschetrockner holt. Wir alle bemühen uns um Freude und Frieden. Die Nächstenliebe gehört dabei zu den großartigsten Hilfsmitteln.

In den heiligen Schriften gibt es viele Beispiele von Frauen, deren tägliches Bemühen die Nächstenliebe widerspiegelt. Mit einem von reiner Christusliebe erfüllten Herzen taten sie schnell und nachhaltig, was nötig war.

Rebekka, die später Isaaks Frau und Jakobs und Esaus Mutter wurde, war so eine Frau. Während sie ihre täglichen Arbeiten verrichtete, war sie freundlich zu Abrahams Knecht, der mit dem wichtigen Auftrag, eine Frau für Isaak zu finden, in ihr Dorf gekommen war.

Der Herr kannte Rebekkas Herz; er wußte, sobald sie sah, daß etwas getan werden mußte, würde sie darauf eingehen. Er erhörte das Gebet des Knechts, die junge Frau, die Isaaks Frau werden sollte, möge ihm Wasser anbieten.

In Genesis lesen wir: „Rebekka [kam] mit dem Krug auf der Schulter” und stieg zur Quelle hinab. Sie kennen die Geschichte. Der Knecht bat sie um Wasser ganze Abstammungslinien hingen von ihrer Antwort ab.

Sie antwortete: „Trink nur, mein Herr!” Dann sagte sie noch: „Auch für deine Kamele will ich schöpfen, bis sie sich satt getrunken haben. Flink leerte sie ihren Krug an der Tränke und lief noch einmal an den Brunnen zum Schöpfen. So schöpfte sie für alle Kamele.” (Siehe Genesis 24:18-20.)

Dann brachte sie ihn ins Haus ihres Bruders Laban, und erst als er sich vorgestellt hatte, erfuhr sie, daß er der Knecht ihres Onkels war. Ihre liebevolle Antwort dem Fremden gegenüber war ihr selbstverständlich gewesen. Sie brauchte nicht erst festzustellen: „Jetzt leiste ich einen Dienst.” Sie zog auch nicht erst den Stand dessen in Betracht, der Hilfe brauchte. Flink schöpfte sie Wasser - für die Kamele.

Mit Achtung leistete sie einen einfachen Dienst, und durch diese Tat entstand eine Familie, die ganze Evangeliumszeiten beeinflussen sollte. Rebekka erwies Liebe, und zwar würdig und bereitwillig als Tochter Gottes. Bedenken Sie die Frage:

Wer kann die Auswirkung unserer Güte ermessen?

Von Rebekka lernen wir: Nächstenliebe wird zwar oft nur als Handlung gesehen, aber sie ist eigentlich die Herzensverfassung, die uns dazu bewegt, einander zu lieben. Sie bot Wasser an. In diesem Anerbieten kam ihre Nächstenliebe zum Ausdruck.

Vor kurzem erhielt ich einen Brief von einer Missionarin in Sibirien, der mir zeigte, wie eine kleine Gruppe russischer Schwestern diese aktive Form der Liebe pflegt. Schwester Okelberry schreibt:

„Ich schreibe Ihnen voller Stolz, daß die Frauen Sibiriens erfaßt haben, was die FHV eigentlich ist. Schwester Kappenkova, seit sechs Monaten Mitglied der Kirche, wird der schweren Berufung als FHV-Leiterin dieser nördlichsten Gruppe in Rußland gerecht. Sie und ihre Ratgeberinnen wissen, wie wichtig das Besuchslehren ist, und helfen den Schwestern, einander zu dienen und einander aufzubauen - und retten sie somit vor den Gefahren der Inaktivität. Sie lehren einander die köstlichen Evangeliumsgrundsätze und wertvollen Führungsfähigkeiten als Mutter, Ehefrau und Frau in der Kirche. Ihre Lebensumstände sind nicht einfach. Aber sie kennen und akzeptieren diese unsterblichen Worte:, Die Liebe hört niemals auf. Es war eine Ehre, diese Entwicklung mit eigenen Augen zu verfolgen.

Ich habe bis zum Ende meiner Mission nur noch eine kurze, kostbare Woche. Ich weiß, daß sich meine Schwestern in guten Händen befinden - sie kümmern sich umeinander.” (Brief von Michelle Okelberry, 31. Januar 1996.)

Alma hat betont, wie wichtig es ist, die Gottesliebe immer im Herzen zu haben (siehe Alma 13:29). Die Nächstenliebe ist diese Liebe. Nächstenliebe ist eine Geistesgabe, denn „alles, was gut ist, [kommt] von Gott” (Moroni 7:12). Und diese Gabe wird in dem Maß größer, wie sie angewandt wird. Sowohl der Gebende als auch der Empfangende werden gesegnet. Die Liebe reinigt und heiligt nämlich alles, womit sie in Berührung kommt, „und bei wem am letzten Tag gefunden wird, daß er sie besitzt, mit dem wird es wohl sein” (Moroni 7:47).

Die edelste Form der Nächstenliebe besteht darin, daß man etwas von sich selbst gibt und daß man erwiesene Nächstenliebe demütig annimmt. Präsident Spencer W. Kimball hat dies mit einem inspirierenden Beispiel veranschaulicht: „[Die] Gaben [des Erretters] waren seltener Art: Er schenkte den Blinden das Augenlicht, den Gehörlosen das Gehör und den Lahmen neue Kraft, den Aussätzigen Reinheit, den Kranken Gesundheit und den Leblosen neuen Lebensodem. Seine Gaben waren Vergebung für den zur Umkehr Bereiten, Hoffnung für den Verzweifelnden. Seine Freunde gaben ihm ein Dach, Speisen und Liebe, er gab ihnen sich selbst, seine Liebe, seinen Dienst und sein Leben. Die Sterndeuter brachten ihm Gold und Weihrauch, und er brachte ihnen und all ihren Mitmenschen Auferstehung, Errettung und ewiges Leben. Streben wir danach, so zu geben, wie er gab. Sich selbst zu geben ist eine heilige Gabe.” (Spencer W. Kimball, The Wondrous Gift, 1978, Seite 2.)

Ich habe darüber nachgedacht: „Sich selbst zu geben ist eine heilige Gabe.” -„Streben wir danach, so zu geben, wie er gegeben hat.” Welch weiser Rat! Wenn wir anderen unsere Zeit, unsere Energie, unser Engagement und unser Zeugnis geben, so geben wir uns selbst. Wir geben etwas Immaterielles, was man nicht bei jemandem an der Tür zurückläßt, was aber leicht im Herzen Platz hat.

So ist es mit der Güte. Nichts bringt den Geist des Herrn schneller in Ihre Versammlungen, in Ihre Familie und in Ihre persönlichen Beziehungen, als Güte zu erweisen. „Die Liebe ist … gütig.” (l Korinther 13:4.) Die Güte soll ganz oben auf jedermanns Aufgabenliste stehen. Notieren Sie sich für jeden Tag: „Sei gütig.” Güte hat viele verschiedene Erscheinungsformen. Seien Sie Ihren Nachbarn gegenüber aufmerksam. Seien Sie in einer Menschenmenge geduldig. Seien Sie Ihren Kindern und Ihrem Ehemann gegenüber rücksichtsvoll. Seien Sie Ihren Schwestern gegenüber ehrlich. Vertrauen Sie den Schwestern, dann werden die Schwestern Ihnen vertrauen. Gehen Sie auf sie zu, und bringen Sie sie in den großen Kreis der Schwestern, den wir FHV nennen. In dem Maß, wie wir an Güte zunehmen, fügen wir unserem Vorratshaus Nächstenliebe hinzu und werden gestärkt.

Eine Schwester, die nach Texas gezogen war, um ihre Ausbildung abzuschließen, und dann wieder umzog, schrieb mir diesen Sommer. Sie erzählte mir von ihren Erfahrungen mit den Schwestern in ihrer Gemeinde, ihrem schnellen Handeln, ihren hilfsbereiten Händen, ihrer Herzlichkeit und Güte. Aber nicht, was sie taten, veranlaßte sie, den Brief zu schreiben, sondern, warum. Sie liebten sie, und sie konnte es spüren. Als sie ihr halfen und ihre Gaben vermehrten, wurde auch sie in Liebe gestärkt. Hören Sie ihre Geschichte, sie steht auch für Sie und für Ihre stille Güte.

„Während ich diese Worte schreibe, sehe ich kaum den Computerbildschirm vor mir, denn Tränen der Dankbarkeit stehen mir in den Augen. Vom ersten Tag, an dem ich die Gemeinde Austin 4 besuchte, war ich gerührt von der Liebe und Fürsorge, die ich in der FHV verspürte. Diese Schwestern unterscheiden sich sehr von einander. Es sind neue Mitglieder da, Mitglieder, die von Geburt an in der Kirche sind, einheimische Texanerinnen und Zugereiste aus dem Westen der USA. Sie sind verheiratet, geschieden oder alleinstehend, die einen mit ausreichenden Mitteln, die anderen nur mit dem Nötigsten. Aber das scheint gar nicht wichtig zu sein.

Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wieviel Güte sie mir erwiesen haben. Es ist nichts Weltbewegendes, sondern eine Ansammlung von kleinen Segnungen. … Sie kamen vorbei, um meinen Hund auszuführen, … sie boten an, für mich zu nähen, … sie suchten für mich Umzugkartons … und schlössen mich in ihre Gebete ein. An diesem Sonntag gingen mir die Worte des Liedes Als Schwestern in Zion nicht aus dem Sinn. Ich möchte, daß Sie wissen:, Die Schwestern wollen sein Reich bauen mit all [ihren] Kräften und trösten und stärken nach seinem Geheiß’/’ (Brief von Katherine Boswell, 11. August 1996.)

Gibt es da noch Zweifel, daß die Frauen dieser Kirche rechtschaffenen Einfluß ausüben? In diesem Tabernakel, in Texas, in winzigen Zweigen, ausgedehnten Gemeinden und Pfählen auf der ganzen Welt klingt in unseren Bemühungen das Motto wider „Die Liebe hört niemals auf”. Welch eine Verheißung! Hier gehört und im Himmel verzeichnet - vergessen wir nicht, meine Schwestern: Dies ist unser Motto und unsere Botschaft an die Welt. Es geht nicht um das, was wir tun, sondern um das Herz, mit dem wir es tun.

Präsident Joseph F. Smith sagte von seinen Aufgaben in der Ersten Präsidentschaft: „Ich bin berufen, Gutes zu tun.”

(Collected Discourses of Joseph F. Smith, Hg. Brian H. Stuy, 5 Bde., 1992, 5:92.) So eine einfache, aufrichtige Aussage. Als Nachfolger Jesu Christi sind auch wir berufen, Gutes zu tun. Schwestern, Sie tun viel Gutes; Sie selbst sind so gut.

Ich möchte Schwester Belle Spafford, die ehemalige Präsidentin dieser großartigen Organisation, zitieren. „Die FHV steht erst an der Schwelle ihrer gottgegebenen Mission.” (History of Relief Society, 1966, Seite 140.)

Ich stimme damit überein. Schwestern, wir sind bereit, über diese Schwelle in eine neue Ära geistiger Gesinnung und des Lichts zu treten. Können wir in unserem täglichen Leben andere zu Jesus Christus bringen? Kann unser Glaube, unsere Hoffnung und Nächstenliebe die treibende Kraft eines bedeutenden Einflusses sein? Ja, auf jeden Fall.

Schwester Clyde hat beredt darüber gesprochen, daß wir in unserer Überzeugung standhaft und mutig sein müssen. Mit ihrem besonderen pädagogischen Talent hat uns Schwester Okazaki gezeigt, wie wir Hoffnung in Jesus Christus setzen können. Ich füge ihren Worten meine Überzeugung hinzu, daß wir in Liebe gestärkt werden. Alle Schwestern in dieser Kirche bitte ich, daß unsere Liebe zu Gott in unserer Bereitschaft, zu dienen und uns dienen zu lassen, zum Ausdruck kommt. Mögen wir zu Hause Fürsorge für andere, Opfern und Dienen lehren. Ich bete ernsthaft, daß wir andere an unseren Gaben Gottes teilhaben lassen, seien es nun unser Verstand, unsere Musik, unsere sportlichen Fähigkeiten, unsere Führungseigenschaften, unser Mitgefühl, unser Sinn für Humor, unser Urteilsvermögen, unser friedlicher Gesichtsausdruck, unser Durchhaltevermögen oder unsere Freude. Mögen wir mit liebevollem Herzen in diesen Letzten Tagen ein bemerkenswertes Werk verrichten. Dann können wir die Worte Jesu Christi zu Recht auf uns beziehen: „Zion, das ist:, die im Herzen rein sind.’” (LuB 97:21.)

Ich gebe Ihnen Zeugnis von den Wahrheiten, die heute abend verkündet worden sind, und ich bezeuge: Eine jede von Ihnen ist wichtig. Jesus Christus steht an der Spitze dieser Kirche; wir werden von einem Propheten Gottes geführt. Ich bin dankbar für diese Segnung und für die Priestertumsführer, die eifrig und wirksam für uns tätig sind. Auch sie erweisen Liebe und sind ihren Mitmenschen ein Segen. Ich verlasse Sie mit der Freude, die ich im Herzen für dieses herrliche Evangelium verspüre, und mit meiner Liebe für Sie alle. Im Namen Jesu Christi, amen.